Welche Pilze sind im Eichenwald zu erwarten?

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 14.465 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Wirderer.

  • Hallo,


    hab eben in der Mittagspause einen kleinen Eichenwald entdeckt.


    - Eichen, künstlich angelegt, in Reih und Glied
    - außen herum einige Erlen
    - ca. 50 x 150 Meter
    - Baumabstand ca. 1 m
    - Baumhöhen: zw. 4 und 6 Meter
    - Bäume sind sehr schlank gewachsen
    - Boden: komplett mit Eichenlaub bedeckt - kein Moos, keine Pflanzen, fast schon sumpfig
    - ringsherum sind bewirtschaftete Wiesen => diese werden wohl gedüngt => nährstoffreicher Boden


    Die beiden einzigen Pilzarten, die ich heute gefunden habe, sieht man mehr oder weniger gut auf folgendem Foto.


    Was mich aber mehr interessieren würde, was kann ich zur "normalen" Pilzzeit (August - November) dort erwarten?


    Und, vielleicht kann jemand anhand folgender Fotos noch diesen Baum identifizieren.


    Viele Grüße


    P.S. Beim Durchqueren des Wäldchens habe ich zwei kapitale Hasen aufgeschreckt... ansonsten gabs noch wahre Massen an Vögeln.

  • Puh, schwer zu sagen... das kommt wohl maßgeblich darauf an welcher Boden dort ist - Saurer Boden oder Kalkboden.
    Da du sagst das dort kein Moos zu sehen ist, würde ich sauren Boden schonmal ziemlich sicher ausschliessen, was für Steinpilze und ähnliche Röhrlinge schonmal ein ziemlich sicheres K.O.-Kriterium ist.


    Das dort gedüngt wird, würde ich nicht unbedingt als Vorteil sehen - soweit ich weis meiden viele Pilze solche Gebiete, aber das werden dir die Profis hier bestimmt noch sagen ! ;)


    Dein Baumpilz lässt wohl auch keine Rückschlüsse auf den Boden zu und dein unidentifizierter "Baum" ist Haselnuss.

  • Hallo,


    in deinem Wald, anscheinend bestehend aus vorwiegend jüngeren Bäumen, davon Quercus, Corylus und Alnus, die allesamt der Ordnung Fagales angehören und somit überhaupt schonmal mykorrhizafähig sind, könnte man folgendes finden:


    Corylus hat vor allem Mykorrhizapartner aus den Gattungen Lactarius (Milchling), Russula (Täubling) sowie Inocybe (Risspilz) und einige Cortinarien (Schleierlinge).


    Quercus kann enorm viele Mykorrhiza-Verbindungen eingehen, u.a. mit Cortinarius, Inocybe, Amanita (Wulstlinge), Tricholoma (Ritterlinge) usw.


    Alnus dagegen scheint weniger Auswahl zu haben, insbesondere häufig sind Naucoria (Erlenschnitzlinge), Russula pumila, Lactarius obscuratus, Cortinarius bibulus, Cortinarius helvelloides, Cortinarius alnetorum sowie der Röhrling Gyrodon lidivus (Erlengrübling).



    Saprobionten gibt es in dem Wald auch einige, einen davon (Exidia) hast du bereits entdeckt. Die Saprobionten an Erlen, Eichen und Haselnuss sind extrem vielzählig, da musst du einfach mal gucken, was sich da so finden lässt. Im Frühjahr sind die Kätzchen von Alnus (ab Februar!) von der sehr häufigen Ciboria amentacea besetzt. Kannst ja mal drauf achten und wenn du mehr Material, Bestimmungshilfe oder einfach Bilder haben willst, meld dich.


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

    Einmal editiert, zuletzt von bwergen ()

  • Hallo zusammen,


    herzlichen Dank für die Antworten.


    Fusselhirn: Dass gedüngter Boden, bzw. nährstoffreicher Boden nicht unbedingt ein Vorteil für Pilze ist, war mir schon bekannt. Hab mir gedacht, vielleicht kann man aufgrund dieser Aussage schon einmal ein paar Pilze ausschließen.


    Björn: Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Ich glaube ich werde in diesem kleinen Waldstück viele neue Arten kennenlernen.
    - Exidia (Saprobiont) - das hat mich jetzt fast etwas gewundert. Die Eichen sahen noch sehr gut aus. Vom Gefühl her hätte ich da eher auf einen Parasiten getippt.
    - Weil du oben einen Schnitzling ansprichst... wie kann man z.B. Lacktrichterlinge von Schnitzlingen sicher unterscheiden?


    Auf jeden Fall freue ich mich schon riesig auf die nächsten Monate - und was ich dort so finde werde. Ein so abgegrenztes "Biotop" ist mir bis jetzt nicht bekannt. Bei uns gibts sonst fast nur Fichten-/Buchenmischwälder.


    P.S.: Ich finds klasse, dass du viele Fachtermini einstreust - so lernt man nebenbei gleich noch etwas dazu :)

  • - Weil du oben einen Schnitzling ansprichst... wie kann man z.B. Lacktrichterlinge von Schnitzlingen sicher unterscheiden?


    Das ist relativ einfach: Lacktrichterlinge sind Weißsporer, Schnitzlinge generell Braunsporer. Die Schnitzlinge sind auch systematisch ganz woanders als die Lacktrichterlinge.


    P.S.: Ich finds klasse, dass du viele Fachtermini einstreust - so lernt man nebenbei gleich noch etwas dazu :)


    Das ist gut. Ich denke nämlich immer daran, dass ich die Beiträge nicht damit überfrachte. Andererseits: Beim Anwenden von nur botanischen Namen geht der eine oder andere vielleicht hin und gibt die Begriffe bei google einfach ein, um sich selbst ein Bild von dem jeweiligen Pilz zu machen und den deutschen Namen selbst rauszufinden. Das ist ganz sicher besser als wenn ich hier alles vorkaue und dann niemand mehr genauer hinguckt.


    lg björn

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    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

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  • Hallo, Wirderer!


    Dein Baum dürfte eine gemeine Hasel (Corylus avellana) sein. Es handelt sich eigentlich um einen Großstrauch, Strauchartigen Baum, Baumartigen Stauch, ... Es ist zum Glück nicht lebenswichtig, diesen recht häufigen "Baum" botanisch exakt zu taxieren.


    Beste Grüße, Klingsor

  • Wenn ich weiterhin die Zeit haben werde, und mich die Lust nicht verliert, werde ich mindestens 1x im Monat in diesen kleinen Eichenwald gehen und berichten welche Pilze zu finden sind... Auch wenn der Nutzen nicht so groß scheint, da mir sowohl die Erfahrung als auch die Ausstattung fehlt, alle Exemplare zu bestimmen, gibt es vielleicht einen netten Überblick.


    27.01.2012


    Hier vermute ich mal Tremella mesenterica...


    auf einer lebenden Eiche


    darunter auf einem heruntergefallenem Ast


    "Rindenpilz"


    Exidia truncta


    Nochmal Tremella mesenterica, diesesmal sehr klein


    Alge oder Pilz oder Flechte?


    Nochmals ein "Rindenpilz", diesesmal aber keine Rosafärbung zu erkennen...


    Etwas erschreckend war, dass fast alle Eichen befallen sind, zumindest mit "Rindenpilze" und Exidia - die Tremella habe ich nur an oben genannten Stellen gefunden. Ist der Wald krank? Oder ist das ein normales Bild. Als Vergleich kenne ich nur ältere Eichenwälder, und dort finde ich zu dieser Jahreszeit ausschließlich Eichenwirrlinge, keine anderen Pilze.


    Bin auf Februar gespannt, ob es dann neue Pilze zu entdecken gibt...

  • Der Wald ist eher eine Plantage (deshalb aber nicht weniger interessant für Pilze). 9/10 der angepflanzten Eichen müssen sowieso weichen, damit der Rest groß werden kann. Also mach Dir keine Sorgen.


    Es ist übrigens eine hervorragende Idee, ein bestimmtes Gebiet regelmäßig zu beobachten. So kriegt man Abläufe und Veränderungen sehr genau mit und kann das dann auch in andere Gebiete "übersetzen".

  • Es war klar, dass die Pilzvielfalt im Februar nicht gerade groß sein wird, besonders, da es noch Temperaturen um den Gefrierpunkt gibt, aber ich wollte trotzdem mal nachschauen, was sich in der Eichenplantage regt.


    Der Boden ist noch leicht mit Schnee bedeckt, dort habe ich nichts gefunden. An den Ästen der Eichen habe ich Exidia spec. in Massen gefunden, ein paar Mal die Tremella mesenterica, und oben gezeigte Rindenpilze...


    Dennoch gab es zwei neue Funde, die wahrscheinlich nicht jetzt erst gewachsen sind. Ich gehe davon aus, dass ich diese vorher übersehen habe.


    Laubholzhörnling oder Pfriemförmige Hörnling (Calocera cornea)


    Beim zweiten Neufund kann ich nur raten: Hypoxylon spec.


    Bin gespannt was es im März zu finden gibt.

  • Hallo zusammen,


    gestern machte ich mal wieder eine Runde durch die Eichenplantage.


    Also irgendetwas muss hier "faul" sein - überall in der Umgebung gibt es Pilze, es gab regelrechte Wellen von Täublingen, Milchlingen, Pfifferlingen, diversen Röhrlingen... aber in diesem Waldstück gibt es so gut wie nie etwas zu finden.


    Ich kann da nur spekulieren:
    - Bäume stehen zu dicht (1,5m), kaum Licht
    - Da es eine fast reine Eichenplantage ist, wurden evtl. diverse Mittel gespritzt, damit sich keine Schädlinge ausbreiten
    - Plantage war früher ein Acker - vielleicht ist der Boden davon noch geschädigt /überdüngt
    - Sporen sollten sich verbreiten können, da sich in ca. 100m Luftlinie ein "normaler" Fichtenwald mit eingestreuten Laubbäumen befindet



    Alle "Funde" von gestern:


    Rübling spec.



    Kartoffelbovist


    Viele Grüße,
    Wirderer

  • Dass die Plantage chemisch gespritzt wurde, glaube ich nicht - andernfalls würden wahrscheinlich nicht so viele Pilze an den Eichen wachsen...
    Vielleicht wurde der ehemalige Acker nicht biologisch bewirtschaftet? :/


    Sehr intereassant, deise Langzeitdoku ;)

  • So, heute war es wieder einmal so weit... eine Runde durch die Plantage.


    Diesesmal gab es zwar weit aus mehr Pilze, teilweise konnte man kaum gehen ohne welche umzutreten, aber es war kein einziger Röhrling oder Knollenblätterpilz dabei... nur Kleinzeugs (im Gegensatz zu umliegenden Wäldern).


    - Rettichhelmlinge
    - Kartoffelboviste
    - zwei Arten Milchlinge

    - rötlicher Lacktrichterling

    - "kleine Helle" in extremen Massen


    In drei Monaten, wenn meine "Langzeitdoku" abgeschlossen ist, werde ich den Wald wohl vorerst von der Liste streichen - da gibt es viel lohnendere Ziele in der Umgebung.


    Viele Grüße,
    Wirderer