Seltene Ascomyceten I. - Thecotheus formosanus

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 4.731 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von nobi_†.

  • Vorspann.


    Obwohl ich mich seit Jahrzehnten mit Pilzen beschäftige, kommt es immer wieder vor, dass ich seltene, kaum bekannte Arten zu sehen bekomme.
    Dass ich Jahr für Jahr von diversen persönlichen Erstfunden überrascht werde.
    Bei der enormen Artenzahl allein in Deutschland ist das natürlich kein Wunder und sicher geht es euch ganz ähnlich.
    Diese für mich neuen Arten können sowohl Groß- als auch Kleinpilze sein. Hier geht es hauptsächlich um letztere.
    Die ich entweder selbst entdeckte oder von lieben Pilzfreunden mit der Bitte um Bestimmungshilfe zugeschickt bekam.
    Einige davon möchte ich euch in einer lockeren Serie gern vorstellen.


    Es wird sich ausschließlich um Ascomyceten handeln, also um Pilze, deren Sporen sich in Schläuchen (Asci) entwickeln.
    Und es werden vor allem kleine, makroskopisch eher unscheinbare Arten sein, die ich euch zeigen möchte. So um 0,5 bis 5 mm. Wobei 5 mm die Ausnahme ist. ;)


    Matthias (Mreul) hat zu einigen Arten wunderbare Bilder beigesteuert.
    Ich werde das natürlich entsprechend erwähnen und lade Euch hiermit herzlich ein, mich bzw. uns auf einer ganz besonderen Entdeckungsreise zu begleiten.
    [hr]
    Beginnen möchte ich mit einer Art, deren Bestimmung mir reichlich Probleme bereitet hat.


    Gefunden während einer gemeinsamen Exkursion mit Sven, Nando und einigen anderen Pilzfreunden am 30.10.2016 im NSG Bockwitz an Pferdedung (Konik).
    Schnell war klar, dass es sich um einen Thecotheus handelte.
    Nun ist die Gattung überschaubar und sie besteht zu einem Großteil aus coprophilen (dungbesiedelnden) Arten.
    Die Asci sind diffus amyloid (d.h. +/- blauend in Jodlösung) und die Sporen zeichnen sich durch gelegentliche polare Anhängsel (Apikuli) aus.
    Der Norweger Olav Aas veröffentlichte 1992 eine umfangreiche Monografie.


    Mit deren Hilfe konnte ich bisher den ein oder anderen Vertreter dieser Gattung bestimmen.


    Diese Aufsammlung widersetzte sich jedoch ziemlich hartnäckig meinen Bestimmungsversuchen.


    Da konnte ich den "Aas" drehen und wenden, wie ich wollte, ich kam einfach zu keinem Ergebnis.
    Oder wie ich gegenüber Stefan während der gemeinsamen Fahrt zum Nordtreffen erwähnte.
    "Da ist ein winziger Becherling auf Dung, ein Thecotheus, den gibt es einfach nicht! Da sitze ich schon seit Tagen dran."


    Natürlich gab es ihn doch!


    Ursprünglich beschrieben von Wang 1994 als Thecotheus formosanus.
    Da passte schonmal die Sporengröße, das feinwarzige Epispor und die großen Apikuli (also, die polaren Anhängsel).
    Was nicht passte, war ein polarer Kragen, der bis dato nur von Thecotheus africanus und T. perplexans bekannt war, zwei Arten auf Elefantendung.


    Also weitergesucht und schließlich bei einer Publikation von Doveri & Coué aus dem Jahr 2008 fündig geworden.


    Thecotheus formosanus f. collariatus Doveri & Coué


    Apothecien 1 -1,5 mm. Ausgebreitet bis leicht konvex. Blassgrau.




    Asci 200 -270 x 15-21 µm, uniseriat.
    Sporen 18-20(21) x 8-9(9,5) µm. Fein punktiert und einseitig abgeflacht. Apikuli 4-5 x 3-4 µm. Aufnahmen in Baumwollblau (BWB).



    Hier kann man ganz gut die Kragen sehen. 3,5-4 x 1,5 µm. Ebenfalls in BWB.




    Und hier sollte die feinpunktierte Sporenoberfläche zu erkennen sein.



    Neben haarähnlichen, apikal unverdickten Paraphysen (2-3 µm) ist die Art durch apikal kopfig verdickte Paraphysen ausgezeichnet (5-7(9) µm).
    Es gibt also zwei Paraphysentypen. Hier ein Eindruck von den kopfigen Paraphysen, aufgenommen in Kongorot.
    Auch sieht man nochmal schön die abgeflachten Sporen.



    Die erwähnte Literatur hänge ich gern als PDF noch an.


    LG Nobi

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Nobi!


    Starke Dokumentation. :thumbup:
    Durch die Bilder und Beschreibung, aber auch durch die Erklärung zur Bestimmungsarbeit. Denn bei so ausgefallenen Sachen geht das eben nicht schnell von der Hand.
    Es feut mich, daß auch du mit etlichen Jahren Erfahrung auf deinem Fachgebiet stets noch Neues entdecken kannst. Das Pilzreich ist so vielfältig und voller Überraschungen, steckt sogar in unseren breiten noch voller bislang unbeschriebener Arten. Langweilig wird es niemals werden. :)



    LG; Pablo.

  • Hallo Nobi,


    stark! :thumbup: Ich freue mich schon auf die Fortsetzungen!


    Sind die Asci nicht immer 8-sporig? Und arbeitest du mit schiefer Beleuchtung (letztes Bild)?


    Liebe Grüße,
    Florian

    • Offizieller Beitrag

    Hi Nobi,


    fein, fein. Das Pilz ist wirklich ein Träumchen. :sun: Herzlichen Glückwunsch zum tollen Fund. Auf eine Fortsetzung bin ich sehr gespannt. :thumbup:


    l.g.
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Florian!


    So weit ich weiß, ist die Sporenanzahl in Schläuchen generell variabel. Natürlich nicht innerhalb einer Art, aber je nach Species können das so etwa 2 bis zweihundertnochmas (auf jeden Fall ein Vielfaches von zwei) sein.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    Na da habe ich mich wohl blöd ausgedrückt, ich meinte schon speziell diese Art😀. Auf den Bildern sieht es einmal nach 5 und einmal nach 7 Sporen, die ziemlich reif aussehen, pro Ascus aus. Das kann natürlich täuschen, aber 2 verschiedene Formen von Paraphysen in einer Art sind auch sehr abgefahren, deswegen hatte ich da sicherheitshalber mal nachgefragt😀.


    Liebe Grüße,
    Florian

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Florian!


    Oh, sorry. Das hatte ich tatsächlich mißverstanden.
    Ich denke mal, wenn man bei einem Pilz 5- oder 7-sporige Asci findet, sind sie in Wirklichkeit 8-sporig. Denn es müssen ja 2, 4 oder 8 sein, was dazwischen geht bei Ascos glaube ich nicht. Kann aber sein, daß Sporen im Ascus verkümmern oder sich aus irgendwelchen Gründen auflösen. Gibt's bei Ständerpilzen ja auch, daß man mal eine 3-sporige Basidie findet. Oder der Schlauch ist reif und einige Sporen sind schon rausgeflutscht.



    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,


    Kein Problem😀. Beim Schlüsseln findet man ja manchmal die Wahlmöglichkeit "meist 8-sporig", daher die Überlegung, ob es da eventuell auch Fehlentwicklungen geben kann. Aber deine Erklärung leuchtet durchaus auch ein😀.


    Liebe Grüße,
    Florian


  • Das Pilzreich ist so vielfältig und voller Überraschungen, steckt sogar in unseren Breiten noch voller bislang unbeschriebener Arten.
    Langweilig wird es niemals werden. :)


    Da sagst Du was! Und ein Leben ist zu kurz, um alles zu entdecken!



    Sind die Asci nicht immer 8-sporig? Und arbeitest du mit schiefer Beleuchtung (letztes Bild)?


    Die Asci sind konstant 8-sporig. Leider gelang es mir nicht, einen vollständig abzulichten. :(
    Und was die schiefe Beleuchtung angeht.
    Meine eigentliche Mikroskopbeleuchtung ist leider hinüber und ich improvisiere mit einer Kaltlichtlampe, die eigentlich für mein Bino gedacht ist.



    Auf eine Fortsetzung bin ich sehr gespannt. :thumbup:



    Ich freue mich auf mehr. :)



    Wunderbarer Fund, herzlichen Glückwunsch.


    Fortsetzung folgt. Und danke für Euer Interesse! :thumbup:



    Tolle Idee so eine Reihe zu starten. :thumbup: Seltene Ascomyceten ist ja noch maßlos untertrieben. In der Datenbank von Mykis ist der Name noch nicht aufgeführt und Du hast wohl den ersten deutschen Fund dokumentiert.


    Oh, das war mir gar nicht bewusst! 8|
    Da müsste ich auch erstmal bei P. Püw. oder den Huth-Brothers nachfragen, ob sie die Art nicht schon kennen.
    Was ich durchaus für möglich halte, da sie ebenfalls seit Jahren Coprophile untersuchen.


    LG Nobi

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    Chips: 72

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