"Riesen-Giftschirmpilz" ?

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 5.290 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Inni.

  • Hallo liebe Pilzfreunde,


    ich heiße Uwe, komme aus dem Ruhrgebiet und lese hier schon lange passiv mit. Gestern nahm ich an einer Pilzexkursion für Anfänger der VHS teil. Der Leiter stellte uns einen mitgebrachten Pilz unter dem Namen –žRiesen-Giftschirmling–œ vor und betonte, einen solchen in seiner 40jährigen Pilzlaufbahn noch nie zuvor gefunden zu haben. Ich bin daraufhin heute zum Fundort gefahren und möchte dies zum Anlass nehmen, Euch neben meiner gewöhnlichen Person auch diesen scheinbar nicht ganz so gewöhnlichen Pilz kurz vorzustellen.


    Es ist mein erster Beitrag und die Fotos meiner alten Kamera sind leider sehr schlecht geworden. Ich habe zum ersten Mal den Makromodus eingestellt, das Ergebnis sind unscharfe Bilder. Ich weiß nicht, ob diese alle die gleiche Art zeigen. Die Pilze waren schon alt und ich wollte nicht mehr als zwei Pilze aus dem Substrat nehmen.


    - Fundort: Stadtpark auf einer großen Wiese in der völlig trockenen Streu eines allein stehenden Nadelbaums (Fichte?). Am Rande der Wiese verläuft ein Bach, dort stehen Riesenträuschlinge, die ich zuvor auch noch nie gefunden habe.


    Bild1:


    Bild 2:


    Bild 3: Ein Fruchtkörper war deutlich größer und stand am Rand.


    Bild 4: diese kleine Gruppe hatte etwas hellere Hüte und sah etwas frischer aus


    Meine weiteren Angaben beziehen sich auf die Bilder 5 - 9.


    Bild 5:


    Bild 6:


    Bild 7:


    Bild 8:


    Bild 9:


    - Größe der Fruchtkörper: ca 5-8 cm Durchmesser


    - Hüte mit großen dunkelbraunen Kappen, darunter zum Rand hin kleinere Schuppen


    - Lamellen weiß, frei


    - Stiele glatt


    - relativ breiter wolliger Ring (aber nicht so breit wie beim Safran), mit einiger Mühe ohne Verletzung des Stiels verschiebbar - für mich ist der nicht doppelt, aber in der Mitte sehe ich doch eine kleine "Rille"


    - nach Querschnitt leicht rötend, auch auf dem Stielring bildete sich eine wahrnehmbare Rötung


    - Geruch extrem widerlich


    In meinen lainhaften Recherchen sehe ich im Pilzkompendium von Erhard Ludwig Ähnlichkeiten mit dem Macrolepiota brunnea. Dafür sprechen für mich die auffällig große Stielknolle, der Fundort und die kleinen "Härchen" auf dem Hut am äußeren Rand. Die Knolle geht sofort stark in die Breite. Ob sie einen scharfkantigen "Graben" hat, kann ich nicht sagen, die bekomme ich weder mit einem Pinsel noch mit dem Messer sauber. Der Dreck ist wie festgeklebt. Dagegen spricht, dass dort als Merkmal "geruchlos" aufgeführt wird. Die Pilze verströmen aber trotz ihres Alters noch einen für mich extrem unangenehmen Geruch (irgendwie süßlich nach Aas, geht ein wenig in die Richtung von älteren grünen Knollis). Der durchgeschnittene Fruchtkörper steht gerde neben mir und wenn ich das noch länger rieche, wird mir schlecht. Ich stelle ihn jetzt erst einmal raus, sonst vergeht mir der Geschmack an meiner Steinpilzpfanne (dieses Jahr wachsen hier sehr wenige Arten, aber Fichtensteinpilze gibt es aktuell masenhaft wie ich es noch nie erlebt habe).



    Allen einen schönen Restsonntag


    Uwe

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Uwe!


    Danke für deine schöne Vorstellung und willkommen im Forum!


    Das ist schon der Gift - Riesenschirmling. Der heißt nun allerdings Chlorophyllum brunneum, aber das ist nur eine Kleinigkeit. Zum Pilzkompendium von Ludwig bist du natürlich auch zu beglückwünschen. Sehr gute Literatur. :thumbup:


    Zum Geruch: Der soll schon eher unangenehm sein, und verstärkt sich wie bei allen Pilzen mit dem Alter. Wenn du einen aasartigen Geruch beim grünen Knolli wahrnimmst, dann ist dieser Pilz zB auch schon mächtig am verwesen. Der riecht für meine Nase nämlich eher mild und angenehm. ;)


    Der Rest der Merkmale auf deinen Bildern und in der (sehr guten!) Beschreibung ist auch ziemlich klassisch für Ch. brunneum: Gedrungener Wuchs, geselliges bis büscheliges Wachstum, abgesetzte Knolle...
    Also dafür der nächste Glückwunsch, denn die Art würde ich auch gerne mal finden.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    vielen Dank für die Bestätigung und die nette Begrüßung. Bei der Gelegenheit möchte ich meinen Respekt für Deine tolle Arbeit hier im Forum aussprechen - stellvertretend für die vielen anderen Experten, die hier so viel Zeit aufwenden, um in ihrer Freizeit fachkundige Hilfestellung zu geben (sogar dann, wenn jemand wiederholt ohne jedes "Hallo" nur ein Bild mit der Frage "Was ist das?" einstellt).


    Auf das Kompendium bin ich im Pilzmuseum in Bad Laasphe aufmerksam geworden, wo man sich alles in Ruhe anschauen (und auch Seminare belegen) kann. Die Reihe hat zwar ihren Preis, aber ich setze mich in meiner Freizeit bei schönem Wetter gerne mal in die Sonne und habe nun viele Jahre etwas Schönes zu tun :)


    Den Grünen Knollenblätterpilz haben wir auf der Exkursion gestern im Eichenwald mehrfach gefunden - den Geruch empfinde ich auch bei jüngeren Exemplaren als unangenehm, aber das ist natürlich subjektiv. Zumindest ist er unverkennbar, wenn man ihn einmal wahrgenommen hat.


    LG, Uwe

  • Hallo Uwe,


    ich danke auch für deine Vorstellung und die Fotos, habe selbst Ch. brunneum noch nie gefunden finde ihn aber sehr interessant. Isst eigentlich bekannt welcher Stoff genau die Giftwirkung ausmacht?


    Grüße
    Josch

  • Ich hatte beim schnellen Überfliegen und hauptsächlichen Anschauen der Bilder grad mal eben kurz Angst bekommen :D So nach dem Motto "Ist das der Giftriesenschirmling? Ach mir egal, wandert in die Pfanne."

    Bestimmungsversuche sind niemals eine Verzehrfreigabe! Ich bin längst kein Profi und kann mich auch mal irren. Ich übe um zu lernen ;)


    95 Chips

  • Zu ängstigen brauchst du dich nicht, aber genau hinschauen solltest du bei Riesenschirmlingen schon. Gar nichts falsch machst du, wenn du nur nichtrötende Riesenschirmlinge sammelst. Und rötende sollten mitten im Wald gewachsen sein, vereinzelt stehen, keine gerandete Knolle und keinen unangenehmen Geruch haben, dann kann eigentlich auch nichts schiefgehen.

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

  • :P o. K., jetzt wo du es sagst... :thumbup:

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    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo zusammen,


    ist mir auch schon öfters aufgefallen,


    deswegen, und das sieht auch Öhrling sicher genauso, den ganzen Beitrag lesen. Weniger ist oft mehr. Das gilt auch für Pilzfunde und deren Bestimmung.


    Nun aber zu Uwe H :

    Herzlich Willkommen im Forum Uwe, ist ein toller Einstiegsbeitrag !


    Lieben Gruß,
    Markus

  • Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte mit meiner Angeberpfanne keine Verwirrung stiften.


    Obwohl - vielleicht saß mir auch der Schalk im Nacken, wer weiß :evil:


    Auf jeden Fall hat Oehrling mit wenigen Worten etwas sehr verständlich auf den Punkt gebracht:


    Zitat

    Und rötende sollten mitten im Wald gewachsen sein, vereinzelt stehen, keine gerandete Knolle und keinen unangenehmen Geruch haben, dann kann eigentlich auch nichts schiefgehen.


    Solche Aussagen liebe ich, weil mir persönlich eine solch einprägsame Regel oft dauerhafter im Gedächtnis verbleibt als eine stundenlange Recherche in mehreren Fachbüchern. Als Anfänger hätte ich bis gestern nur Probleme mit der Bezeichnung "gerandete Knolle" gehabt. Für mich ist dies einfach eine "dicke Knolle". Beim erstmaligen oberflächlichen Durchblättern der Zeichnungen im Ludwig tauchte mein Favorit auf der 12. Seite der Sektion "Macrolepiota" auf. Ich habe die ganze Zeit auf die Knolle geachtet und 11mal gedacht "kann nicht sein" und dann "ja, dicke Knolle, das könnte er sein, lies mal den Text dazu".

  • Wenn du eine gerandete Knolle sehen willst, dann grabe bei der nächsten Gelegenheit einen Gelben Knolli aus und schau dir dessen Knolle an - das ist quasi die Urmutter aller gerandeten Knollen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()


  • Wenn du eine gerandete Knolle sehen willst, dann grabe bei der nächsten Gelegenheit einen Gelben Knolli aus und schau dir dessen Knolle an - das ist quasi die Urmutter aller gerandeten Knollen.


    Ja, danke, bei der Abbildung auf Wikipedia sieht man es beim Gelben Knolli perfekt.


    Pilze sind wohl doch eher mit den Menschen verwandt als mit den Pflanzen :D:D:D


    dicke Knolle


    gerandete Knolle

  • :D


    Danke Uwe, das war eine perfekte Erklärung für den Unterschied zwischen gerandeter und dicker Knolle! :D


    Willkommen auch von mir im Forum! Und danke für den schönen Beitrag! Die Schirmlinge finde ich nämlich auch immer noch verwirrend - jetzt hab ich zumindest, auch dank Oehlings Erläuterungen - einen Anhaltspunkt, wie man Ch rachodes von Ch. brunneum unterscheiden kann (die Unterscheidung nur am Standort Wald-Garten/Kompost auszumachen finde ich zu risikoreich).


    Andere Frage: Ich lese mehrfach das die Synonymie zwischen Ch. venenatum und Ch. brunneum noch nicht eindeutig geklärt ist. Ch. venenatum wird hin und wieder als eigenständige Art erwähnt, aber ich finde keine wirkliche Beschreibung / Abgrenzung zu den anderen Arten. Gelten hier also die gleichen Makromerkmale wie für Ch. brunneum (z.B. gerandete Knolle)? Hab mich neulich schon durch sämtliche Forumsbeiträge geackert, aber so richtig schlau bin ich nicht geworden...

  • Hallo Sarifa.....


    laut dem aktuellen Artikel im Tintling, der wohl auf den Untersuchungen von Vellinga beruht, hat Ch. venenata keine Basalschnallen an Basidien und Cheilozystiden, Ch. rachodes und brunneum dagegen schon ( wenngleich auch schwer zu finden ).
    Ch. rachodes hat eine keulig verdickte Stielbasis, aber keine gerandete Knolle; der Ring ist meist doppelt und kräftig; die Cheilozystiden sind breit keulig.
    Dahingegen hat Ch. brunneum die gerandete Knolle, meist wie mit Erde paniert; einen einfachen häutigen Ring und schlank keulige Zystiden.

    LG Inken


    _____________
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