Phytoparasitische Pilze an Scharbockskraut

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 9.184 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Harzpilzchen.

  • Hallo ihr Lieben,


    auch wenn die meisten von euch vielleicht nach anderen Pilzen Ausschau halten, so würde ich euch doch gerne für ein paar Pilzen, gerade auf Frühjahrsblühern, sensibilisieren.


    Es gibt eine Reihe an Pilzen die für ihre Entwicklung und Ernährung lebendes pflanzliches Gewebe benötigen. Es handelt sich hierbe um die obligat phytoparasitischen Kleinpilze. Zu ihnen gehören verschiedene Vertreter wie Rostpilze, Brandpilze (beides Basidiomycota), Echte Mehltaupilze (Ascomycota), Falsche Mehltaupilze (Chromista) und eine Reihe anderer.


    Das Scharbockskraut (Ficaria verna (Syn. Ranunculus ficaria)) ist ein häufiger Frühjahrblüher der bald anzutreffen sein wird und einer Reihe an Pilzen als Wirt dient.



    Brandpilze sind allgemein die seltenste Gruppe der ganzen Kleinpilze, weil sie stark von Umweltfaktoren und veränderungen abhängig sind.
    Ein recht seltener Brandpilz ist Urocystis ficariae (Liro) Moesz .
    Er verursacht im Jugendstadium bleigraue Brandblasen auf den Blättern und Stängel, die später aufplatzen und das schwarze Sporenpulver freigeben.





    Ein im Vergleich recht häufiger "heller" Brandpilz ist Entyloma ficariae A. A. Fisch. Waldh.. Er bildet weiße Flecken auf den Blättern aus, welche im Durchlicht dunkel erscheinen. Das liegt daran, dass es für die Gattung Entyloma typisch ist, dass das Sporenpulver unter der Epidermis verbleibt und erst mit dem Zerfall des Blattes frei wird. Das was man im Durchlicht dunkel sieht sind also die Sporen.




    Dem Pilz voran geht die Anamorphe (Entylomella ficariae (Berk.) Höhn.) von diesem Brandpilz, welche zu der Gruppe der Hyphomyceten (Imperfekte Pilze) gehört. Das Befallsbild ist das gleiche wie oben, oft findet man im gleichen Präperat auch Anamorphe und Teleomorphe nebeneinander. Makroskopisch zeichnet sie sich durch einen weißlichen Rasen auf den Flecken aus.
    Im Mikrobild sind die runden dickwandigen Sporen das Teleomorphe und die schmalen fädigen Konidien der Anamorphe zu sehen.



    Rostpilze kommen auch auf dem Scharbockskraut vor. Ein relativ leicht kenntlicher und auch häufiger ist Uromyces ficariae (Schumach.) Lév. Er verkürzt seine Entwicklung auf die Ausbildung dieser dunkelbraunen Sporenlager (Telien).




    Dann gibt es noch zwei sehr ähnlich aussehende Rostpilze, die am besten mikroskopisch in der Bestimmung abgesichert werden müssen. Beide Arten vollführen einen Wirtswechsel, der eine zu Rumex (Ampfer), der andere zu Süßgräsern (Poa). Und beide bilden deswegen nur die ersten beiden Stadien eines Rostpilzes aus, die Pyknien und Aezien.


    Bei Uromyces poae Rabenh. s.str. werden die becherförmigen Aezien in kleinen ringförmigen Gruppen ausgebildet, die nicht allzu kompakt sind.




    Uromyces rumicis (Schumach.) G. Winter bildet größere und kompaktere Gruppen dieser Aezien, welche oft starke Schwielenbildungen hervorrufen.



    Aber auch ein Falscher Mehltau (sie gehören aufgrund des Fehlens von Chitin in den Zellwänden nicht ins Reich der Fungi) befällt das Scharbockskraut. Die Blätter sind bei einer Infektion vergeilt, überragen die gesunden, sehen etwas stumpf aus und der Rand der Blätter ist nach unten umgerollt. Kurze Zeit später bildet sich auf der Blattunterseite ein grauer dichter Rasen aus Konidienträgern, welche meist bäumchenförmig verzweigt sind. Es handelt sich bei dem Pilz um Peronospora ficariae Tul. ex de Bary.




    Zum Schluss gibt es auch noch einen Schwächeparasit auf dem Scharbockskraut, welcher vor allem schon durch andere Pilze befallene Individuen oder ältere Pflanzen angreift. Es ist ein Grauschimmel der ebenfalls eine Anamorphe ist und zu den Imperfekten Pilzen gehört: Botrytis ficariarum Hennebert
    Bei einem Befall sieht die Pflanze wie mit Schimmel überzogen aus.





    Die meisten Kleinpilze müssen allerdings für eine Absicherung der Bestimmung mikroskopiert werden, aber man kann makroskopisch schon eine gute Vorstellung von den Arten erhalten.


    Der wichtigste Schritt bei der Kleinpilzbestimmung ist die genaue Wirtskenntnis, danach ist der Kreis der Verdächtigen soweit eingeengt, dass man mikroskopisch ein Ergebnis erhält.


    Vielleicht hat ja jetzt der ein oder andere Lust im Frühjahr mal auf diese Pilzchen zu achten.


    Liebe Grüße Julia

  • Danke für die Mühe diesen sehr schönen und aufschlußreichen Beitrag einzustellen. Das hat ein bißchen den Horizont erweitert.
    Kleinstpilze an lebenden Pflanzen, das ist ein Gebiet welches mir vor einem Jahr noch gänzlich fremd war. Wahrscheinlich muß ich mich zu den Banausen zählen die bei einer Pflanze bislang meist nur gesehen haben ob sie hübsch und fit sind oder "hinüber". "Hinüber" hatte Pilze dabei nie im Sinn. Man(n) sieht dann nur welk oder vielleicht befallen, was aber nicht bewußt einen Pilz im Sinn hatte. Schimmel, Krankheit, Befall von Ungeziefer, solche Dinge, ja, aber das ist etwas kurzsichtig wie man(n) jetzt sieht.


    Sehr sympathische Fotos auf der HP. :thumbup:

  • Hallo Jule,


    fand ich sehr interessant was du geschrieben hast und ich werde dem nächst solche flecken mit anderen Augen sehen.

    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

  • *Brummel* da ich als Bonsaianer auch einige Stieleichen beherberge, gehören Echter und Falscher Mehltau zu meinen alljährlich wiederkehrenden ungebetenen Gästen. Je nach Witterung langen die beiden mehr oder weniger stark zu, überziehen bisweilen sogar die Ahorne an den besten Sonnenplätzen (naja, ohne Sonne sind auch die Sonnenplätze keine Sonnenplätze...).:(


    Ich bin allerdings schon seit ein paar Jahren davon ab, das einfach mit Fungiziden zu bekämpfen. Meine Verbündeten im Kampf gegen den Mehltau sind - - Pilze!:cool:
    Zwei von den Stieleichen haben nämlich Mykorrhiza. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sie sich bei beginnendem Befall der Eichen in der Umgebung eine ganze Zeitlang widersetzen können und bei Wetterbesserung auch wieder abheilen.


    OK: in Härtefällen helfe ich dann beiden weniger glücklichen Bäumen, die noch ohne Helferchen sind, schon mal mit Mehltauschreck aus: Milch mit Öl, Backpulver und Spüli.:D

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Vielen, vielen Dank Julia, für diese Doku! Wir haben sehr viel Scharbockskraut im Garten, und sobald es sich zeigt werde ich gezielt noch diesen Pilzen suchen. Mein Vater hat zwar schon einige davon in seiner Kartierung - aber noch ohne Bildmaterial. Das muss nachgeholt werden.


    Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Gerade Uromyces sieht ja toll aus ... Vorbei die Zeiten, wo ich annahm, dass auf solchen Pflanzen nicht viel mehr als Mehltau wachsen kann... Bin begeistert! :thumbup:

  • Hallo Julia,


    tolle Doku, werde ich irgendwo abspeichern, denn eine solche Vorstellung kann man sich kaum entgehen lassen. Es ist ja schließlich genau das, was man so braucht: die Bekanntmachung des Wirts, und schließlich die Schau auf die Phytoparasiten. Eine "ascomycetische" Ergänzung anhand von Kernpilzen und Becherlingen, die Ficaria verna besiedeln, wäre das non-plus-ultra hier. Leider tut sich auf dem Kraut nicht sonderlich viel :D


    Vielleicht solltest du das gleiche mit Urtica dioica machen ;)


    lg björn

    Projekt Fungi: 3277

    [FERTIG] Band 1a: 440 Pyrenomyceten mit 0-1fach sept. Sporen; Band 1b: 380 Pyrenomyceten mit 2-M.

    Band 2a: Pezizomycetes, Hypogäische Eurotiomycetes, Lecanoromycetes, Arthoniomycetes

    Band 2b: Leotiomycetes, Geoglossomycetes, Taphrinomycetes, Laboulbeniales, Orbiliomycetes

    Band 3: Rindenpilze, Heterobasidiomycetes, Cyphelloide Pilze
    Schwarzwälder Pilzlehrschau

  • @ Björn: Ich denke, ich werde so nach und nach mal für verschiedene Pflanzen die Kleinpilze aufzeigen. Die Frühblüher sollten aber denke ich zuerst kommen :)


    Da freue ich mich schon auf deine nächste Doku. ;)

    Gruß Mario
    Ein Gruß aus den Bergischen Land


    Pilzchips 40 / 13 PC fürs APR.


    Bei Geschmackprobe bitte nicht runter schlucken.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Julia!


    Da schließe ich mich dem allgemeinen Interesse an: Tolle Sache, die du hier präsentierst. Mal abgesehen davon, daß auch diese Pilze eine eigene Schönheit besitzen und ihre Funktion im biologischen Gefüge erfüllen, habe ich mich doch auch schon immer mal wieder gefragt, wer nun an diesen oder jenen Flecken auf den Blättern schuld ist.


    Dank dir weiß ich jetzt immerhin ein wenig mehr davon.
    Sowas lese ich immer gerne. :thumbup:



    LG, Pablo.


  • Hallo ihr Lieben,
    auch wenn die meisten von euch vielleicht nach anderen Pilzen Ausschau halten, so würde ich euch doch gerne für ein paar Pilzen, gerade auf Frühjahrsblühern, sensibilisieren.


    So etwas ist immer sehr willkommen, Julia!
    Wie Du gemerkt haben wirst, gibt es in diesem Forum einige, die auch an Kleinpilzen interessiert sind.
    Ich finde Deinen Beitrag genial und freue mich bereits auf weitere. :thumbup:
    Übrigens, wenn ich nicht mit diversen Dungis und pflanzenbesiedelnden Pyrenos völlig ausgelastet wäre, könnte ich ja mal mit einem Pilzfreund quasi aus meinem Nachbardorf, den Du glaube ich ganz gut kennst, auf Phytoparasitenjagd gehen. :D


    Lieben Gruß vom Nobi

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    Chips: 72

  • Hallo Julia,
    am letzten Wochenende haben wir 2 verschiedene Pilze auf Scharbockskraut gefunden. Leider sind wir noch sehr fotografier - und mikroskopierfaul. :rolleyes:
    Das wird sich hoffentlich bald wieder ändern. ;)
    Eine kurze Frage haben wir aber doch noch: wie transportiert man diese Pilze am besten nach Hause? Wenn man sie einfach in kleine Dosen steckt, sind sie zu Hause mit Sicherheit getrocknet, oder?
    Liebe Grüße
    Holger und Sabine


  • Eine kurze Frage haben wir aber doch noch: wie transportiert man diese Pilze am besten nach Hause?


    Würde mich auch interessieren, wie es die "Profis" machen! ;)
    Für unsere WE Tour hatte ich einfach eine fest schließende Dose mit stark angefeuchtetem Küchenpapier ausgelegt. Hat prima geklappt!


    Nobi

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    Chips: 72

  • Hallo,


    also, jeder macht das da glaub ich anders.


    Ich hab mir auch ne eigene Methode überlegt, mit der ich ganz gut fahre.


    Erstmal hab ich immer ne Tüte mit (so ne Shoppingtüte, die häng ich entweder an den Rucksack oder hab sie immer in der Hand, nen Markenzeichen quasi).


    In dieser Tüte habe ich verschiedene Stückchen von Alufolie, jedes bisschen zusammengelegt (im Rucksack hinten dann die Rolle).


    Wenn ich nun einen Kleinpilz finde, pflück ich den in ausreichender Menge, so dass man am besten die Pflanze nachbestimmen kann, leg das in die Folie, klapp die links und recht platt drüber und mach die Enden noch zu. Und das werf ich dann wieder in die Tüte.


    So habe ich 1. Ordnung in der Tüte und zweitens verhindere ich Fremdsporen. Weil vor allem Rost und Brandpilze ganz schön aufeinander sporen können, das ist ungünstig.


    Zu Hause packt man die aus der Alufolia wieder aus, legt die in Zeitungspapier aus, wie normale Pflanzen halt, und presst das ganze. Also nen schweres Buch oder so drauf.


    Auf dem Bild seht ihr die Tüte. Ich bin da etwas sehr kaputt, das war nach einer 8 Tage Wandertour und mein Knie kann das nicht mehr.



    Liebe Grüße Jule

  • Liebe Jule


    Vielen Dank für die mühevolle Arbeit, diese Pilze hier vorzustellen. Das hat mich neugierig gemacht und mal geschaut, ob ich nicht an Scharbockskraut auch etwas finde. Und siehe da, es ging recht schnell:






    ich denke mal, morgen schaue ich mir die Pilze mal scharf an.


    LG Hartmut