Pilzis Abenteuer

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 7.563 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Joe26.

  • wie aus Brut Pilze werden


    Hallo Leute, insbesonders unsere Starter.


    Ihr habt Eure ersten Pilze aus Fertigkulturen geerntet, sicher ein erhabenes Gefühl. Nun wollt Ihr sicher schnell mehr. Dies ist nicht so kompliziert.


    Ach ja, ich muß mich vorstellen. Pilzi ist mein Name, ich gehöre zur Familie der Austernseitlinge, die Botaniker sagen Pleurotus ostreatus, meine Geschwister heißen Pleurotus columbinus, (Winterausternseitling). Meine Ahnen waren in ganz Europa in den Wäldern zu Hause. Da den Menschen unser Fleisch aber so gut schmeckte, haben sie versucht, unsere Gene dazu zu bringen, auch in den Labors und den Kellern ihrer Häuser und in ihren Gärten zu fruchten.


    Ich bin nicht ganz alleine, wir sind ein ganzer Pulk. Wir wurden in einem Labor aus identischem Genmaterial künstlich gezüchtet und zusammen mit ausreichend Proviant in Tüten verpackt. Das nennt Ihr wohl Brut. Ich liege seit ein paar Tagen im Kühlschrank meines neuen Ziehvaters. Da geht's mir nach der langen Reise im LKW recht gut.


    Überhaupt hat mein Ziehvater einige Vorbereitungen getroffen, daß es meiner weiteren Entwicklung an nichts fehlt:


    Vorbereitungen
    Im Dachboden habe ich gesehen, daß er vieles an geeignetem Substrat, gelagert hat, auf dem wir Pilze wachsen sollen. Geeignet dazu sind alle Materialien, die wir auch in der Natur bevorzugen, allerdings in etwas reinerer Struktur:


    Üblich sind vor allem:
    A. Stroh in 2 cm-Stückchen geschnitten, Stroh-Mehl, auch als Strohpellets im Handel. Etwas Wiesenheu kann auch dabei sein. Alles findet Ihr bei der Kleintierabteilung im Supermarkt oder Tierhandlung.


    B. Holz, bevorzugt Laubholz, als Schnitzel, oder mit Sägemehl verpreßt zu Briketts. dabei muß darauf geachtet werden, daß nur heiß verpreßtes Material und Holz ohne Rinde verarbeitet wurde. Reine Bio-Buchenholz-Presslinge (erkennbar an dunkler Farbe) eignen sich gut. Die Presslinge bekommt Ihr (zumindest hier in ländlicher Gegend mit Holzheizungen) bei Supermärkten oder Baumärkten. Sie sind in Folie verpackt und halten sich somit sehr lange.


    C. Getreide, jede Art Getreide, gekörnt, geschrotet, mit/ohne Spelzen könnt Ihr verwenden. Mein Ziehvater hat Weizen. Es handelt sich dabei um das ganze Korn mit Schalen (Spelzen).



    Die Substrat-Zutaten müssen immer behandelt werden. Es empfiehlt sich, das Material einzeln in Wasser zu fermentieren. Dazu wird es mindesten 1 Woche voll in Wasser gelegt. 1-2 cm sollte das Wasserstand über dem Material stehen. Oft wird auch ein einfaches Überbrühen mit kochendem Wasser empfohlen. Da aber fast immer Stroh im Spiel ist, und die Holzbriketts ohnehin aufquellen müssen, ist fermentieren die bequemere und sicherere Wahl.


    Getreide und Heu samen oft in den Kulturen aus, dann habt Ihr eine schöne Wiese, aber wir Pilze haben keinen Platz mehr. Mein Ziehvater kocht deshalb dieses Material im Dampfdrucktopf 1/2 Stunde, dann sind die Sämlinge abgestorben.


    D. Behälter zum Einweichen / Fermentieren: normale Haushaltseimer 10ltr.


    E. Um das Substrat wieder von überschüssigen Wasser zu befreien, wären Leinen-Beutel gut geeignet. Sie lassen sich leicht quetschen und nachher gut auswaschen.


    F: dann braucht Ihr noch Beutel oder mittelgroße Eimer für unsere Kultur. Brauchbare Größen sind 5-ltr-Eimer bzw. 50-60cm Beutel. Es gibt im Fachhandel viele Größen, auch bereits sterilisiert.


    Zum Mischen der Substrate ist ein mit Plastik abgedeckter Küchentisch und ein mit Folie abgedecktes Backbrett ausreichend,


    Nun kann's losgehen.


    Kulurstart
    13.Oktober 2011
    Die Substrat-Eimer stehen seit 1 Woche in der Badewanne und blubbern etwas.


    Nachdem die Fermentation abgeschlossen war, wurden die einzelnen Substrat-Anteile in Leinsäckchen umgefüllt und gut ausgequetscht, anschließend noch 2 Tage zum abtropfen aufgehängt. Dann hat mein Ziehvater jeweils gleiche Menge Holzmehl und Strohpellets gemischt, danach etwas reines Heu und eine Handvoll Hafer untergemischt.



    16.10.2011
    Ich darf nun auch aus dem Kühlschrank. Ich und meine vielen Geschwister, also das was Ihr Brut nennt, hat mein Ziehvater in 4 Schalen verteilt, sind wohl jeweils ca 250 ml.


    3 große Eimer wurden mit jeweils 5 ltr Substratgemisch gefüllt und jeweils eine Partie mit 250 ml Körnerbrut wurde untergehoben. Diese Mischung kam dann in die bereitgelegten Beutel. Huch war das ein Stress.


    Ach ja, eine Partie der Brut wurde nochmals geteilt, sie durfte für längere Zeit wieder als Depot in den Kühlschrank. Mein Ziehvater will neue Kulturen daraus machen.



    Mycelwachstum:
    Danach durften wir uns erholen. Im Keller bei 12-14 °C und schöner feuchter Atemluft konnten wir nun wachsen. Ein kleines Fenster versorgt uns mit Frischluft. Damit wir keine kalten Füße bekommen stehen die Beutel auf Spankistchen oder auf einem Bratgitter, unter dem ein feuchtes Tuch liegt. 4 Wochen haben wir uns an dem guten Substrat gelabt und wir zeigten unserem Ziehvater mit ersten weißen Stellen, daß es uns gut geht.



    10.12.2011
    Primordia Bildung:
    Seit fast 7 Wochen sind wir nun schon in unserem neuen Zuhause. Uns geht's recht gut. Heute haben wir uns mal Mut gemacht. Einige kleine gelbliche Pusteln auf der Haut und winzig kleine Fruchtansätze sind erkennbar.


    Das hat unseren Ziehvater erfreut, er hat sofort einige Schlitze in die Beutel geschnitten, damit wir Platz bekommen und Luft kriegen.


    gedankt haben wir es heute schon, in der Nacht sind wir herausgekrochen und freuen uns, denn nun stehen wir auch noch etwas heller. Wir haben Licht, frische Luft, und es ist angenehm warm, während unsere Verwandschaft unter Schnee begraben auf den Frühling wartet. - Das Leben eines Pilzklons hat auch schöne Seiten.


    . .


    inzwischen sind nur 4 Tage vergangen, die erste Blume wird erwachsen. Bisher sind alle 3 Beutel in bester Verfassung. Auf der gesamten Oberfläche, auch oberen im Luftraum der Beutels drängeln kleine Primordia ans Licht, sie werden sicher nach und nach größer werden. Unser Ziehvater hat uns aber getrennt, der fruchtende Beutel kam ins Bad, die beiden anderen sind noch im Keller, einer noch geschlossen, einer davon oben geöffnet, Sicher will er wissen, was uns besser zusagt.


    - -


    wieder sind 3 Tage um. Die erste Ernte an einem Beutel ist reif.


    -


    sie brachte 210 gr auf die Waage. ganz gut für einen einzigen Ast.


    -


    es hat übrigens gut geschmeckt:


    gebratene Frühlingsrolle aus TK, Pilzi mit Lauchwiebel grob geschnitten, in Olivenöl mit Chili gebraten, Kohlrabi in grobe Scheibchen blanchiert, in Kräuterbutter geschmelzt, dazu Chardonnay(SÜW).



    Nun wurden die Öffnungen am Beutel erst mal wieder mit Folie verschlossen, danach kamen wir unter die Dusche. Nun sollen wir die im Start wartenden weiteren Triebe wachsen lassen.


    Einer unserer Beutel im Keller bei 11 ° 80 ½LF, dunkel, ist inzwischen auch schon in Fruchtlaune. der andere bildet einen großen Minifrucht-Rasen. Es scheint als ob es wir lieber kalt haben wollen, die Fruchtkörper, diesen Winzlingen auf dem Beutel im Bad bei Licht, 28 ° 75%LF gefällt es garnicht, sie sind recht trocken.


    wird fortgesetzt . . .

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Poseidon,


    ich habe dein "Austerntagebuch" mit viel Freude gelesen. Ich züchte zwar selber (noch :D ) nicht, aber deine Anleitung lässt das Thema so schön "leicht" wirken, das ich fast in Versuchung gerate ;)


    Freue mich, weiterhin von deinen Austern zu lesen!


    Lieben Gruß,


    melanie

    Gnolmige Gnüße, Gnelmanie die Rote

    "In den Wäldern sind Dinge,
    über die nachzudenken,
    man jahrelang im Moos liegen könnte."

    -Franz Kafka-
    _________________________________________________
    Keine Verzehrfreigabe im Internet! Hier, PSV-Liste, findest du deinen nächsten Pilzsachverständigen

  • Hallo Poseidon!


    Ich hab mal eine Frage: Wird der Winterausternseitling gezüchtet? Oder eine andere Art? Es gibt da bestimmt einige Arten, oder?


    Herzliche Grüße,


    Merlena


  • Hallo Poseidon!


    Ich hab mal eine Frage: Wird der Winterausternseitling gezüchtet? Oder eine andere Art? Es gibt da bestimmt einige Arten, oder?
    Herzliche Grüße, Merlena


    hallo Merlena.
    meinst du , ob der Winterauster generell ein Künstlicher Zuchtpilz ist, oder ?


    TaubenblauerSeitling (Pleurotus columbinus, Winterausternseitling) in Nordeuropa heimisch, fruchtet in der kalten Jahreszeit.
    kann auf einfache Art im Haus oder Garten gezüchtet (kultiviert) werden.


    der Abenteurer Pilzi ist der Bruder, auch heimisch, meist als Ganzjahres-Auster-seitling in den Katalogen.
    darüberhinaus gibt es noch diverse Arten, schau dazu mal auf pilze.html


    Heizungs-Räume vertragen alle diese Sorten nicht, feuchte Luft ist zwingend., wenn du einen Gewölbekeller oder einen alten Kartoffelkeller hast, wo es kühl ist, starte mit Winterauster, die sind unempfindlicher. Bei Neubaukeller etc musst du für gute Belüftung, keine Zugluft, dauerhafte 89-90% LF und mässiges Licht sorgen.
    Im Frühjahr kannst du auch mit einem Foliengewächshaus (Tomatenhäuschen) auf einem schattigen Balkon/Terasse beginnen. dazu frage aber nochmal gezielt,Vvielleicht mache ich dazu auch rechtzeitig eine Seite als Fortsetzung.2 - wenn die Gemeinde es für notwendig erachtet.

  • Hallo!


    Danke für die Antwort, nun sehe ich klarer! Hoffentlich klar genug, um morgen draußen ein paar Pilze zu finden - vielleicht ja Austernseitlinge, das wäre der Hammer. Und die Exemplare vom Markt werde ich demnächst genau unter die Lupe nehmen.


    Deinen Thread werde ich weiter verfolgen, er ist wirklich sehr anschaulich. Leider fehlt mir noch der geeignete Keller ...


    Herzliche Grüße und eine leckere Ausbeute,


    Merlena


  • Hallo!
    Danke für die Antwort, nun sehe ich klarer! Hoffentlich klar genug, um morgen draußen ein paar Pilze zu finden - vielleicht ja Austernseitlinge, das wäre der Hammer.


    habt Ihr noch Freiflächen, wo man Pilze sehen kann ? hier ist zumindest alles unter Schnee


    Zitat


    .... und eine leckere Ausbeute,


    eine Ernte steht kurz bevor, siehe Ergänzung oben.


    die weiteren werden sich hinziehen, das ist gut so, alles auf einmal waere zu viel des Guten. jeden 2.-3. Tag 200gr. reichen uns auch.

  • Hallo!


    habt Ihr noch Freiflächen, wo man Pilze sehen kann ? hier ist zumindest alles unter Schnee


    Oh ja, es hat letzte Woche geschneit, das blieb aber nicht liegen. Seitdem hat es viel geregnet. Im Moor stehen viele Wiesen unter Wasser.
    Einen Pilz habe ich gefunden, das könnte ein Austernseitling sein. Mal sehen, was die Experten sagen :)



    200 g Pilzsteak, lecker ... Guten Appetit!


    Merlena

  • Hallo Poseidon!


    Danke für die wunderbare Anleitung. Da steckt alles drin um auch einem lernresistenten Laien wie mir die Geheimnisse der Pilzzucht (zumindest die Grundlagen) verständlich zu vermitteln.
    Ich sitze gerade in der Arbeit und finde es von Minute zu Minute unerträglicher auf meinem Stuhl sitzen zu bleiben und nicht sofort in den Baumarkt/Gartencenter zu rennen und mir Substratmaterialen zu besorgen.
    Eine klitzekleine Frage müsste ich dann aber doch noch an dich herantragen:


    Ich habe vor einigen Wochen in überschwenglichem Ehrgeiz und der Vorstellung von üppigst wuchernden Speisepilzchen umringt zu sein, im Fachhandel so ein Fertigpilzset für Braunkappen erstanden.
    Weil mir die Herausforderung damals aber nicht groß genug schien und ich diesen doofen Pappkarton als Pilzheim zu unwürdig fand, hab ich das Substrat nach Sterilisation im Backofen in ein altes, mit Handdesinfektion behandeltes Aquarium verfrachtet.
    Das Myzel wurde anschließend in Form von Myzelpatches untergemischt.
    Anschließend habe ich das Ganze mit einer Lochfolie abgedeckt und in einem Kellerraum bei leichter Zugluft und geschätzten 15 °C aufgestellt.
    Die ersten Tage schien die Geschichte auch erfolgversprechend zu verlaufen, aber hat plötzlich garstiger Schimmelbefall eingesetzt und das Myzelwachstum komplett erstickt.


    Langer Rede kurzer Sinn:


    Wie sorgst du für Pilzis Hygiene? Wie hältst du deine Ansätze steril? Oder ist das einfach ein Spiel auf Risiko.
    Trägst du desinfizierte Handschuhe, wenn du die Substratzustaten mischt?
    Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, mir eine kleine Sterilbank zu basteln, um zumindest einige der Arbeiten in steriler Umgebung durchführen zu können, würde aber für den Anfang gern etwas kleiner stapeln.


    Falls es schon irgendwo ein halbes Dutzend Threads geben sollte, in denen genau dieses Thema behandelt wird, so sei mein Posting hier herzlich entschuldigt!
    Ansonsten bin ich für jede Antwort und Anregung dankbar.
    Ich versuche im Verlauf des kommenden WE zumindest einige der Vorrraussetzungen für deine Anleitung hier zu schaffen und freue mich schon wahnsinnig darauf (hoffentlich positives) Feedback geben zu können.


    Beste Grüße


    Johannes


  • grüß Dich Johannes, (teilweise Namensvetter) sieh meine HP



    danke , es freut einen, wenn der Artikel etwas Licht ins Dunkle bringt.


    nun zum Wesentlichen.


    Pilzis Abenteuer beginnen erst, wenn die Brut bereits stabil genug ist, sprich eine ausreichende Menge gut durchwachsenes Basissubstrat bereit steht..
    die Vor-Anzucht ist eher ein Thema für Fortgeschrittene.


    Deine Kultur könnte verschiedene Probleme gehabt haben:
    1. Pappkarton, der war ganz gewiss NICHT steril.
    2. Backofen: waren Substrat-Menge, Temperatur und Zeit richtig: Innentemperatur 115 ° 30-45min


    Zitat


    Langer Rede kurzer Sinn:
    Wie sorgst du für Pilzis Hygiene? Wie hältst du deine Ansätze steril? Oder ist das einfach ein Spiel auf Risiko.
    Trägst du desinfizierte Handschuhe, wenn du die Substratzustaten mischt?


    unsterile Arbeitsweise - wie im Artikel - Brut in Substrat:


    sauberes fermentiertes Material, im Spühlautomat 60 ° gereinigte Werkzeuge und Behälter, kalt gewaschene Hände keine Handschuhe.


    normale Zimmerumgebung Nichtraucher, gut gelüftet, geschlossene Fenster bei Trockenheit oder offen bei Dauerregen, dann wenn man nicht erfriert auch auf dem Balkon, dort ist die Luft feucht und ohne Schwebzeug und Miniinsekten.


    Die Zutaten mische ich in Wannen vor, fülle 3 Metallbüchsen 750m in anderen Eimer um und mische 250ml Brut unter. Dann kommt das ganze in den Aufzuchtbeutel oder einen 3ltr-Eimer (NETTO-Gartenabteilung-TransportÜbertöpfe = kostenloser Müll),


    Eimer mit Küchenfolie abdecken und mit Packband dicht abschliessen. Beutel zubinden.
    erst wenn das Substrat gut durchwachsen ist, wird etwas Luft zugegeben.


    Zitat


    Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, mir eine kleine Sterilbank zu basteln, um zumindest einige der Arbeiten in steriler Umgebung durchführen zu können, würde aber für den Anfang gern etwas kleiner stapeln.
    Falls es schon irgendwo ein halbes Dutzend Threads geben sollte, in denen genau dieses Thema behandelt wird, so sei mein Posting hier herzlich entschuldigt!
    Ansonsten bin ich für jede Antwort und Anregung dankbar.


    einige Denkanstöße zu steriler Arbeitsweise, Brut selber machen etc könnten hier sein:
    pilze.html
    insbesonders Brutvermehrung. schau Dir auch die Fotos an, die sagen manchmal mehr als viele Worte.


    PS:
    für sterile Brut und Pilzzucht gibt es auch ein eigenes Forum, allerdings eher professionell


    Nun viel Erfolg und Frwude an Deinem neuen Hobby,