Hallo, Community!
Seit einiger Zeit schon geht mir das Thema im Kopf herum. Natürlich gibt es in Mitteleuropa wohl eine recht große Anzahl wirklich seltener Pilze, aber wirklich verlässliche, einheitliche Informationen scheinen da irgendwie rar zu sein.
Ich denke mal, das hat verschiedene Gründe.
Erstens sind Pilzvorkommen regional sehr unterschiedlich, also kann ein Pilz, den man zB in Brandenburg regelmäßig und häufig findet, meinetwegen in der Nordschweiz absolut selten sein.
Zweitens - und das scheint mir sogar noch entscheidender zu sein - Ist die genaue und überprüfte Dokumentation von Pilzvorkommen offenbar zumindest lückenhaft. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, daß viele Funde gar nicht dokumentiert bzw. gar nicht erst als besonders wahrgenommen werden.
Da aber natürlich der Schutz gefährdeter Arten immer auch eine Rolle spielen sollte, habe ich dazu nach offiziellen Informationen gesucht.
Einmal natürlich für Baden Württemberg, weil das mein "Heimat"-Bundesland ist:
Landesamt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden Württemberg
Dann natürlich auf ganz Deutschland bezogen:
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Beide Listen sind bezüglich der Pilze weitestgehend gleich. Und aus meiner Sicht eher unbefriedigend.
Ohne jetzt ätzend werden zu wollen: Vergleicht einfach mal die Liste an Vogelarten und die Pilzliste. Nehme ich da ein gewisses Ungleichgewicht wahr? Und wenn ja, ist dieses auf die geringere Kartographierung, Sichtung und Dokumentation (s.o.) zurückzuführen?
Es wundert mich auch etwas, daß hier pauschal einfach ganze Familien geschützt werden, wie zB alle Raustielröhrlinge. Unter den Leccinum Arten gibt es sicher einige sehr seltene, aber andere sind doch definitiv "Massenwahre"!
Oder anders gefragt: Ist der Fichtensteinpilz (Boletus edulis) oder der gemeine Pfifferling (Cantharellus Cibarius) in Baden Württemberg etwa ein seltener Pilz? Ich antworte mir mal selbst: Mitnichten. Schützenswert insofern sicher, als daß zB der (unregulierte!) kommerzielle Handel das Potential hätte, diese Arten stark zu dezimieren.
Aber was ich völlig vermisse: Wo sind hier seltene Täublinge, Egerlinge, Schirmlinge usw. usw. aufgeführt? Selbst der Pantherpilz ist nach meinen Erfahrungen deutlich seltener als zB ein Steinpilz.
Wenn ich mir die Liste also mal mit anderen Augen ansehe, sehe ich fast ausnahmslos Speisepilze, bzw. solche, die mal als Speisepilze galten. Sollte das indirekt wieder meine oben aufgestellte These bestätigen, daß es eben bei den für Ottonormalverbraucher uninteressanten Pilzarten in der Vergangenheit keine "Lobby" und somit eben keine belastbare Bestandsaufnahme gab?
Freilich finden sich in Literatur sowie an verschiedenen Stellen im Netz sehr wohl deutlich abweichende "Rote Listen" für diverse Pilzarten. Aber hier wird es wirklich kompliziert: Allein innerhalb der Trivialliteratur widersprechen sich die Angaben zu Seltenheit und Schützungswert einzelner Arten deutlich.
Selbst auf dieses Forum bezogen, gibt es oft recht wenig Einigkeit, welche Pilze denn nun wo selten sind. Aber immerhin tummelt sich hier doch ein recht großes Publikum, und viele sind auch sehr engagiert wenn es um Kartierung und Bestimmung geht.
Darum - langer Rede kurzer Sinn - kommen jetzt meine zwei Fragen:
1.:
Gibt es wirklich belastbare Listen zur Seltenheit von Arten? Diese sollten schon deutlich aussagekräftiger sein, als das, was in den behördlichen Artenschutzgesetzen aufgeführt ist.
2.:
Wenn nicht, ließe sich dazu hier an dieser Stelle dazu etwas zusammenstellen? Das wäre vorerst nur als eine Art Brainstorming gedacht, eine Materialsammlung sozusagen, die auch neuen und unerfahrenen Sammlern einen besseren Überblick über schützenswerte Arten ermöglicht.
Es grüßt Beorn.
Anhang: Ein paar Links!
Rote Listen der Bundesländer
Rote Liste des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW
Rote Liste für Bayern (hübsch gemacht!)
Rote Liste für Rheinland - Pfalz
Rote Liste für Sachsen - Anhalt
Rote Listen für Schleswig - Holstein
Sonstiges, Zusätzliches und "Inoffizielles":
Pilzraritaeten.de <---- Die Seite von Andreas für Mecklenburg - Vorpommern
funghiparadise <--- Seite von Björn Wergen mit Schwerpunkt Ascomycetes, aber auch hier geht es um Kartierung und Erfassung.
Weitere Infos für NRW (mit Dank an Rada):
Webseite von Hans Bender für Mönchengladbach und Umgebung
Für bayerische Pilzfans und solche, die es werden wollen
Gerds Gedanken zum Thema Artenschutz <--- Dateinanhang beachten!
Deutsche Gesellschaft für Mykologie (Hauptseite)
----> Pilzportal der DGfM
Auch interessant: Pilzkartierung online
Wie wirkt sich das Sammeln auf die Bestände aus?
----> deutsch
----> englisch
Nochmal dank an Gerd, der immer das richtige Material parat hat!
Wer sich aktiv beteiligen will, braucht wohl einen Verein.
Für die Suche nach Angeboten in der jeweiligen Nähe eignet sich die Linkliste des Tintling.
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