Pilzeaufkommen abhängig vom Alter des Mykorrhizapartners?

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 4.780 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Rad-Pilz.

  • Hallo,


    seit Jahrzehnten suche ich im selben Gebiet nach Pilzen. Dabei fällt mir auf, daß z. B. bei Pfifferlingen, die unter oder bei Fichten wachsen, das Wachstumsaufkommen von der Größe der Fichte abhängt. Ab einer Größe von 4 Metern nimmt die Anzahl der Fruchtkörper stark ab oder erlischt vollkommen.


    Da ich annehmen, daß ich nicht die Einzige bin, der das auffällt, würde mich interessieren, was die anderen Pilzsucher dazu sagen. Oder gibt es Fachleute, die genau wissen wie das zusammenhängt? Alter der Bäume, Alter der Mykorrhiza? Keine Ahnung. Ich frag einfach mal ins Blinde.


    Grüße von Helene

    Man muß nicht jeden Pilz essen, der essbar ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Waldpilz ()

  • Durchaus eine richtige Beobachtung. Pfifferlinge (auch Steinpilze und wahrscheinlich sämtliche andere Mykorrhizapilze) sind sehr gerne in jungen Fichtenwäldern anzutreffen, wenn die Bäume so dicht stehen, dass kaum Licht durchdringt. Inwiefern das mit dem Licht zusammenhängt, kann man so genau nicht sagen, wohl aber hängt die Farbe der Fruchtkörper u.a. von Lichteinflüssen ab.


    Pfifferlinge gehen mit der Fichte eine Ektomykorrhiza ein (diese ist, abgesehen von arbuskulär mykorrhizierenden Pilzen, die gängigste und weit verbreiteste Mykorrhizaform). Es könnte sein, dass sie nicht so langlebig ist, sodass das Individuum nach 5-20 Jahren abstirbt (man bedenke, es gibt hier ganz andere Altersspannen, siehe Hallimasch in Nordamerika). Es kann aber auch sein, dass die Fichte im Laufe ihres Alters andere Mykorrhizapartner bekommt, die den Pfifferling verdrängen. Ein einzelner Baum kann mehrere, wenn nicht mehrere Dutzend Verbindungen eingehen. Ein Wald, sofern da Arten der Fagales oder Pinales vorhanden sind, kann hinsichtlich der Mykorrhizen ein extrem komplexes System sein, welches durch viele äußere Einflüsse verändert wird (menschliche Einflüsse, Umwelteinflüsse, Klimaveränderung, CO2-Gehalt usw.).


    Dazu kommt noch, dass die Fichte auch nicht langlebig ist, sondern ihr Alter bei 150-300 Jahre begrenzt ist, daher könnte es sein, dass sie bereits im ganz jungen Zustand ganz besonders viele Mykorrhizen eingeht, die die besagten 5-20 oder auch 30 Jahre alt werden, und danach keine neuen mehr hinzukommen. Dann wäre der Pfifferling weg, aber der vielleicht langlebigere Fliegenpilz ist immer noch anzutreffen. Das sind natürlich alles Hypothesen, da man genaueres nicht weiß bzw. mir kein Artikel bekannt ist, in dem diese Thematik beschrieben wird.


    Übrigens hält die Fichte trotzdem den Altersrekord (Schweden, etwa 8000 Jahre).


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

    Einmal editiert, zuletzt von bwergen ()

  • Hallo Björn,


    Danke für Deine ausführliche Antwort.


    Pfifferlinge sind seltsam.
    - So wie du schreibst, sind sie in jungen Fichtenwäldern anzutreffen, die kaum Licht durchlassen. Diese Pfifferlinge stellen nach meiner Beobachtung nach einigen Jahren das Wachstum ein. Dann kommt allerdings ein verstärktes Aufkommen von Boletus edulis oder Fichtenreizker.
    - Dann habe ich aber Pfifferlingplätze am Wegesrand unter Kiefer und eingestreuter Birke, bei denen jede Menge Licht hinkommt. Hier sowohl im Moos (lehmiger Untergrund) als auch im trockenen Kiefernadelstreu. Bei diesen Pfifferlingsplätzen ändert sich das Aufkommen nur in den Jahren mit geringer Niederschlagsmenge. Langfristig bleibt das Mykorrhizia aber bestehen.
    - Dann habe ich noch Moosgräben, in denen ich schon als Krabbelkind die Pfiffer gesammelt habe. Grenze Eichenwald mit eingestreuten Kiefern zu lichtem Birkenwäldchen. Diese Stellen sind ein sicheres Pfund.


    Deiner Aussage: "Ein Wald, sofern da Arten der Fagales oder Pinales vorhanden sind, kann hinsichtlich der Mykorrhizen ein extrem komplexes System sein, welches durch viele äußere Einflüsse verändert wird (menschliche Einflüsse, Umwelteinflüsse, Klimaveränderung, CO2-Gehalt usw.)" kann ich voll zustimmen und dies im positiven Sinn.


    Unser Pfifferlingsaufkommen hat in den letzten Jahren insgesamt zugenommen.


    Pilze sind doch irr und dadurch so interessant.


    LG Helene

  • Ahnung habe ich keine :D aber vielleicht kann ich mit ein paar Sachen, die ich im Laufe der Jahre aufgeschnappt habe, zumindest ein paar Ideen beitragen.


    Es gibt eine Reihe von Fällen, wo Pflanzen sich nicht mit sich selbst vertragen: wo einmal Petersilie stand, kann man nicht (unmittelbar darauf) neue Petersilie hinsetzen. Auch bei Rosen hat man mir berichtet, dass man, wenn man den Strauch auswechselt, den Wurzelbereich großzügig entfernen müsse/solle.
    Von der Amerikanischen Roteiche, die ihren Namen daher hat, dass sie mit prächtigem Herbstlaub prunkt, je besser ihr Jahr war, weiß ich, dass sie mit zunehmendem Alter immer weniger farbenfroh ist - wobei bei Roteichen-Bonsai dieser Effekt nicht auftritt. Warum? Ich vermute: Bonsai bekommen regelmäßig einen frischen Boden!


    Laugt der Boden aus? Reichert sich im Boden etwas an?
    Vielleicht begünstigt an manchen Stellen ein durchlässigerer Boden das Auswaschen der angereicherten Stoffe? Oder durch Regen oder Oberflächen- bzw Grundwasser wird dem Boden ein verbrauchter Stoff wieder zugetragen?


    Eine Verdrängung durch andere Mykorrhiza ist natürlich auch möglich. Unter den Bäumen gibt es Pionierpflanzen wie die Birke, die man als erste auf einem Brachgelände findet und die mit 70 schon wieder sterben und andere, die sich später ansiedeln, dafür aber hunderte Jahre stehen bleiben können. Gibt es sowas auch bei Pilzen?

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Interessante Diskussion.


    Ich denke, es gibt kaum einen Speisepilz, der so anpassungsfähig, zickig und variabel ist wie der Pfifferling.
    Ich denke auch, dass wir zwei Dinge auseinanderhalten müssen, nämlich die Verbreitung und die Fruktifikation. Pfifferlinge finde ich fast überall. Zwischen Jungfichten, unter alten Hochfichten, im Eichenwald, im Buchenwald, im Haseldickicht, im Birkenschlag, am Wegrand, in Siefen, auf Kahlstellen im Gras, am Rand von Viehweiden unter Hainbuchen, in Buchenjungpflanzungen, kurz, es gibt kaum einen Biotop, der keine Pfifferlinge hat.


    Stark unterschiedlich ist aber die Fruktifikation. Und dabei scheint mir das lokale Klima wesentlich wichtiger zu sein, als der Standort, bzw. weisen unterschiedliche Standorte unterschiedliche Kleinklimazonen auf. Der Pfifferling fruktifiziert dann und dort, wo ein ganz spezielles Klima, insbesondere hinsichtlich der Feuchtigkeit und Temperatur herrscht. Das darf weder zu nass, noch zu trocken sein. Jungfichten scheinen früher im Jahr ein solches Klima zu bieten, als Hochwälder. Jedenfalls find ich die ersten Pfifferlinge fast immer in den Jungfichten. In den beiden letzten Jahren, die im Frühjahr recht trocken waren, fanden sich die ersten Pfifferlinge auf Wiesen, im Traufenbereich überhängender Buchenäste. Und zwar in Mengen. Im Spätsommer brachten Kahlflächen, die mit hohem Gras bewachsen waren, die ergiebigsten Funde. Zudem hatten die Pfifferlingen hier stattliche Größe. In etwas älteren Jungfichten, die zudem sehr locker gepflanzt waren, kommen die Pfifferlinge recht spät im Jahr. In Buchen- und Eichenhochwäldern gibt es ergiebige Funde im August/September, vorausgesetzt es hat genug geregnet.


    Mir scheint bei der Pfifferlingssuche entscheidend zu wissen, bei welchen Witterungsbedingungen sie an welchen Stellen wachsen, anstatt immer wieder ganz bestimmte Biotope abzusuchen, an denen sie in genau dem Jahr vielleicht kaum oder gar nicht fruktifizieren.


  • Im Spätsommer brachten Kahlflächen, die mit hohem Gras bewachsen waren, die ergiebigsten Funde.


    Sorry, wenn ich nachfrage: sind die Flächen nun kahl, oder mit hohem Gras bewachsen? :shy:


    Ich bin echt sprachlos, wenn ich das hier lese. Das klingt in meinen Ohren, als ob der Pfifferling ein Massenpilz ist. Ich habe ihn hier im Umkreis von Hamburg noch nie in Massen gefunden. Immer nur 2-3 klägliche, winzige Exemplare ;(


    LG,
    Kuschel

  • Hallo Kuschel,


    der Pfifferling ist durchaus ein Massenpilz, bzw. kann es in guten Jahren sein. Natürlich muss das nicht flächendeckend in ganz Deutschland sein.
    Ich kann auch nicht sagen wie das in der Hamburger gegend ist.
    In der Lüneburger Heide bei Uelzen hab ich ihn früher im Urlaub auch recht häufig gefunden.


    Mit Kahlflächen meine ich kleinere Flächen in Fichtenschonungen ohne Baumbewuchs. Das können breitere Schneisen zwischen den Fichten sein, oder Stellen, an denen einige Fichten eingagngen sind. Da wächst natürlich Gras, auch Him- und Brombeeren.

  • Das Bild ist erst 2 Tage alt, da hat das Gras noch Zeit zu wachsen ;)
    Nur die Fichten/Tannen (?) kann ich nicht so schnell höher zaubern.


    LG,
    Kuschel

  • Ich konnte, so bilde ich mir das zumindest ein, sehr häufig eine Beziehung der Größe von Krausen Glucken zur Größe des Wirtsbaumes feststellen.
    Ob damit auch das Alter der Mykorrhiza (soweit ich weiß, ist die Glucke ein Parasit) festgelegt werden kann, weiß ich nicht.
    Durch diesen Beitrag angeregt, werde ich dieses Jahr folgendermaßen Buch führen: Datum des Fundes, Gewicht der krausen Glucke, Stammdurchmesser des Wirtsbaumes in 1m Höhe. Die Höhe aus folgendem Grund: viele Krause Glucken finde ich hier an Douglasien, und diese sind in der Stammbasis i.d.R. deutlich verbreitert, Kiefern nicht. An Fichten habe ich die Krause Glucke hier noch nie gefunden, dafür schon 4 Mal an immer der gleichen Lärche.
    Vielleicht möchten noch eineige Sammler ebenso verfahren, dann wird die Datenbasis verlässlicher.


    Grüße


    Jörg

  • Björn,


    die Fichte, die du zitierst, liegt außerhalb irgendwelcher Fremd-Befruchtungsmöglichkeiten und hat sich sozusagen (ist allerdings schon länger her, dass ich das gelesen habe) mit sich selbst immer wieder geklont. Ist also nicht immer nur ein stehender Baum gewesen, sondern ein genetisch gleicher, immer wieder neu wachsender Baum.


    LG und Danke an dieser Stelle für die letzte Exkursion und da Ralf das bestimmt auch liest, auch an ihn und besonders für die Gastfreundschaft.


  • Achso, meinst Du sowas hier?




    Ich bin mir ziemlich sicher, dass in diesem Waldstück leider nie Pfifferlinge oder Steinpilze wachsen werden. Denn das sind keine Rotfichten (=normale Waldfichte bei uns), sondern Stechfichten, einige sogar blaue Stechfichten. Die kommen aus Nordamerika und haben sich zwar als Gartenbaum, nicht aber als Forstbaum etabliert. Bei uns in Sachsen gibt es auch einige Versuche die Stechfichten in den Wald zu integrieren, allerdings haben die später nochmals weniger Nadeln wenn sich dicht stehen als die Rotfichten, und es gehen nur "minderwertige" Pilze Verbindungen ein. Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge hab ich dort noch nie gefunden. Man findet nur Rotfußröhrlinge, Ockertäublinge und Parasolpilze und sowas.
    Aber vielleicht hast du ja doch Glück, kannst ja gerne mal berichten;)
    LG