Melzers Reagenz I

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  • Die neuen Leidenschaften des Erebus Melzer, oder: was man bedenken sollte, bevor man sich für Pilze interessiert


    Sarcoscyphie


    Wenn man Erebus fragen würde, ob er glaubt, ein Recht zu haben den Kelchbecherling zu finden, so würde er nicht lange nachdenken.
    Nicht, dass ernsthaft damit zu rechnen wäre, dass jemals eine solche Frage an ihn gestellt würde, nein.
    Aber gesetzt den Fall, irgendjemand käme auf diese absonderliche Idee und würde ihn danach fragen, so würde Erebus sagen: "Ja."


    Vielleicht würde er dazu mit dem Kopf nicken und ein wenig traurig klingen.
    Ja, das habe er, so würde er erwidern und vielleicht würde er noch anfügen, dass er sich dieses Anrecht redlich verdient habe.


    Wir wissen nicht, zu welchem Zeitpunkt diese Idee von ihm Besitz ergriff, den Kelchbecherling zu finden. Jedoch ist anzunehmen, dass der Keim dazu durch einen Artikel in dem einschlägig bekannten Internet-Forum "Pilzforum.eu" gelegt wurde.


    Es ging um Österreichische Kelchbecherlinge, einen Artikel, den er nur durch puren Zufall öffnete.


    Hätte er den Titel aufmerksam gelesen, er hätte die Finger davon gelassen. Aber es war spät abends und Erebus trinkt gerne Wein.


    Dass die regionale Herkunftsbezeichnung nichts Gutes verhieß, wäre ihm wachen Sinnes sofort bewusst gewesen. Auch wenn hier einmal gesagt werden muss, dass Erebus sehr wohl bereit ist, Ausnahmen zu machen.
    Ja, in der Vergangenheit ließ er sich z.B. Steirisches Kürbiskernöl schenken.


    Allerdings war das derartig kostbar (wie der Schenkende unbedacht fallen ließ), dass es im erebusischen Haushalt erst sehr verspätet Anwendung in einem Rapunzelsalat fand. Ein Jahr nach Schenkung vielleicht (und wer weiß, durch wie viele Hände dies ölige Pretiose schon vorher ging), zu einem Zeitpunkt, der im Nachhinein nur als verspätet eingestuft werden konnte.


    Es roch und schmeckte wie Walnüsse. Wie Walnüsse, die man zufällig in einer Buntstiftdose wieder entdeckt, wo sie die Jahre seit der Kindheit verbracht hatten. Die man dennoch interessehalber knackt und verzehrt –“ oh, nur diese eine, halbe Walnuss, keine Angst, mehr ist nicht drin - ein wenig nach Wachsmalkreide, ein wenig nach Spitzerdreck und sehr intensiv im Abgang: nach ranzigem Dachs. Zumindest hat Erebus danach eine Vorstellung von ranzigem Dachs.
    Den Salat konnte man vergessen, Erebus vergaß ihn nie.


    Österreich, so las er, sei dort, wo Hitler als Deutscher und Beethoven als Österreicher gelte. Österreich sei die antizyklische Peristaltik im Appendix Europas. Es lebe von Schmäh und Kaiserschmarrn. Von Gaben des Gottes Pickerl und Piefkes auf der Wanderung zu Schnee und Ski und dem Teutonengrill.
    Bei dieser Herkunft war ja nichts anderes zu erwarten.


    Aus Österreich kam also auch der Kelchbecherling. Außen cremig weiß, eierschalig Beige. Aber das Innere des Kelches! So wunderbar Blut-Scharlach-Purpur-Rot, dass es ihm den Atem verschlug.
    Dieser Wunderschöne, dieser Geheimnisvolle kam aus Österreich? Mehr steckte nicht dahinter? Nur ein hübscher Schwachmat, ein Skilehrer? Oder: ganz einfach fehlbezeichnet? Nein, so leicht kommt man aus dieser Sache nicht mehr heraus.


    Wie dem auch sei, zur Not gibt es noch ein, zwei Anverwandte, die sollen auch recht hübsch sein. Man kann ja die suchen.


    Erebus ist schlagartig von diesen Pilzen besessen. Er verschlingt jeden Artikel im erwähnten Forum, in anderen Foren, in Büchern.
    Er beginnt von ihnen zu träumen. Von funkelnden Kelchbechern die vorbeigehen, von Kelchbechern die er bis zur blutroten Neige leert. Es sind Träume voll Düsternis und Träume voller Glück. Träume in der Nacht und Träume am Tag.


    Als er in der Konservenbückzone seines Lieblingsdiscounters atemnötig keucht, vernimmt er eine Stimme, und diese Stimme spricht.
    "Schau her! Schau her! Das musst du sehen ...–œ Erebus lässt nicht ausreden, nein, diesmal nicht, er unterbricht und setzt hastig, laut nuschelnd, fort: –ž .. wunderschöne Becherlinge säumen fortan deine Wege!–œ


    Er hebt sein Haupt, vehement, lässt den Sternen ein wenig Zeit auf unsichtbare Bahnen auszuweichen und weicht selbst den Blicken eines älteren Paares aus. Das schaut von den Bananen herüber, sehr ernst, und ER räuspert sich und SIE räuspert sich auch und Erebus lässt nun seinerseits seinen Blick über all die Konserven schweifen, Ja! Bonduelle und Hengstenberg. Bei den Dosenchampignons hält er inne. Ist das Vorsehung? Daneben steht Steierisches Kürbiskernöl.


    Wer hat im Supermarkt ein Medium dabei? Erebus nicht. Tagelang geht ihm dieses schicksalhafte Menetekel nicht aus dem Sinn. Er gesteht sich seine Interpretationsschwierigkeiten offen ein, spricht aber mit niemandem darüber. Dazu bleibt auch viel zu wenig Zeit.


    Und siehe da: aus eine geheim zuhaltenden Quelle erfährt Erebus über seinen Hauswald: –ž... Der südliche, also untere Teil [..] steht im Frühjahr voller Bärlauch und zu der Zeit finden sich dort auch fotogene Becherlinge. Und an einem Eichenstubben wachsen ständig Ganoderma lucidum nach, die Heilpilze...–œ


    Es ist Mitte Februar, seien wir ruhig großzügig (der Februar ist ja der kürzest vorstellbare Monat): fast Ende Februar. Die Pilze werden im Frühling erscheinen (21.03.). Also in drei, höchstens vier Wochen. Bisweilen sind Pilze unpünktlich, durchaus auch schon mal zu früh. Im Forum werden ständig Kelchbecherlingsfunde gemeldet. In der Literatur steht zudem: mit der Schneeschmelze. Fazit: es ist höchste Zeit.
    Womöglich ist er bereits zu spät dran! Vor seinem inneren Auge zieht ein Schlachtfeld sterbender Kelchbecherlinge vorbei, allen Rots beraubt, zusammengesunken, blass und kläglich. Das darf nicht passieren.


    Anamnese
    22.02.2013
    Zum ersten Mal seit Wochen eine dünne Wolkendecke, blaue Fitzel, Sonnenfinger. Die wurschteln sich durch Gardinen und krabbeln durchs Zimmer. Oh Gott! Dieser Staub.
    Aber: Auch wenn die Temperatur knapp unter Null liegt - Riech nur! Fühl nur! Frühling! Sonnenschein! Endlich! Und mittags schmilzt der Schnee: Schneeschmelze!


    Die Tage Mordors sind gezählt. Erebus wittert Kelchbecherlinge.
    Hmmm! Herrlich! Nichts wie raus.


    Erebus hat sich auf diesen Zeitpunkt gründlichst vorbereitet. Er hat äußere Umstände eruiert, Eckdaten ermittelt und Parameter definiert. Er hat planerisch der weiteren Entwicklung Sorge getragen, und eine Excel-Tabelle entworfen, mit der er gedenkt, alle Umstände des anstehenden Becherlingsfundes in den Griff zu bekommen.


    Grundlagen
    Lediglich am Wochenende findet sich Zeit für die Pilzsuche.
    Samstag und Sonntag rechnet Erebus mir 7,9 Std.(Schlafen) + 2 Std. (Waschen, Zähneputzen, Haushalt, Einkaufen, Müllraustragen, Toilette etc., etc.) + 2 Std. (Bilder bearbeiten, den Entwicklungen im Forum hinterherhecheln, Rätselpilze raten) + 1 Std. isl (invirtual social life), also Sozialhandlungen, Sprechen etc..
    Macht genau 24 Stunden.


    Daraus ergibt sich ein maximaler Suchanteil von 46%, beziehungsweise, bei drei Suchvorgängen/Tag inklusive Hin- und Rückfahrt, eine Suchfrequenz bezogen auf die Suchzeit von ca. 75myHz.


    Freitags sieht es NOCH schlimmer aus: da muss ein –žhalber Tag–œ (5,5 Std.) Broterwerb in Abzug gebracht werden. Der Suchanteil verringert sich dann auf 23% und die Suchfrequenz steigt auf 149 myHz, was viel zu hoch ist und ihn zwingt, freitags nur zweitaktig zu suchen, um die Frequenz auf erträgliche 100 myHz zu drücken.


    Weil Erebus Realist ist, baut er einen Sicherheitsfaktor von N=1,15 in seine Berechnungen ein. Normalerweise ist er bei Sicherheitsfaktoren viel freigiebiger, hier jedoch ist weniger mehr. So kann er etwaige unvorhergesehene Ereignisse ausgleichen, z.B. einen ganz besonderen Fund gegen Ende eines Suchvorganges.
    Selbstverständlich geht der Sicherheitsfaktor zu Lasten der Zeitblöcke Schlafen, Soziales und Häusliche Verrichtung.


    Fortschreitendes Krankheitsbild
    Zu Beginn des 22. Suchvorganges, am Sonntag dem 10.03.2013 gegen 7:44 kommt es zum Eklat. Wieder einmal erschienen die Kinder nicht rechtzeitig zum Frühstück.


    Zum Thema Wochenendfrühstück. Hier war eine Optimierung des Tagesablaufes angebracht gewesen. Der Zeitpunkt zur Nahrungsaufnahme wurde geringfügig von ca. 11:00 auf Punkt 7:00 vorverlegt.
    Aber: Die Kleinen ziehen nicht mit. Da hilft kein –žMorgenstund hat Gold im Mund–œ und auch nicht –žCarpe Diem–œ.
    Die sind nicht zu haben, lassen keinerlei Kooperationsbereitschaft erkennen, nein, im Gegenteil. Erebus wird bestreikt.


    Erebus sieht, dass der sowieso schon viel zu großzügig bemessene Sicherheitsfaktor ins Wanken gerät und zum Zeitfresser auf der Habenseite mutiert. Eigentlich sollte er zu diesem Zeitpunkt bereits den Quadranten G8 am Gewann –žKranzer–œ abschreiten.
    Denn hier liegt, seiner Quelle zufolge, das Becherlingsvorkommen. Mittlerweile ist bereits die dritte Schneeschmelze im Gange und Erebus ist, das muss man sagen, ein wenig verärgert darüber, dass der Begriff –žSchneeschmelze–œ derart unscharf definiert ist.
    Was ist denn die gültige Schneeschmelze? Die letzte? Diejenige mit der längsten Dauer? Die mit der größten Abschmelzleistung? Wenn man das wüsste, könnte man eine Menge Zeit sparen und besser vorbereitet zum korrekten Zeitpunkt auf den Plan treten.


    Auf der Suche nach einem guten Messtischblatt ist er im Internet fündig geworden. Eine Bodenkarte von Bayern im Massstab 1:25.000 vom Bayrischen Geologischen Landesamt, umfasst den Großteil seines eigenen Quadranten-Netzes.
    Die Karte ist zwar schrecklich bunt, wartet aber mit überraschenden Zusatzinformationen auf, die Erebus erfreut verinnerlicht.


    –• B7-Braunerde geringer Basensättigung (aus pleistozänen, sandig-lehmigen bis lehmig-sandigen Deckschichten)
    –• B9-schwach podsolige sandige Braunerde(aus Sanden der Niederterrasse, im Oberboden sehr schwach gebleicht)
    –• B17-basenreiche Gley-Braunerde (aus quartiären Talfüllungen, Grundwasserstand in Nähe des Unterbodens)
    –• PR1-Mullpararendzina (aus pleistozänen sandig-lehmigen Deckschichten, meist über karbonischenm Untergrund Humusboden und Bodenstruktur gut)


    Schwerpunkt des Quadranten G8 bilden B7 und B9, eine Enklave B17 und am Rand (gottseidank am Rand - denn dazu verweigert sich ihm die Vorstellungskraft –“ zunächst las er Müllpararendzina und war verwundert, dass den dörflichen Müllkippen der vorachtziger Jahre eine eigene Bodenstruktur zugewiesen wurde –“ und: nicht das er dort in unterirdische Kohlenstollen einbricht), also am Rand: etwas Pr1.


    B7. Der Unterschied zwischen lehmig-sandig und sandig-lehmig macht ihn nachdenklich. Darüber, so nimmt er sich vor, wird er während der Sarcoscyphensuche nachsinnen.


    Das alles gerät jedoch ins Trudeln. Er sitzt alleine mit Isa am Frühstückstisch, 7:46, und aus den oberen Stockwerken des Hauses dringt die Negation als bleierner Schatten. Schweigen.
    Nein! Sagt Erebus. Nein. Das hält er nicht aus.


    Und da sagt Isa zu ihm, er sei fanatisch. Grade zu fanatistisch.


    Das stand zu befürchten.
    Leidenschaftlich? Ja. Interessiert? Ja. Seinethalben auch leidenschaftlich interessiert. Aber: fanatistsch? Nein.


    Erebus erhebt Einspruch. Schließlich rennt er nicht vermummt im Kaftan durch den Wald. Rollt nicht mit den Augen. Hat keine Vuvuzela dabei. Grölt keine Fundlieder. Nichts desgleichen.


    Er ist der beschauliche Typ, der die Schönheit der Natur ehrt, nicht Blümchen, nicht Tierlein außer Acht lässt. Einer der lediglich ein wenig zu Pilzen tendiert. Weiß Gott nicht zu allen, nur zu ein paar ganz bestimmten, was hat denn das mit Fanatismus zu tun?


    Anfangs ging Isa ja noch mit, aber das hat sich in den letzten Wochen geändert. Zwar mag auch Isa auch Rindenpilze, Pustelpilze und Herbe Zwergknäuelinge, aber mit Erebus im Wald hat man es weiß Gott nicht leicht. Der kommt nicht recht vom Fleck, baut ein Fotostudio um verrottende Baumstümpfe auf und biwakiert bei der erbärmlichsten Kälte, bei Schnee und Eis im Wald.


    Isa würde viel lieber Stadtbesichtigung machen. Bamberg beispielsweise, Schweinfurt, oder das Foltermuseum in Rothenburg. So etwas halt. Das bekommt er jetzt zu hören. Für Erebus ist bereits die Vorstellung eine Qual, an potentiellen Pilzgebieten vorbei fahren zu müssen, nur um irgendwo anders anzukommen.


    Symptome
    Um 8:25, nach einem unersprießlichen Gespräch mit seiner Gattin, schreitet Erebus über den Schneebedeckten Acker. Gegen Mittag ist mit einer Schneeschmelze zu rechnen. –œÜber–™s schneebedehecktehe Feld wanderhern wir, wanderhern wir ..–œ Er hat die eigentümliche Art angenommen, Liedchen zu summen, nicht laut, nein, nur innerlich, hintergrundgedanklich. Was ihm selbst auf den Kecks geht. Jedoch, er findet den Schalter nicht, um dem ein Ende zu setzten. Zeitgründe, Prioritäten usw.
    Heute wenigstens kein –žHänschen klein–œ. Ja, richtig, dabei hat er sich auch schon erwischt.
    Der harschige Schnee bricht unter den Schuhen, –žcrunchy–œ denkt er, der Himmel ist blau, Quadrant G8 liegt querab voraus. Crunch, crunch.


    Der Waldesboden liegt unter einer weißen Decke, doch hier und da befinden sich darin kleine Löcher, trichterförmige Aufschmelzungen, und in deren der Mitte: grüne Triebe.
    –žSehr gut–œ sagt Erebus zu sich selbst, mit dem Gedanken, durch die zu erwartende Kontrastwirkung Rot-Weiß leichtes Spiel zu haben.
    Als er seinen Informanten um Präzisierung der Fundstelle bat, erhielt er zur Auskunft: –ž[..] also das war deutlich später, zur Bärlauchzeit. Auf den Wald zugegangen, vom Weg aus, an den Baumstämmen vorbei und dann gleich vorne an rein in das Waldstück. So ungefähr 20 Meter nach unten, dann rechts...da standen Büsche, ja ich glaube Haselnuss, auch einige kleinere Bäumchen. Auch irgendwelche Baumstümpfe waren dort–œ


    Er hatte nicht nach der genauen Fundzeit gefragt. Das muss betont werden. Um keine weiteren Komplikationen hervorzurufen hatte er sich ausschließlich für den Ort interessiert. Jetzt hat er den Salat. Aber! : Diese kleinen grünen Triebe, das könnte doch Bärlauch sein?
    Erebus hat also doch gute Karten. Problematisch ist nur, dass es keine Baumstämme gibt, außer den stehenden, die sind für einen Wald aber gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit und kein probates Erkennungsmerkmal für genau eine Stelle im Wald. Die ungenaue Ortsangabe wird er mit einer großzügigeren Bemessung des Suchfeldes in den Griff bekommen.
    Ereubus kommt an einem bewuchsfreien Areal vorüber, dort könnten früher einmal Baumstämme gelegen haben. Die nächsten Schwierigkeit: der ganze Wald ist mit Baumstümpfen gut bestückt und Hasel überall zu finden.
    Erebus geht bis zum Ende der Freifläche, erreicht die Ecke des Waldes und geht hinein. Ein alter Weg ist erkennbar und verliert sich gradeaus, da stehen alte Grenzsteine. Die Suche beginnt. Sie besteht darin, eine Fläche von ca. 200 mal 200 Metern gewissenhaft und konsequent abzuzeilen.


    Nach zwanzig Minuten erleichtert er seine Blase. Zwei Tassen Frühstückskaffee + Suchanspannung dringen in Form einer Nitratbelastung in den Waldbodens ein. Das muss man, Angesichts der Größe der Aufgabe, als vernachlässigbar erachten.
    Da: etwas wird aus eisiger Umarmung befreit und erglänzt, rot leuchtend, im Lichte des Tages!


    Das ist doch .. richtig! Ein Glänzender Lackporling, der macht, was sein Name verspricht. Den, so erinnert sich Erebus, hat ihm der Ludwig dereinst vor der Linse wegschnappt. Ludwig ist Gourmand, –žschnell und üppig–œ, unspezifisch im Zugriff und derzeit auf Pilze fixiert. Wieso hat der Terrier den Lackporling nicht verspeist? Das sieht ihm doch gar nicht ähnlich...


    Aber wenn er jetzt den Kelcherbecherling freigelegt hätte - sorgfältig erweitert er das Zielgebiet und lässt den Blick über den weißen Waldboden schweifen - nein, soviel Kaffee würde er nicht trinken können. Zudem wird die Erinnerung an einen Dornigen Stachelbart in Erebus wach, der an einem einsamen Stück Ahorn neben dem Bahndamm lag. Offenriechbar das erklärte Ziel der Gassigänge des Wohnviertels. Nachdem er ausgiebig fotografiert hatte, bekam er einen strengen Geruch für Stunden nicht mehr aus dem Sinn. So etwas macht man einmal, dann besorgt man sich ein vernünftiges Teleobjektiv.


    Die Suchläufe 22, 23 und 24 enden so, wie jene zuvor. Ergebnislos in Bezug auf den Kelchbecherling. Erebus besorgt sich grüne Gummistiefel, um einen weiteren Teil des Waldes, den er bislang aussparen musste, in seine Suche einzubeziehen.
    Das Resultat des Suchpaketes vom 15. bis 17. Februar ist dasselbe; zuzüglich einem Pfund Bärlauchbutter und Bärlauchpfannkuchen für alle.
    Erebus bleibt bei der Stange, liest von den verschiedenen Kelchbecherlingsfunden in Deutschland –“ ja selbst aus dem Bergischen Land –“ und diversifiziert. Will sagen, er sucht nun an allen in Frage kommenden Standorten nach Kelchbechern.
    Er wird zur Kapazität im Gebiet, was Weiden und Erlenstandorte anbelangte. Er kommt auch mit der nächsten Schneedecke und deren Zergängnis zurecht. Allein, sein Sinn wird düster. Am 17.03, beim Mittagsvorgang (Nr. 31), läuft Erebus inmitten eines kleinen Sumpfgebietes in eine Rolle Natodraht.
    Er gratuliert sich zur Anschaffung der Gummistiefel und betrachtet die Oberhalb der Stiefel zerrissene Hose. Ein Herr im Sonntagsstaat watet aus den Tiefen des Waldes auf ihn zu, deutet nach rechts und fragt mit Akzent: –žStraße?–œ
    Erebus, grüngewandet und zerrissen wie der leibhaftige Tod-im-Wald, blickt auf und antwortet wissensgemäß: –žStraße!–œ.
    Der Herr nickt, tritt nach rechts ab und verschwindet schmatzend im Gesträuch.
    –žRusse–œ denkt Erebus, weil er bislang noch keinem Türken im Wald begegnet ist, geht gradeaus und stößt nach zweihundert Metern auf die Straße. Kaum vorstellbar, dass ein Russe dauerhaft im Wald verloren geht, beruhig er sein Gewissen. Der müsste in dem Medium gut zurechtkommen.


    Eine >Reise nach Italien< unterbricht die heimischen Bemühungen, die nun zum Lago Maggiore verlagert werden, dorthin, wo es eine richtige Schneeschmelze gibt. Natürlich nur zur rechten Zeit. Die aber lässt sich selbige, so dass man einen leicht verpeilten Urlaub in Höhenlage verbringt.


    Wieder zuhause sprießt erneut der Bärlauch; es mischen sich Lungenkraut, Leberblümchen, Schlüsselblume und Märzenbecher dazu. Der Seidelbast blüht im Wald, die Sumpfdotterblume am Bach. Erebus sucht den Prachtbecherling.


    Am 07.04. werden im Forum zwei –“ gleich zwei! –“ Themen eingestellt, die von Funden des Anemonenbecherlings berichten.
    Und da gewinnt ein grausamer Gedanke Gestalt, der keimt in Erebus auf, wächst und wird Gewissheit: Sein Pragmatismus hat ihm einen Streich gespielt!
    Selbstverständlich verstand er unter –žfotogenen Becherlingen–œ den Kelchbecherling, den österreichischen Unhold, der ihm den Geist vernebelt hat - aber, das weiß er nun, gemeint war der Anemonenbecherling. Nach 45 erfolglosen Suchvorgängen wird ihm klar, dass er einem Phantom aufgesessen ist. Und weil Erebus pragmatisch ist, steigt er um auf Morchel.



    LG, Uli


    [hr]
    die Österreicher mögen mir verzeihen ;)


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    95 PC + 5 von JackBayer geschenkt bekommen, macht: 100!

    Einmal editiert, zuletzt von erebus ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Uli!


    Das Publikum springt auf, dankt mit tosendem Applaus. :thumbup:


    Viel Spaß bei der Morchelsuche. Meinen Rat dazu kennst du (betrifft alle Arten): Nicht danach suchen, taucht irgendwann von selbst auf.
    Nach Morcheln suche ich derzeit leider sogar gezielt. Bin also auch infiziert. Es ist kein Vergnügen.



    ---> Selbsthilfegruppe ins Leben rufen? Anonyme Morchoholiker?



    LG, Pablo.


    Edit:
    Ach ja, nur daß du es nicht übersiehst: >von heute<

  • Armer Uli....


    Und Kelchbecherlinge sind nicht alles im zeitigen Pilzjahr, es gibt auch noch Prachtbecherlinge und ganz bald die ersten Pezizen, welche vielleicht farblich nicht ganz so der Knaller sind aber dafür teilweise mikroskopisch, durch ihr Sporenornament, schöner sind.
    Ich erspare dir jetzt den Anblick eines roten, geschüsselten Pilz, indem ich kein Foto anhänge.
    Alles wird gut.


    Mfg Sven

  • Hallo Uli, wieder eine hervorragende Geschichte.


    Die Becher werden schon zu dir kommen wenn du dafür Bereit bist, das haben Pilze so an sich.


    Danke für dein tollen such(t) Bericht :thumbup:.

    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

  • Hallo Pablo!


    Danke für die Blumen! Morcheln habe ich bislang keine gefunden, dass mache ich in der Tat etwas unstrukturierter. Ich habe so ein Gefühl, als würde ich nun an jedem Tag, den ich auf Suche der verbringe, etwas finden. Es wird ja immer mehr. Den Erwarzenpilz zum Beispiel gestern.


    Mein Bedauer auch zum Infekt. Mit der Morchelliose ist nicht zu spaßen.
    Wegen Selbsthilfegruppe "Anonyme Morchoholiker" .. wäre eine Idee, allerdings führt das nach meinen Erfahrungen zu nichts. Die Selbsthilfegruppe der "gierschgeschädigten Kleinsiedler", der ich einige Zeit angehörte, konnte mir und meinem Garten jedenfalls nicht helfen.
    Und nein, ich hab's natürlich nicht übersehen. Muss allerdings aufpassen, dass meine Obsession nicht zurückkommt. Besser keine Hinweise mehr in der Richtung, bis ich mich als geheilt betrachte.


    LG,
    Uli


    [hr]


    Hallo Sven!


    Zitat

    Ich erspare dir jetzt den Anblick eines roten, geschüsselten Pilz, indem ich kein Foto anhänge.


    nein nein keine Angst, das liegt jetzt hinter mir ... und wo ist das Bild? Zeig doch mal!


    Mikroskop habe ich keines, in der Richtung liegt also kein Suchtpotenzial.


    Danke für Deinen Kommentar,


    LG,
    Uli


    [hr]


    Hallo Mario!


    Zitat

    Die Becher werden schon zu dir kommen wenn du dafür Bereit bist, das haben Pilze so an sich.


    Also. Ich bin bereit. Und wo sind sie nu?
    Außerdem. Du hast gut reden.
    Übrigens sind wir um den 01.05 herum im Raum Wuppertal unterwegs, vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, das wir uns treffen?


    LG,
    Uli


    [hr]


    Hallo Frank,


    Danke für Deinen Kommentar.
    Ja, ich glaube schon, dass ich irgendwann einmal einer Sarcoscypha begegne. Warten wir's ab!


    Herzliche Grüße,


    Uli

  • Ach, Uli, was hab ich gelacht heute! Du wirst immer besser.


    Dann drücke ich mal die Daumen, dass das mit den Morcheln wenigstens klappt! :)

    Gnüße von Gelbhex-Gnarifa und Fani ausm Süüüüdn! Sonn' is! Gnihihihii! :sun: :sun: :sun:

    Meine Bilder dürfen unter Namensnennung frei verwendet werden (CC-BY Lizenz).


  • Na ob du Bereit bist oder nicht entscheidest nicht du sondern sie mein Lieber.
    Das mit den Treffen finde ich eine hervoragende Idee, würde mich sehr freuen, dann hast du viell. auch noch Glück und die Becher kommen zu dir.

    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

  • Hallo Sarah!



    Zitat

    Ach, Uli, was hab ich gelacht heute! Du wirst immer besser.


    Dankeschön. Wäre ja wünschenswert. Aber es steckt auch eine Menge Arbeit darin. Allein das Abzeilen eines 200x200m Areals bei max. 4m Spurabstand sind schon stramme 10km. Und das dreimal täglich. Da fällt das Schreiben abends ganz schön schwer.


    Bei den Morcheln habe ich ein viel besseres Gefühl.



    Herzliche Grüße,


    Uli



    [hr]



    Hallo Mario,




    Zitat

    Na ob du Bereit bist oder nicht entscheidest nicht du sondern sie mein Lieber.


    Wahrscheinlich hast du recht. Aber wenn sie sich gegen mich entscheiden, so wie die Österreichischen, dann mache ich nicht mehr mit
    Ich erinnere mich jetzt irgendwie an Helge Schneider ("Wenn ich Dich nicht halten kann dann bleib ich nicht bei Dir..")


    Zitat


    Das mit den Treffen finde ich eine hervoragende Idee, würde mich sehr freuen, dann hast du viell. auch noch Glück und die Becher kommen zu dir.


    Wunderbar! Dann melde ich mich morgen mal per PN!


    Herzlichen Gruß,


    Uli

  • Ahoi, Uli,


    auch von mir


    Standing Ovations.


    Wieder mal eine Glanzleistung!


    LG
    Peter

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

    Galerie: Pilzfotos "zum Anfassen"/Stereobilder

    Der frühe Vogel fängt den Wurm. Soll er doch im Dunkeln tappen...ich fange lieber Pilze. Fossas sind auch nur aktiv, wenn es sich lohnt.

    Meine Fotos und Artwork dürfen nicht ohne meine vorherige ausdrückliche Genehmigung außerhalb dieses Forums verwendet werden!

    Pilz-Chips: 90+8 für Nobis Pilz-Cover-Rätsel=98, +2 Interne Tribünen-Punkte-Wette APR 2022=100, +4 PhalschPhal-Gedicht APR = 104 +5 Rätselgedicht = 109, 3 als Rätselprämie an Lupus = 106, Gnolm-Kreativpreis APR 2024 +3 = 109

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Uli!



    Muss allerdings aufpassen, dass meine Obsession nicht zurückkommt. Besser keine Hinweise mehr in der Richtung, bis ich mich als geheilt betrachte.


    Also da muss es doch irgendwo ein Programm zum download geben. Sowas wie "Sarcoscypha - Blocker 2013 V. 2.1" oder so. Sonst kommt der Schutz vor suchtgefährlichen Inhalten hier nämlich viel zu kurz. :cursing:



    LG, Pablo.