Heraushebeln vs. Abschneiden

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 6.480 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Gerd.

  • Hallo zusammen,


    beim Klicken auf "Pilze sammeln" (Homepage) bin ich auf das Thema gestossen, dass ich nachfolgend doch etwas differenzierter kommentieren möchte:


    Pilze richtig sammeln


    Abschneiden oder Herausdrehen?


    Zitat

    Ob Pilze abgeschnitten oder herausgedreht werden sollen –“ darüber streitet sich die Fachwelt.


    Diese Aussage ist m.E. veraltet:


    - Ja, die Fachwelt hat darüber lange Jahre gestritten. Doch zwischenzeitlich ist man sich längst einig, dass es völlig gleichgültig ist, ob man bei der Fruchtkörperentnahme die Pilze –žabschneidet–œ oder –ždrehend heraushebelt–œ.


    Und dies wurde auch durch Langzeitstudien bestätigt.
    ---> Vergleiche:
    Egli, S.; Ayer, F.; Chatelain, F. (1990): Der Einfluss des Pilzsammelns auf die Pilzflora. Zwischenergebnisse einer Untersuchung im Pilzreservat –œLa Chanéaz", Montagny-les-Monts, FR.; Mycologia Helvetica 3(4):417-428


    Egli, S.; Peter, M.; et al. (2005): Mushroom picking does not impair future harvests - result of a long-term study in Switzerland; ELSEVIER, Biological Conservation xxx:1-6
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    PRO und Kontra:


    Zuerst einmal etwas Hintergrundinformation:


    - Das Myzel (Pilzgeflecht) bildet, bevor es zur Fruchtkörperbildung kommt, Fruchtkörperanlagen (Primordien = Initialknötchen, aus denen letztendlich unter günstigen Bedingungen Fruchtkörper gebildet werden) aus. Und auch unter optimalen Bedingungen werden nur aus einem geringer Anteil dieser Primordien auch Fruchtkörper gebildet.
    ---> Dies dürfte einleuchten, da dass Myzel nur eine gegrenzte Energie zur Fruchtkörperbildung bereitstellen kann. Anders ausgedrückt: Die Fruchtkörpermasse, die gebildet werden kann ist gegrenzt.
    ---> Klar sollte deshalb auch sein, warum eine Fruchtkörperentnahme die Bildung neuer Fruchtkörper anregt. Ganz einfach: Durch die Entnahme von noch nicht ausgereiften Fruchtkörper steht überschüssige Energie zur Verfügung mit der weitere Primordien zur Fruchtkörperbildung angeregt werden.


    - Man kann dieses Verhalten (der Vergleich hinkt) evtl. mit einem Baum vergleichen, bei dem auch nur aus einem geringen Anteil von Augen neue Triebe gebildet werden. Die Triebbildung kann angeregt werden durch Schnitt.
    - Auch was die Gesamtmasse an Fruchtkörpern angeht, so hängt die von der Assimilationsleistung des Baumes ab. Es werden entweder viele kleine Fruchtkörper oder weniger große Fruchtkörper gebildet. Und wenn man einen Teil der Blüten entfernt, so gibt es halt weniger, aber dafür größere Fruchtkörper.
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    Die Gegner des Abschneidens argumentierten damit, dass der abgeschnittene Stielrest fault und das Myzel schädigt:


    ---> Dies kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, da auch in einem stark begangenem Gebiet eh der größte Anteil der Fruchtkörper übersehen wird und vergammelt. Für mich unvorstellbar, dass sich Pilze im Laufe der Evolution immer noch durch überständige, verfaulende Fruchtkörper schädigen lassen.


    Die Gegner des Heraushebeln argumentieren, dass durch das Heraushebeln das Pilzmyzel trockengelegt und Primordien mit dem Heraushebeln entfernt werden:
    ---> Argumente, die man eher nachvollziehen kann, zumal man beobachten kann, dass mit der Entnahme gelegentlich auch Fruchtkörperanlagen oder Fruchtkörperwinzlinge entnommen werden. Doch, wenn man sich die Gesamtfläche des Myzels im Verhältnis zu den durch Heraushebeln entstandenen Löchern oder die Gesamtzahl der Primordien vorstellt, dann ist dies wohl auch keine nachvollziehbare Argumentation.


    Mein Fazit:
    Bei der Fruchtkörperentnahme halte ich es so:
    (1) Bei Herbarmaterial oder Pilzen, die ich bestimmen möchte, benötigt man vollständige Fruchtkörper.
    ---> Heraushebeln ist angesagt. Und wenn es große Fruchtkörper sind, bei denen der Stiel sogar tief im Boden steckt, dann wird das Loch zugedrückt.


    (2) Bei Sammeln sicher bekannter Arten für den Kochtopf empfehle ich Abschneiden.
    ---> Das erspart eine Menge Putzarbeit.
    (3) Beim Sammeln von Speisepilzen (!?), die man einem Pilzberater oder Pilzkenner zur Begutachtung vorlegen möchte, ist Heraushebeln angesagt, damit der komplette Fruchtkörper begutachtet werden kann.
    ---> Und dies insbesondere deshalb, damit der Pilzbegutachter evtl. auf Trennmerkmale der Stielbasis hinweisen kann.
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    Zitat

    Ich gehöre zu den Leuten, die Ihre Pilze herausdrehen. Begründung: wenn man einen Pilz abschneidet, verfault der zurück gebliebene Teil und kann das Myzel töten.
    Warum steht z. B. auf Champignon Zuchtsets –žPilze herausdrehen, auf keinen Fall abschneiden!–œ?
    Bitte beachten Sie beim Herausdrehen der Pilze, dass Sie das entstandene Loch wieder verschließen. Wenn Sie das nicht machen, war alles umsonst. Sicherlich wird das Myzel beim Herausdrehen beschädigt, aber genau dies soll nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen das Wachstum neuer Fruchtkörper anregen.


    - Da kann ich nur auf meine obigen Kommentare verweisen.
    ---> Bei dem Heraushebeln (nützt nichts) gibt es nur zusätzliche Putzarbeit.


    Grüße
    Gerd

  • Hallo Gerd,


    möglicherweise ist die Anfälligkeit für Kontaminationen in freier Natur nicht so hoch, wie die bei der Pilzzucht zu Hause. Durch das Zurücklassen von Stielresten hat schon so mancher sein "Substrat" entsorgen können.



    Grüße, Alex

    Eine Onlinebestimmung ist keine Essfreigabe! Diese gibt's nur beim Pilzberater!


    Ansonsten frohes sammeln ;)

  • Hallo Alex,


    Zitat von freeze


    möglicherweise ist die Anfälligkeit für Kontaminationen in freier Natur nicht so hoch, wie die bei der Pilzzucht zu Hause. Durch das Zurücklassen von Stielresten hat schon so mancher sein "Substrat" entsorgen können.


    Ja das kann sein. Liegt evtl. daran, dass der Hobby-Züchter sein Substrat meist in schlecht belüfteten "Kellerräumen" aufbewahrt oder sein Substrat zu feucht ist.


    - Kultursubstrat ist anfällig und soweit mir bekannt ist, haben gelegentlich sogar Profizüchter ein Problem mit Kontamination durch Schimmel, Konkurrenzpilze etc.


    Grüße, Gerd


    PS.:


    Übrigens, den EGLI et al.-Bericht kann man sich als PDF-Datei runterladen:
    Nicht gefunden - WSL