Erstfund für NRW: Aufsitzender Schraubenbasidienpilz

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.921 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von bwergen.

  • Hallo,


    ich hatte ja folgendes noch zu klären:



    Nun, ich bin vor 2 Std nach Hause gekommen und hab mich sodann ans Mikro gesetzt, in Erwartung, dass das Teil irgendein Rindenpilz aus der Gattung der Traubenbasidien (Botryobasidium) sein könnte. Am Ende hieß es aber Schrauben anstatt Trauben :D


    Naja, ich hab von dem vermeintlichen Rindenpilz etwas abgekratzt, habs unters Mikro gelegt und sofort irgendwas komisches gesehen: Sporenständer, die tatsächlich aussehen wie Schrauben, so ganz anders als die gewöhnliche, zylindrische Form mit den meist 4 "Hörnern" oben dran.
    Dass diese Sporenständer nicht immer so aussehen, war ja schon vorher klar. Dafür braucht man nur Pilze wie das Judasohr, den Klebrigen Hörnling oder den Goldgelben Zitterling zu untersuchen, denn diese Arten gibt es ja sowieso an allen Ecken. Hier kann man kugelige, längs- und/oder quergeteilte Sporenständer mit megalangen Sterigmen entdecken.


    Die Form dieser Sporenständer hat nach aktueller Ansicht eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, Pilze zu verstehen und deren stammesgeschichtliche Entwicklung nachzuvollziehen. Man geht also davon aus, dass diese unförmigen Sporenständer, die aus mehreren Einzelzellen bestehen, primitiv sind, und sich erst viel später daraus die ungeteilten, meist 4sporigen, zylindrischen Basidien gebildet haben (wie wir sie bei etwa 80% aller Ständerpilze kennen!).


    Erstmals kann ich euch hier also eine Art vorstellen, die als Brücke zwischen diesen urtümlichen, heute bei den Rostpilzen angesiedelten Arten und den Pilzen der Neuen Ära gelten darf. ;)






    Colacogloea peniophorae, Aufsitzender Schraubenbasidienpilz



    Merkmale:
    Fruchtkörper bestehend aus kugeligen, etwa 1-4 mm breiten, blassgelblichen Individuen, die mit zunehmendem Wachstum auch zusammenfließen können. Die Fruchtkörper sitzen direkt der Fruchtschicht des Rindenpilzes auf und parasitieren wohl an diesem.
    Mikroskopisch auffällig sind natürlich die schraubenartig gedrehten Sporenständer mit seitlich abzweigenden, bis 50 µm langen Sterigmen, an deren Ende sich jeweils eine elliptische, hyaline Spore befindet. Auf dem Foto habe ich mittels eines Programms die Basidie rot, die Sporen blau gefärbt. Es sind auf den Bildern auch einige, spindelige, schmale Konidiensporen zu erkennen, die ebenfalls zu dieser Art gehören sowie weitere, schiffchenförmige Sporen, die wohl zum Wirt (wahrscheinlich Botryobasidium!) gehören.


    Funddaten:
    17.X.2012, Bergisches Land, an feuchtliegendem, entrindetem Holz von ?Fagus, leg./det. bwergen.


    Und jetzt zum Schluss die Erkenntnis:


    Schraubenbasidie auf Traubenbasidie!


    That's mycology :D


    lg björn



    [hr]
    Übrigens: Der Pilz ist auch makroskopisch sichtbar, hier nochmal das Bild von oben, diesmal mit dem Pfeil, der auf einen Fruchtkörper von Colacogloea peniophorae zeigt.




    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

    Einmal editiert, zuletzt von bwergen ()

    • Offizieller Beitrag

    Hi, Björn!


    Irre Sache. 8|
    Wenn dein Buch rauskommt, steht dann da auch etwas Entwicklungsgeschichtliches über Pilze drin? Das ist nämlich schon spannend, auch für Nicht - Mikroskopierer.


    Oder gibt es da sonstige gute Literatur zu, die auch für einen "Eisbergspitzensurfer" einigermaßen verständlich ist?


    LG, Beorn.

  • Hallo Beorn,


    ich habe den Beitrag soeben noch aktualisiert, der richtige, aktuelle Name dieser Art ist "Colacogloea peniophorae". Krieglsteiner (Pilze BW, Band 1) wirft A. effusus und A. peniophorae zusammen, aber in sämtlicher Literatur (Ellis&Ellis, Moser, Hansen&Knudsen) werden die beiden Arten getrennt dargestellt, A. effusus meist an Alnus wachsend, "A. peniophorae" an Corticiaceae s.l.


    Jedenfalls: A. effusus = A. peniophorae = Colacogloea peniophorae.


    Zu deinen Fragen schreib ich evtl. wenn ich dran denke morgen noch was. Genug für heute.


    lg björn

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  • Also, das Buch wird ein einfaches Bestimmungsbuch sein, mit knapp 128 Seiten. Da werden Ideen zur Evolution der Pilze keinen Platz haben ;)


    Literatur gibt es genug, insbesondere die Videos von Obermayer (die kann man gucken bei der Uni Tübingen, einfach mal googlen) sind sehr informativ.


    lg björn

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