Inocybe Nr. 2

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 3.565 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Ditte.

  • Hallo zusammen,


    und hier die Nr. 2 der letzten Tour:


    Die Daten:


    Fundort: Grasig-moosiger, gemähter Straßenrand. Unter Birken und Fichten, wie üblich.
    Größe: bis 4,6cm Hutdurchmesser und 6,5cm Gesamthöhe.
    Stiel: nur oben bereift, Stiel unten geknickt, Stielbasis nicht knollig.
    Geruch: Nicht spermatisch, eher nach altem Urin. Allerdings hatten beide Exemplare schon jeweils eine gebräunte, madige Stelle am Hut, wodurch der Gammelgeruch auch zustande kommen könnte.
    Sporen: sehr unterschiedlich groß, 7-11,5 x 5-7 µm.
    Nur Cheilozystiden vorhanden, Kaulozystiden ziemlich schlank und lang.



    Vor allem mit so unterschiedlichen Sporen fand ich da bisher keine passende Art.


    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Matthias,


    das sollte was aus der I. rimosa/I. fastigiata-Ecke sein. In den Großpilzen sind beide "Arten" synonymisiert. Zumindest sind für den Artenkomplex die die sehr große Sporengrößenvariation typisch.


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Servus Matthias,


    das ist wohl einer aus dem großen unbekannten Verwandtschaftskreis von Inocybe rimosa (Kegeliger Risspilz). Dünnwandige Cheilozystiden und fehlende Pleurozystiden sind typisch, nur der angegebene Geruch passt nicht. Da könntest Du recht haben mit dem "angegammelten".


    Gruß


    Helmut

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Wenn die Sporen nur bis 11 µm groß sind, ist das doch schon etwas klein für Inocybe fastigiata s.l., oder?
    Ich finde die Rimosae ja größtenteils schon verblüffend komplex, aber täte da nicht eventuell auch >obsoleta< passen? Oder sind die Hutfarben dazu schon zu dunkel?



    LG, Pablo.

  • Hallo Matthias, du hast mich um meine Meinung gebeten, hier ist sie: Also das ist keine Inocybe aus der rimosa-Gruppe und auch nicht obsoleta, obwohl dein Einwand mit der Sporengröße, lieber Pablo, durchaus gut überlegt war. (Es gibt allerdings mindestens eine var. aus der rimosa-Gruppe, die so kleine Sporen hat, die sieht aber anders aus und hat völlig andere Zystiden). Aber für diese Gruppe passen hier u.a. die Zystiden nicht - und zwei Details, die du sehr schön notiert hast, Matthias: nämlich der seltsame Geruch und diese rotbräunlichen Stellen auf dem Hut und an der Stielbasis.



    Es handelt sich bei deinem Fund - sehr sicher - um Inocybe adaequata. Da passt alles: der seltsame Geruch, der von Stangl bei manchen Kollektionen als "muffig" bezeichnet wird, diese rotbräunlichen Stellen, der gebogene Stiel (denn die sind oft verbogen), die Sporengröße, und die Zystiden. Die haben oft so seltsame Füllungen wie man sie bei dir und bei meinem Foto unten sieht und sind oft septiert, was ebenfalls zu sehen ist. Die Caulos sind lang.
    Ich füge mal ein Foto einer Kollektion ein, die ähnliche Fruchtkörper zeigt (besonders den rechten liegenden). Die Hutfarbe ist sehr unterschiedlich bei adaequata. Diese Kollektion, die man auf dem Foto sieht, ist sequenziert und eine ganz sichere adaequata.






    Du machst schöne Dokus und gute Fotos, Matthias, daher lässt sich diese Inocybe bestimmen, auch ohne, dass ich sie mir selbst anschauen muss.



    Herzliche Grüße in die Runde, Ditte
    PS Keine Einwände gegen I. langei...

  • Hallo Matthias, du hast mich um meine Meinung gebeten, hier ist sie: Also das ist nach meinem Dafürhalten keine Inocybe aus der rimosa-Gruppe und auch nicht obsoleta, obwohl dein Einwand mit der Sporengröße, lieber Pablo, durchaus gut überlegt war. (Es gibt allerdings mindestens eine var. aus der rimosa-Gruppe, die recht kleine Sporen hat, die sieht aber anders aus und hat völlig andere Zystiden). Aber für diese Gruppe passen hier u.a. die Zystiden nicht (Länge und Form und siehe unten) - und zwei Details, die du sehr schön notiert hast, Matthias: nämlich der seltsame Geruch und diese rotbräunlichen, um nicht zu sagen rötlichen Stellen auf dem Hut und an der Stielbasis.


    Es handelt sich also meiner festen Ansicht nach um Inocybe adaequata. Da passt einschließlich von Standort und Jahreszeit alles: der seltsame Geruch, der von Stangl bei manchen Kollektionen als "muffig" bezeichnet wird, diese rötlich-bräunlichen Stellen - zu sehen auch an der Verletzung am Hut, siehe Bildausschnitt unten - der gebogene Stiel (denn die sind oft verbogen), Sporen und Zystiden. Die Zystiden haben oft solche Inhalte, vor allem am oberen Ende, wie man sie bei dir und bei meinem Foto unten sieht und sind oft septiert, was ebenfalls zu sehen ist. Die Caulos sind lang. Die Sporen von adaequata können sehr unterschiedlich in Form und Länge sein.


    Ich füge mal ein Foto einer Kollektion ein, die ähnliche Fruchtkörper zeigt (besonders den rechten liegenden). Die Hutfarbe ist sehr unterschiedlich bei adaequata. Wenn man die im Netz eingibt, sieht man die Bandbreite - auch wenn nicht alle unter diesem Namen laufenden Fotos sie auch tatsächlich ist. Meine hier gezeigte Kollektion jedenfalls ist sequenziert und eine ganz sichere adaequata.




    Hier die Verletzung am Hut vergrößert, ich hatte leider nicht die große Auflösung des Fotos, aber man sieht es auch so.




    Du machst schöne Dokus und gute aussagekräftige Fotos, Matthias.


    Schöne Mittagspausengrüße in die Runde, Ditte


    PS Keine Einwände gegen I. langei...

  • Hallo Ditte,
    schöne Darlegungen zu diesem Pilz. So ist selbst für mich als völligen Risspilzlaien die Einordnung nachvollziehbar.
    Viele Grüsse.
    Thomas

    AUCH VON MIR KEINE ESSENSFREIGABE. EINE BESTIMMUNG IST OHNE JEDE GARANTIE.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr lieben, besonders Ditte,


    I. adaequata also. 8| 8| 8| Ditte das ist ganz großes Kino. :thumbup: Ich hätte den nie als adaequata erkannt. :(


    Wenn ich einen Hut hätte, würde ich ihn glatt für dich ziehen Ditte. :thumbup:


    So genug gelobhudelt. ;)


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Hallo Ditte,


    Wow, vielen herzlichen Dank für die ausführlich Erklärung und natürlich die Bestimmung. :thumbup:
    Ich hab schon wieder den nächsten Risspilz am Start (auch ohne Pleuros), muss mich aber erst wieder um einen Fund aus dem eigenen Garten kümmern.


    Besonders Deine ausführlichen Erklärungen machen die für mich eigentlich größtenteils unbestimmbaren Inocyben doch sehr interessant. Dieter ist natürlich auch nicht ganz unschuldig, dass mir Rissis immer mehr Spaß machen. Jedenfalls werde ich mir diese hochspannende Gattung dieses Jahr in jedem Fall sehr viel genauer anschauen als ursprünglich geplant.


    Hier hab ich nochmal den obigen Bildausschnitt in größer:



    Zitat von Ditte

    Du machst schöne Dokus und gute aussagekräftige Fotos, Matthias.


     
    Danke, ist zwar ziemlich aufwändig, aber es lohnt sich auf jeden Fall. So nebenbei: Obige Doku ist etwa die 160. so ausführliche Dokumentation, die ich dieses Jahr von allen Pilzgruppen zusammen gemacht habe. Bloß komme ich arbeitsbedingt leider kaum dazu hier viel im Forum zu zeigen.



    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Mreul ()

  • Servus,


    da muss ich mich dem Lob anschließen. I. adaequata kenne ich schon sehr lange, aber da wäre ich nicht drauf gekommen. So habe ich die Art noch nicht gesehen. Das bisserl Rot hatte ich nicht erkannt. Eine Sache ist mir allerdings noch nicht klar: Der Unterschied zwischen adaequata und jurana. Welche hat nun die großen Sporen und welche die kleinen? Oder ist das doch variabler? Ich komme noch aus der "guten alten Zeit", wo kein Zweifel bestand, dass es sich bei den beiden Namen um nur eine Art handelt. Selbst bei Ferrari (2006) war das noch so.


    Gruß


    Helmut

  • Grüß dich, Helmut, also ich würde das ja genau anders herum sagen :) : Du - und ich übrigens ja auch - kommen nicht aus der "guten alten Zeit", sondern aus der "schlechten mittelneuen Zeit", wo sehr viele Arten, die in der guten alten Zeit wunderbare separate Arten waren, zusammengelegt worden sind.


    Aber man muss ja nicht immer alles glauben, nicht wahr, was in den Büchern steht! Ich denke (und das hat sich ja wunderbar bestätigt bei unserem Projekt), dass man einfach kritischer sein muss, nach dem Prinzip von Konrad Lorenz, dass "man überhaupt nichts meinen soll, wenn die Möglichkeit besteht, nachzusehen, wie es sich verhält".


    Also, im Klartext: Sprechen mindestens drei gewichtige Merkmale gegen die Zuordnung zu einer bestimmten Art, sollte man Argwohn schöpfen und die betreffende Kollektion vorläufig anders benennen und nachforschen, was es da an Nachbararten gibt, die eingemeindet wurden. Und dann natürlich mit den Erstbeschreibungen vergleichen. Das ist das, was ich bei unserem Projekt permanent mache.


    Als mir die jurana (wie ich sie nenne) über den Weg lief (oder besser ich ihr), sah sie makroskopisch schon ganz anders aus als die adaequatas, die ich gefunden hatte, und mikroskopisch wies sie sich durch gleichmäßig kleine Sporen aus, und die Zystiden sind auch nicht identisch mit denen von adaequata. In der Originalbeschreibung steht bei der Sporengröße 10x6. Das passt also. Die DNA-Analyse bestätigte dann, dass es zwei Arten sind.
    Das also dazu, ich hänge an Sporenfoto der jurana an, man sieht, wie hübsch gleichmäßig klein die sind.
    Dir und allen wünsch ich ein schönes pilzreiches Wochenende, herzlich, Ditte