Björns Pilzlexikon for runaways, Lektion 2: Braunhaarborstlinge (Trichophaea)

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 8.663 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von melanieoderimmer.

  • Wie einige sicher schon gesehen haben, lohnt es sich, in Karrenfurchen oder auf bestimmten Erdböden (festgefahrene Stellen, bestenfalls ohne Sand/Kies und nicht allzu feucht) nach kleinen Pilzen zu suchen. Die meisten von ihnen gehören zu den Schlauchpilzen (Ascomycetes) und werden 1-50 mm breit (siehe Orangebecherling).


    Mit etwas Erfahrung kann man die Erfolgsquote, solche kleinen Schmuckstücke zu finden, auf bis über 50% Fundwahrscheinlichkeit erhöhen. Dabei reicht allerdings bloßes Vorbeigehen in den meisten Fällen nicht, man sollte sich ein wenig (oder auch mehr :D) Zeit nehmen, um sich die vermeintlichen Stellen näher anzuschauen. Also unbedingt an Knieschoner oder alte Hosen denken :P


    Die Arten, die ich in den letzten 16 Monaten an solchen Stellen gefunden habe, sind die folgenden:


    Orangebecherling, Aleuria aurantia (4)
    Behnitz's Kotling, Ascobolus behnitziensis (1)
    Areolensporiger Violettbecherling, Boudiera areolata (1)
    Kleiner Sandborstling, Geopora arenicola (1)
    Halbkugeliger Borstling, Humaria hemisphaerica (6)
    Netzsporiger Moosbecherling, Lamprospora retinosa (1)
    Ockerbrauner Borstenbecherling, Leucoscypha patavina (1)
    Winziger Borstenbecherling, Leucoscypha semi-immersa (1)
    Großer Moosbecherling, Octospora humosa (2)
    "Sporenfresser", Octospora phagospora (1)
    Kastanienbrauner Becherling, Peziza badia (2)
    Flacher Violettbecherling, Peziza depressa (1)
    Punktiertsporiger Lilabecherling, Peziza howsei (1)
    Langsporiger Becherling, Peziza lividula (1)
    Gelbfleischiger Becherling, Peziza michelii (7)
    Gelbmilchender Becherling, Peziza succosa (2)
    Rotleuchtender Kissenbecherling, Pulvinula constellatio (1)
    Cejp's Borstling, Scutellinia cejpii (1)
    Scharlachroter Borstling, Scutellinia scutellata (2)
    Napfförmiger Tigelbecherling, Tarzetta cupularis (4)
    Boudier's Braunhaarborstling, Trichophaea boudieri (1)
    Geselliger Borstling, Trichophaea hybrida (4)
    Kurzhaariger Braunhaarborstling, Trichophaea pseudogregaria (1)
    Woolhope's Braunhaarborstling, Trichophaea woolhopeia (1)


    So, meint noch jemand, das lohnt sich nicht? :D


    Jedenfalls möchte ich euch hier mein "Forschungsgebiet" vorstellen, auch wenn es nicht ganz einfach ist, denn es gilt: ohne Erfahrung und erst recht ohne Mikroskop ist bei den meisten Arten kaum etwas zu machen, wenn sie denn nicht unbedingt Orangebecherling heißen.


    Neben dem Mikroskop sollten die gängigen Chemikalien, also Baumwoll-Lactophenol, Lugol oder Melzer vorhanden sein, um eventuelle Reaktionen oder Sporenoberfläche oder der Sporenschlauchspitze festzustellen. Zu den unterschiedlichen Reaktionen und Reagenzien komme ich später noch einmal zu sprechen.


    Der hier erstelle Beitrag befasst sich mit der Gattung Braunhaarborstling (Trichophaea), die in Mitteleuropa aus etwa 8 Arten bestehen dürfte. Die Auffassungen hierzu sind sehr unterschiedlich, verwendet man Nordic Macromycetes (Vol 1), so gelangt man verschiedentlich bis Trichophaea hybrida, die hier als Sammelart aufgefasst wird, mit der Bemerkung, dass sich womöglich weitere Arten hier verbergen. Wie es denn so ist, so ist das "Verborgene" mein erklärtes Forschungsgebiet. Denn das Interessante, also Steinpilze oder Pfifferlinge, ist für mich kalter Kaffee und wird daher lieber den Pilzsammlern überlassen, die entweder aufrecht gehen oder, wie Rada, auf dem Boden herumkriechen :D


    Sei es drum, jedenfalls ist die Gattung Trichophaea makroskopisch gut erkennbar an den 1-8 mm breiten, becher- bis flach tellerförmigen Fruchtkörpern mit mehr oder weniger deutlich braunhaarigem Rand sowie grauer bis graubrauner Fruchtschicht. Die Fruchtschicht ist wie bei den meisten Schlauchpilzen aufgebaut aus Sporenschläuchen (Ascus, pl. Asci) und Paraphysen. Die Paraphysen sind fädige, keulige oder kopfige Endzellen, die zwischen den Sporenschläuchen aus der Fruchtschicht herausragen und steril sind, also keine Sporen ausbilden. Sie enthalten bei vielen Arten einen granuliert-körnigen Inhalt, der bisweilen farbig sein kann und somit in der Gesamtheit die Farbe der Fruchtschicht bildet. Beim Orangebecherling wäre dies orangerötlich, weil die Paraphysen ein orangerötliches Pigment enthalten.


    Bei den hier behandelten Arten enthalten die Paraphysen aber kaum Farbpigmente, daher sind die Fruchtschichten der Arten eher trist angelegt. Die Sporenschläuche enthalten 8 Sporen, die kettenartig aneinander gereiht sind. Die Sporen selber sind breitelliptisch bis schlank spindelförmig und entweder glatt oder deutlich ornamentiert (punktiert bis grobwarzig). Die Haare sind von Art zu Art unterschiedlich lang und daher ein Bestimmungsmerkmal!


    Sehr ähnlich, aber nicht in der gleichen Gattung ist der Halbkugelige Borstling (Humaria hemisphaerica) mit bis über 20 mm breiten Fruchtkörpern und elliptischen Sporen, deren Ornament regelmäßig feinwarzig ist und die ebenso regelmäßig 2 Tropfen enthalten.


    Die häufigste Art, die ich in NRW bis jetzt feststellen konnte, ist der Gesellige Borstling (Trichophaea hybrida, siehe auch Fundliste). Wenn ich außer der hier vorgestellten Art noch eine weitere finde (was sehr wahrscheinlich sein könnte), so wird sie hier hinzugefügt. Das Material aus dem letzten Jahr ist leider mehr oder weniger mikroskopisch unzureichend dokumentiert (sagen wir es einfacher: die Bilder sind schlecht :D).


    Egal, gehen wir es an mit


    1. Kurzhaariger Braunhaarborstling
    Trichophaea pseudogregaria (Rick) Boud. 1907


    Beschreibung: Fruchtkörper 2-6 (8) mm breit, anfangs kugelig geschlossen, dann halbkugelig bis becherförmig, im Alter mehr und mehr flach ausgebreitet; Fruchtschicht glatt, graubraun. Außenseite besetzt mit büschelweise zusammengepackten, braunen Haaren. Sporen 19-21,5x9,5-10,5 µm, elliptisch bis spindelförmig, jung glatt mit 2 Tropfen, bei Reife deutlich unregelmäßig grobwarzig, 2-3 größere Tropfen enthaltend, Warzen bis 1,5 µm breit und hoch. Asci 150-210x14 µm, 8sporig, zylindrisch. Paraphysen zylindrisch, 2-3 µm breit, an der Spitze bis 4 µm verdickt, septiert. Haare 300-400 (450) µm, auch an der Basis nicht sonderlich verdickt, zugespitzt, braun, dickwandig, Basiszellen hyalin. Struktur unterhalb der Haare kugelig.
    Fundort: 14.09.2011, Vossenack-Germeter (Nordeifel, NRW), an lichter Stelle auf nackter Erde zwischen vereinzelten Moosen, rasig wachsend.
    Verbreitung: weitgehend unbekannt, vermutlich oft mit T. hybrida zusammengefasst.
    Bemerkung: T. hybrida ist eine makroskopisch kaum unterscheidbare Art, auch ihre Sporen sind spindelförmig, aber größer und zudem ganz fein punktiert (nicht grobwarzig wie hier!).


    trichophaeapseudogregar.jpg


    trichophaeapseudogregar.jpg


    trichophaeapseudogregar.jpg


    trichophaeapseudogregar.jpg


    trichophaeapseudogregar.jpg



    Anmerkung: Bild 4 zeigt einen Sporenschlauch, Bild 5 zeigt zwei Randhaare.



    Auch hier wird es wie bereits oben angesprochen eine Erweiterung geben. Ich bin mir sicher nachweisen zu können, dass es hier mehr als nur eine Trichophaea hybrida gibt (vielleicht findet Rada am Sonntag ja weitere Arten 8| ).


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

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  • Hat was!! Erinnert mich irgendwie an meine Botanik-Vorlesungen.


    Schon mal überlegt, den Stoff als "Die Invasion der Braunhaarborstlinge" an Steffen Spielberg zu verkaufen...?
    ;)


    Tom


  • Hat was!! Erinnert mich irgendwie an meine Botanik-Vorlesungen.


    Schon mal überlegt, den Stoff als "Die Invasion der Braunhaarborstlinge" an Steffen Spielberg zu verkaufen...?
    ;)


    Tom


    ach klar, meine Bilder waren doch schon längst die Vorlage von "The Langoliers"...wusstest du das nicht?

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  • 2. Geselliger Braunhaarborstling
    Trichophaea hybrida (Sowerby) T. Schumach. 1988


    Beschreibung: Fruchtkörper 2-7 mm breit, anfangs kugelig bis halbkugelig mit eingebogenem Rand, dann ausgebreitet becherförmig, meist nicht flach scheibenförmig, im Alter jedoch oft auch verbogen, insbesondere bei Unebenheit des Untergrunds, stiellos dem Substrat aufsitzend. Hymenium blass graubraun bis grau, grauweißlich. Rand und Außenseite mit filzigen, bräunlichen Haaren besetzt.
    Sporen 21,5-25x10-11 µm, elliptisch bis spindelig-elliptisch, z.T. auch unregelmäßig einseitig ausgebeult, selbst unter x1000 relativ glatt erscheinend, mit Baumwollblau jedoch ganz fein punktiert, hyalin, mit mehreren größeren oder kleineren Tropfen komplett gefüllt, etwas dickwandig. Asci 200-300x12-16 µm, achtsporig. Paraphysen 2-3 µm dick, an der Spitze leicht bis 4,5 µm verdickt, hyalin, septiert. Haare 400-550 µm lang, braun, dickwandig, teilweise eingeschnürt (durch Trockenheit?).
    Fundort: 21.09.2011, Bergisches Land, an moosiger und nackter Erde an einem etwas erhöhten Wegrand.
    Verbreitung: sehr häufig.
    Bemerkung: Trichophaea hybrida ist von allen Braunhaarborstlingen die häufigste Art. Sie ist von Trichophaea pseudogregaria (siehe 1.) makroskopisch nicht zu unterscheiden. Mikroskopisch grenzt sie sich jedoch durch unregelmäßig spindelige Sporen mit ganz fein punktierter Oberfläche deutlich ab.


    trichophaeahybrida4.jpg


    trichophaeahybrida2c.jpg


    trichophaeahybrida2d.jpg



    3. Woolhope's Braunhaarborstling
    Trichophaea woolhopeia (Cooke & W. Phillips) Boud. 1885


    Beschreibung: Fruchtkörper 2-8 mm breit, anfangs halbkugelig mehr oder weniger geschlossen, dann relativ früh flach scheibenförmig ausgebreitet, Rand kaum aufgebogen, stiellos dem Substrat aufsitzend. Hymenium blass graubraun bis grauweißlich. Rand und Außenseite mit bräunlichen, filzigen Haaren dicht besetzt, bei genauerem Hinschauen ist der innere Rand mit dunkelbraunen, der äußere Rand mit hellbräunlichen Haaren versehen.
    Sporen 18-22x14-15,5 µm, breitelliptisch bis fast subglobos, hyalin, selbst unter x1000 und Baumwollblau völlig glatt, mit einem großen Tropfen und oft an einer Seite mit einem weiteren, wesentlich kleineren Tropfen. Asci 200-260x18-23 µm, achtsporig. Paraphysen 3-3,5 µm dick, an der Spitze bis über 8 µm langsam verdickt, septiert, hyalin. Haare 150-210 µm lang, braun, septiert und dickwandig, zwischen diesen Haaren mit vielen keuligen, kurzzelligen Objekten von bis 35 µm Länge, diese blassbräunlich und weniger dickwandig.
    Fundort: 21.09.2011, Bergisches Land, auf kalkhaltiger, nackter Erde an einem steilen Wegrand, gesellig wachsend.
    Verbreitung: weniger häufig als Trichophaea hybrida (siehe 2.), jedoch nach unseren (Rada und meiner) Beobachtungen bei immer noch fast jeder Exkursion auf der Fundliste.
    Bemerkungen: Die hier beschriebene Art weist auch bei älteren Fruchtkörpern einen meist zweifarbigen Rand auf, der durch unterschiedliche Haardichte und den unterschiedlich geformten und gefärbten Zelltypen zustande kommt. Durch die breitelliptischen Sporen ist diese Art mikroskopisch auf den ersten Blick unverkennbar.


    trichophaeawoolhopeia3b.jpg


    trichophaeawoolhopeia1f.jpg


    Das wars fürs erste. Weitere Arten werden in diesem Beitrag entsprechend vorgestellt, wenn sie denn gefunden werden ;)


    Bei Fragen => PN an mich oder direkt hier in diesem Beitrag.


    lg björn

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  • Sehr informativer und gut geschriebener Beitrag!
    Danke!:thumbup:


    Tatsächlich: Björn gehört im Forum wohl zu den Jüngsten. Wenn es dagegen um seine Myko-Erfahrung geht, ist er ein absoluter Oldie. Für seine Bereitschaft, sein Wissen und seine Freude mit uns zu teilen, vor allem aber für die Fähigkeit, uns die Augen für die Schönheit des Kleinen zu öffnen, muss ich ihm glatt ein Sternchen verleihen.


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    Tatsächlich: Björn gehört im Forum wohl zu den Jüngsten. Wenn es dagegen um seine Myko-Erfahrung geht, ist er ein absoluter Oldie. Für seine Bereitschaft, sein Wissen und seine Freude mit uns zu teilen, vor allem aber für die Fähigkeit, uns die Augen für die Schönheit des Kleinen zu öffnen, muss ich ihm glatt ein Sternchen verleihen.


    Danke, dryocopus, obwohl "Oldie" macht mich irgendwie doch alt :D


    ich hoffe, ich kann dazu beitragen, dass die Welt der Pilze nicht auf Fliegenpilz, Pfifferling und Marone beschränkt bleibt, sondern dass es darüber hinaus ganz andere Dinge gibt, die zwar den Speisezweck nicht erfüllen, jedoch ihre Aufgabe in der Natur haben, und sei es nur im Bereich eines Mikrokosmos, der von uns Menschen wenig beachtet wird und dessen Schönheit sich nur denen preisgibt, die sich ihm zuwenden und die ihm seine Geheimnisse entlocken wollen.


    Das war doch mal ein Satz...:D

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    • Offizieller Beitrag


    Na toll, jetzt wird ´s mich bei jedem Braunhaarborstling gruseln :cursing:
    :D

    Gnolmige Gnüße, Gnelmanie die Rote

    "In den Wäldern sind Dinge,
    über die nachzudenken,
    man jahrelang im Moos liegen könnte."

    -Franz Kafka-
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