Hmm es nun auch Zeit, euch mein "Forschungsprojekt" vom Vorjahr zu präsentieren: Die Risspilze (Inocybe). Da ich im letzten Jahr allerdings eine Art "Probelauf" gemacht habe, was das Fotografieren von Mikrostrukturen angeht, bin ich derzeit dabei, vieles zu überarbeiten, nun insbesondere unter Einbeziehung verschiedener Reagenzien (habt ihr sicher schon mitbekommen :D) sowie etwas mehr Erfahrung mit dem Nacharbeiten der Bildchen.
Naja, Risspilze, würden jetzt viele abwinken und sagen, das sind eh nur kleine braune Pilze, die giftig sind und sowieso völlig uninteressant und "ach hau ab mit dem sch...".
Andere dafür zu begeistern, dürfte also sehr schwer fallen. Ein Versuch ist es trotzdem wert
Also, fangen wir an mit der systematischen Position der Risspilze. Sie befinden sich noch gar nicht allzu lange in einer eigenen Familie, der Inocybaceae. Diese wiederum ist der Agaricales, also den Champignonartigen, untergestellt. Zu den Risspilzverwandten zählen auch die Stummelfüßchen (Crepidotus), die Schnitzlinge (Simocybe) sowie die Trompetenschnitzlinge (Tubaria). Mehr oder weniger nahe verwandt sind auch die Schleierlinge (Cortinarius), die zu den Cortinariaceae, also den Schleierlingsartigen zählen, sowie die Fälblinge (Hebeloma), die sich neuerdings bei den Strophariaceae, den Träuschlingsartigen wiederfinden. Ziemlich unübersichtlich, also fassen wir mal zusammen:
Agaricales
-----Strophariaceae (Träuschlingsverwandte)
----------Hebeloma (Fälblinge)
-----Inocybaceae (Risspilzverwandte)
----------Crepidotus (Stummelfüßchen)
----------Inocybe (Risspilze)
----------Simocybe (Schnitzlinge)
----------Tubaria (Trompetenschnitzlinge)
-----Cortinariaceae (Schleierlingsverwandte)
----------Cortinarius (Schleierlinge)
Die Risspilze sind in Mitteleuropa vertreten durch mindestens 150 verschiedene Arten, davon sind die meisten aufgrund ihres mehr oder weniger hohen Muscaringehalts giftig. Muscarin ist ein Nervengift, es wirkt auf den Herz-Kreislauf und kann im schlimmsten Fall zu Herzstillstand und Kreislaufkollaps führen. Hier soll allerdings keine Panikmache vonstatten gehen, denn die oft kleinen Pilze müsste man schon in rauen Mengen vorfinden und essen, bevor es zu solch katastrophalen Ereignissen kommt. Da man bekanntlich alles stehenlassen sollte, was man nicht kennt, das gilt erst recht für kleine braune Pilze, besteht bei Berücksichtigung dieser Regel eigentlich keine Gefahr. Zu beachten ist wohl die Verwechslungsgefahr des Ziegelroten Risspilz (Inocybe patouillardii) mit dem Maipilz (Calocybe gambosa). Gehen wir aber lieber zu den Merkmalen eines Risspilzes über.
Die meisten Arten der Gattung sind klein bis mittelgroß, nur selten erreicht der Hut einen Durchmesser von über 60 mm, von oben meist in braun, graubraun, violettbraun, weiß oder strohfarben (selten mit grünlichem Anteil => Inocybe corydalina, Inocybe haemacta! googlen), reißt er vom Rand her typisch radial ein, im Extremfall bis zur Hutmitte. Das liegt daran, dass die Hyphen des Hutes strikt von der Mitte bis zum Rand verlaufen, sodass schon bei geringer Trockenheit oder Spannung (der Hut breitet sich aus) der Hutrand einreißt. Aufgrund des radialen Verlaufs der Hyphen sind viele Risspilzhüte radialfaserig. Die Lamellen sind nicht frei, sondern unterschiedlich deutlich angewachsen, meistens aufsteigend und dann gerade am Stiel angeheftet (siehe Querschnittfoto unten!). Im jungen Zustand sind die Lamellen relativ hell, manche blass grauweißlich, blassbraun, erst durch die braunen Sporen werden auch die Lamellen braun. Der Stiel ist hat mehrere gute Bestimmungsmerkmale. Erstens: Die Risspilze haben im jungen Zustand ein mehr oder weniger deutlich vorhandenes Velum. Dieses kann in seltenen Fällen am Hutrand haften bleiben, meistens verbleiben aber Spuren davon am Stiel. Hier besteht eine Verwechslungsgefahr mit Gürtelfüßen (Cortinarius, U-Gatt. Telamonia), bei denen dieses Merkmal kräftiger ausgebildet ist! Zweitens: Der Stiel kann zylindrisch, aber auch deutlich knollig, ja sogar abgesetzt knollig (ähnlich wie beim Gelben Knollenblätterpilz) sein. Für die Bestimmung eines Risspilzes ist es erforderlich, den kompletten Fruchtkörper zu betrachten, mitsamt der Stielbasis. Rausreißen würde hier eventuell dazu führen, dass solche Merkmale im Boden verbleiben. Zuletzt sei hier noch die Färbung des Stiels erwähnt, diese kann vor allem im jungen Zustand an der Stielspitze violett sein, ein Merkmal, das bei alten Fruchtkörpern durch herabfallende, braune Sporen oft nicht mehr erkennbar ist. Also: Fruchtkörper unterschiedlichen Alters anschauen!
Der Geruch eines Risspilzes ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Bei vielen Arten ist dieser spermatisch, bei einigen deutlich differenziert (Birnenkompott, Bittermandel, süßlich-chemisch usw.). Hier ist also unbedingt drauf zu achten!
Bei der Vielzahl an kleinen braunen Pilzen ist es unerlässlich, das Mikroskop zu nutzen. Hier erkennt man deutlich zwei unterschiedliche Sporentypen: Es gibt einerseits die glattsporigen Arten (=Untergattung Inocibium) und andererseits die höckerigsporigen Arten (= Untergattung Inocybe). Beim ersten Blick unter das Mikro dürfte dieser klare Unterschied sofort auffallen, es erleichtert die Bestimmung ungemein. Wichtig zu beachten ist das Vorhandensein von Zystiden. Wie wir bei den Dachpilzen gelernt haben, gibt es Cheilo-, Pleuro- und Kaulozystiden. Pileozystiden sind bei Risspilzen meines Wissens selten oder nicht vorhanden. Ein Merkmal der Zystiden ist ihr Kristallschopf. Es ist von Bedeutung festzustellen, ob dieser vorhanden ist oder ob die Zystiden einfach und dünnwandig sind.
Die Standorte der Risspilze sind Laub- und Nadelwälder, Böschungen, Straßen- und Wegränder sowie vereinzelt auch Wiesen sowie Zwergstrauchheiden bis hinauf in alpine Regionen. Es handelt sich durchweg um Mykorrhizapartner unterschiedlicher Baumtypen. Im Prinzip tragen sie somit dazu bei, dass die Bäume besser wachsen können (wie alle Mykorrhizapilze).
In der Literatur werdet ihr sicherlich auf den einen oder anderen, als "essbar" bezeichneten Risspilz stoßen (meistens Inocybe adaequata oder Inocybe cookei). Meines Erachtens sollte man aber die Finger davon lassen und sie einfach nur betrachten oder bewundern
1. Grauvioletter Risspilz
Inocybe griseolilacina J.E. Lange 1917
Beschreibung: Hut 10-40 mm breit, lange konisch-glockig, im Alter mehr oder weniger halbkugelig bis ausgebreitet, fein radialfaserig, etwas silbrig glänzend, haselnussbraun. Lamellen aufsteigend angeheftet, jung mit feinem Violetthauch, dann braun. Stiel zylindrisch, bis 50 (60) mm lang, auf ganzer Länge auffallend blassviolett, violettbraun, dadurch der ganze Fruchtkörper zweifarbig, zur Basis hin heller bis weißlich. Im Querschnitt fällt die dicke, violette Hyphenschicht auf, die auf der Stieloberfläche liegt. Diese zieht sich bis über die Lamellen (s. Foto 2). Geruch schwach spermatisch. Sporen 8,5-10x5-6 µm, elliptisch-mandelförmig, manchmal mit etwas verjüngtem Ende, dickwandig, glatt, braun. Basidien 30-35x7-9 µm, 4sporig. Cheilo- und Pleurozystiden 40-70x13-20 µm, Pleurozystiden meist etwas schlanker und länger, dickwandig, mit großem Kristallschopf an der Spitze, relativ zahlreich. Kaulozystiden keine vorhanden, dafür aber herausragende Hyphenenden an der Stielspitze (siehe Foto 5).
Fundort: 14.09.2011, Vossenack-Germeter (Nordeifel, NRW), an Wegrand bei Fagus (Buche), vermutlich an einer kalkhaltigen Stelle, gesellig wachsend.
Verbreitung: selten (2 Nachweise).
Bemerkung: Dieser Risspilz ist anhand seiner Zweifarbigkeit schon in der Natur gut anzusprechen. Er passt auch mikroskopisch sehr gut zu den Beschreibungen in der Literatur. Auffallend ist, dass es keine Querschnittfotos gibt, denn die violette Hyphenschicht ist recht anschaulich.
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Dieser Beitrag wird bei weiteren Risspilzstudien fortgesetzt. Er dient als Nachschlagebeitrag zum Vergleichen von Risspilzfunden.
lg björn