Seltenheiten und Artenschutz

Es gibt 65 Antworten in diesem Thema, welches 23.082 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Update:


    Das Kartierungsprojekt der DGfM scheint nichtmehr zu existieren. Wurde es eingestellt? Der Link, den ich dazu angegeben hatte, führt nun auf eine private Seite. Geht auch um Pilze, aber nicht um Seltenheiten, Artenschutz oder Kartierung, darum habe ich den mal entfernt und dafür einen link zur Pilzkartierung Online eingefügt.


    Leider sagen mir die meisten Namen der hier verantwortlichen Pilzfreunde nicht wirklich etwas, aber das will aj nichts heißen. Dazu kenne ich mich zu wenig aus. Selbstverständlich wird wohl auch diese Arbeit kaum mehr als Stückwerk sein, aber das Konzept ist immerhin ein Ansatz.


    Ist hier die Mykologische AG Hannover ein Ziehvater?
    Bzw. kennt jemand diese AG oder ist dort Mitglied? Dort scheint ja auch ganz gut gearbeitet zu werden, soweit ich als Laie das beurteilen kann.


    Ach ja, einen Link zur Bayerischen Mykologischen Gesellschaft habe ich auch mal noch vorne eingebaut. Deren Performance hat mich auch ziemlich beeindruckt.


    Fazit: Es gibt doch durchaus Gruppen, die sich auf dem Gebiet engagieren und wichtige Arbeit leisten. Man muss sie nur finden.



    LG, Beorn.

  • Hallo Beorn,


    leider bin ich erst jetzt auf diese Diskussion aufmerksam geworden. Schade nur, dass ich keine Zeit habe, alle Beiträge komplett zu lesen. Dennoch bin ich froh, dass Gerd ein paar wesentliche Falschinformationen richtig gestellt hat. Und ich muss ihm zustimmen, dass auch mich die Resonanz überrascht hat.


    Zur Kartierung haben verschiedene Leute schon viel gesagt und versprochen. Fakt ist, dass die Online-Kartierung (brd.pilzkartierung.de) von Axel Schilling aus Hannover entwickelt und (letztes Jah oder das Jahr zuvor) an die DGfM verkauft wurde. In der Gesellschaft gab es vor kurzem einen Führungswechsel durch eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Dabei scheinen auch ein paar Lösungsansätze (wenn man überhaupt davon sprechen kann) für ein neues Erfassungssystem über Bord gegangen zu sein. Wann es jetzt wie weitergeht, kann wohl am ehesten der "Fachbeirat Funga Deutschland" beantworten. Ob der bzw. das Präsidium, das dem FB überstellt ist, sich in die Karten schauen lässt, halte ich für unwahrscheinlich. Aber es wird derzeit an einer "Checkliste der Großpilze Deutschlands" (hoffentlich habe ich das jetzt richtig zitiert) gearbeitet, die quasi die Datenbasis für die Kartierung werden wird (zumindest vermute ich das stark).


    Mich persönlich tangiert die Kartierung nur noch am Rande, weil ich dafür schon zu viel Energie in den vergangenen Jahren aufgebracht habe. Ich habe zahllose Beiträge im damaligen DGfM-Forum verfasst, die allesamt beim Führungswechsel vor der Wiedereröffnung entsorgt wurden - so kann man ungeliebte Altlasten auch los werden.


    Ich beobachte das Ganze aus der Ferne weiter, erwarte aber nichts. Denn bislang wurden alle meine Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht. Wenigstens eins, das konstant war. ;-/


    Sodala. Jetzt wieder zurück zu den Schwammerln mit den rosa, eckigen Sporen. *freu*


    Gruß, Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Andreas, hallo an Alle!


    Es will mich auch so gar nicht verwundern, daß die Entwicklung nur schleppend vorangeht. Denn es fehlen einfach die Mittel. Wie gering das allgemeine Interesse ist, das zeigt sich eben wieder anhand der wohl kaum beachteten UN - Artenschutzkonferenz in Hyderabad.


    >Link: Tagesschau.de<


    Das liest sich ja so schön: "Verdoppelung der Naturschutzhilfen"! Aber ist das mehr als ein Trostpflästerchen, um etwas Präsenz zu zeigen und ein paar als Wähler wichtige Interessengruppen zufrieden zu stellen? Mal abgesehen davon, daß ein Großteil dieser finanziellen Mittel wie üblich in eher undurchsichtigen Kanälen versickern wird (von den Kosten einer solchen Konferenz mal ganz zu schweigen), ist der Gesamtumfang der finanziellen Aufwendung ja kaum mehr als ein schlechter Witz.


    Immerhin ist es ja kein Problem, mal schnell das zehnfache (oder auch hundertfache) an Steuergeldern aus dem Ärmel zu schütteln, wenn sich ein paar Banken um Kopf und Kragen spekuliert haben. Aber klar: Ein paar verschwundene Delphin-, Frosch-, Katzen-, oder auch Pilzarten sind ja zu verschmerzen. Aber Verluste für Großaktionäre? Um Himmels Willen, das wäre ja richtig schlimm.


    Immerhin eine Gemeinsamkeit ist zu beobachten: Wenn schon Regeln, dann bitte so formuliert, daß man sich im Zweifelsfall nicht unbedingt daran halten muss. Das gilt ja für Finanzgeschäfte wie für den Umweltschutz.


    So, das musste mal eben raus. Hatte ich mir mehr von der Artenschutzkonferenz erwartet? Nein. Genauso wenig wie von den Klimaschutz Konferenzen. Bin ich trotzdem enttäuscht? Und wie. Sonst würde ich diesen zynischen Kommentar nicht schreiben.


    Ich hege die Befürchtung, daß wir Menschen uns erst selbst auf der Liste der bedrohten Arten wiederfinden müssen, bevor wir begreifen, daß wir nicht von Geld (erst recht virtuellem), sondern von einer funktionierenden Umwelt abhängig sind.



    LG, Beorn.

  • Allerdings, das ist auch der Grund, warum Arten wie der Großkotzige Kohletintling (Coprinopsis mega-monetarius) und der Geldstielige Leistling (, kommt von "leisten", kann sich aber keiner mehr leisten,Pseudocantharellus high-financus) sich immer weiter ausbreiten.


    Bis irgendwann die Pleitegeiereule (Cortinarius (Phl.) bancarottus) kommt...


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

    • Offizieller Beitrag

    Björn, ich danke dir.


    Nachdem ich nun mal herzlich und ausgiebig gelacht habe, fahre ich in heiterer Stimmung in den Odenwald, um unter anderem einen bestimmten, noch unbestimmten Cortianrius abzuholen.


    Es hilft ja nichts, dem Thema mit Verbissenheit und Zorn zu begegnen. Immerhin passiert ja wenigstens etwas. Und teilweise scheint sich ja die Erkenntnis durchzusetzen, daß ein Nationalpark mit Bengalischem Tiger tourismustechnisch lukrativer ist, als ein Nationalpark ohne Bengalischen Tiger.


    LG, Beorn.


  • Bengalischer Tiger? Ich geh nicht mehr in den Nationalpark :D

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

  • Ihr seid noch jung. Ihr könnt noch versuchen gegenzusteuern.
    Ich bin schon zu sehr gezeichnet und mir sicher daß es vergebene Müh ist.


    Der Großkotzige Kohletintling und der Geldstielige Leistling (beide sehr geil! :D) sind übrigens unverzichtbar für die Menschheit. Oder anders ausgedrückt, das geldwerte System ist darauf angewiesen immer weiter, immer mehr und mehr fiktives Geld zu produzieren, in diesem Sinne auch Schulden. Hört das auf, bricht die gesamte Wirtschaft zusammen. Im schlimmsten Fall die komplette Weltwirtschaft.
    Diese Weisheit kann man diversen Gelehrten und krititschen Experten zu hauf entnehmen. Was dann folgt hat einen apokalyptischen Geschmack.
    Die einzige Möglichkeit wie man diesen Tumor zeitweise bekämpfen kann überlasse ich eurer Phantasie. Unzählige Probleme löst man auf diese Weise.


    Aber auch wenn der Menschheit mal ein Neustart vergönnt sein soll, ich glaube nicht daß sich der Mensch auch nur die Bohne ändern wird. Nicht zum Guten jedenfalls.


    Nach dem Zynismus folgen die Depression, Sarkasmus und Gleichgültigkeit. Danach wird es wieder besser. :D


    Sorry daß ich mich ein wenig vom eigentlichen Thema hab abbringen lassen. Das ist ein unendliches Thema wie Dilemma für mich.
    Die Spezies Mensch bringt mich leider immer wieder zum <X

  • Hallo Mausmann! Wie recht ihr alle habt. Manchmal denke ich es gibt nur noch...hmmm wie soll ich es sagen, ach nein ihr habt schon alles gesagt und ich bin zu übr 100% eurer Meinung. Grrrrrrrrrrrrr.......
    LG Reinhilde

  • Wiesenpilze
    Ich habe die Diskussion erst gestern entdeckt und nur überflogen:
    Was mir aufgefallen ist: bei den Standorten für Pilze wird heftig über die Wälder gesprochen. Ich habe zumindest beim Querlesen keinen Beitrag gefunden, der sich mit Wiesenpilzen beschäftig. Ich halte diese für viel stärker gefährdet.


    Ich weiss nicht, ob anderswo auf den Wiesen noch Wiesenchampignons zu finden sind, hier nicht, und, bei Gefäßpflanzen, bei uns kaum noch Herbstzeitlosen.
    Die staatlichen Gelder für Pflegemaßnahmen für schützenswerte Wiesenbiotope werden auf FFH-Gebiete konzentriert, außerhalb lohnt sich die Pflege kaum noch. Dazu kommt, dass immer mehr Wiesen in Ackerland verwandelt werden, da Mais und Raps weniger Arbeit machen als die Rinderhaltung. (Ich kann die Bauern verstehen).


    Vor zwei Jahren hatte ich das Glück, an zwei Stellen Wiesenellerlinge zu finden: auf einer Rasenfläche vor einer Kirche und einer vor einem Friedhof, wo der Rasen kurz gehalten wird und das Mähgut nicht liegen bleibt, so dass sich so was wie ein Magerrasen entwickeln konnte. Die Zukunft der Wiesenpilze liegt offensichtlich in den eher untypischen Biotopen.


    Zur Waldgeschichte
    In mitteleuropäischen Urwäldern gab es durchaus Wiesenflächen und nicht nur undurchdringliche Wälder. Rotwild sorgt durch Verbiss dafür, dass z.B. nach einem Sturm oder Waldbrand erst mal einige Zeit der Aufwuchs schlecht hochkommt. Die Urwälder sind mit dem Beginn des Mittelalters nach und nach verschwunden. Die Ortsnamen auf "-rod" "-rot" zeigen das zum Teil an. Zu Beginn der Pestepidemien soll Deuschland (bis auf die Jagdbereiche des Adels) relativ kahl gewesen sein. Auch der Dreißigjährige Krieg hat wieder für eine "Erholung" des Waldes gesorgt, der davor z.B. für Holzkohlegewinnung stark genutzt wurde. Auch durch Waldweide waren die Wälder geschädigt. Der Vogelsberg im mittleren Hessen soll dann um 1800 ziemlich kahl gewesen sein. Danach begannen Aufforstungen (mit Fichten). Die Fichte ist als Bauholz halt optimal geeignet und sie wächst schnell.


    Die "goldenen" Zeiten für den Wald sind schon recht lange her.


    Viele Grüße
    Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Da hast du natürlich völlig recht! :thumbup:
    Auch die Wiesen und Weiden sind wichtige Lebensräume, die beim Biotopschbutz nicht vergessen werden dürfen.


    Leider kann ich zu deinen Erfahrungen nichts Ernsthaftes beitragen, da ich leider noch nicht lange auf Champignons achte. In diesem Jahr hatte ich genau drei Funde von Wiesenchampignons, Agaricus Campestris. Jeweils nur wenige Exemplare. Jedesmal waren die Fundorte dann aber in der Nähe von privaten Gärten, die sich in einer relativ abwechslungsreich genutzten Feld - und Wiesenlandschaft in der Peripherie einer mittelgroßen Ortschaft fanden.


    Ich denke, auch hier ist eine zu großflächige Nutzung mit bestimmten Getreidesorten ein Problem. Diese werden dann ja oft auch noch chemisch behandelt, es fehlen die Hecken dazwischen, genauso wie Wiesen zur Heugewinnung. Es ist eben wirtschaftlicher, die verschiedenen Nutzungsarten nicht zu streuen, sondern in möglichst einheitlich genutzten Flächen zu beackern.


    Dann kommt noch die Viehwirtschaft dazu, die an manchen Orten eben auch zu einer absoluten Überdüngung führt, was für viele Arten auch tödlich ist.


    LG, Beorn.

  • Hallo Beorn, liebe Mitlesende,
    die Äcker hatte ich vorhin noch vergessen. 2010 hatte ich mehrere Exemplare des Grossen Scheidlings (Volvariella gloiocephala) auf einem Stoppelacker gefunden, ein beeindruckender Pilz. Damals war es wohl einige Zeit nach der Ernte noch so feucht, dass die Stoppeläcker erst mal liegen blieben. In diesem Jahr wurde fast überall sofort umgebrochen.
    Einige Bilder zu der Art, auch von mir, hier:
    http://www.naturgucker.de/?art=445048380 ("Bilder" in der Zeile über dem Artnamen anklicken)


    Nicht nur Pilze haben das Problem des schnellen Umbruchs, auch Ackermoose und Ackerunkräuter.


    In diesem Jahr gab es am 15 .August in der Naturschutzakademie in Wetzlar eine Tagung "Venuskamm, Finkensame & Hasenohr - Unkraut vergeht doch!" die sich mit dem Schutz von Ackerunkräutern beschäftigt hat.
    http://www.na-hessen.de/dokume…staltungen-2012/index.php


    Es wurde ein interessantes Projekt vorgestellt "100 Äcker für die Vielfalt".
    http://www.schutzaecker.de/


    Es wäre eine interessante Überlegung, ob auch Ackerpilze in das Schutzacker-Projekt einbezogen werden könnten. Allerdings kann ich nicht beurteilen, welche Ackerpilze selten sind und wie man die auf einen anderen Acker erfolgreich übertragen kann.


    Bei Ackerpilzen hilft eine Unterschutzstellung gar nicht, sie wachsen nur auf bearbeiteten Äckern. Das ist z.B. auch ein Problem beim Schutz des Kugel-Hornmooses, einer FFH-Art, höchste Schutzstufe, bis zu 5 mm groß, aber extrem selten. Es wächst auf ungedüngten Stoppeläckern, die bis zum Frost nicht umgebrochen werden sollen. Dazu müssen Verträge mit den Landwirten geschlossen werden, die finanziell ausreichend attraktiv sind und auch zum Betrieb passen. Per Google kann man einiges über die Problematik finden, wenn man den lateinischen Artnamen eingibt.


    Der Artenschutz in Wäldern wäre im Vergleich hierzu einfacher zu realisieren, vor allem in Staatswäldern. :/ , kein weiterer Kommentar.


    Viele Grüße
    Lothar


    PS: Vorhin habe ich erstmals einen Schwefelritterling entdeckt - Boah, das ist ein Geruch!

  • Erfassung von Pilzen:
    da ich sicher bin, dass ich keine Veröffentlichung über die Pilze oder anderes (Flechten, Moose, Gefäßpflanzen) fertig bringen werden, erfasse ich die Daten bei naturgucker.de. Für Pilze-Interessierte gibt es eine spezielle Sicht Pilzgucker:
    http://www.naturgucker.de/natur.dll/?verein=pilzgucker


    Ich sehe das so: die von mir eingegebenen Daten können / sollen gern von anderen verrwendet werden. Wenn das nicht passiert, dann halt nicht.


    Das Problem ist (nicht nur bei diesem Projekt), dass derjenige, der die Daten erfasst und Bilder einstellt, zunächst allein für die Qualität verantwortlich ist. Es gibt einen Fachbeirat, der sich auch meldet, wenn etwas Unwahrscheinliches oder offensichtlich Falsches eingetragen wurde, aber auf Grund der hohen Teilnehmerzahl hat das seine Grenzen. (Für manche Artengruppen gibt es bei der Eingabe eine Warnmeldung, wenn man eine extreme Rarität einträgt, aber nicht bei Pilzen - siehe die Ausgangsfrage, was ist eine Rarität in der Mykologie).


    In der Botanik gibt es Wissenschaftler, die nur Herbarmaterial für zuverlässig halten und reine Listen nicht akzeptieren, zumal nur dann Überprüfungen bei Änderungen der Taxonomie möglich wären. Bei Pilzen wären das Exsiccate - aber welches Museum würde die haben wollen?


    Zur systematischen Kartierung
    Bei dem Werk, die "Großpilze Baden-Württembergs" und den anderen Bänden aus der Reihe Artenschutz in Baden-Württemberg war die Ausgangslage auch so, dass einige Gebiete offensichtlich unterkartiert waren. Dort wurde versucht, nachzukartieren. Bisher sind bei den Pilzen meines Wissens nur Bände über Basidiomyceten erschienen.


    Ich hatte mir aus Interesse fuer ca 10 Euro zwei Bände von Krieglsteiners Verbreitungsatlas der Grosspilze Deutschlands (West) gekauft, später den fehlenden ergänzt. Der Band über die Schlauchpilze (Ascomyceten) ist von der Seitenzahl her beeindruckend umfangreich, obwohl die über 1000 lichenisierten Ascomyceten (= Flechten) fehlen. Ebenso beeindruckend ist aber auch, dass unglaublich viele Karten weniger als 5 Nachweise in Deutschland haben (wofür G.J. Krieglsteiner natürlich nichts kann). Es ist klar: wer beschäftigt sich schon mit Ascomyceten? (Ich weiss: Björn, ich habe davor großen Respekt).


    Die Hoffnung, mehr Kartierer zu gewinnen, sehe ich skeptisch:
    bei Gefäßpflanzen ist das schon schwierig, obwohl eine Stereolupe genügt. Mit Ausnahme einiger Gattungen (Brombeeren, Habichtskräuter, Wildrosen) kann man vieles mit "normaler" Literatur (Rothmalerl) bestimmen.


    Die Artenzahl bei den Pilzen dürfte ca doppelt so hoch sein wie bei den Gefäßpflanzen. Außerdem ist der Aufwand höher:
    Bei Pilzen braucht man für viele Gattungen ein Mikroskop mit 1000-facher Vergrößerung, die Bereitschaft, mit Öl-Immersion zu mikroskopieren, und dann auch noch mit zum Teil giftigen Chemikalien zu hantieren, was man in den üblichen Wohnräumen mit Teppichböden oder Parkett eher nicht macht. Salpetersäure oder Jod machen sich da nicht so gut.


    Es gibt auch keine Literatur wie den "Rothmaler" bei den Gefäßpflanzen, die man als Ausgangspunkt nehmen kann, sondern man braucht, wie mir gesagt wurde, eine umfangreiche Sammlung, möglichst mit den "Pilzen der Schweiz", die pro Band 100 -140 Euro kosten, aber auch anderer Spezialliteratur. Das ist schon eine große Hürde für eine systematische Kartierung durch engagierte Amateure.


    Ich begnüge mich mit unsystematischer Kartierung meiner Gegend, weil ich mich freue, wenn ich weiß, was da am Wegrand und im Wald wächst. Ich weiß aber auch, dass ich z.B. bei Täublingen im Normalfall nicht die geringste Chance zu einer zweifelsfreien Bestimmung habe. Damit fehlt schon einiges.


    So viel für heute Abend
    LG Lothar


  • Wiesenpilze
    Ich habe die Diskussion erst gestern entdeckt und nur überflogen:
    Was mir aufgefallen ist: bei den Standorten für Pilze wird heftig über die Wälder gesprochen. Ich habe zumindest beim Querlesen keinen Beitrag gefunden, der sich mit Wiesenpilzen beschäftig. Ich halte diese für viel stärker gefährdet.


    Hallo Lothar,


    Du hast vollkommen Recht, leider nutzt es fast nichts, Wiesenbiotope zu kartieren. Warum?


    Die meisten, Artenreichen Wiesenbiotope haben wir der extensiven Landwirtschaft längst vergangener Jahrzehnte zu verdanken. Ungedüngte Wiesen die höchstens einmal im Jahr gemäht werden, Viehweiden, auf denen sich fünf Kühe die Zeit totgeschlagen haben, Schafweiden etc.


    Die Entwicklung geht klar in zwei Richtungen. Einmal die noch genutzte Gras-Monokultur zur Ernte von Silage oder Heu. Zum anderen das Brachland, welches sich selbst überlassen in aller Regel verbuscht, nicht mehr gemäht wird, oder in dem sich wenige, aber sehr durchsetzungsstarke Arten breit machen.


    Eine Kartierung solche, noch intakten, Flächen macht nur dann Sinn, wenn gleichzeitig ein extensives Nutzungs- oder Pflegeprogramm erstellt und durchgeführt wird. Ansonsten dient die Kartierung nur dazu, später festzustellen, was da vor Jahren mal gewachsen und inzwischen verschwunden ist.


    Es ist ein wenig ein Teufelskreis, dass man auf der einen Seite erst mal wissen will, was da an einem Standort wächst, bevor man sich über Pflege und Nutzung Gedanken macht.


    Man muss solche Biotope sofort in ein Programm einbinden, denn dass da seltene und bedrohte Arten gedeihen, ist überhaupt keine Frage.
    Es scheitert, wie so oft, am nötigen Kleingeld, denn solche Programme sind sehr aufwendig und kostenintensiv.


    Es gibt inzwischen Bewegung in der Angelegenheit, und es werden auch wieder Flächen entsprechend gepflegt, aber das sind leider nur Wassertropfen in der Wüste.


    Mit Äckern ist es genau das Gleiche. Wer will und kann Äcker extensiv und mit der notwendigen Fruchtfolge bearbeiten? Die Subventionen helfen nur denjenigen, die von dem was zuviel ist, noch mehr produzieren, und das subventioniert bekommen, weil der Markt den notwendigen Preis nicht hergibt. Ein Irrsinn hoch drei.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Leute!


    Mich freut es, wie sich die Diskussion hier fortsetzt und entwickelt. Ich habe eure neuen Beiträge mit großem Interesse gelesen; die Gedankengänge dazu finde ich sehr aufschlußreich! Auch wenn es nicht möglich ist, eine umfassende Kartierung mitsamt vollständiger Arterfassung durchzuführen, sind dennoch auch die Ansätze wichtig. Allein schon, weil diese Aufmerksamkeit für die Zusammenhänge zwischen Kulturlandschaft und Artenreichtum ein ganz wesentlicher Faktor für die weitere Entwicklung unserer Umwelt ist.


    In dem Zusammenhang bin ich auch über >diese Diskussion< gestolpert.
    Dazu werde ich mich vielleicht später noch äußern. ;)
    Was mir hier auffällt: In den meisten Regionen nimmt der Bezug der Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt rapide ab. Darum fällt es vielen Menschen gar nicht mehr auf, wie tiefgreifend die Veränderungen in der Natur tatsächlich sind.


    Grund dafür ist erstens die Entwicklung der Arbeitswelt.
    Die Meisten sind immer weniger in der Lage, nach Feierabend ihren Beruf einfach zu vergessen und sich konsequent anderen Lebensinhalten zu widmen. Zumal in einer gewissen Gehaltsklasse oft ein normaler Vollzeitjob gar nicht mehr reicht, um den Lebensunterhalt einer Familie abzusichern. Dazu verlangen viele Berufe in höheren Gehaltsklassen auch weiteres Engagement nach Feierabend. Das kann eine ständige Erreichbarkeit über Handy oder mail sein, oder auch Abarbeiten von liegengebliebenem Bürokram, Fortbildungen usw.
    Weiter wird der Arbeitsumfang, den man während der Arbeitszeit zu leisten hat, immer belastender. Kaum gibt es noch passabel bezahlte Berufe, wo man nicht mehr oder weniger unter Dauerstress steht. Kommt man nach hause, ist man oft viel zu erschlagen, um sich noch groß mit anspruchsvoller Freizeitgestaltung zu beschäftigen.


    Das führt zu Grund zwei für den mangelnden Bezug zur Umwelt.
    Die Zeitfresser in der Freizeitgestaltung. Wer traut sich denn noch, einfach mal das Handy auszuschalten, oder liegen zu lassen? Wer zieht denn noch eine gepflegte Diskussion unter Freunden dem allgegenwärtigen Talk –“ Geblubber im Fernsehen vor? Wer geht denn noch in den Wald, wenn erstmal die ganzen Facebook –“ Kommentare abgearbeitet werden müssen? Nur so neben bei: Meinen Fernsehanschluß habe ich immerhin lahmgelegt. Brauche ich nicht mehr.


    Und beide oben beschriebenen Punkte treffen eben schon ganz massiv die jüngere Generation. Also Schulkinder, und das ist fatal.


    So entstehen gerade in Ballungsgebieten ganze Bevölkerungsschichten, die teilweise gar keinen Zugang mehr zu einem natürlichen Umgang mit der Umwelt haben. Folglich werden dann auch keine Entwicklungen mehr wahrgenommen, bzw erst dann, wenn auf einmal etwas im Geldbeutel fehlt.


    Auf der anderen Seite verwildern große Landstriche schlichweg, weil der wirtschaftliche Standort uninteressant ist, und daher die Bevölkerung in die Ballungsgebiete abwandert. Das ist insofern schön, als an diesen Stellen auch große Gebiete wieder der Wildnis überlassen werden. Ich freue mich über jeden neuen Wolf, der in Deutschland gelistet wird. Dennoch verschwinden hier natürlich die von Lothar und Ralf angesprochenen Biotope. Dafür werden an anderer Stelle riesige, zusammenhängende Flächen geschaffen, auf denen zB in Monokulturen (heißt das hier so?) Raps, Mais etc angebaut werden. Genetisch aufgepeppt, überdüngt, mit Insektenschutz und Unkrautvernichter vergiftet. Ehemals unterschiedlich genutzte Flächen weden zusammengelegt, um mit größeren Maschinen effektiver arbeiten zu können. Die so wichtigen Hecken dazwischen verschwinden.
    Dazu möchte ich anmerken, daß dieses Problem in Deutschland noch nicht ganz so dramatisch ist, wie in anderen Ländern (vgl. USA, China, Indien, Niederlande et al.). Das heißt aber nicht, daß wir ein Problem ignorieren sollten, weil andere es noch schlechter machen.


    Und woher kommt das alles?
    Nur ganz kurz muss ich da ein wenig philosophisch werden. In den von Zynismus geprägten Kommentaren von mir, Björn und Mausmann klang es schon an. Und nun mal ganz ohne Zynismus:
    Auch das ist Natur.
    Die oberste Devise der Evolution verlangt Wachstum um jeden Preis. Das ist ein biologisches Grundprinzip, welches übrigens zum großen Teil durch die Artenvielfalt relativiert und in einer (sehr empfindlichen!) Balance gehalten wird.
    Und diesem Prinzip (Wachstum) ist auch das Säugetier Homo Sapiens unterworfen, ob er will oder nicht. Die wirtschaftliche Entwicklung –žGeld heckt Geld–œ (Marx?) ist nur ein Ausdruck dieses Grundsatzes. Nun haben wir aber im Laufe der Evolution etwas entwickelt, was sich Cortex Cerebri nennt, und uns zu gar erstaunlichen geistigen Leistungen befähigt. Diese Begabung zu Verstand, Vernunft und (leider in geringerem Maße) Geist hat natürlich erst ermöglicht, daß Homo Sapiens sich auf einer Weise über den Globus ausbreitet, die mittlerweile auf Ökologie und Klima einen so massiven Einfluss nimmt, wie vorher nur massive Vulkantätigkeit und Meteoriteneinschläge.


    Nun bleibt aber die Frage, warum ein so vernunftbegabtes Wesen mit einer so immensen geistigen Kapazität außer Stande ist, diese Entwicklung richtig zu beurteilen und sich so anzupassen, daß es auch noch längerfristig eine Überlebenschance hat.


    Die Antwort ist ganz einfach: Der Urtrieb ist einfach stärker als Vernunft und Geist. Darum wird ein Problem immer erst dann wirklich rational und unter Einbeziehung aller Fakten betrachtet, wenn der Karren vor die Wand gefahren ist.
    Und je größer die Masse, und je stärker die globale Vernetzung, desto schwerer wird es auch, aus dem Massentrieb auszuscheren. Irgendein Philosoph sagte mal sinngemäß: –žDer einzelne denkt, aber die Masse ist dumm.–œ


    Dennoch bringt es ja nichts, den Kopf in den Sand zu stecken, und gar nichts mehr zu tun. Ich würde diesen ganzen Kram ja auch nicht tippen, wenn ich es für vergebene Mühe hielte. Insofern muss man auch mal die positiven Entwicklungen betrachten: Ralf kartiert weiterhin fleißig Pilze und streitet sich mit den zuständigen Behörden; Lothar setzt sich für den Schutz der natürlichen Kulturlandschaften ein; es gab immerhin sehr wohl eine Artenschutzkonferenz, die von ein paar Hanselen sogar wahr genommen wurde, und tatsächlich wenigsten auf dem Papier Ergebnisse vorweisen kann; und ich habe dieses Thema gestartet. :D


    Natürlich wird die Artenvielfalt weiter abnehmen, selbstverständlich wird sich das Kllima weiter erwärmen, ganz bestimmt wird die (menschliche) Weltbevölkerung weiter wachsen, sicherlich wird das zu Hungersnöten und Bürgerkriegen führen, für die wir auf unserer Insel der Seeligen mittelbar verantwortlich sind durch wirtschaftlichen Protektionismus und Subventionen.


    Das Bewusstsein wird sich weiter verändern. Inzwischen gibt es sogar Menschen, die mit Umweltschutz Geld verdienen. Bis sich das auf dem Gebiet der Mykologie durchsetzt, wird noch viel Wasser den Rhein runterfließen. Solange werden sich auf diesem Gebiet weiterhin die einzelnen Gruppierungen ehrenamtlich durchwurschteln und untereinander beharken.


    Aber das wird.
    Und wenn es nicht wird, dann war–™s das eben für uns Menschen. Was dann auch nicht soooo schlimm ist, die Natur macht einen Reset –“ wie schon so oft –“ und wird eine neue Artenvielfalt erschaffen.



    Und nun genug für heute.
    LG, Beorn.

  • Hallo Pablo und Interessierte,
    auch wenn der letzte Beitrag in dem Thread schon einige Zeit her ist:
    die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) führt am


    25. Februar 2013 eine


    Fachtagung "Pilze und Naturschutz
    durch.


    http://www.anl.bayern.de/veran…?id=648&form_behoerde=ANL
    http://www.anl.bayern.de/doc/0413_pilze.pdf


    Viele Grüße
    Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Umso schöner, wenn du das Thema mal wieder aufleben lässt. :thumbup:
    Das ist sicher eine hochinteressante Tagung, wenn ich könnte, würde ich mir das auch gerne ansehen.
    Eventuell könnte man das auch noch mal unter >mykologische Hinweise< reinstellen.
    Das soll schon möglichst breite Aufmerksamkeit erhalten, denn das Bewusstsein möglichst vieler Menschen zu erreichen, ist wohl die wichtigste Funktion einer solchen Tagung, noch wichtiger vielleicht als die Inhalte im Detail. ;)



    LG, Pablo.