Letzten Freitag sind Ralf und ich mal wieder in die Pilze gegangen, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn tatsächlich waren wir nur so umzingelt von Pilzarten verschiedenster Art, auch wenn die meisten gar nicht so offensichtlich in Erscheinung getreten sind, so gab es dennoch viele Schönheiten, deren wahrer Anmut sich erst bei genauerer Betrachtung offenbarte. Nun denn, es war ein toller Ausflug in mehrere unterschiedliche Gebiete rund um Unterbörsch/Bergisches Land, ganz nach unserem Ziel, vor allem abgestorbene Pflanzenteile nach Pilzen abzusuchen.
Ich weiß nur, dass Ralf abschließend gesagt hatte "och, soviel hast du doch eigentlich gar nicht dabei". Ne? Aha.
1.0 STÄNDERPILZE
1. Junghuhnia nitida, Fleischfarbener Resupinatporling
2. Cerocorticium cf confluens, Zusammenfließender Rindenpilz
F. Dämmrich hat mir an dieser Stelle den Tip mit dem Zusammenfließenden Rindenpilz gegeben. Aufgrund der wachsartigen Konsistenz sowie der mikroskopischen Merkmale steht dem eigentlich nichts im Wege, mal abgesehen von der Sporenbreite, die ich sonst etwas breiter gemessen hatte (bei bisherigen Funden). So bleibt es hier lediglich bei einer confer-Bestimmung.
3. Lachnella alboviolascens, Weißviolettlicher Schüsselseitling
Schaut genauer hin. Ihr erkennt jeweils 4 winzige, dicht zusammenliegende Punkte. Das sind die Sporen, die im Licht der Taschenlampe schimmern. Auch wenn der Pilz aussieht wie eines der vielen noch unten abgebildeten Haarbecherchen, so ist er doch ein Ständerpilz und sogar verwandt mit den Lamellenpilzen.
4. Exidia saccharina, Kandisbrauner Drüsling
5. Exidia truncata, Abgestutzter Drüsling
2.0 SCHLAUCHPILZE
6. Ascocorticium anomalum, Rinden-Schlauchpilz [pers. Erstfund]
Genau dieser war eines der konkreten Ziele unseres Ausfluges. Dass er dann tatsächlich gefunden wird, ist natürlich besonders erfreulich. Der ungewöhnliche Schlauchpilz mit dem Aussehen eines Rindenpilzes wächst an Rinde stehender Stämme von Kiefern und Lärchen. Man findet ihn in den Borkenritzen sowie auf der Innenseite, nachdem man diese abgelöst hat. Der unscheinbare Pilz ist aber nur mikroskopisch bestimmbar und fällt natürlich durch seine Asci auf. Mit Ascocorticiellum vermisporum, die in Deutschland bislang nicht nachgewiesen wurde, hat sie allerdings einen Doppelgänger.
7. Capitotricha bicolor, Gelbweißes Haarbecherchen
Das Gelbweiße Haarbecherchen scheint nicht häufig zu sein. Dies hier stellt der 3. Fund dar (2003, 2012). Ich denke mal, dass sie demnächst in weit besseren und größeren Fruktifikationen erscheinen wird. Die Art ist an den weißen Randhaaren und dem dottergelben Hymenium sowie dem Vorkommen an Laubholz gut kenntlich (Nadelholz=> Lachnellula-Arten!).
8. Proliferodiscus pulveraceus, Graubeiges Laubholz-Zwergbecherchen [pers. Erstfund]
Bislang eine wenig erforschte Art mit scheinbar relativer Variabilität insbesondere der Sporenmaße. Nach Zotto ist die Bestimmung aber trotzdem eindeutig. Fruchtkörper 0,5-1,5 mm breit. Bei Trockenheit rollen sie sich vom Rand her stark ein, sodass die gelbe Fruchtschicht nicht mehr sichtbar ist. Erst bei erneuter Feuchtigkeit leben sie wieder auf.
9. Cistella chlorosticta [pers. Erstfund]
Dieses winzige, unscheinbare Becherchen wächst an der Innenseite von Eschenrinde. Es ist bei solchen Funden aber nicht auszuschließen, dass sie nicht auch an der Außenseite wachsen können. Es handelt sich meiner Meinung nach nämlich nicht um einen "Spezialstandort" der hier gezeigten Art. Die Fruchtkörper sind 0,2-0,5 mm breit.
10. Hyphodiscus hemiamyloideus nom. prov. [pers. Erstfund]
Diese Art hatte ich nahe Hyphodiscus hymeniophilus eingeordnet, nur die Sporenmaße wichen von den Literaturangaben etwas ab. Nach Zotto handelt es sich hierbei um eine noch unbeschriebene Art, die jedoch den provisorischen Namen bereits besitzt, unter dem sie dann wohl auch beschrieben werden wird. Je nachdem, in welcher Konzentration das Lugol die Ascusspitzen erreicht, färben sich diese blau oder rot. Die Fruchtkörper sind 0,2-0,5 mm breit und wachsen hier auf unberindetem Holz eines Laubbaumes (wahrscheinlich Eiche) in etwa 1,50m Höhe.
11. Protounguicularia barbata, Bärtiges Zwergbecherchen
Der Zweitfund. Makroskopisch war die Art gar nicht so eindeutig, aber der Blick unters Mikro bei 40facher Vergrößerung belegte eindeutig, dass es sich um P. barbata handeln muss. Auffallend ist die Farbänderung von jung nach alt. Die Becherchen sind 0,2-0,5 mm breit und wachsen hier an Splittern von abgebrochenem Laubholz.
12. Bisporella sulfurina, Schwefelgelbes Haarbecherchen (alle Bilder: Peggy)
Dieses Becherchen wurde vor einigen Wochen bereits im Bergischen Land gefunden, dieses Mal an der Innenseite eines Rindenstücks. Es bildet 0,5-1 mm breite, sonnengelbe Fruchtkörper. Man sieht auf den Mikros relativ deutlich, dass die intensive Färbung von sogenannten "Paraphysen" herrührt, sterile Endzellen im Hymenium eines Schlauchpilzes. Das zweite Bild zeigt einen Schnitt durch einen Fruchtkörper mit deutlich sichtbarer, mattgelber Paraphysenschicht. Fotografiert und untersucht wurde sie im Labor des Biologischen Instituts der RWTH Aachen (Peggy&bwergen).
13. Lasiosphaeria strigosa, Striegeliger Kohlenkugelpilz
Der Kohlenkugelpilz scheint häufig zu sein, insbesondere in Auenwäldern. Allerdings ist er aufgrund seiner 0,5-1 mm breiten, kugeligen, rehbraunen Fruchtkörpern relativ unscheinbar. Erst bei 40facher Vergrößerung zeigt sich seine ganz spezielle Schönheit.
14. Valsa intermedia, Vielfrüchtiger Kugelpilz [pers. Erstfund]
Dieser Kugelpilz ist etwas sehr auffälliges. Sagt man so. Den Ast hatte ich von einem Hainbuchenstrauch abgeschnitten, da ich auf der Unterseite eine Pezicula entdeckt hatte (die noch unbestimmt ist, müsste ich sie noch bestimmen, könnte ich den Beitrag heute nicht schreiben). Da sehe ich doch tatsächlich erst Zuhause, dass auf dem Ast dieser "fette" Kugelpilz drauf ist. Und der ist wirklich "fett". 2-3 mm (= Stromadurchmesser) sind für eine Art dieser Gattung schon astronomische Ausmaße. In jedem solcher Stromata befinden sich 30-40 Perithezien, welche durch schwarze Perithezienmündungen an der Spitze erkennbar sind. Im Schnitt sieht man dann, dass die vielen Perithezien in mindestens 3 Lagen eingebettet sind. Sozusagen ein Ascomyceten-Hochhaus.
[hr]
15. Valsa melanodiscus, Schwarzscheibiger Kugelpilz
16. Valsaria insitiva, Dunkelsporiger Krebs-Kugelpilz [pers. Erstfund]
Valsa insitiva wurde von Peggy und mir im Labor in Aachen untersucht. Wir beide konnten sie dort leider nicht bestimmen, dies gelang mir erst bei Betrachtung der Literatur am heimischen Arbeitsplatz. Wie immer half mir dabei meine umfassende Datenbank, wobei diesmal Ellis&Ellis (s. Literaturangaben) die Richtung vorgab und ich nur noch mit den Bildern von A. Gardiennet vergleichen musste. Hätte ich die Bilder von ascofrance nicht auf meiner Festplatte fein säuberlich sortiert, ich hätte mit der Bestimmung wesentlich länger gebraucht, das gilt auch für viele andere der hier vorgestellten Arten sowie auch für alles, was ich bereits an Pilzbestimmung hier von mir gegeben habe. (Bilder 4-6: Peggy). Bild 6 zeigt einen Querschnitt durch zwei junge Perithezien. Nach aktueller Systematik befindet sich diese Art bei den Diaporthales und gilt somit als unitunikater Kernpilz (einfache Ascuswand). In der Vergangenheit war das nicht so, da zählte sie zu den Pleosporales und somit zu den bitunikaten Kernpilzen nahe der Gattung Didymosphaeria.
17. Melanomma pulvis-pyrius, Brandschwarzes Kugelkissen
Sowohl von mir zuhause als auch im Labor in Aachen untersucht. Die Art wurde dabei von mir und auch von Peggy als Melanomma pulvis-pyrius bestimmt (nahezu unabhängig voneinander!).
18. Leptosphaeria doliolum, Brustwurz-Kugelpilz [pers. Erstfund]
Der Kugelpilz bildet 0,2-0,4 mm breite, schwarze Perithezien, welche flach dem Substrat aufsitzen. Er wächst hier an Bärenklau.
19. Leptosphaeria ogilviensis [pers. Erstfund]
L. ogilviensis kennzeichnet sich durch seine spezielle Sporenform. Die Fruchtkörper sind relativ unscheinbar, bestehen aus einem Perithezium von etwa 0,1 mm Breite, welches unter der Epidermis fruktifiziert und diese erst bei Reife durchbricht (auf dem Makro sind Epidermiszellen über den Fk gelagert). Das Substrat ist hier allerdings unbekannt.
20. Ophiostoma acuminatus, Zugespitzter Schlangenmaulkugelpilz [pers. Erstfund]
Dieser Pilz wurde im Labor in Aachen von Peggy und mir untersucht (von mir zuhause nachuntersucht). Schaut man nur auf die Sporenschläuche, so könnte man glatt an Leptospora rubella denken, ebenfalls ein Kugelpilz. Allerdings fiel bei bereits ausgetretenen Sporen überall eine Verdickung an einer ganz bestimmten Zelle auf. Die Sporen sind zunächst 17fach septiert, jeweils die 8. und die 11. Zelle ist verdickt. Die Sporen brechen nach Austreten aus dem Sporenschlauch in der Mitte auseinander und es entstehen 2 Sporen mit jeweils 8 Septen. Diese Erscheinung brachte uns sofort auf die Gattung Ophiobolus und entsprechend den Abbildungen von A. Gardiennet auf O. acuminatus. Ein wahrscheinlich seltener Kugelpilz an Distel (Cirsium).
21. Lophiostoma vagabundum, Geselliger Spaltkugelpilz [pers. Erstfund]
Diese Art wächst hier an abgestorbenen Grashalmen. Nach J. Fournier könnte es sich hierbei um L. vagabundum handeln. Er hat mir freundlicherweise Literatur zugeschickt, nach deren Durchsicht ich hier auf genau diese Art komme. Bleibt nur die Überprüfung mit Indian Ink, um eine gelartige Hülle um den Sporenkörper festzustellen. Indian Ink ist bereits bestellt und die Nachuntersuchung wird "hoffentlich" noch möglich sein und folgen.
22. Porina aenea, Perithezienbildende Krustenflechte [pers. Erstfund]
Von Zotto bestimmt. Der Schlauchpilz ist lichenisiert, d.h. er geht eine Symbiose mit Algen ein (= Flechte!). Es ist die erste Art dieser Gruppe, die von mir näher untersucht wurde.
Nicht berücksichtigte Arten in diesem Beitrag:
23. Chromoscyphella muscicola
24. Myxarium nucleatum
25. Phellinus ferruginosus
26. Pezicula sp.
[center]Dank[/center]
Ich möchte an dieser Stelle vor allem Zotto für die Hilfe bei der Bestimmung von Cistella chlorosticta und Porina aenea danken.
Bei ihm möchte ich mich weiterhin auch für die Bestätigung meiner Bestimmung von Proliferodiscus pulveraceus sowie für den Hinweis
auf Hyphodiscus hemiamyloideus danken.
F. Dämmrich danke ich für die cf-Bestimmung von Cerocorticium confluens, die auf relativ ungewöhnliche Weise mit dem Moos verbunden war.
J. Fournier danke ich für die Bereitstellung der Literatur über Lophiostoma sowie für den Hinweis auf L. vagabundum.
Ich möchte an dieser Stelle ganz besonders Peggy danken für die Bereitstellung ihrer tollen Bilder für diesen Beitrag. Die Zusammenarbeit
im Labor war wirklich etwas ganz besonderes und hat durchaus sehr schmackhafte Früchte getragen Da hat man Hunger auf mehr.
[center]Literatur[/center]
Ellis, M.B. & Ellis, J.P. 1997. Microfungi on land plants, new enlarged edition. The Richmond Publishing Co. Ltd.
Holm, L. & Holm, K. 1988. Studies in the Lophiostomataceae, with emphasis on the Swedish species. Acta Univ. Ups. Symb. Bot. Ups. XXVIII: 2.IV + 50 pp. Uppsala.
Müller, E. 1950. Die schweizerischen Arten der Gattung Leptosphaeria und ihrer Verwandten. F. Berger, Buchdruckerei und Verlag, Horn (Österreich).
Raitviir, A. 2004. Revised synopsis of the Hyaloscyphaceae. Estonian Agricultural Univerity, Institut of Zoology and Botany, Tartu.
Schmid, I. & Schmid, H. 1990. Ascomyceten im Bild. IHW-Verlag, Eching.
Tanaka, K. & Harada, Y. 2003. Pleosporales in Japan (1): The genus Lophiostoma, in: Mycoscience 44: 85-96.
Tanaka, K. & Harada, Y. 2003. Pleosporales in Japan (2): The genus Lophiotrema, in: Mycoscience 44: 115-121.
unbekannt: Key to species based on characteristics of ascospores (Ophiobolus), vorliegend als Kopie in .doc
Insbesondere hat mir die Datenbank in vielerlei Hinsicht bei der Bestimmung geholfen (sofern mir nicht sofort ein Name eingefallen ist).
Ich wollt nur noch sagen, der Arbeitsaufwand war exorbitant hoch. Aus diesem Grunde wurden nicht alle eingesammelten Objekte näher betrachtet und untersucht (es fehlen z.B. die Knopfbecherchen, deren Ausarbeitung noch 2 weitere Tage in Anspruch genommen hätten). Wahrscheinlich wird auch die eine oder andere Art verloren gegangen sein, da z.B. vertrocknet. Nebenher wurden auch noch die Dungpilze untersucht und bestimmt. Aus diesem Grunde hat die Bearbeitung hier genau 1 Woche gedauert
An dieser Stelle möchte ich auch nochmal betonen, dass es sich abgesehen von Ralf's "Führer"qualitäten und den Makrostudien mit dem Binokular zum ersten Mal um eine gemeinsame Arbeit hinsichtlich der mikroskopischen Untersuchung der Funde sowie ihrer Bestimmung handelt. Aus diesem Grund sind die Fotos in diesem geschlossenen Beitrag auch nicht alle von mir.
lg björn