Seit einigen Wochen hab ich Fieber. Eine Quasi-Pilzvergiftung.
Im positiven Sinne. Ich bin ganz verrückt danach, an den Abenden in diversen Foren, auf Youtube und in Büchern alles nach Pilzen aufzusaugen was ich aufsaugen kann.
An den Abenden eben. Nur wenn ´s draussen dunkel und kalt ist. Wenn ´s die Lichtverhältnisse nur ein bisschen zulassen, dann bin ich nicht bei den Büchern. Dann ist das Buch bei mir.
Im Wald. Bei den Pilzen. Irgendwo knieend, vor einem unscheinbaren Pilz, oder vor einem grellfarbigen, auffälligem Pilz. Auf einem Stein oder Baumstamm sitzend und im Buch den Pilz zu meinen Füssen studierend.
Nur ich. Und meine Labradorhündin. Die sich gar nicht mehr auskennt. Denn auch Herrchen hat angefangen zu schnüffeln - an Pilzen!
Wir zwei kennen ja die Wege durch die hiesigen Wälder, seit 4 Jahren, solange ist sie jetzt bei mir. Doch dieses Querfeldein, Hügel rauf und runter, durchs Unterholz, manchmal steil bergauf, dann steil hinunter, das gefällt ihr viel besser als die langweiligen Kieswege.
Mir auch.
Vorsichtig, schonend zur Natur, jeder Tritt bedacht, ja keine Pilze zertrampeln. Hab ich nie getan, auch nicht als ich einen Steinpilz nicht von einem Fusspilz unterscheiden konnte. Jetzt schon gar nicht. Nicht jetzt, wo ich teilweise sogar die lateinischen Namen meiner bunten Freunde kenne.
Wunderbare Welt der Pilze! Viele hab ich gesammelt. Die wenigsten ins Körbchen, die meisten auf die immer umhängende Digitalkamera mit Supermakro. Damit ich zuhause noch geniessen kann.
Was ist es, was mich und gleichgesinnte mit Körbchen und Kamera durch die Wälder schleichen lässt?
Ist es das fortgeschrittene Alter, das einem zurück zur Natur zieht? Nein, ich geh nicht in den Wald um zu sterben! Im Gegenteil! Die Stille des Waldes strahlt ja mehr Leben aus als die Münchner Wiesn im September!
Und wenn ich sehe welche Jahrgänge sich hier im Forum tummeln und welches Wissen da teilweise vorhanden ist, dann kann es auch nicht das Alter sein.
Was dann? Die Faszination eines Wesens zwischen Tier und Pflanze? Die Ruhe, die wunderbare Luft unserer grünen Lunge? Ein Jagd- und Sammeltrieb?
Ich glaube es ist eine gute Mischung aus allem. Zurück zur Natur, abschalten. Ich für mich kann im Wald abschalten. Alles.
Ausser der Kamera natürlich.
Und den Blick nach Dingen, die ich 40 jahre lang nicht beachtet habe.
Ich hab den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Heute sehe ich ihn, mit den Augen eines Naturfreundes, eines Pilzvernarrten Wanderers, oft die Knie schmutzig vom niederknien, auch schon mal den Hosenboden. Weil ich unfreiwillig Platz genommen hatte, in einem steilen Stück.
Tannennadeln in den Haaren. Teilweise Kratzer im Gesicht von Ästen. Nach Hause kommen und duschen, noch die Waldluft in den Lungen, vor ´s Kaminfeuer mit der Kamera und Revue passieren lassen.
Ich mag meine Pilzvergiftung.
Günter