Agrocybe pediades    (Rauhstieliger Ackerling)

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 11.393 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Pete Longhorn.

  • Hallo,


    heute möchte ich euch einen Pilz vorstellen, den man ziemlich häufig findet und der in Kenntnis seiner Merkmale schon makroskopisch gut zu bestimmen ist, wenngleich er am Anfang ziemlich unscheinbar erscheinen mag.


    Es handelt sich um einen Vertreter der Ackerlinge (Agrocybe). Der Name dieser Gattung kommt vom griechischen –žagros–œ (–žAcker–œ) und –žkybe–œ (–žKopf–œ) und bezieht sich auf die Hüte mit meist erdartiger Färbung.
    Alle Arten leben saprophytisch (streuzersetzend) auf Holz oder auf Erde. Es gibt kaum wirklich gute Speisepilze, die meisten Arten sind ungenießbar. Insgesamt beinhaltet die Gattung je nach Artauffassung bis zu 25 Arten.


    Nun aber zur Beschreibung des eigentlich vorgestellten Pilzes (jegliche Beschreibung bezieht sich auf meine Kollektionen, sofern nicht anders geschrieben):


    Agrocybe pediades (Fr.) Fayod (Rauhstieliger Ackerling, Halbkugeliger Ackerling)


    =Agrocybe semiorbicularis


    Name: Vom lateinischen –žpediades–œ, was –žflach–œ bedeutet. Dies bezieht sich auf die Hutform.
    Vorkommen: Auf steinigem, trockenen Boden sowie auf einem Acker auf nackter Erde. Die Art kann aber auch auf Wiesen, Wald- und Wegrändern sowie gemulchten Flächen vorkommen.


    Hut: 1-3 cm, konvex, jung und feucht klebrig, selten mit Velumresten am Hutrand von jüngeren Exemplaren, ockergelb.
    Stiel: 3-6 cm lang, Basal mit kleiner Knolle, im Alter hohl, von Hutfarbe, Oberfläche abstehend faserig.
    Lamellen: Breit angewachsen und mit Zähnchen herablaufend, breit, jung ockergräulich, im Alter dunkel schokoladenbraun mit weißlicher Schneide.
    Fleisch: Mit deutlichen Gurkengeruch, nach Lit. meist nach Mehl.


    Basidien: Keulig, überwiegend 2sporig, bis 4sporig.
    Sporen: Ellipsoid bis ovoid, dickwandig, mit Keimporus, braun, 11-16 x 7-10 µm.
    Cheilozystiden: Überwiegend lageniform (flaschenförmig), selten utriform, 30-40 µm lang.
    Pleurozystiden: Bewusst keine gefunden, nach Lit. gleich wie die Cheilozystiden.


    Bilder:


    Fruchtkörper:
    352qi68.jpg


    Stiel:
    67i1sp.jpg


    Lamellenschneide:
    35c4uj7.jpg


    Basidien:
    118dba8.jpg


    2m6s7qx.jpg


    Sporen:
    snhzip.jpg


    Cheilozystiden:
    2lwa9s6.jpg


    9tcrw8.jpg


    Zusammenfassung: Ein mittelgroßer, gelber Pilz, der mit etwas Erfahrung makroskopisch am meist +- halbkugeligen Hut, dem überfaserten, rau wirkenden Stiel und dem deutlichen Geruch nach Gurken oder Mehl erkannt werden kann.


    Ich hoffe, es war interessant und nicht zu lange ;).


    Schöne Grüße–¨
    Gernot


    Literatur: Erhard Ludwig: Pilzkompendium Band 1, Beschreibungen

  • Hallo Gernot,


    eine tolle Dokumentation, sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch. Vor allem die mikroskopischen Aufnahmen sind sehr beeindruckend.
    Dank dieser ausführlichen Beschreibung werde ich das Pilzchen bestimmt erkennen, sollte es mir über den Weg laufen :thumbup:


    LG
    Rita

  • Hallo Gernot,


    Zitat

    Ich hoffe, es war interessant und nicht zu lange


    :D Du machst wohl Witze! Toller Beitrag :thumbup::thumbup:! Glückwunsch zur gelungenen Darstellung in Wort und Bild ... und über mehr desgleichen wäre ich gar nicht böse ;).


    Lieber Gruß,
    mäxxi

    We shall by morning
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    Our foot's in the door.

  • Hallo Gernot,


    tolle Doku! Klasse Mikrofotos, vor allem der extreme Abbildungsmaßstab haut mich schier vom Sessel. Bezüglich des Namens, bezweifle ich ein wenig, ob sich "agros" im Sinne des Namensgebers auf die Farbe des Hutes beziehen soll. Hier wird wohl eher der Standort gemeint sein: "Ackerkopf" oder "Ackerköpfchen"!? "Acker" ist ja keine Farbe im eigentlichen Sinn. Müsste man mal recherchieren.


    Grüßle
    Juergen


    Zitat von Pete Longhorn


    Es handelt sich um einen Vertreter der Ackerlinge (Agrocybe). Der Name dieser Gattung kommt vom griechischen –žagros–œ (–žAcker–œ) und –žkybe–œ (–žKopf–œ) und bezieht sich auf die Hüte mit meist erdartiger Färbung.

  • Hallo Gernot,
    super gemacht und spitzenmäßige Mikrofotos. Von so was träume ich; momentan muß ich alles per Hand mitmeißeln.
    Mit diesem Kleinen Braunen habe ich mich im vergangenen Jahr etwas näher befaßt, um zu prüfen, ob irgend welche Merkmale miteinander korrelieren. Konnte aber nichts Felsenfestes entdecken. Die Sporenmaße schwanken, der Keimporus ist zentral bis deutlich exzentrisch, Cheilozystiden mal kopfig und mal nicht, Pleurozystiden fehlend bis extrem häufig. Das Velum kann fehlen, als hängende weiße Zähnchen oder angedrückte Fasern vorhanden sein.
    Möglich, dass sich im "pediades"-Topf mehrere (Klein-)Arten verstecken, man kann sie aber nicht recht fassen. Ob das überhaupt sinnvoll ist, bleibe mal dahingestellt.
    Wen es interessiert, der findet eine Übersicht hier:
    agro.xls
    "Ausreißer" sind rot markiert.
    Beste Grüße!
    Andreas

  • Hallo Gernot,


    zur Namensgebung "Agrocybe": Ich kann leider kein Französich, aber hier steht es vielleicht irgendwo, wie Fayod auf den Gattungsnamen kam.


    Fayod.jpg


    Author(s): Fayod, M.V.
    Title: Prodrome d'une histoire naturelle des Agaricinés
    Journal: Annales des Sciences Naturelles, Botanique
    Volume: 9
    Series: VII
    Page(s): 181-411 (385)
    Year: 1889


    Grüßle
    Juergen

  • Hallo Gernot,


    tolles Portrait, gefällt mir sehr gut. Vielleicht kannst Du noch kurz skizzieren, wie Du Deiner Mikrofotos gemacht hast - würde mich interessieren. Selbst habe ich bislang mit der Stativ-Kamera-Okular-Methode gearbeitet.


    Die Art finde ich in meinem Kartierungsgebiet Königsbrunner Heide zur Zeit recht häufig. Die Art fruktifiziert dort im Bereich der Hasenheide, eine Glatthaferwiese. Vorwiegend tauchen die kleinen Frk. an Stellen auf, an denen dichter Grasbewuchs vorherrscht und vergleichweise wenige Blütenpflanzen gedeihen. Vielleicht entsteht durch die flächige Abdeckung ein feuchteres Mikroklima, das dem Ackerling mehr behagt als die vergleichsweise offenen und schneller austrocknenden Flächen mit lichterem Bewuchs. Ist aber nur Spekulation. In unmittelbarer Nachbarschaft strecken übrigens die ersten Trupps Nelkenschwindlinge ihre Köpfchen heraus. Hoffentlich habe ich euch mit meinem ökologischen Abstecher nicht zu sehr gelangweilt.


    Sobald ich wieder ein Mikroskop habe, werde ich mich der aufgesammelten Kollektion widmen - oder hättest Du Interesse, Andreas? Wollte Dir sowieso noch den mutmaßlichen Wässrigen Mürbling schicken...


    Gruß, Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von Gelöschter Nutzer ()

  • Hallo Andreas,


    Zitat von AK_CCM


    ... Hoffentlich habe ich euch mit meinem ökologischen Abstecher nicht zu sehr gelangweilt.


    Du machst wohl Scherze; wenn DAS keine Wissenschaft ist (eigene Beobachtungen), na dann ... gibts GAR KEINE Wissenschaft:-) Außerdem ist das hier die "Langweiler-Rubrik", da sind wir schon richtig *g*


    Grüßle
    Juergen

  • Hallo in die Runde,


    erstmals danke für all das Lob ;).


    Jürgen: Danke für die kritische Nachfrage. Ich habe die Namensgebung aus dem Ludwig, da stand das so drinnen. Eigentlich hätte ich mir auch gedacht, dass das eher was mit dem Standort als mit der Hutfarbe zu tun hätte.
    In der Originalbeschreibung kann ich so auf den ersten Blick allerdings nichts erkennen, was auf die Namensgebung hinweist. Aber eigentlich kann ich kaum französisch, deshalb kann es gut sein, dass ich was übersehen habe. Vielleicht kann ja jemand mit Französischkenntnissen helfen :).


    pilzmel: Ich habe gehofft, dass du dich meldest ;). Die große Variabilität der Art ist schon erstaunlich, vor allem mikroskopisch kann man, wie du ja schon angesprochen hast, mehrere Arten vermuten. Deinen Link habe ich mit Interesse angeschaut, die Kollektion mit massig Pleurozystiden dürfte schon was besonderes gewesen sein. Die Literatur führt Pleurozystiden was ich so gefunden habe eigentlich immer als fehlend bis spärlich an.
    In Zukunft werde ich mir sicherlich weiterhin pediadusse mikroskopisch ansehen und genau auf die Variabilität achten.


    @AK_CCM: Zu der Entstehung der Mikrobilder: Mein Mikroskop hat einen abschraubbaren "Kopf" (weiß nicht wie das genau heißt) mit zwei Tuben. Wenn ich fotografieren will, kann man den "Kopf" abschrauben und einen weiteren "Kopf" mit jeweils einem Tubus zum Durchschauen und einem für die Kamera aufschrauben. Weiters kommt auf die Kamera ein spezieller Aufsatz, der dann mit dem Tubus für die Kamera verbunden wird - fertig.
    Die Mikrobilder selber sind alle mit 1000facher Vergrößerung mit einer Nikon D80 fotografiert. Mikroskopiert wurde ausschließlich in Wasser. Das Pilzstückchen fürs Präparat wurde bei den Mikrobildern 1, 4 und 5 kurz in Kongorot gelegt, ausgewaschen und dann in Wasser mikroskopiert.


    Schöne Grüße
    Gernot

  • Hallo Andreas,


    Zitat von pilzmel


    nach meinen Beobachtungen wächst dieser Ackerling bevorzugt in sehr (!) kurzem und/oder lückigem Grasland bzw. Rasen.


    das kann ich bestätigen - wo der Grasbewuchs vollständig dick den Boden bedeckt, habe ich den Ackerling bislang noch nicht gefunden. Ich hänge mal ein Bild an, wie ich ihn typisch finde.


    Gruß, Andreas

  • Hallo zusammen,


    Zitat

    In der Originalbeschreibung kann ich so auf den ersten Blick allerdings nichts erkennen, was auf die Namensgebung hinweist. Aber eigentlich kann ich kaum französisch, deshalb kann es gut sein, dass ich was übersehen habe. Vielleicht kann ja jemand mit Französischkenntnissen helfen


    Mykologisch kann ich Euch zwar nicht weiterhelfen, aber ich kann immerhin bestätigen, dass Fayots Text keinerlei Passagen enthält, die auf die Namensgebung von Agrocybe hinweisen :P.


    A bientôt,
    mäxxi

    We shall by morning
    Inherit the earth.
    Our foot's in the door.

  • Hallo mäxxi,


    Zitat von mäxxi


    Mykologisch kann ich Euch zwar nicht weiterhelfen, aber ich kann immerhin bestätigen, dass Fayods Text keinerlei Passagen enthält, die auf die Namensgebung von Agrocybe hinweisen :P.


    Merci:-) Da der Text von Fayod die Erstbeschreibung der Gattung Agrocybe sein soll (laut Literatur), und die dürftige Textpassage nichts hergibt, ist alles weitere Spekulation, auch das was E. Ludwig in seinem Kompendium über die Herkunft von Agrocybe schreibt. "Ackerkopf" müsste sich eigentlich, wenn man sich die anderen *cybe anschaut, auf die Beschaffenheit des Hutes beziehen, nicht auf die Farbe (und auch nicht auf den Standort, wie ich zuerst vermutete). Vielleicht (auch nur ein Spekulatius:-) ist mit "Ackerkopf" die rissig/schollige Struktur der vertrocknenden Huthaut der Typus-Art A. praecox gemeint? Tja wer weiß es. Was mich desweiteren erstaunt, ist, dass die Einführung der neuen Gattung Agrocybe ohne gründliche "Diagnose" auszukommen scheint. Vielleicht hat ja irgend ein anderer Autor mal eine Erklärung des Namens "nachgeliefert":-).


    Grüßle
    Juergen

  • Hallo Mäxxi, hallo Jürgen,


    mäxxi: Danke dir für das Durchlesen des Textes ;).


    Jürgen: Wenn es sonst nirgends eine Erklärung gibt, worauf sich Agrocybe bezieht, bleibt wohl wirklich viel Raum für jegliche Spekulationen. Es wundert mich allerdings, dass E. Ludwig einen klaren Bezug in seinem Buch hat und ihn nicht irgendwie mit einem Fragezeichen oder ähnlichem gekennzeichnet hat. Das lässt vielleicht vermuten, dass es doch wo eine genaue Erklärung des Namens gibt...


    Schöne Grüße
    Gernot