Braune Bären gesichtet! --> Lentinellus ursinus (sensu Gröger) + ZWEITFUND

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 5.442 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von coindigger.

  • Hallo,


    gestern, im Wald - da war eine komische Stimmung.
    Links hinter dem Hügel - nicht allzuweit weg - da wurde geschossen, rechts in der Nähe fielen die große Buchen im Minutentakt ... und ich kam querwaldein dazwischen.
    Und eigentlich war nur "frische Luft" zu finden und (na ja fast) keine interessanten Pilze, zumindest NICHTS, was frisch gewachsen wäre.
    Schon machte ich mich auf den Heimweg - aber da an dem liegenden Holz lohnt es sich vielleicht, nochmal einen Blick riskieren - und was sehe ich :


    Einige trockene braune, stark behaarte Seitlinge mit stark gesägten Lamellen (Erstfund),
    Richtung Lentinus/ Lentinellus war klar - aber dann ...


    in meinen "Bilderbüchern" war nicht viel zu finden (doch, im Parey), im Web landet man schnell bei Lentinellus ursinus (Filziger Zähling, Geschichteter Zähling, der "Bär") und stösst gleichzeitig auf die Probleme der Abgrenzung zu Lentinellus castoreus ("Biber", meist an Nadelholz) - ob das nun eine eigene Art ist oder nicht und dann gibt es noch so ähnlich, aber rötlicher und weniger behaart und runzlig, Lentinellus vulpinus ("Fuchs").
    http://forum.dgfm-ev.de/board1…nus-castoreus-verwirrung/


    Fundort: Hochrhein, 400 m, liegendes teilentrindetes Buchentotholz, beginnender Zerfall des Holzes, Begleitpilz cf. Schizopora
    mehrere Fruchtkörper, teilweise dachziegelig wachsend, max 3-5 cm breit, vollständig filzig-braun behaart
    (lt. Beschreibung sollte der Rand heller und kahl sein, das ist hier anders - vom Alter? von der Trockenheit?),
    der Rand war stark umgebogen
    nur rudimentärer Stiel
    Lamellen cremefarben bis bräunlich, sehr stark gesägt, untergemischt
    Fruchtfleisch zweischichtig: oberhalb der Lamellen hell, darüber eine Schicht dicker und braun-filzig
    Geruch vor Ort: wg. Trockenheit nicht feststellbar
    Einen Pilz habe ich über Nacht angefeuchtet und aussporen lassen: weißes Sporenpulver, amyloid
    Geruch angefeuchtet: intensiv "pilzig"
    Geschmack angefeuchtet: intensiv "pilzig", dann etwas bitter, dann leicht schärflich, aber nicht unangenehm, eher pikant-aromatisch-mentholisch, also wie ein "Hustenbonbon mit Pilzgeschmack"


    Von der Art gibt es noch gar keine Fotos im Forum? So selten? Oder übersehen?
    Vergleichsbilder:
    http://tintling.com/pilzbuch/a…/Lentinellus_ursinus.html
    http://www.pilzepilze.de/cgi-b…0.pl?noframes;read=192257
    http://www.hlasek.com/lentinellus_ursinus.html


    a

    b

    c

    d

    e

    f

    g

    h

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    Tatsächlich, so rum war das?
    Lentinellus castoreus an nadelholz und Lentinellus ursinus an laubholz?
    In dem Fall müsste ich bei mir was umbenennen. Nur leider bin ich da immer kritisch, wenn das Substrat als einziges verlässliches merkmal angegeben ist. In solchen Fällen will ich dann immer gleich ein paar Bäumchen sehen, also Gensequenz - Bäumchen, aus denen hervorgeht, daß Funde an dem einen Substrat immer eine bestimmte Sequenz haben und an einem anderen Substrat immer eine andere bestimmte Sequenz.
    Oder es kommen halt noch ein oder zwei Merkmale dazu, die eine Unterscheidung erlauben.
    Und damit meine ich schon konstante merkmale, die dann auch korrelieren. Ist mir völlig wurschd ob makro- oder mikroskopisch. Nur halt kein: "In den meisten Fällen büschelig und mit Tropfen und nur bei 20% der Funde einzeln und ohne Tropfen".
    Weil das wäre ja zu Unterscheidungszwecken völlig irrelevant und beschreibt lediglich die Variationsbreite einer Art. Und wenn die sich halt mit der Variationsbreite einer anderen weitestgehend überschneidet, dann muss man eben tiefer gehen, sequenzieren und wenn da tatsächlich zwei deutlich verschiedene DNS - Sequenzen drinstecken weiter dran arbeiten, wo die morphologischen trennmerkmale liegen können.



    LG; pablo.

  • Hallo Pablo,
    danke für deine Überlegungen .... mir ist auch nicht so ganz klar geworden, wodurch die sich exakt unterscheiden, bzw. woran das z.Zeit überwiegend festgemacht wird. Jedenfalls in Indexfungorum und Mycobank sind es zwei gute Arten.


    Meine Frage ist ja eigentlich, ob ich mich "weit aus dem Fenster lehne", wenn ich den Pilz Lentinellus ursinus tituliere (ohne cf.) oder meinetwegen auch mit cf.


    Hier sind auch noch mal schöne Beispiele (von Rudi Markones):
    http://www.pilzseite.de/Pilzga…llus/ursinus/FrameSet.htm


    Witzig ist dagegen schon,dass Mr. Mushroomexpert ganz und gar nichts "Bäriges" an seinen Exemplaren fand (die müssen dann wohl ziemlich glatt und hell gewesen sein), denn meine Pilze erinnern schon an (alte, langgeknuddelte) Teddybären ;).
    http://www.mushroomexpert.com/lentinellus_ursinus.html


    Ich habe auch noch mal nachgeschaut, was denn der dt. Name "Geschichteter Zähling" bedeuten soll (Schichtung der Einzelpilze am Substrat) oder (wie ich hoffe) eine deutlich erkennbare Zweischichtigkeit der Fruchtschicht (was bei meinen Exemplaren gut sichtbar ist.)


    Hier auf der österr. Seite wird das jedenfalls so gedeutet.
    http://www.natur.vulkanland.at/arten/339


    Das wäre dann (vielleicht) auch ein Unterscheidungsmerkmal zu den ähnlichen Zählingen?
    So oft werden leider keine Schnittbilder gezeigt.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    Das hier:


    Habe ich im Frühjahr als Lentinellus castoreus bestimmt.
    Gefolgt bin ich da wenn ich mich richtig erinnere Funga Nordica (und GPBWs), wo eben die Amyloidität der Lamellentrama eine Rolel spielte. Hier war die Huttrama noch wesentlich amyloider als die Lamellentrama.
    Substrat ist indet. Laubholz (vermutlich Eiche oder Hainbuche).
    Wie man sieht sind das Mumien. In dem Fall überwinterte Fruchtkörper. Was da noch an Sporen zu vermessen war, kann nicht als repräsentativ angesehen werden, ebensowenig die Überreste an Zystiden, die ich gefunden habe. Da sollen sich aber eh kaum Hinweise versteckt halten.


    Die Bestimmung von mir muss nicht richtig sein. Ist es aber wohl spätestens dann, wenn es sich tatsächlich nur uim eine Art handelt.
    Ich kann es nicht auflösen.
    Etwas Sinnvolles und Erhellendes kann ich erst schreiben, wenn sich da noch ein paar Funde einstellen, so daß ich den Pilz auch mal im Frischzustand und nicht als "Naturexsikat" untersuchen kann.



    LG, Pablo.

  • Hi,


    was immer dabei heraus kommen mag, ob Bär oder Biber, der Fund ist auf jeden Fall ein wirklich schöner und Du hast ihn toll illustriert :thumbup:


    Wenn ich Deine Beiträge lese, wie tief Du gleich ins Thema einsteigst, zig Links präsentierst, bin ich immer über diesen unermüdlichen Einsatz beeindruckt.
    Das muss ich jetzt mal loswerden :)

  • Hallo Kuschel,
    danke für die lobenden Worte (auch bei meiner vorletzten "Zusammenstellung" - die hatte ich da nicht kommentiert, SCHLAMPEREI! ;) )


    Hallo Pablo,
    ja wahrscheinlich hat das Substrat nicht so viel Bedeutung, denn auf der Ehinger Pilzseite (darum geht es in der Diskussion im dgfm-Forum) gibt es einen "Bären", der wuchs auf Nadelholz (zumindest ist der Pilz als L. ursinus so auf der Seite nun verzeichnet).


    Bei deinem Pilz (obwohl an Laubholz) sieht man ja auch, dass die Trama da NICHT zweischichtig ist.
    Ich hatte auch die Amyloidität überprüft (aber das erste Mal überhaupt ... ich weiß nicht, ob ich alles richtig gemacht habe). Der Sporenpulverabdruck hat sich sofort dunkel (violett o.ä.) verfärbt.
    Am Fruchtkörper habe ich auschließlich die Lamellentrama mit Melzer betupft, es sind sofort die Lamellenschneiden und ein bisschen die unteren Lamellenflächen dunkel geworden.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    bei meinem Fund ist das schwer zu beurteilen: Das, was bei dir die obere Schicht ist (dicker, brauner Bärenfilz) fehlt bei meinem Fund. Das kann aber auch daran liegen, daß die sich im Laufe des Winters einfach abgewaschen hat. Da war nur nahe der Ansatzstelle noch ein Rest einer braunen Filzschicht, die kaum einen halben Millimeter dick war.
    Bei so einer Mumie wie meiner hat möglicherweise kaum noch Aussagekraft.
    Hast du deinen mal mit Melzer / Lugol / anderen Jodlösungen getestet?



    LG, pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Muss auch glaube ich nicht: Lamellentrama ist wichtiger, wenn ich das richtig verstanden habe.
    Ich habe halt einfach den ganzen Querschnitt einmal durchs Melzer gezogen und war phasziniert, wie stark das vor allem im Hutfleisch war.
    Mikroskopisch lässt es sich auch darstellen, aber wie bei Boleten geht es eben auch makroskopisch über die Masse der gefärbten Hyphen.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pilzfreunde,


    es gibt einen Zweitfund zu vermelden. :)
    An einem liegenden schon recht morschen Buchenstamm (Hochrhein, 500 m, zur Zeit bis auf morgendliches Nebelnässen wieder überwiegend Sonnenschein ... und es gibt vertrocknete Mini-Austern und zwergenhafte Samtfußrüblinge ....)
    fand ich diese Pilze, die sich wiederum als Lentinellus ursinus entpuppen (meine ich jedenfalls).


    Diesmal, weil feucht, sogar typicher:
    sehr dichtes, dachziegeliges Wachstum,
    Farben sehr unterschiedlich von hellbraun bis dunkelbraun
    unterschiedlich haarig-filzig, je älter, desto haariger
    deutlich abgesetzter hellerer Rand, dort nicht behaart,
    dieser Rand biegt sich beim Trocknen nach innen.


    Im Schnitt sieht man zwei Schichten, oben dunkler Filz, darunter einer helle Schicht.
    Mit Melzers Reagens färben sich die Lamellenschneiden und die helle Schicht sofort ein, die Lamellenschneide etwas verzögert.
    Die dunkle Schicht färbt sich scheinbar auch ein, nach Abtrocknen sieht sie aber relativ unverändert aus.


    Scheint ein Jahr für diesen Pilz zu sein - zumindest bei mir, weil ich den in den Vorjahren (obwohl auch im Winter im Wald - baumstämmewälzend) noch nie gesehen habe.


    a

    b

    c

    d

    e

    f

    • Offizieller Beitrag

    Moin, Abeja!


    Das heißt also, die Amylonreaktion der Lamellentrama als trennmerkmal fällt auch weg?
    Wäre ja schade. Was bliebe dann überhaupt noch als Trennmerkmal zwischen L. ursinus und L. vulpinus? :/



    LG, Pablo.


  • Hallo Pablo,
    weiß ich nicht :D - in dem obersten Link (aus dem Forum dgfm) wird ja auch über die Unterscheidungsmerkmale spekuliert (und jeder Autor beurteilt die anders), jedenfalls wurde da schon die Vermutung geäußert, dass das amyloide Verhalten der Trama auch vom Alter, von den Wachstumbedingungen etc. abhängen könnte.
    Ich nenne meine Pilze jedenfalls Lentinellus cf. ursinus, weil sie an Laubholz vorkommen und sie rein makroskopisch gut passen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    Dann müsste man es wohl so machen, daß man sich einen Autor aussucht und dessen Artkonzept folgt. So könntest du bei deinem Fund einfach den Zusatz sensu Gröger hinschreiben. Dann ist klar, welchem Autor du gefolgt bist. Und an der Bestimmung gibt es dann nichts zu rütteln.
    Ich muss auch sagen, daß mir das Konzept irgendwie am Schlüssigesten erscheint. Das Trennen nach Größenspektrum der Fruchtkörper lehne ich im Grunde genauso ab wie eine trennung nach Erscheinungszeit. Das funktioniert in den meisten Fällen einfach nicht. Und nach Substrat zu trennen wiederstrebt mir immer. Das kann mE höchstens ein Hilfsmerkmal sein. Auch wenn es ein paar Arten gibt, wo es nicht anders geht, weil es einfach keine morphologischen Kriterien gibt. Einige Phellinus - Arten sind solche Grenzfälle.
    Aber dann will ich wenigstens mal ein paar DNA - Bäumchen sehen oder ein paar "cultural studies", wo dann auch die Möglichkeit der Hybridisierung ausgeschlossen wird.


    Das wäre hier wohl auch mal sehr hilfreich. Schade, daß bislang niemand das Angebot der DGfM angenommen hat, sich da unterstützen zu lassen. Die Schwierigkeit ist aber in so einem Bereich auch die Seltenheit der einzelnen Arten. Da dauert es einfach recht lange, an genügend Belege zu kommen, um halbwegs vernünftige und verlässliche Sequenzierungsreihen durchzuführen.
    Sinnvoll aber ist: Deinen Fund aufheben, trocknen und irgendwo dokumentieren / kartieren.
    Das "sensu Gröger" kann man da in den meisten Fällen als Anmerkung notieren.



    LG, Pablo.

  • Hallo,
    dann verwahre ich die mal gut (beide Proben noch mal auf der Heizung nachgetrocknet, gefrostet (gegen Mitbewohner) und nochmals getrocknet.)
    So manches "Gepilz", was ich einfach nur mal so aufbewahrt hatte (Porlinge vor allem) sind inzwischen zernagt und zerfallen ...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    Oh, das kenne ich auch. Passiert aber zum Glück nicht bei allen Pilzen. Einen ziemlich großen fruchtkörper von Phellinus alni habe ich seit zwei Jahren einfach offen rumliegen (der passt nirgendwo rein) und da verändert sich nichts dran. keine Tierchen, kein Zerfall.
    Bei den weicheren muss das meist schon so sein, wie du schreibst: Trocknen, schockgefrieren und eventuell noch mal nachtrocknen. Ansonsten sind die irgendwann weg. Vor allem Trametes pubescens löst sich schnell auf.



    LG, pablo.

  • Hallo liebe Spezialisten!


    Kramer ich doch den hier mal raus, weil ich hoffe, es passt.
    Auf einer meiner Winterpilztouren, gerade Austern sammelnd, entdecke ich weitere nette Gruppen dunkler Seitlinge und freue mich schon... zu früh.


    Folgende dunkelbraune, sehr, sehr zähe aber gut riechende Freunde mit charakteristisch gesägten Lamellen haben mich abgelenkt:





    Ich denke hier an Lentinellus.
    Den Bildern nach zu urteilen vulpinus - oder doch nicht - oder ist das ggf. auch heute noch (nahezu) mit ursinus identisch?


    beste Grüße,
    Tom

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Tom!


    Lentinelllus vulpinus ist schon was Anderes als Lentinellus ursinus und Lentinellus castoreus. Wie man nun L. castoreus und L. ursinus morphologisch trennen soll, ist mir persönlich nach wie vor unklar, jedenfalls konnte ich das anhand eigener Funde nie wirklich nachvollziehen.
    L. vulpinus ist halt dann erstmal schwierig abzugrenzen, wenn L. ursinus / castoreus ziemlich stark verkahlt ist (Hutfilz weg), so wie bei deinem Fund. Der gehört jedenfalls meiner Ansicht nach viel eher zu castoreus / ursinus als zu vulpinus.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo!


    Ganz lieben Dank für deine Unterstützung.
    Wenn man den Fuchs in Sachen Fell definiert, bin ich bei Dir.
    In den letzten Stunden habe ich hier und da mal wieder Artikel in 123 oder im DGfM-Forum gelesen... und festgestellt... dass die Frage nach Klarheit schon so einige Hobbyforscher umtreibt. Auch den Ansatz, dass s ich eine Art, je nach Erschließung unterschiedlichen Substrats different entwickeln kann (Geschmack, Färbung, Größe...) fand ich einleuchtend.
    Anscheinenend hat jmd. in Science sogar sequenziert, aber der Artikel war erst mal nicht ohne weiteres abrufbar. Ich merke mir jedenfalls mal die auch von Dir vorgeschlagene 1:2 Aren-Differenzierung und bleibe am Ball, wenn mir wieder was über den Weg läuft.


    beste Grüße,
    Tom