Was zum Teufel sind "Dendrohyphidien"?

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 2.245 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von bwergen.

  • Im Sinne der Pilzforschung möchte ich euch hier (auch an Weihnachten) einen kleinen wissenschaftlichen Beitrag liefern, dies auf Basis mir neu vorliegenden Wissens und Beobachtungen.
    Wie ihr wisst, gibt es verschiedene Pilzgruppen (siehe Beitrag zur Taxonomie, Vortrag Pilz-Arbeitskreis Jülich). Die Rindenpilze stellen dabei eine der am schwierigsten bestimmbaren Gruppen überhaupt dar. Das liegt einerseits an der wenig zugänglichen und kostenintensiven Literatur, sowie auch an notwendigen Erfahrungen im Bereich der Präparation der Mikro-analyseobjekte. Im Allgemeinen untersuche ich Rindenpilze in 20% KOH und nehme etwas Kongorot hinzu, um die Zellen anzufärben. Die Bilder bearbeite ich neuerdings mit einer aktuellen Version von ACDSee, ein Programm, mit dem ich jahrelange Erfahrungen habe.


    Doch zum vorliegenden Fall. Heute war ich kurz unterwegs (20 Min.) und fand an einem feuchtliegenden Stämmchen von Rubus (Brombeere) einen fahl rosafarbenen Rindenpilz, der mich an Corticium roseum aus dem Bergischen Land erinnerte. Wie sich schnell herausstellte, war auch der hier gemachte Fund dieser Art zuzuordnen.


    Im Gegensatz zum Fund aus dem Bergischen Land hatte ich hier jedoch massenhaft stark baumartig verzweigte Strukturen, die zwischen den Sporenständern (=Basidien) aus der Fruchtschicht herausragen. Sie werden in der Mykologie Dendrohyphidien genannt. Das kommt einerseits von "dendros", dem gr. Wort für Verzweigung und "-hyphidien" für das hyphenähnliche Aussehen.


    Bemerkenswert ist dabei der Sinn dieser bäumchenartig verästelten Endzellen. Verschiedene Studien sollen gezeigt haben (u.a. veröffentlicht im TINTLING am Beispiel des Austernseitlings), dass derartige Strukturen Fallen für Mikroorganismen sind, d.h. diese verfangen sich in den Endzellen und werden von diesen regelrecht ausgesaugt.


    Soweit zur Theorie. Zwar liegen mir persönlich keine Praxisbeobachtungen vor, doch sollte sich da etwas tun, werde ich euch hier natürlich am Laufenden halten.


    Es folgt eine kleine Bildergalerie. Ich habe die Bildchen, vor allem doch die Mikrobilder, aufwendig nachcoloriert, und ich finde, das Programm hat gute Arbeit geleistet. Wieder was gelernt :D (auch wenn es extrem aufwendig war).


    corticiumroseum2a.jpg


    corticiumroseum2b.jpg


    corticiumroseum2c.jpg


    corticiumroseum2d.jpg
    Corticium roseum, Rosafarbener Rindenpilz, Obermaubach 24.12.2011


    Sieht cool aus ne? That's mycology, sag ich da nur :D


    lg und weiterhin frohes Fest,
    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

  • Hallo Björn!


    Das ist ja wirklich abgefahren ... dass Pilze sich auch von Bakterien ernähren, hätte ich nie vermutet.
    Danke für einen sehr interessanten Artikel, auch wenn er für mich noch ein bisschen abgehoben ist! Aber, man lebt und lernt. Dendrohy ... ehm, und da verließen sie sie. Ach, es steht ja im Titel!


    Herzliche Grüße!


    Merlena

  • Ja, find ich auch "abgefahren", aber wir verstehen ohnehin noch viel zu wenig von der Funktion vieler mikroskopischer Strukturen, und da wir es eben nicht verstehen, tun wir sie halt als "gegeben" ab. Bei einigen Arten können auch kopfige Endzellen festgestellt werden, deren Oberfläche von einer zumindest für Mikroorganismen klebrigen Substanz beschichtet ist. Auf diese Weise gewinnt z.B. der Austernseitling zusätzliche Nährstoffe. Tja, der Austernseitling als fleischfressender Pilz, wär hätte das gedacht? :D


    lg björn

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