Marone mit Geotropismus?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 5.844 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Nord-Pilz.

  • Hallo zusammen,


    ich hab grad in diesem Forum einen Beitrag von Uwe58 gelesen, in dem das Stichwort Geotropismus fiel:



    RE: Da war ja noch was ...
    (Heute 19:04)Aconymar schrieb:
    Hoffentlich findet sich überhaupt ein Pilz. Sonst muß ich noch willenlos durch die Weltgeschichte knipsen.


    Brauchst du nicht. Irgendein Pilz findet sich immer. Rotrandige Baumschwämme sind sehr fotogen. Buckeltrameten findet man mit kuriosen Formen und beim Zunderschwamm kann man nach Geotropismus suchen.
    Viel Spaß beim Ausprobieren.
    Viele Grüße von der Insel Rügen



    Das Wort Geotropismus hatte ich bisher noch nie gehört :rolleyes: und vorhin mal rumgegoogelt. Mir ist nun klar, dass damit die Wuchsrichtung von Pflanzen bzw. Pflanzenteilen bzw. auch von Pilzen bezeichnet wird.


    Letzten Herbst habe ich diese Marone waagerecht und ohne jede Krümmung des Stieles aus der senkrechten Kante einer kleinen Grube wachsen sehen. 8|



    Ich dachte, ich guck nicht richtig 8|8|8|, denn eigentlich wachsen Pilze doch mit der Hutoberfläche nach oben, wenn Platz dafür ist.


    Nun meine Frage: Tritt sowas häufiger auf und kann man das im Fall der Marone als abnormalen Geotropismus bezeichnen?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nordpilz,


    wenn ich Geotropismus richtige verstehe, dann trifft es auf deine Marone nicht zu. Von Geotropismus würde ich sprechen, wenn die Marone auf Grund ihres etwas ungünstigen Standortes nicht nur waagerecht aus dem Spalt gewachsen wäre, sondern ihre Fruchtschicht trotzdem zum Erdboden ausgerichtet hätte. Wirklich Ahnung habe ich da aber nicht!


    Ich denke, das ist Geotrop:
    9492177kae.jpg


    und bei dieser Marone könnte man zumindest von dem Versuch sprechen (hätte vielleicht besser funktioniert, wenn der Stamm von oben nicht auch noch behindert hätte, armes Ding ;) )
    9492193zih.jpg


    Das gleiche würde ich jetzt auch bei Uwes Hallimasch sagen. Interessantes Wachstum, aber nach meinem Verständniss nicht geotrop.


    gibt ´s hier experten dazu? Fände ich auch mal interessant genauer zu erfahren!


    lieben Gruß,


    Melanie

    Gnolmige Gnüße, Gnelmanie die Rote

    "In den Wäldern sind Dinge,
    über die nachzudenken,
    man jahrelang im Moos liegen könnte."

    -Franz Kafka-
    _________________________________________________
    Keine Verzehrfreigabe im Internet! Hier, PSV-Liste, findest du deinen nächsten Pilzsachverständigen

  • Als Geotropismus bezeichnet man die Eigenschaft von Pflanzen (und Pilzen) Ihr Wachstum an der Schwerkraft zu orientieren. In den Zellen sind kleine Partikel (Statolithen) eingelagert die sich, der Schwerkraft gehorchend, immer an der dem "Boden" zugewandten Wand einer Zelle sammeln. Die Pflanze wird durch diesen Reiz angehalten, genau entgegengesetzt, also nach oben, zu wachsen.
    So ist das Hauptwachstum immer vertikal nach oben gerichtet.


    Wächst eine Pflanze, ein Pilz, z.B. aus einer Mauer heraus, krümmt sich der Trieb nach oben.


    Im Prinzip weisen also alle Pflanzen, und wohl auch die (oder viele) Pilze, Geotropismus auf. Für und sichtbar wird das aber nur, wenn der Keim nicht vertikal austreiben kann.


    Bei den Pilzen kann ich mir vorstellen (Achtung Spekulation) dass sie schneller wachsen, als sie auf den Reiz reagieren können. Dass sie also erst mit fortgeschrittenem Wachstum/Alter die "Kurve" kriegen.

  • Gut, daß mir die Frage abgenommen wurde. :)


    Das Web verriet mir zudem daß es eigentlich Gravitropismus heißt, nur halt gerne Geotropismus genannt wird. Man kann auch noch zwischen negativem (Fruchtkörper der Hutpilze) und positivem Gravitropismus unterscheiden und es gibt wie Rada schon sagte verschiedene Reaktionszeiten. Transversal- oder Plagiotropismus gibbet oooch noch und diverse andere Tropismen und haste nicht jesehn.


    Positiv gravitrope Organe bewegen sich auf den Erdmittelpunkt zu (z. B. Hauptwurzeln), negativ gravitrope Organe bewegen sich von ihm weg.



    Ich habe jetzt jedenfalls verstanden was der Uwe mir sagen wollte bezüglich des Zunderschwamms.
    Steht der Baum noch, so wächst der Zunderschwamm ja senkrecht. Wird er dann aber gefällt, so müßte der weiterwachsende Pilz nun die Richtung ändern. Tut er ja auch. Das dürfte beim Zunderschwamm ja des öfteren zu beobachten sein. Da es bei Uwes Kommentar denn auch ums fotografieren ging war dies ein Tipp für ein interessantes Motiv. Mal schauen, vielleicht habe ich am Wochenende Glück und kann entsprechendes ablichten.


    Gibt man in Googles Bildersuche geotropismus+zunderschwamm+wachstum ein kommen auch gleich einige Bilder ans Licht.

  • Lieber Ralf, dass hast Du sehr anschaulich erklärt und macht für mich Sinn! Vielen Dank dafür :)


    Melanie, Dein Pilzbild ist hitverdächtig! Du solltest es auf jeden Fall bei den monatlichen Umfragen einstellen :thumbup:


    LG,
    Kuschel

  • Hier mal zwei Extreme. Die hatte ich schonmal gezeigt, passen aber gut zum Thema hier.


    Zuerst ein Eichenwirrling (Daedalea quercina). Er wuchs an einem liegenden Eichenstamm. Der Stamm wurde dann irgendwann und -wie um 180 ° gedreht, so dass die ehemaligen Unterseite (Bild 1) nach oben zeigte.
    Der Pilz hat dann die Fruchtschicht durch die ehemalige Oberseite nach dem jetzigen "unten" ausgebildet (Bild 2). Im Querschnitt (Bild 3) schön zu sehen.


    Dann ein Zunderschwamm (Fomes fomentarius). Die jetzt vertikal liegenden Fruchtkörper wurden gebildet als der Stamm noch aufrecht stand.
    Die Neuen Fruchtkörper wachsen jetzt horizontal und schließen den alten dabei ein.


    9493008ioa.jpg


    9493009njn.jpg


    9493010azb.jpg


    9493011hdy.jpg

  • Geotropismus ist tatsächlich ein allgemeiner Begriff und nicht nur für die Porlinge anzuwenden. Dort ist es gleichwohl am besten erkennbar, denn aufgrund der stabilen, relativ langsam wachsenden Fruchtkörper bildet der Pilz ganz einfach neue Fruchtkörper an den alten Exemplaren, die er dann mit der Porenschicht nach unten ausrichtet. Geotropismus ist bei Pilzen relativ weitreichend zu beobachten, vor allem aber bei sehr kleinen Arten wie Tintlinge oder Schwindlinge. Ich hab hier auch ein Beispiel, und zwar zeigt es den Efeu-Schwindling (Marasmius epiphylloides), dessen Hut sich mehrmals der Lage des Blattes ausgerichtet hat.


    marasmiusepiphylloides1.jpg


    Immer mal nachjustieren :D


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

  • Und weil es sonst zu simpel wäre, macht die Natur noch sowas:


    9493210rhr.jpg


    Weißer Büschelrasling (Lyophyllum cornatum)


    Anstatt, wie es sich gehört, gerade nach oben zu wachsen, verrenken sich die Fruchtkörper hier. Die beiden kleinen, rechts, machen es so, wie es sich gehört. Die großen tanzen Samba.:D


    Dabei dürfte es sich um eine, wie auch immer ausgelöste, Wachstumsstörung handeln.

  • Ich danke euch allen, dass ihr dieses Thema so aufgenommen habt und dass ich dadurch auch noch in den Genuss komme, so tolle Bilder von euch zu sehen! :) :thumbup:
    Außerdem hab ich jetzt noch einiges mehr über Geotropismus gelernt.




    Bei den Pilzen kann ich mir vorstellen (Achtung Spekulation) dass sie schneller wachsen, als sie auf den Reiz reagieren können. Dass sie also erst mit fortgeschrittenem Wachstum/Alter die "Kurve" kriegen.


    @ Rada:
    Das finde ich eine sehr interessante Theorie! :)



    Ich hab grad noch mal in meinem Bild-Archiv gewühlt und noch zwei andere Pilze mit "kurvigem" Wachstum entdeckt. Die wuchsen übrigens im Abstand von 1 m bis 3 m direkt neben der oben abgebildeten Marone.
    Vielleicht gibt es an dieser Stelle ja eine Anomalie in der Erd-Gravitation!? :D



    Oberirdisch sah dieser Birkenpilz so aus:



    Als ich ihn aber abschneiden wollte, bemerkte ich, dass da noch einiges unterm Laub ist. Die Krümmung wurde übrigens nicht durch einen wachstumsstörenden Gegenstand verursacht. Es war nur Laub über dem Stiel.



    Und dieser Pilz hatte einen schiefen Hut, der in eine bestimmte Richtung strebte.
    Vielleicht kann mir bei der Gelegenheit noch jemand sagen, was das für ein Pilz ist? :)






    [hr]
    Ach so, eine Frage hätte ich da noch: Wie kriege ich hier eigentlich meine Bilder in einem größeren Format eingestellt? :rolleyes:
    Danke