Hallo und guten Abend,
hiermit möchte ich nun meine kleine Beitragsserie beginnen: Einführung in die Mikrosopie, Kapitel 1.
"Einführung" hört sich schon so an, als ob ich jetzt ein hochwissenschaftliches Thema zu Tage bringe, dass die Gesichtsausdrücke aller Leser sofort entgleisen lässt, sobald das erste Fachwort auftaucht. Aber wozu gibt es Weichen? Die könnten solche Entgleisungen verhindern, indem jedes noch so komplizierte Fachwort an den Mann und an die Frau gebracht wird, sodass jeder etwas davon hat. Schließlich will ich nicht nur hübchen und Rada hier unterhalten (hübchen mit der Wissenschaft, Rada mit meinen humoristischen Einlagen).
Jetzt könnte man sich fragen: was bezwecke ich eigentlich damit, gerade ein solches Thema auszusuchen? Was ist überhaupt ein "Thema"? Dazu bringe ich mal eine kurze Definition des Wortes aus dem Bereich der Musik ein: "Ein Thema ist ein charakteristischer, in sich geschlossener oder offener musikalischer Gedanke, der sich aus Motiven und ihrer Weiterspinnung ergibt (...)" [1]. Soso, irgendwas hat mich wohl motiviert und ihr alle seid jetzt dazu verdammt, meine motivierten Gedanken weiterzuspinnen. Hört sich verrückt an oder? Nichts anderes aber soll es heißen, ich breite hier eine Thematik aus und ihr könnt Fragen stellen, wo immer ihr wollt, Anregungen, Ergänzungen, Verbesserungen und dergleichen. Und diese Thematik befasst sich mit dem Mikroskopieren von Pilzen (Fungi).
Damit das Ganze aber nicht völlig unübersichtlich wird, habe ich mir gedacht, euch einen einfachen Einstieg in die Wissenschaft zu geben, indem ich mit den Sporen anfange, von dem sicher jeder von euch schonmal mindestens einmal was gehört hat. Da ich hier aber stets von einer gewissen Bodenständigkeit ausgehen darf und himmlische Winde vom Boden aus nicht bemerkt werden, werde ich natürlich auch umfassend und hoffentlich verständlich erklären, WAS Sporen eigentlich sind und wie sie entstehen. So gesehen ist das doch ein recht komplizierter biologischer Prozess, der einer Erläuterung bedarf. Die ganz genauen biologischen Abläufe könnt ihr natürlich auch in Fachbüchern, auf Wikipedia oder in Lexika nachlesen, ich verweise am Ende der Beiträge gerne auf weiterführende Literatur, wer sich da richtig reinknien will (aber macht euch nicht die Knie kaputt).
Bevor ich aber zu den eigentlichen Sporenmerkmalen komme, die übrigens z.T. sehr wichtig sind für die Einordnung in eine Gattung, erkläre ich hier prägnant die Art und Weise, wie ich mikroskopiere. Ich behaupte nicht, dass meine Methoden Standard sind, ihr könnt nach dem Erlernen der Grundzüge praktisch alles ausprobieren, ihr entdeckt sicherlich die eine oder andere Methode, mit der ihr noch besser mikroskopieren könnt und das Ergebnis noch präziser ist. Dazu erläutere ich auch die ganzen Materialien, die für das Mikroskopieren notwendig oder zumindest hilfreich sind. Auch wenn ihr diverse Chemikalien nicht haben solltest, mikroskopieren könnt ihr trotzdem.
Kommen wir aber nun erstmal zur Übersicht der Materialien, die ihr benötigt:
1. Mikroskop
2. Objektträger
3. Deckgläschen
4. Messokular + Objektmikrometer
5. Leitungsasser / destilliertes Wasser
6. Ölimmersion
7. Rasierklingen
8. Mikroskopierbesteck, eventuell feine Nadeln
9. Taschentücher
10. Radiergummi
11. bedeutende Chemikalien: Lugol, Melzer, Kongorot, Baumwoll-Lactophenol, KOH (20%)
12. weitere Chemikalien: Karminessigsäure, Phloxin usw.
[zu 1]Also, dass ihr ein Mikroskop zum mikroskopieren braucht, brauche ich keinem von euch zu erklären. Ihr könnt euch da im Internet über die verschiedenen Modelle informieren, verweise da immer gerne auf die Schwarzwälder Pilzlehrschau [2], weil ich mein Mikroskop dort 2004 erstanden habe (ich glaub für 699€). Mir wurde immer gesagt, für unter 1000€ kriegt man kein richtig gutes Mikroskop mit entsprechender Optik, aber ich denke mal, dass ich mit meinem Modell hier gut bedient bin. Mittlerweile gibt es ja neuere Modelle, die sicherlich noch etwas besser sind. Müsst ihr einfach selbst mal gucken.
[zu 2]Objektträger gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, die Standardgröße beträgt 76x26 mm. Solche Objektträger sind insbesondere bei verschiedenen Internetshops relativ leicht zu bekommen. Ich beziehe mein gesamtes Material normalerweise von Andreas Gminder (Mykoshop) [3].
[zu 3]Deckgläschen sind kleine 22x22 mm große, sehr flache "Glasscheiben", welche so auf den Objektträger gelegt werden, dass sich das Objekt genau zwischen Objektträger und Deckgläschen befindet. Das Deckgläschen verhindert somit bei Einsatz von Wasser eine gebogene Wasseroberfläche, welche beim Blick durch das Mikroskop unweigerlich zu Lichtbrechungseffekten aufgrund der konvexen Tropfenoberfläche führen würde.
[zu 4]Ein Messokular und ein Objektmikrometer sind Werkzeuge zur Eichung eures Mikroskops. Wenn ihr ein Objekt durch das Mikroskop betrachtet, so wird es euch sicherlich interessieren, welche Ausmaße das Objekt hat. Also müsst ihr einen Weg finden, diese Ausmaße zu messen. Das gelingt nur mit einem Messokular. Es handelt sich um ein gewöhnliches Okular, welches jedoch auf der Linse eine Skala zeigt, mit der ihr erstmal Abstände anhand von Strichen messen könnt. Damit daraus aber ein Schuh wird, braucht ihr zur Eichung ein Objektmikrometer. Das Objektmikrometer ist ein normaler Objektträger, auf dem eine winzige Skala eingraviert ist, die 1 mm lang und in 100 Teilstriche eingeteilt ist. Das bedeutet: der Abstand zwischen zwei Teilstrichen beträgt 10 µm. Ihr müsst zur Eichung also nichts anderes tun als das Objektmikrometer durch das Messokular zu betrachten. Die beiden Skalen übereinander gelegt, und ihr könnt relativ schnell erkennen, wieviel nun beispielsweise 10 Striche auf eurem Messokular sind. [hier: 10 Striche = 40 µm bei 400facher Vergrößerung!]
[zu 5]Zum Thema Leitungswasser: Ihr könnt prinzipiell ganz normales Wasser aus der Leitung benutzen. Wer es ganz genau nimmt und jeglichen Schmutz oder diverse Kleinstlebewesen ausschließen möchte, der kann sich auch destilliertes Wasser kaufen und dieses benutzen. Ich denke allerdings, dass dies nicht sonderlich lohnenswert ist, denn z.B. befinden sich bei mir im Leitungswasser fast keine toten oder lebenden Objekte.
Mikroskopieren funktioniert grundsätzlich auch unter KOH (3%, 20%). Dies ist allerdings in einigen Fällen nicht hilfreich, falls durch das KOH wichtige Bestandteile der Oberfläche sich ablösen oder gar auflösen. Insofern ist normales H2O das Medium, in dem ihr euer erstes Präparat tauchen solltet, damit könnt ihr sicher gehen, dass auch wirklich nichts kaputt geht oder sich irgendwas verändert. Eventuell ist dann ein zweites Präparat notwendig, welches dann in KOH gemacht werden kann, um beispielsweise bestimmte Merkmale besser zu erkennen oder Reaktionen hervorzurufen, deren Existenz ein Bestimmungsmerkmal sein kann.
[zu 6] Ölimmersion ist eine ölige Substanz, welches vor allem bei Vergrößerungen über 1000fach zwischen Deckgläschen und Objektiv aufgetragen wird. Nun fragt man sich vielleicht: Warum das ganze? Theoretisch könnte man bei 1000fach auch ohne Ölimmersion mikroskopieren. Problem nur: man würde nur die Hälfte dessen sehen, was man mit Ölimmersion sehen würde, und dazu wäre es auch noch wesentlich undeutlicher. Solche unliebsamen Effekte sind, wie nicht anders zu erwarten, physikalisch zu erklären. Jedes Objektiv hat einen gewissen Öffnungswinkel, der eine bestimmte Menge an Licht einfängt. Je mehr Licht aufgefangen werden kann, desto klarer wird das Bild und desto mehr Merkmale sind zu erkennen. Für ein Objektiv bezeichnet man diese Auflösung als "numerische Apertur" (NA). Die numerische Apertur kann anhand des Brechungsindex n des Immersionsmediums (das kann Ölimmersion sein, aber auch Luft oder ein Glycerin) sowie dem Sinus des Akzeptanzwinkels (das ist der Winkel zwischen dem Objektpunkt auf der optischen Achse und dem Durchmesser der Eintrittspupille), sodass folgende Formel zustande kommt:
NA = n * sin α
Mit entsprechender mathematischer Logik könnte man also genau bestimmen, welches Medium perfekt ist für die detaillierte Darstellung von Merkmalen in > 1000facher Vergrößerung. Auch über die Menge des Mediums lassen sich entsprechende Rückschlüsse ziehen. Damit das nicht alles zu physikalisch wird, zurück zur Praxis. Die Ölimmersion lenkt die von einem Objekt kommenden Lichtstrahlen wesentlich konzentrierter in das Objektiv, als dies Luft tun würde (auch aufgrund des geringeren Brechungsindex von Luft (= 1)). Ergo der Sinn von Ölimmersion geklärt sein dürfte (hoffe ich ). Hier noch ein Foto zur Übersicht [Quelle: wikipedia [4]]:
ZitatAlles anzeigenErläuterung:
1. Wasser
2. Objektträger (unten), Deckgläschen (oben)
3. Objektiv
4. Immersionsmedium, halbseitig
schwarze Pfeile: Lichtstrahlen, vom Objekt (rot) kommend
gestrichelte Linie: optische Achse
[zu 7/8]Mikroskopierbesteck und Rasierklingen könnt ihr auch im Internet in z.T. handlichen Mappen bekommen. Es besteht grundsätzlich aus einer Rasierklinge mit Griff, einer Pinzette, Nadel, einer kleinen Schere usw. Ihr könnt ja selbst mal schauen, was es da so alles gibt. Prinzipiell sind das alles nützliche Werkzeuge, die das Mikroskopieren merklich erleichtern können, z.B. wenn ihr das Deckgläschen ganz leicht verschieben wollt, einen winzigen Tropfen Wasser hinzugeben wollt weil das Präparat mal wieder vor dem Austrocknen steht usw.
[zu 9]Taschentücher könnt ihr besonders dann gebrauchen, wenn ihr ein Quetschpräparat machen wollt. Insbesondere bei einer etwas großzügig hinzugefügten Menge Wasser quillt selbiges an den Rändern des Deckgläschens im schlimmsten Fall derart empor, dass es sich plötzlich AUF diesem befindet. Welche Brechungseffekte dies ergibt, könnt ihr anhand der obigen Formel selbst errechnen. Also immer auch Taschentücher bereit halten, diese braucht ihr sowieso wenn ihr fertig seid, damit Deckgläschen und Objektträger bestenfalls nochmals benutzt werden können (ja ich weiß, die meisten würden jetzt aufschreien und sagen, dass das Deckgläschen nach Benutzung weggeschmissen wird, aber ich rationiere eben gerne und verwende trotz großer Deckgläschenkapazität jedes Deckgläschen solange, bis es irgendwann aus Versehen durchbricht).
[zu 10/11]Es gibt verschiedene Chemikalien, die ihr fürs Mikroskopieren benötigt. Dazu gehören insbesondere Lugol, Melzer, Kongorot und Baumwollblau / Baumwoll-Lactophenol. Was das ganz genau alles ist, könnt ihr in einem Chemiebuch gerne nachlesen. Ich breite das jetzt aus Gründen der Übersicht nicht alles aus. Ich glaube nämlich dass der physikalische Exkurs oben schon genug war
Was ihr genau mit Lugol, Melzer usw. machen könnt und wo diese Chemikalien zum Einsatz kommen, werde ich an den entsprechenden Stellen erläutern. Dort folgt dann auch eine kurze Erklärung, warum gerade dieser Effekt zustande kommt.
Baumwollblau / Baumwoll-Lactophenol
Kongorot
Lugol (eigentlich blassgelbliche, iodhaltige Substanz, deshalb die Braunfärbung auf dem Taschentuch)
Mikroskopierkasten, Marke Eigenbau (ich weiß, viel Gerümpel drin :D)
So hier mache ich jetzt doch mal Schluss, bzw. ne Pause und lasse das erstmal sacken, bevor ich hier in die Materie gehe Wenn ihr hierzu schonmal Fragen habt, stellt sie gerne.
lg björn
[hr]
Quellen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Thema_(Musik)
[2] Schwarzwälder Pilzlehrschau