Lycogala epidendrum vs. Lycogala terrestre

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 10.142 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von JanMen.

  • Hallo zusammen,


    schon seit längerem will ich die beiden Arten gegenüberstellen. Aber wovon soll man schreiben, wenn man die Thematik selbst nicht zu 100 % nachvollziehen kann...? Vielleicht kann ich mit diesem Beitrag zu Untersuchungen und zur Diskussion anregen.


    Zunächst einmal die Gegenüberstellung der Unterscheidungsmerkmale aus der Literatur:[1]


    L. epidendrum s. str.:
    Aethalium: dunkel grau, rau, 4-7 mm im Durchmesser
    Schuppen der Cortex: dunkel, lappig
    Sporenmasse: grau, olivlich verblassend
    Pseudocapillitium: zerbrechlich, unter 12 µm im Durchmesser
    Plasmodium: rot bis karminrot, ohne orangene Töne


    L. terrestre:
    Aethalium: rosa bis gelbbraun, 5-15 mm oder mehr im Durchmesser
    Schuppen der Cortex: blass, verzweigt
    Sporenmasse: pink, pfirsich- oder lachsfarben, ockerlich verblassend, niemals mit Olivtönen
    Pseudocapillitium: flexibel, über 12 µm im Durchmesser
    Plasmodium: orange, pfirsichfarben, pink oder zinnoberrot, selten creme, ohne rote Töne


    In dem französischen Werk Les Myxomycètes[2] sind die beiden Arten auch getrennt, aber nicht einzeln bebildert. Sollten dort weitere Unterscheidungsmerkmale genannt sein, können sie gern ergänzt werden.


    Anhand der Beschreibung der Aethalien und des Pseudocapillitiums lassen sich die Arten relativ gut festmachen. Hier ein paar Bilder:


    Lycogala epidendrum s. str., typisch sind die vergleichsweise kleinen Fruktifikationen und die durch die dunklen Schuppen düstere Cortex.


    Lycogala terrestre, in verschiedenen Entwicklungsstadien:
    Sehr junge, helle Exemplare. In diesem Stadium sind sie meist blasser als L. epidendrum s. str.
    Nachgedunkelte, aber noch nicht reife Exemlare. Die Farbentwicklung deutet nicht darauf hin, dass die Fruktifikationen noch dunkler werden. Auch nach der Reife bleibt die Cortex normalerweise blasser als bei L. epidendrum s. str.


    Typisch für L. terrestre sind auch sehr gedrängte Aethalien, die dadurch sehr stark deformiert werden.


    Pseudocapillitium von Lycogala terrestre. Die Fasern sind bis über 20 µm breit.


    Diskussion
    Lycogala epidendrum s. str. und Lycogala terrestre lassen sich oft schon makroskopisch auseinanderhalten. Vor allem bei Übergängen der Farbe und der Größe bei unreifen Exemplaren ist das Mikroskopieren sicherlich ratsam. L. terrestre scheint die bei weitem häufigere Art zu sein.


    Was ich bisher überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist die Sporenpulverfarbe. Nach meinen Beobachtungen ist sie bei L. epidendrum s. str. rein rosa und bei L. terrestre eher grau-rosa, also praktisch umgekehrt zu den Angaben in der Literatur. Roland Labbé hat seine Beobachtungen in einer Tabelle zusammengefasst und bei flickr veröffentlicht.[3] Er relativiert die Sporenpulverfarbe frischer Exemplare von L. epidendrum s. str. immerhin mit grau-rosa (statt grau bei Ing).


    Für den maximalen Durchmesser des Pseudocapillitiums von L. terrestre gibt Labbé 25 µm an. Das entspricht meinen Beobachtungen, wobei der Wert in einigen Fällen sogar bis 65 µm gehen kann. Bei L. epidendrum s. str. geht der Durchmesser nach meiner Erfahrung meist bis 10 µm. Auch lässt sich feststellen, dass bei dieser Art deutlich weniger Fasern vorhanden sind. Auf den ersten Blick sind die beiden Arten am Pseudocapillitium oft nicht auseinanderzuhalten. Die breitesten Teile des Pseudocapillitiums befinden sich in der Nähe der Ansatzstelle an der Cortex. Dort finden sich bei L. terrestre die charakteristischen breiten Fasern. Am besten lässt sich das Pseudocapillitium m. E. ohne Wasser untersuchen, da die große Menge der wasserabweisenden Sporen sonst "verklebt" und die Sicht verdecken kann.


    Weitere ähnliche Arten
    Mit Lycogala exiguum und Lycogala confusum (syn. Lycogala epidendrum var. tesselatum) gibt es zwei weitere Arten, die für Verwechslungen in Frage kommen. Auch diese wurden erst vor kurzem getrennt. Offenbar existieren bisher keine gesicherten Nachweise einer der Arten aus Deutschland, wohl aber aus Nachbarländern. Erstere ist mit bis zu 3 mm im Durchmesser deutlich kleiner als die anderen Arten und besitzt ein dünneres Pseudocapillitium als L. confusum. Beide Arten sollen sich durch anders angeordnete Schuppen auf der Cortex, kleinere Sporen und ein dünneres Pseudocapillitium von L. epidendrum s. l. untrescheiden.


    Literatur
    [1] Bruce Ing: The Myxomycetes of Britain and Ireland: An Identification Handbook. Richmond, 1999, ISBN 0-85546-251-5.
    [2] Michel Poulain, Marianne Meyer and Jean Bozonnet: Les Myxomycètes. Fédération mycologique et botanique Dauphiné-Savoie, 2011, ISBN 2-9518540-2-1.
    [3] Roland Labbé: Tableau differentiel entre Lycogala epidendrum et Lacogala terrestre. 2011. (Link)


    So, das wäre es vorerst einmal. Ich hoffe, dass der Beitrag dem Einen oder Anderen weiterhilft.


    Viele Grüße
    Toffel

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Toffel,


    klasse Beitrag; schöne Bilder! :thumbup:


    Ich glaub ich brauch mal bitte bei Gelegenheit mal einen kleinen Crashkurs in Schleimis von dir, wegen absoluter Ahnungslosigkeit. :shy:
    Ich denke da findet sich mal ein Nachmittag. ;)


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

    Einmal editiert, zuletzt von Climbingfreak ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Toffel!


    Danke für die Gegenüberstellung!
    Nun gilt es, möglichst auch reife Fruchtkörper zu finden, ansonsten wird's natürlich schwer mit der Unterscheidung. ;)
    Wobei ich jetzt schon weiß, daß ich gleich mal einige meiner Bilder von Lycogala epidedrum s.l. umbenennen kann.


    Achja: Auch wenn Schleimis ja eigentlich keine Pilze sind, gehören die doch irgendiw dazu: Glückwunsch zu den Artbeschreibungen Nummer 499 und Nummer 500 im Forum. :)



    LG, pablo.

  • Hallo Toffel,
    danke für die schöne Gegenüberstellung! :thumbup:
    Dann ist alles, was ich bisher als "Blutmilchpilz, Lycogala epidendrum" abgelegt habe, eigentlich L. terreste. Aber sicher bin ich mir nicht, weil keine reifen (dunklen) Fruchtkörper dabei waren und ich nicht mikroskopiert habe.
    Ich habe bisher nur von L. epidendrum was gehört, aber Schleimpilze sind mir auch zu schwierig, um mich damit zu befassen.
    Viele Grüße,
    Emil

  • Den Thread muß ich mir mal bookmarken. Sich damit auseinanderzusetzen braucht ein wenig Zeit. Da hakt es gerade.
    Wir hatten das Thema irgendwann schon mal angefangen. Ich erinnere mich schwammig. Muß ich auch mal ausgraben.


    Aufs Durchsehen meiner Bilder freue ich mich schon. :D


    Ein schönes Thema. :)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Eine tolle Gegenüberstellung ohne Zweifel und die Art scheint begründeterweise von L. epidendrum als eigenständige Art getrennt worden zu sein. Doch wie anerkannt ist sie tatsächlich momentan? Das Index Fungorum z. B. führt sie als eigene Art, wohingegen die Kartierung der DGfM (pilze-deutschland.de) beide Arten unter L. epidendrum zusammenzufassen scheint.


    LG, Jan-Arne