Ein oranger Schleimpilz und seine Entwicklung -> Tubifera ferruginosa

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 61.323 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Guten Abend,


    vor Kurzem hatte ich im Thread " "Bedeutende Bilder ohne Bedeutung" oder "Unsere anonymen Schleimer" [Endlosreihe]" im Beitrag 29 >LINK< einen orangen Schleimpilz vorgestellt, einschließlich einem Nachtrag 2 Tage später. Inzwischen war ich fast jeden zweiten Tag vor Ort, habe die Entwicklung dokumentiert. Da die Menge an Fotos den obigen Thread sprengen würde, fange ich noch mal neu an.


    Fundort: Mittelhessen, nördlicher Vogelsberg, ca 300 m hoch gelegen, kleiner pilzreicher Laubwaldbereich (nix essbares, aber sonst :thumbup: :thumbup: ), die Fichten wurden gefällt. Hier das ist vermutlich ein Abschnitt von einem Fichtenstamm.


    Im Originalbeitrag hatte ich eine Artvermutung angestellt, aber das stelle ich jetzt zurück.


    Was ich als hellbraun bezeichne ist evtl. "fleischfarben" im Sinn von Fleisch vom Schweinebraten :/ ?


    Beginn der Geschichte:


    27. April


    (1) Übersicht.


    (2) Detail. Erinnert an Fischeier. Konsistenz: erstaunlich dünner Schleim, aber Fäden blieben am Finger hängen.


    29. April


    (3) Die damals gelborangen Fruchtkörper sind jetzt braun. Es habe sich neue, orange Fruchtkörper gebildet.


    (4) Die linke Gruppe aus der Nähe. Konsistenz sowohl von orangen als auch braunen Fruchtkörpern: elastisch wie bei einer Spanischen Wegschnecke, die man wegträgt, aber gar nicht schleimig.


    1. Mai


    (5) Die Fruchtkörper vom 27. April sind jetzt schwarz, die am 29. April neuen haben in etwa Brombeerfarbe, aber es haben sich neue gebildet: orange und ein in der Entwicklung noch jüngerer in Gelborange


    (6) Ich habe an zwei Fruchtkörpern eine Probe abgeschnitten:


    (7) Hier die abgeschnittenen Teile. Beim dunkleren sieht man, dass die Teilfruchtkörper weitgehend getrent bleiben.


    (8) Um eine Vorstellung von der Größe der Fruchtkörper zu geben:


    (9) Und bei den kleinen vom ersten Tag entdecke ich (leider erst heute, am 6. Mai) auf dem Foto noch einen anderen Schleimpilz, zwischen den Fruchtkörpern und dem Schneckengehäuse!


    2. Mai
    (10) Die Verfärbungen gehen weiter. Die Fruchtkörper, die am 27. April schon da waren, werden braun, aus orange wird braunorange


    (11) Beerenobst :P


    (12) Ganz rechts, auf derselben Seite des Stamms, bilden sich zwei neue kleine Fruchtkörper


    4. Mai


    (13) Aus den Winzlingen sind nach zwei Tagen schon normale Fruchtkörper geworden.


    (14) Die braunen Fruchtkörper stäuben bei Berührung, die schwarzen nicht.


    (15) Die neuen orangen Fruchtkörper bekommen auch Zuwachs. Sie sind jetzt auch fest.


    6. Mai


    (16) Der neueste Stand. Die hellbraunen Fruchtkörper stäuben immer noch, die anderen nicht.


    (17) Der im roten Zustand angeschnittene hat das anscheinend nicht vertragen.


    (18) Die neuesten beiden auf der rechten Seite der Stamm-Schnittfläche.


    Soweit der Bericht für die Zeit vom 27. April bis 6. Mai. Die Entwicklung von Schleimpilzen kann sich doch länger hinziehen, wie ich auch schon an einer anderen Stelle gesehen hatte. Ich werden den Baumstamm mit den Schleimpilzen weiter beobachten. Mal schauen, wie die Entwicklung weitergeht.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar,


    schick und spannend so etwas.
    Vor allem die Farben und die scheinbare "Reinheit", die unsere Natur bei der Verwertung von grauem und schmutzigem "Abfall" daraus produziert.
    8|


    Und... ich habe jetzt eine Ahnung, woraus die billigen Tuben Kaviarersatz der Supermärkte hergestellt werden...
    :nana:


    beste Grüße,
    Tom

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Danke für deine Arbeit! :thumbup:
    Da warte ich mal gespannt, ob von den Auskennern eine Auflösung erfolgen kann. Interessiert mich ja besonders wegen meinem Fund von gestern.



    LG, Pablo.

  • Hallo Lothar,
    bin gerade erst aus dem Urlaub zurück. Habe in Süd-Frankreich nach nivicolen Myxomyceten geschaut und natürlich auch Urlaub gemacht.
    Deine Entwicklungsgeschichte des Schleimis hast Du schon toll dokumentiert. :thumbup::thumbup:
    Ich war erst etwas irritiert, denn den Myxo den ich vermutete: Tubifera ferriginosa (jetzt auch Tubulifera arachnoidea) habe ich bisher nur mehr lachsrosa im unreifem Zustand gesehen. Aber die reifen Fruchtkörper lassen kein anderes Ergebnis zu. Reif ist Tubifera f. dann braun. Wenn man mikroskopiert sind die Sporen netzig.
    Tubifera kommt gern an Nadelholz, aber auch an Birke.
    LG Ulla

  • Hallo Ulla,
    vielen Dank für die Artbestimmung.


    Hier noch mal die Namen, die ich gefunden habe (ohne die älteren bei Species fungorum):


    Tubifera ferruginosa (Batsch) J.F. Gmel., in Linnaeus, K. svenska Vetensk-Akad. Handl. 2: 1472 (1791)


    Tubulifera arachnoidea Jacq., Miscell. austriac. 1: 144 (1778)


    Tubifera ferruginea (im Internet zu finden, in keiner Synonymenliste)


    Lachsfarbener Schleimpilz


    Fischeierschleimpilz


    Red raspberry slime mold


    Das hat Spass gemacht. :)


    Viele Grüße
    Lothar

  • Guten Abend,
    das Leben auf dem Schleimpilz-Standort geht weiter. Hier sind die nächsten Bilder. Die letzten Bilder waren vom 6. Mai.


    8. Mai 2014
    (19) Die orangen Fruchtkörper (rechte Hälfe) vom vorigen Mal wurden dunkler, der angeschnittene, zuletzt schwarze Fruchtkörper auf der linken Hälfte ist jetzt braun und damit reif.


    (20) Die beiden größeren auf der rechten Seite haben sich noch etwas verändert





    14. Mai
    In der letzten Woche war es oft sehr kühl und generell regnerisch


    (21) In der rechten Hälfte haben sich zwei neue, orange, Fruchtkörper gebildet.


    (22) In der linken Hälfte sind jetzt alle reif, bis auf den unten links. Bei Berührung geben jetzt alle Sporenstaub ab.


    (23) Die orangen Fruchtkörper vom 8. Mai (Bild 20) haben eine völlig uneinheitliche Oberfläche


    (24) Die neuen orangen Fruchtkörper sehen "normal" aus.


    Fazit: nach und nach wurden alle Fruchtkörper reif. Bei einigen hat das länger gedauert, z.B. bei den angeschnittenen Exemplaren. Andere entwickeln sich (in sich) nicht einheitlich, z.B. in Bild (23).


    Wenn sich wieder was tut, melde ich mich. Ich staune, wie lange die Fruchtkörper bestehen bleiben und stauben, und wie lange sich neue Fruchtkörper bilden.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo,
    inzwischen ist wieder einige Zeit vergangen. Ich fasse die weitere Entwicklung zusammen:


    17. Mai 2014
    (25) Im linken Bereich sind jetzt alle braun.


    24. Mai 2014
    (26) Die Oberfläche hat sich aufgelöst, die Sporenmasse liegt frei, aber fällt auf Grund der inneren Struktur nicht einfach hinunter.
    Es sind auch zwei Insekten (Käfer?) zu sehen.


    (27) Blick von oben auf dieselben Fruchtkörper


    (28) Im rechten Bereich der Schnittfläche habe ich keine Fruchtkörper mehr gesehen. Aber auf dem Foto habe ich die Ursache entdeckt. Über die schwachen Reste verlaufen Schneckenspuren.


    So, das war die Entwicklung vom 27. April bis zum 24. Mai, also fast einen Monat. Es war für mich wirklich interessant, und, wie ich gelesen habe, für Euch auch.


    Viele Grüße
    Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Tolle Doku, dankeschön!
    Was mich dabei überrascht ist, wie dauerhaft diese Fruchtkörper eigentlich sind. Sie wirken oft so fragil und kurzlebig, aber vielleicht ist das auch bei der Art auf eine längere Verweildauer ausgelegt, als bei anderen Arten.



    LG, Pablo.