Hi nochmal,
ich war heute ein wenig auf der Suche nach Kleinpilzen an Grasresten. Die ganze Sucherei erstreckte sich auf etwa 100m und dauerte nur wenige Minuten. Hier in der Nordeifel liegt in den höheren Lagen teilweise durchaus eine geschlossene Schneedecke, sodass ich mich insbesondere an die Stellen herangetraut habe, wo der Schnee schon etwas geschmolzen war.
Prinzipiell könnte man aber sagen, dass man derzeit an beliebigen Stellen Schlauchpilze antreffen kann. Das heißt, an Gras- und Krautresten am Wegrand, in Wiesen, im Wald. Da, wo im Herbst und Winter die Konidienstadien (hab ich mal irgendwo hier im Forum näher erläutert) erschienen sind, tauchen jetzt die Hauptfruchtformen auf. Aber richtig! Soll heißen: Jedes der drei angefertigten Präparate zeigte deutliche Sporenschläuche mit durchaus sehenswerten Sporen.
Zunächst zeige ich euch aber die Susbtrate, an denen ich 3 Pilzarten festmachen konnte:
Falls jemand von euch genau sagen kann, um welche Wegrandkräuter es sich hier handelt, dann wäre das sehr schön. Ich hab bei dem rechten Exemplar mal Richtung Schwingel geguckt, aber ich glaub, das wäre falsch. Fakt ist, bei den Pflanzen links und rechts handelt es sich um Gräser (= monocotyledon), während das mittlere eine zweikeimblättrige Pflanze ist (= dicotyledon). Für die Bestimmung der darauf wachsenden Pilzarten (die Pflanzen müssen jeweils schon abgestorben sein, bevor die Hauptfruchtform erscheinen kann) ist diese Unterscheidung schon sehr wichtig, da viele von ihnen ausschließlich monocotyle Pflanzen besiedeln.
So, nun zu den Pilzen. Vorab möchte ich hier eine kleine Übersicht geben, was eigentlich überhaupt an diesen Substraten wie die oben gezeigten zu erwarten ist. Ihr braucht so etwas nur mit der Lupe absuchen und es dauert nicht lange, da werden euch an verschiedenen Stellen kleine, meist schwarze Pünktchen von vielleicht kaum mehr als 0,1 mm auffallen. Meistens stehen diese Punkte auch noch warzig hervor und sind oft im Substrat eingesenkt. Die Arten gehören oft den folgenden Gattungen an:
Pleospora mit mindestens 90 mitteleuropäischen Arten
Phaeosphaeria mit etwa 40 Arten
Leptosphaeria mit mindestens 80 Arten
Spätestens hier wird sich der eine oder andere Leser sicher fragen: wie kann es denn sein, dass es weit über 200 verschiedene Arten gibt, die makroskopisch alle nur als winzige, schwarze Punkte erkennbar sind? Falls ab hier nicht schon jeder längst das Weite gesucht hat, dann wird dem tüchtigen Beobachter auffallen, dass viele Arten substratspezifisch wachsen, also an bestimmte Pflanzenreste gebunden sind, während andere "polyphag" wachsen, also an mehreren verschiedenen Pflanzen erscheinen. Grundsätzlich gilt aber für die oben erwähnten Gattungen: es handelt sich um krautbesiedelnde, sog. "herbicole" Pilze. Viele von ihnen schädigen mittels ihrer Nebenfruchtform auf parasitische Weise den Wirt und bilden erst nach dessen Absterben (das allerdings nicht durch den Pilz verursacht sein muss, sondern z.B. durch den Winter) Hauptfruchtformen, die dann saprobiontisch leben. Ihr seht an dieser Stelle, dass die Bildung unterschiedlicher Lebensweisen durchaus relevant ist für die Aufrechterhaltung der einzelnen Arten.
Ich kann euch sagen, dass dies dann aber auch schon alles ist, was sich makroskopisch feststellen lässt (schwarzer Punkt, Substratwahl). Die wahre Welt eröffnet sich erst dem Mikroskopierer. Dazu kratzt man gewöhnlich ein paar der Punkte von der Oberfläche des Substrats ab, gerne auch mitsamt der Epidermisschicht, denn wie bereits oben erwähnt wachsen viele der Arten im Substrat eingesenkt. Ihr werdet kaum ein Präparat ohne Pflanzenteile hinbekommen. Ein Blick unters Mikro wird bereits unter dem 100fach offenbaren, ob es sich um eine Konidienform mit extrem vielen, sehr einheitlich geformten Konidiensporen oder um eine Hauptfruchtform mit meist sehr auffallend gefärbten und/oder geformten Meiosporen handelt. Zunächst aber ein Blick auf die Epidermiszellen der befallenen Pflanzenteile:
Ihr seht vereinzelte Hyphen in den Pflanzenzellen, ein deutliches Anzeichen für die "Infektion" durch einen Pilz.
Phaeosphaeria culmorum (ca. x70fach) [pers. Erstfund]
Phaeosphaeria culmorum, mikroskopische Details (überwiegend ~ x1100fach)
Wenn man die Arten schon makroskopisch nicht zuordnen kann, dann wenigstens mikroskopisch. Man achte hierbei auf folgende Details:
1. Sporenlänge und -breite => 24-27x8-9 µm
2. Querwände (Septierungen!) in den Sporen, d.h. nur Querwände oder auch Längswände, falls ja, wieviele davon? => 3 Querwände, keine Längswände
3. Sporenoberfläche => glatt
4. Einzelne Kompartimente verdickt? => 2. Zelle von oben etwas verdickt
5. gerade oder gekrümmt? => gerade bis leicht gekrümmt ("inequilateral")
6. Sporenhülle vorhanden, falls ja, gleichmäßig oder nur partiell? => vorhanden, aber sehr schlecht sichtbar und vergänglich, gleichmäßig
7. Sporenanordnung im Ascus => zweireihig
Unter Verwendung von Spezialliteratur kommt man dann zur P. culmorum, welche relativ viele unterschiedliche Substrate besiedeln kann, jedoch auf monocotyle Pflanzen beschränkt ist. Und das haben wir hier ja vorliegen. Die Phaeosphaeria culmorum wuchs auf der Pflanze rechts im Bild.
Pleospora phaeocomoides (ca. 70fach)
Dieser Pilz ist ein Paradebeispiel für einen Schlauchpilz der Gruppe "Kernpilze". Die Fruchtkörper sind diesmal aber nicht wie bei P. culmorum im Substrat eingesenkt, sondern liegen diesem auf. Sie sind aber sehr wohl unterhalb der Epidermis und brechen erst bei Reife aus dieser hervor. Wenn man diese Epidermis vorsichtig abmacht, kommen die kugeligen, schwarzen Perithezien hervor, welche auch nur knapp 0,1 mm breit werden.
Mikroskopisch zeichnet sich diese Art durch mehrfach längs- und querseptierte, gelbbraune Sporen aus. Die Sporenfarbe ist ein Indiz für die Gattung Pleospora (siehe auch Drover Heide II), während Arten der Gattung Phaeosphaeria eher zu gelbgrünen, grünbraunen oder blassbraunen bis fast hyalinen Sporen neigen (siehe P. culmorum). Auch hier wieder die folgenden Schritte zur Bestimmung:
1. Sporenfarbe => gelbbraun
2. Septierungen => 5fach querseptiert, 1fach längsseptiert
3. Primärseptum => am Primärseptum oft etwas deutlicher eingeschnürt als an den anderen Septen.
4. Sporenoberfläche => glatt
5. Sporenlänge und -breite => 18-20,5x8,5-9,5 µm
6. Sporenanordnung im Ascus => einreihig
Auf dem letzten Mikrofoto rechts neben dem Sporenschlauch ist eine Paraphyse erkennbar. Diese sind bei sehr vielen derartigen Kernpilzen oft mehrfach septiert, durchsichtig und schlank zylindrisch. Es handelt sich bei dieser Paraphyse hier also um eine relativ typische Form. Aus diesem Grund werden die Paraphysen nur in wenigen Fällen zur Bestimmung herangezogen.
Ein Primärseptum ist einfach die erste Kompartimentierung der Spore, und diese findet zumeist in der Mitte statt. Erst danach entstehen nach außen hin weitere Septen, an welchen die Spore oft weniger deutlich eingeschnürt ist als am Primärseptum.
Die Pleospora phaeocomoides wuchs an dem dicotylen Kraut (in der Mitte der Abbildung).
Nun möchte ich euch noch den Besiedler der linken Pflanze zeigen, welchen ich ebenfalls für Phaeosphaeria culmorum halte, da es möglicherweise auch die gleiche Pflanze ist (nämlich ebenfalls ein Gras). Allerdings fällt hier auf, dass die Sporen größer und etwas anders gefärbt sind.
Phaeosphaeria cf culmorum
Im letzten Bild könnt ihr die Perithezienwand erkennen, welche aus 5-10 µm großen, mehr oder weniger rundlich-eckigen, dunkelbraun gefärbten Zellen besteht, in denen sich vereinzelte Tröpfchen befinden. Diese Wand ist relativ robust und schützt das Innere vor Austrocknung.
So jetzt hoffe ich aber auch, dass ihr nicht schon längst geflohen seid nicht dass es euch so geht wie Gustav auf diesem Bild hier:
lg björn[hr]
Literatur
Ellis & Ellis (1997): Microfungi on Land Plants. An identification handbook.
Shoemaker & Babcock (1989): Phaeosphaeria. In: Can. J. Bot. 67: 1500-1599.
Leuchtmann, A. (1984): Über Phaeosphaeria und andere bitunikate Ascomyceten mit mehrfach querseptierten Ascosporen.