Wildwechsel: Byssonectria terrestris

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 6.040 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von nobi_†.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Leute!


    Den Fund hatte ich ja kürzlich schon gezeigt, und Nobi hatte ihn auch eigentlich schon bestimmt. Ich stelle ihn trotzdem nochmal etwas detaillierter vor, kann ja nicht schaden.
    Also (recht sicher?) Byssonectria terrestris (Berk.) Rogerson & Korf = Spindelsporiger Dung - Aggregatbecherling


    Fundort war jedenfalls ein Stückchen wildschweinisch durchpflügter Fichtenhochwald in der südlichen Oberrheinebene auf lehmig - sandigem Boden, Kalkeinflüsse durch die Schwemmsande wird's da wohl geben.
    Die Pilze fanden sich direkt neben einem Wechsel zwischen mehreren gut frequentierten Suhlen und Kratzbäumen, der Boden dürfte jedenfalls gut mit Schweineurin und auch Dung durchtränkt sein, auch wenn die Pilze scheinbar auf pflanzlichem Detritus, vor allem Nadelstreu wuchsen.


    Sieht makroskopisch so aus:



    Die Becher wachsen rasig gedrängt und werden bis etwa 3 Millimeter breit. Haarig sind sie nicht, die Außenseiten und Apothecienränder sind eher fein bereift. Teils scheinen sie auf einem weißlichen Subikulum zu sitzen.
    Interessanterweise bilden sich in Gefangenschaft noch einige frische Fruchtkörper, die aber weiß bleiben:


    Auf zwei Internetseiten habe ich nachgelesen, daß das anscheinend ein bekanntes Phänomen ist?


    Auch wenn Nobi schon angedeutet hat, daß die mikroskopische Trennung von Byssonectria fusispora schwierig ist, habe ich mit meinen begrenzten Möglichkeiten mal reingeguckt.


    Erstmal einen Querschnitt in zwei Etappen:


    Die Außenseite ist jedenfalls unbehaart und besteht aus blasigen Zellen (in Wasser):

    in Lugol:

    mit komischer, länglicher Endzelle:


    Freie Sporen:


    Spazierstock - Paraphysen:


    Asci und Paraphysen in H2O:


    Und irgendwo meine ich gelesen zu haben, daß die Ascussoitzen nicht reagieren sollen. Also garnicht? Oder einfach nur nicht balu mit Iod?
    Weil reagieren tun sie mit Lugo, sie erröten:


    Und sollten Paraphysen in Melzer grün werden?
    Auch in Lugol wird irgendwas grün im Marginalbereich. Scheinen auch Paraphysen zu sein, allerdings eher basal:


    So sieht also mein erster, selbst untersuchter Fast - Dungpilz aus. :)



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    Das ist Byssonectria terrestris, was sonst?!


    Das extrem büschelige Wachstum im Frühling an von Dung und Urin beeinflussten Stellen, das ausgeprägte Subikulum und nicht zuletzt die Spazierstock-Paraphysen trennen die Art von der ähnlichen B. fusispora, (die übrigens völlig andere ökologische Ansprüche hat).


    Das ist zumindest meine Überzeugung.


    LG Nobi


    PS. Noch ein paar weitere Dungis und du bekommst eine Nachnominierung zur 1. Deutschen Dungpilztagung! :evil:


    LG Nobi

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    • Offizieller Beitrag

    PS. Noch ein paar weitere Dungis und du bekommst eine Nachnominierung zur 1. Deutschen Dungpilztagung! :evil:


    Hallo Nobi,


    "DungpilzTAGUNG" nennst du das. Ok?! ;) Ich finde toll, dass du so was organisierst; aber das dann gleich Tagung nennen. *kopfschüttel in Anbetracht der Teilnehmerzahl* Du weißt schon, dass du vorher erstmal einen Verein "Deutsche Dungpilzfreunde" gründen solltest. Ich werd stilles Mitglied. :evil: Dungpilze sind sehr interessant; haben aber leider keine Hakencystiden, bzw. kann man die nicht in Höckersporer oder Glattsporer einteilen. Demzufolge Nfm. (Nichts für mich):D


    Ach ja und dann steht ja auch noch vielleicht an dem WE noch ein anderes Event ins Haus. *wahnsinnig drauf freu* Hoffentlich finden wir einen Termin, der allen passt. :thumbup: Dann muss es nur noch Pilze geben und hoffentlich :rain::rain::rain::sun::sun::sun: im Vornherein und das ganze wird perfekt. :cool:


    Hallo Pablo und ggf. nochmal Nobi, ;)


    wenn ich dich richtig verstanden habe, dann ist deine mirkroskop. Aussstattung wohl eher suboptimal. Um so mehr dann ein größeres Lob für deine tollen Mikrobilder! :thumbup:
    Wie kriegst du das technisch hin? Einfach deine Kamera ans Okular und "Feuer"? Tolle Bilder mit Triokularmikroskop hinzukriegen ist keine Kunst; das was du da mit deiner Ausrüstung rausholst ist sehr beeindruckend!
    Ich frag hauptsächlich, weil ich immer Tipps gebrauchen kann. Ich hab zwar ein gutes Mikroskop; allerdings weiß ich nicht wirklich, wie ich da Fotos machen kann. Es wird so sein, dass ich für ne Anfrage in diesem Jahr auch mal Mikroaufnahmen einstellen muss.


    l.g.


    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Ob es in diesem Jahr noch für eine Einladung zu einem Spezialistentreffen für Dungpilzer reicht, das bezweifle ich.
    Aber in einem der kommenden Jahre wird es sicher weitere Gelegenheiten geben. Und wir sehen uns ja voraussichtlich im Herbst zu einem ganz zwanglosen Treffen, auf das ich mich jetzt schon freue!
    Zum Kennenlernen sicher auch besser geeignet als eine Tagung, wo doch der Austausch mit Experten zum Thema im Vordergrund stehen sollte.


    Meine "technische Ausrüstung" ist ein Geschenk gewesen und heißt Biolux NV von Bresser. Mit Monokel, d.h. nach einigen Minuten durchs Okular gucken bekomme ich Kopfweh. Dafür ist eine (naja, bestenfalls mittelprächtige) USB - Kamera dabei, die für diese Bilder zuständig ist. Ich habe auch versucht mit meiner Knipse durchs Okular Bilder zu machen (was mehr Tiefenschärfe bringen würde), aber das haut nicht hin.
    Bei einem richtigen Mikroskop geht das mit meiner Olympus ganz gut, in Hornberg habe ich es probiert und damit sogar recht passable Bilder hingebracht.
    Die Bilder hier sind deswegen nicht völlig unbrauchbar, weil es ein dankbarer Pilz ist: Alles schön groß im Inneren, gut zu präparieren (weich, aber nicht elastisch), gut anzufärben...
    Schau dir mal meine Mikros von Porlingen an. Da grausts einen. :evil:
    Aber es hilft, selbst mit so einer Linse sammelt sich ein wenig Erfahrung an, was das Anfertigen von Präparaten und die Darstellungsmöglichkeiten betrifft. Und das Erkennen von Strukturen.
    Irgendwann (wenn's der Geldbeutel zulässt) wird mal ein tausender in eine richtige Ausrüstung gesteckt. Mit Messvorrichtung, die fehlt mir am meisten.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,
    schöne Bilder und Beschreibungen, schon fast wieder ein ganzes Portrait! :thumbup:
    Mir gefallen besonders die Spazierstock-Paraphysen, die habe ich noch nicht selbst gesehen. Und die Makrofotos sind natürlich wie gewohnt super.


    Danke auch an Nobi für die Hinweise zur Artabgrenzung!


    Hallo Stefan,

    Zitat von Climbingfreak

    Wie kriegst du das technisch hin? Einfach deine Kamera ans Okular und "Feuer"? [...]
    Ich frag hauptsächlich, weil ich immer Tipps gebrauchen kann. Ich hab zwar ein gutes Mikroskop; allerdings weiß ich nicht wirklich, wie ich da Fotos machen kann. Es wird so sein, dass ich für ne Anfrage in diesem Jahr auch mal Mikroaufnahmen einstellen muss.


    Mit kleineren Kameras kannst du einfach durch das Okular fotografieren, mit meiner Kamera gelingen da recht gute Bilder. Allerdings funktioniert das wohl auch nicht mit allen Kameras. Die Linse (Kameraobjektiv) sollte einen relativ geringen Durchmesser haben. Mit der Kamera am Smartphone geht es nicht gut.
    Ich freue mich dann auf Mikrobilder von dir! :)


    Viele Grüße,
    Emil

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Emil,


    danke für die Tipps. Ja mal sehen, über was ich so dieses Jahr so alles stolpern werde. Letztes Jahr war für mich das Jahr der Dachpilze und Risspilze. :cool: Sonst war ja leider nicht so viel; zumindest hier...
    Hoffe da wieder etwas drauf. Möchte gern meinen ersten eigenen mirkroskop. bestimmten Risspilz feiern. ;)


    l.g.
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Eine Doppelfrage hätte ich noch:
    Das, was in PdS als Inermisia fusispora vorgestellt ist, sollte doch dann diese Art (B. terrestris) sein? Makrofoto: Gedrängt - büscheliges Wachstum, Paraphysen gekrümmt (Mikrozeichnung)?
    Und in der Sammlung AiB wird Byssonectria aggregata vorgestellt, das sollte makroskopisch und nach der Beschreibung der Ökologie dann ja auch Byssonectria terrestris sein, die Paraphysen in der Mikrozeichnung aber sollten dann zu Byssonectria fusispora gehören?



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    sowohl die PdS- als auch die AiB-Art halte ich für Byssonectria terrestris!
    Diskussionen kritischer Arten, wie zB fusispora vs. terrestris wird sicher ein Thema der Dungpilztagung sein!
    Im Gegensatz zu meiner Aussage im PP-Forum neige ich in letzter Zeit immer mehr dazu, an nur eine Art zu glauben.


    Hier geht es zu dem ausführlichen Doppelpilze-Thread, mit vielen tollen Bildern und verwirrenden Aussagen!


    LG Nobi

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  • sowohl die PdS- als auch die AiB-Art halte ich für Byssonectria terrestris!
    Diskussionen kritischer Arten, wie zB fusispora vs. terrestris wird sicher ein Thema der Dungpilztagung sein!
    Im Gegensatz zu meiner Aussage im PP-Forum neige ich in letzter Zeit immer mehr dazu, an nur eine Art zu glauben.


    Moin Nobi und Pilzfreunde


    Hier ein geschickter Fund von Dieter Lode vom 13.03.2013, den ich als Byssonectria fusispora zugeordnet habe.
    Wenn es zwei Arten sind (ich glaube daran) dann hatte uich beide schon unterm Mikro.



    LG Hartmut

    • Offizieller Beitrag

    Hallo miteinander!


    Ach, so kontrovers ist die Diskusion bei den Doppelpilzen doch gar nicht. :)
    Ich muss sagen, wenn ich das richtig verstanden habe, ist es einfach anhand mikroskopischer Merkmale nicht ganz einfach, da nur die Form und der Inhalt der Paraphysen, sowie Tendenziell Form und Größe der Sporen einigermaßen gute Rückschlüsse zulässt.
    Anders sieht es ja dann mit makroskopischen Merkmalen und der Ökologie aus.
    Da sind die Unterschiede (Farbe, Wuchsweise + Subikulum, Dung- / Uringetränkter Boden vs. Moose, Flechten, Magerrasen, Brandstellen) ja schon gut nachvollziehbar. Ich hoffe ja mal, daß in meinen Sandkösten die fusispora auch noch mal auftaucht, um die untersuchen zu können.


    Aber wie bei so vielen Arten scheint es auch hier immer wieder mal Kollektionen zu geben, die in jeder Hinsicht nicht eindeutig sind. Aber ist das denn so schlimm? Seit ein paar Tagen schaue ich mir zB T. versicolor und T. ochracea an. Zwei gut trennbare Arten, wenn sie jeweils ideal ausgeprägt sind. Wären da nur nicht immer diese Irrläufer irgendwo dazwischen. Sichere Trennmerkmale: Gibt es dann nicht. Man rennt gegen Wände, wenn man nach eindeutigen Kriterien sucht, die immer zutreffen.
    So ähnlich scheint es ja hier auch zu sein. Da kann dann nur eine Entscheidung aus dem Gesamteindruck gefällt werden. Die vielleicht nicht 100% zutreffen muss, aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht.


    Ich spekuliere mal so ganz laienhaft in die Landschaft hinein, sozusagen auf blauen Dungst:
    In der Evolution gibt es keinen Stillstand. Jede Art befindet sich ständig in der Entwicklung. Die eine Sippe einer Art in die eine, die andere in die andere Richtung.
    Nun treffen sich zwei unterschiedliche Arten, die sich vor langer Zeit mal evolutionsbedingt gespalten haben. Getrennt sind sie, können sich also nicht mehr kreuzen. Beide haben evolutionstechnisch einen langen Weg hinter sich, treffen aber an einem Ort räumlich wieder zusammen, wo sie sich, den äußeren Bedingungen folgend, so entwickeln, daß sie sich morphologisch und von den ökologischen Vorlieben wieder annähern.
    Natürlich sind sie genetisch gesehen immer noch getrennt. Aber einen Vorteil können sie aus der optischen Annäherung ziehen: Sie haben die Mykologen nachhaltig verwirrt.


    Soweit mal mein kleines Märchen von den sich entwickelnden Arten. ;)
    Den Thread habe ich mal in den Portrait - Index eingpflegt. Das sollte schon so passen.
    PS.: Als deutschen Namen habe ich mich mal für "Spindelsporiges Dung - Aggregatbecherchen" entschieden, um hier auch eine Unterscheidung zu ermöglichen, da auch B. fusispora ja "Spindelsporiges Aggregatbecherchen" heißt.



    LG, Pablo.


  • In der Evolution gibt es keinen Stillstand. Jede Art befindet sich ständig in der Entwicklung. Die eine Sippe einer Art in die eine, die andere in die andere Richtung.


    Genau das ist meiner Meinung nach der Punkt, Pablo! :thumbup:


    Panta rhei - Alles fließt!


    Das Etikett, was wir heute einem Pilz aufkleben, kann morgen schon falsch sein oder anders gesagt, aus der Schublade, in die wir heute einen Pilz stecken, könnte er sich bald befreien.


    Wir sollten einfach akzeptieren, dass wir nicht allen Dingen einen endgültigen Namen geben können!


    LG Nobi

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