Psathyrella - lasset uns sequenzieren ;-)

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 1.600 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Schwammer-Dieter.

  • [font="Arial"]Hallo Pilzfreunde,
    hier wieder eine kleiner Bericht eines interessanten Fundes vom 30.04.2016.
    Dies ist eine kleine Weiterführung meines Sequenzier-Berichtes von hier:
    http://www.pilzforum.eu/board/…-in-ein-stockschwaemmchen
    Ich beschäftigte mich näher mit Berechnungsmethoden von Phylogrammen und deren praxisnaher Anwendung.
    Dies soll heute
    Schwerpunkt des Berichtes sein.

    Ich beendete gerade eine Speisepilz-Tour - da sprang mir noch etwas ins Auge...
    Nicht etwa eine von den geschätzten 100 Zecken die an meiner Hose waren - nein - eine wunderschöne Kollektion interessanter Psathyrellas...
    Was diese noch so mit sich brachten - Ihr werdet es sehn...

    Fundnummer: 2016-04-30-1551

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    [font="Arial"]Makrodaten:
    Fundort:
    ca. 550 müNN. ca. N50, O12, auf Erde (nicht Holz), zwischen Laubbäumen
    Fundzeit:
    30.04.2016
    Wuchsform: einzeln und gruppiert zu kleinen Büscheln
    Hutform:
    konvex bis abgeflacht mit leichtem Buckel
    Huthaut: lehmbraun, an hygrophanen Stellen mit cremefarbenen Flecken, glatt
    Hygrophanität: ja stark, wird cremefarben
    Hutrand: Lamellen durchscheinend, mit minimalem Behang, deutliche orange Linie am Hutrand
    Lamellen: jung creme, alt braun, mit Zwischenlamellen
    Lamellenschneiden: jung: gleichfarben wie Lamellen, alt: weiße Lamellenschneide, leicht gezahnt
    Lamellen-Stielübergang:
    angeheftet, könnte aber auch als tief ausgebuchtet gedeutet werden, Zahn etwas herablaufend
    Fleisch: im Hut: braun, im Stiel: creme
    Stiel: creme, minimal braun überfasert, hohl
    Stielbasis:
    knollig verdickt
    Größe:
    Hutdurchmesser ca. 2-6 cm; Stiellänge 4-6 cm, Stieldurchmesser ca. 3-5 mm
    Sporenpulverfarbe: schwarz mit Violettstich
    Geruch: neutral
    Geschmack: pilzig

    [/font]
    [font="Arial"]Damit lässt sich noch nicht viel anfangen.
    Ich machte mich an die Mikrodaten...


    Mikrodaten:


    Trama:



    Cheilos:
    Ca.
    35x11 µm
    [/font]
    [font="Arial"]Marginalzellen:
    Me = 25 x 15 µm

    Eine sichere Cheilozystide zwischen sphaeropedunculaten Marginalzellen im Bild unten links:


    [/font]
    [font="Arial"]Pleuros:
    46.4 - 49.1 x 14.1 - 15.1 µm
    Q = 3 - 3.4 ; N = 6
    Me = 47.2 x 14.6 µm ; Qe = 3.3

    [/font]
    [font="Arial"]Basidien:
    meistens 2-sporig, wenige 4-sporig
    18.2 - 21.76 x 8.33 - 9.1 µm
    Q = 2.2 - 2.38 ; N = 3
    Me = 19.9 x 8.7 µm ; Qe = 2.3

    Sporen:
    (6.4) 6.9 - 8.4 (9.4) x (4.2) 4.3 - 4.9 (5.1) µm
    Q = (1.5) 1.51 - 1.8 (1.9) ; N = 23
    Me = 7.8 x 4.7 µm ; Qe = 1.7

    [/font]
    [font="Arial"]Schnallen:
    [/font]
    [font="Arial"]keine zu sehen[/font]


    [font="Arial"]

    Tja... und so kam es dass ich nach akribischen Schlüsseln und Rücksprache mit
    Andreas wieder bei einer unbestimmbaren Psathyrella landete.
    Wieder kam ich nämlich zu der interessanten Gruppe:
    Psathyrella fatua ODER Psathyrella spadiceogrisea agg. Unter Psathyrella spadiceogrisea agg. verbergen sich mindestens 3 Sippen nach Info von Andreas.
    Auch hier kam ich also zwingend um eine Sequenzierung nicht herum.

    Die Sequenzierung:


    Das Chromatogramm der ITS-Region:

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    [font="Arial"]Die Primer Map lässt erkennen dass es sich wieder um das Reversed Komplement handelte:

    [/font]
    [font="Arial"]Ich bildete also erste einmal die korrekte Sequenz - Primer map sieht dann schon besser aus:

    [/font]
    [font="Arial"]Damit konnte ich direkt in Blast gehen - und sah schon wo ich lande - irgendwo um Psathyrella spadiceogrisea / casca:
    [/font]
    [font="Arial"]
    [/font]
    [font="Arial"]Da morphologisch und mikroskopisch nur Psathyrella fatua oder Psathyrella spadiceogrisea agg. in Frage kamen wäre die Bestimmung eigentlich hier schon abgeschlossen.
    Wenn da nicht das Problem wäre, dass Andreas mir verriet dass DQ389682 nicht wie beim NCBI angegeben spadiceogrisea ist, sondern Psathyrella casca.
    Wir müssen also die Sache genauer untersuchen.
    Das erste was ich tat war das Sammeln von allen sehr nahe stehenden Sequenzen.
    Diese darf ich Euch leider nicht alle zeigen, da davon noch welche dabei sind, bei denen mich der Autor um Geheimhaltung bat.
    Ich schwärze sie im Folgenden oder kennzeichne sie mit "geheim".

    Zunächst sammelte ich alle sehr nahen Psathyrella casca-Sequenzen - das sind:
    DQ389682 (Psathyrella spadiceogrisea - Schweden) ist laut Andreas aber Psathyrella casca
    KC992878 (Psathyrella spadiceogrisea - Schweden) - muss casca sein.
    AM712278 (Psathyrella aff. casca - Österreich) ist eine Psathyrella casca nahestehende Art. (aff = affin)
    AV080419d (Psathyrella casca von Andreas' homepage - reversed complement - für meine Zwecke umgedreht)
    AM1461 (Psathyrella casca von Andreas' homepage - reversed complement - für meine Zwecke umgedreht)
    AM1814 (Psathyrella casca von Andreas' homepage)

    Eine geheime "Sequenz 01"

    [/font]
    [font="Arial"]Nun kann man zuerst diese Sequenzen vergleichen - am besten mit einen Phylogram.
    Ich wählte für die Erstellung die Maximum Likehood Methode.
    Als Rooting-Methode wählte ich die Outgroup Methode. Als Outgroup wählte ich eine weiter entfernt liegende Sequenz - hier die JN021052.
    Als Routine verwendete ich fastDNAml, Version 1.2.2.
    Damit sollte man die best mögliche Darstellung bekommen.
    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass meine Sequenz und auch die meisten anderen für die Erstellung eines echten Phylogrammes zu kurz sind.
    Somit sind die folgenden Darstellung nicht korrekt - sie genügen aber um dem schwierigen Fund auf die Schliche zu kommen.
    Also weiter - vergleicht man nun diese oben beschriebenen Sequenzen - und mach ein Phylogram daraus kommt man auf:


    Nehmen wir nun noch einen größeren Bereich dazu.
    Addieren wir also alle potentiellen Psathyrella spadiceogrisea, phegophila, groegeri, clivensis, ehingensis.

    Diese sind:
    AM712277 (Psathyrella phegophila - Österreich)
    DQ389683 (Psathyrella clivensis - Schweden)
    FN396129 (Psathyrella phegophila - Ungarn)
    FM878024 (Psathyrella spadiceogrisea - Ungarn)
    AM1668 (Psathyrella groegeri von Andreas' homepage - reversed complement - für meine Zwecke umgedreht)
    geheime Sequenz 02
    geheime Sequenz 03
    Das sind nun alle mir bekannten Sequenzen der Psathyrella casca-Klade.

    [/font]
    [font="Arial"]Damit bekommen wir ein schon interessanteres Phylogramm:


    Addieren wir nun noch die sehr nahe stehende Psathyrella fatua-Klade.

    Das sind:
    DW160426 (Psathyrella fatua von mir selbst (Dieter Wächter))
    KC992879 (Psathyrella fatua - Schweden)
    DQ389681 (Psathyrella fatua - Schweden)
    AM487 (Psathyrella fatua von Andreas' homepage)
    AM445 (Psathyrella fatua von Andreas' homepage)
    FN396142 (Psathyrella fatua - Ungarn) - wahrscheinlich falsch bestimmt.


    Nun wird das Phylogramm schon klarer - und die Zuordnung meines Fundes ebenso:

    Wir können schon erkennen. Mein Fund gehört wohl nicht zu Psathyrella casca sensu stricto, wohl aber zu Psathyrella casca sensu lato.

    Der Vollständigkeit halber müssen wir nun noch die bekannten Psathyrella spadiceogrisea, thujiana und ammophila Sequenzen hinzufügen. Diese sind:
    AM1242 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    AM1244 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    AM1581 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    AM1671 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    AM1675 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    GENT E3.35.43 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    GENT 563 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    GENT JR3565 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    HIAS120608 (Psathyrella spadiceogrisea von Andreas' homepage)
    AM712276 (Psathyrella spadiceogrisea - Österreich)
    KC992871 (Psathyrella ammophila - Schweden)
    KC992872 (Psathyrella ammophila - Schweden)
    KC992876 (Psathyrella thujina - Schweden)

    Nun wird es spannend was wir hier heraus bekommen... wir bekommen schon ein recht deutliches Phylogramm der komplizierten Gruppe:


    Damit ist der Pilz bestmöglich eingeordnet.
    Es handelt sich sehr sicher um den Langstieligen Saumpilz (Psathyrella casca sensu lato).
    Und hier nun die Bilder dieses tollen Fundes:

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    [font="Arial"]Wie immer freue ich mich auf Eure Kommentare...
    Beste Grüße
    Dieter
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