Von den dunklen Nischen und den großen Pilzen

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  • Es ist Sonntag und es hat geregnet in der Nacht und auch in den letzten Tagen. Immer ein wenig, nie wirklich stark aber stetig. Das soll gut sein für die Pilze, habe ich mir sagen lassen. Kühl ist es außerdem geworden. Aber mir ist das recht, ich mag den Herbst.


    Gegen frühen Nachmittag quängelt dann der Hund, will raus, will laufen. Ich will auch laufen und gleichzeitig mag ich gar nicht aus dem Haus, wenn das mattgrau des Himmels zwischen den Dächern lungert und sich in Baumkronen verfängt. Diesig, nicht neblig. Herbst.


    Eine Jacke, ein Schal, ein Hund. Ich hadere. Eine Kamera, ein Messer, ein Beutel. Kein Korb. Zu sperrig. Vielleicht findet sich gar nichts. Das Pilzbuch noch. Das ist ja klein und handlich.


    Der nasse Kies knirscht unter den Autoreifen und unter den Schuhsolen. Alles ist nass, mindestens feucht und Nebel lauert im Moos und wartet auf seine Gelegenheit. Die Luft schmeckt nach feuchter Erde, nach verrotendem Holz - und nach Pilzen.



    Es stehen Fliegenpilze am Weg, dort wo der große Steinpilz steht und auch gegenüber am Waldweiher. Nicht weit daneben die zerfressenen Überreste eines gewaltigen alten Steinpilzes. Wir gehen daran vorbei. Der Hund wittert, nimmt Fährte auf und wird nervös. Im Herbst werden die Wanderer weniger und die Tiere gewinnen ihren Wald zurück. Sie sind überall und wenn sie selbst schon nicht mehr dort sind, bleibt ihre Spur. Der Hund zieht an der Leine. Das tut er sonst nicht.


    Den Weg hinunter, den Weg hinauf. Große, breite Kieswege, in sämtlichen Wanderkarten verzeichnet und gerne auch von Bauern und Forstwirten mit großen Maschinen genutzt. Kein guter Platz für verborgene Schätze. Kein guter Platz für Pilze. Knacken, Bersten und Knistern überall. Nüsse und Eicheln fallen, schlagen dicht bei uns ein. Der Hund ist immernoch nervös, inzwischen auch wachsam.



    Ein Stück den Weg hinauf linker Hand stehen Nadelbäume. Ein ganzer Streifen vom Weg hinunter bis zum Bach im Tal, kein noch so kleiner Laubbaum dazwischen. Ich sehe nach dem Hund, der wieder auf einer Fährte ist, sehe nach den Bäumen und zwischen sie hinein, wo das Licht düstrer wird und die Schatten im von rostenden Nadeln bedeckten Boden schlafen. Und da sehe ich sie.



    Wie gemalt, kräftig und jung, satt in Farbe und Form und alles scheint zu passen. Die Bäume, der Boden, der Bach. Und nun noch die stillen Wächter an der Pforte zum Zwielicht. Es schreit förmlich nach Steinpilzen. Meine Augen schweifen - nichts. Gar nichts. Zu viel Nichts, außer einigen Sonderlingen, die völlig unangetastet geblieben sind. Es war Feiertag. Schade.



    Den Weg weiter hinauf, man kann ihn rund abgehen und kommt am Ende doch zurück an den Anfang. Ein schöner Pfad, besonders wenn man wenig später den Hauptweg verlassen hat. Der Hund wuselt um meine Beine, ich taste in meinen Taschen nach, ob alles dort ist, was ich hatte mitnehmen wollen - da blitzt etwas, mein Auge zuckt, ich drehe mich und sehe ihn. Zwanzig Meter mindestens entfernt zwischen Bäumen, hinter Brombeersträuchern und Laub und doch, man entwickelt diesen Blick für dieses satte, glänzende Braun in sanftem, rundem Bogen.



    Da ist kein Weg aber viel Gestrüpp. Es dauert eine kleine Weile, bis ich mir einen Pfad geborgen habe zwischen den knorrigen Bäumen und den satten, reichen Moosplatten hindurch und um die Stachelranken der Brombeeren herum bis hin zu diesem wunderschönen Pilz, wie er da steht. Und er ist gewaltig. Ich handtiere mit dem Smartphone, fotografiere, staune. Der Hund wuselt um mich herum, ich schieb ihn weg. "Tritt nicht auf die Pilze!". Und es müssen Pilze sein. Er hier, der Riese, ist nur der Platzhirsch, da bin ich sicher.


    Also streunen wir los, quer durch das Unterholz, nur wenige dutzend Meter vom Weg und doch praktisch unsichtbar für jeden, der dort gehen mag. Maronenröhrlinge schimmern zwischen Totholz und Moos mit satten, tiefbraunen Hüten. Ein Stück noch weiter, jenseits des moosigen kleinen Lichtbruches - da ist der zweite. Ein zweiter Riese, nur unwesentlich kleiner als der Erste. Und keinen Meter neben ihm stehen sie, jung und frisch, wie gemalt. Ich muss lächeln, der Hund freut sich, ohne zu wissen, worüber.


    Und dann fahren wir heim. Die Riesen bleiben im Wald und wachen über die kleine Lichtung, so nah beim Weg und doch unentdeckt. Ja und ich - ich lächle immernoch.




    ;)
    LG
    Sonja

  • Schliesse mich Sonja an. Toll geschrieben ...


    und


    Schweizer Militärsackmesser => :thumbup::thumbup::thumbup:


    Gruss Stephan

    Ein Pilzler Namens Guschti Frei

    fand im Wald ein Hexenei.

    Voll Gwunder pocht er ein`ge Male

    an die butterweiche Schale;

    ob wohl ein Vogel drinnen sei?


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  • Guten Abend Sonja,


    Danke für den Beitrag, vor allem der Waldweiher gefällt mir. Das sieht ja schon ziemlich nach Herbst aus..
    Stephan: Ja, Stephan.. es ist ein Schweizer Sackmesser, jedoch keines vom Militär.. die waren dort nämlich nie rot.


    Freundliche Grüsse,
    Lukas