Zinnoberroter Wasserkopf (Cortinarius cinnabarinus)?

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 5.353 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Guten Abend,
    heute habe ich in einem Mischwald (vor allem Rotbuche und Hainbuche) einen auffälligen Pilz gefunden. Ich komme zum Zinnoberroten Wasserkopf / Zinnoberroten Buchen-Gürtelfuß (Cortinarius cannabarinus) = Zinnoberrroter Hautkopf (Dermocybe cinnabarina)


    Standort: nördlicher Vogelsberg, basischer Basalt, Boden lehmig
    direkt neben einer Rotbuche (Fagus sylvatica).
    Geruch: schwach, angenehm
    Geschmack: bei Cortinarien probiere ich nie


    3 Exemplare,
    das am besten entwickelte:
    Hutdurchmesser ca 4 cm, zinnoberrot, hyalin
    Mit KOH färbend (Bild 5)
    Stiellänge ca 8 cm
    Lamellen: zinnoberrot, dichtstehend, mit Lamelletten, angeheftet Edit: die meisten ausgebuchtet angewachsen und mit Zahn herablaufend
    Sporen: 8,5 x 5,6 µ
    Die Farben auf den folgenden Bilder kommen mir naturnah vor.


    (1) Die weißen, fädigen Gebilde: Mycelstränge, Wurzeln oder die Binsenkeule (Macrotyphula filiformis)?


    (2)


    (3) Rotes Mycel an der Stielbasis?


    (4) Die beiden anderen Exemplare begleitet von 3 Exemplaren des Gestreiften Teuerlings (Cyathus striatus). Weitere standen in der Nähe.


    (5) KOH auf Hut


    Könnt Ihr das bestätigen oder spricht etwas dagegen / für eine andere Art?


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar!
    Ich bin kein Pilzbestimmer, aber was hältst du vom blutroten Hautkopf (Cortinarius sanguineus)?


    Aber besser, du wartest eine Antwort von den Pilzkennern ab, ich behaupte mal, ich hab keine Ahnung.


    LG :sun:

    [font="Papyrus"]Wahrer Mut bedeutet nicht, Leben nehmen zu können, sondern es zu bewahren.


    - Gandalf
    97 Chips
    [/font]

  • Hallo sunbeam,
    ich bin auch kein Pilzkenner und schon gar nicht bei Cortinarien.


    Cortinarius sanguineus soll eine Mykorrhiza mit Nadelbäumen bilden. Nadelbäume sind nicht in der näheren Umgebung. Daher scheidet er meiner Meinung nach aus.


    Viele Grüße
    Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Morgen, Lothar!


    Wo hast du denn den deutschen Namen "Zinnoberroter Hautkopf" für C. cinnabarinus her? Und was hat / hatte der mit den Gürtelfüßen zu tun? 8|


    Ich kenne C. cinnabarinus unter folgendem Namen: Zimt - Hautkopf oder Zimtblättriger Hautkopf. Insgesamt sieht C. cinnabarinus aus wie ein Blutblättriger Hautkopf, nur eben mit orangenen bis zimtfarbenen Lamellen statt blutroten.
    Der fällt hier also raus.
    Wohl auch der Blutblättrige (C. semisanguineus), wo sich eigentlich immer ein farblicher Kontrast zwischen Hutoberfläche und Lamellenfarbe zeigt.
    Cortinarius sanguineus (Blutroter Hautkopf) ist ein reiner Nadelwaldbewohner, der meist in allen Teilen crass rot gefärbt ist. Übrigens auch im Schnitt.
    Allerdings hat C. sanguineus noch ein paar Doppelgänger, die bei Laubbäumen vorkommen und sich makroskopisch am ehesten durch die Stielfarben, Velumfarben und Farbe des Basismycels unterscheiden lassen.
    Mensch, wir hatten im letzten Jahr eine Diskussion dazu, die ich jetzt nicht mehr finde. Warum ist da auch kein Hinweis im >Portrait zu C. sanguineus<?
    Jedenfalls ging es darum, inwieweit einige Taxa ünerhaupt getrennt werden können:
    Cortinarius phoeniceus vs. Cortinarius purpureus
    Cortinarius sanguineus vs. Cortinarius puniceus
    Zu den vieren muss man wohl noch Cortinarius cruentus (Braunroter Hautkopf) mit rosafarbener Stielbasis / Basisfilz im Auge behalten.


    Edit:
    >Hab's doch noch gefunden< :)



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,
    "Wo hast du denn den deutschen Namen "Zinnoberroter Hautkopf" für C. cinnabarinus her?"
    HORAK stellt ihn in die von Cortinarius abgetrennte Gattung Dermocybe = Hautkopf. Einen deutschen Namen gibt er nicht an, es ist meine Ergänzung des Gattungsnames zum Farb-Adjektiv.


    Ich kam auf den Zinnoberroten Wasserkopf, weil die Farbe für mich genauso aussieht wie bei der Zinnober-Tramete (Pycnoporus cinnabarinus),


    Man muss bei den lateinischen Namen unterscheiden zwischen "cinnabarius" = Zinnober, und "cinnamon..." = Zimt. Mit Zimt hat die Farbe dieses Pilzes meiner Meinung nach nichts zu tun, Zimt ist bräunlicher.


    In den GPBW wird die Art nicht zu den Hautköpfen, sondern zu Tulostuma (edit: ) Telamonien gestellt. Hm.


    Was mich stark zweifeln lässt sind die Sporenmaße: die Sporen müssten deutlich schlanker sein. :( Ob das wirklich nur ein Messfehler bei 10 Sporen ist?


    Viele Grüße
    Lothar


    (Muss jetzt weg, melde mich später, sofern mir noch was einfällt.)

  • Hallo Graubart,


    Glückwunsch zu deiner Entscheidung, diesen Pilz nicht geschmacklich zu testen. Das würde ich mich auch nicht trauen. Höchstens wenn es innerhalb der Gattung Cortinarius um Phlegmacien mit nicht-gelben Lamellen geht.


    Nach dem Betrachten der Bilder würde ich auch an C. cinnabarinus denken, den ich dieses Jahr zum ersten Mal und dann gleich mehrfach gefunden habe - der scheint ein relativ starkes Jahr zu haben. Für den ebenfalls kräftig roten, allerdings mehr braun-/blut- als knallroten, C. sanginarius (Blutroter Hautkopf) passt der Standort (mineralischer Laubwald) nicht, dies ist eher eine Art des sauren Nadelwaldes.


    Ideen für das Bestimmen von C. cinnabarinus (der eine Mittelstellung zwischen den Dermocyben und den Telamonien hat):
    - mit einem spiritusgetränkten weißen Taschentuch an der Schnittfläche des längs durchgeschnittenen Pilzes die roten Farbstoffe herauslösen - wenn das gelingt und das Taschentuch rot wird, dann hat man die mögliche Artenzahl auf drei beschränkt: C. cinnabarinus, sanguineus, purpureus
    - die Stielrinde prüfen: orangegelb mit rotem Velumüberzug --> C. purpureus, einheitlich rot --> C. cinnabarinus oder sanguineus
    - KOH 20/30 % auf den Hutrand und die Stielrinde schmieren - das müsste bei C. cinnabarinus beides augenblicklich schwarz werden, bei C. sanguineus dagegen nur langsam graubraun. Wie du auf Foto (5) das Purpurrot hingekriegt hast, weiß ich zwar nicht, aber genau das wird in GP BW Band 5 für C. cinnabarinus beschrieben
    - die Pilze antrocknen lassen; C. sanguineus verliert seine schöne rote Färbung und driftet mehr ins Braune ab, bei C. cinnabarinus verstärkt sich dagegen das leuchtende Rot und wird noch etwas heller und leuchtender


    EDIT: Jetzt habe ich auf deinen Fotos Anzeichen der Hygrophanität entdeckt, dies würde ebenfalls für C. cinnabarinus sprechen.


    [hr]
    [quote='Beorn','https://www.newboard.pilzforum.eu/board/index.php?thread/&postID=198563#post198563']
    > Wo hast du denn den deutschen Namen "Zinnoberroter Hautkopf" für C. cinnabarinus her? Und was hat / hatte der mit den Gürtelfüßen zu tun? 8|


    Gminder stellt C. cinnabarinus in "Großpilze Baden-Württembergs, Band 5" zu den Telamonien - wenn du so willst, also zu den Gürtelfüßen. Wohl weil er mit KOH stark (schwarz) reagiert. Er hat aber auch alkohollösliche Anthrachinone, weshalb man ihn mMn genausogut zu den Hautköpfen stellen könnte.


    > Ich kenne C. cinnabarinus unter folgendem Namen: Zimt - Hautkopf oder Zimtblättriger Hautkopf.


    Der wissenschaftliche Name des Zimt-Hautkopfes lautet C. cinnamomeus. Der Pilz hat einen rotbraunen, schuppig-filzigen Hut, einen gelben Stiel und jung leuchtend orangefarbige Lamellen, ist also farblich was völlig anderes.


    Freundliche Grüße
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar & Stephan!


    Ach du liebe Zeit. :D
    Ihr hab's ja gemerkt: Irgendwie habe ich im morgendlichen Tran aus C. cinnabarinus C. cinnamomeus gemacht. :rolleyes:
    Daß da nichts Vernünftiges rauskommt, ist ja klar.


    Aber eine Frage hätte ich dann doch:
    Warum sind hier nun Cortinarius cruentus und die Gruppe um Cortinarius phaeniceus (beides Laubbaumbegleiter) auszuschießen?
    Ohne jetzt besondere Zweifel an der Bestimmung pro C. cinnabarinus zu haben, aber es interessiert mich einfach.



    LG, Pablo.

  • Guten Abend liebe Mitdenker!
    unten habe ich einige Links zum Thema zusammengestellt, darunter auch den von Pablo erwähnten Thread in diesem Forum.


    - Zu Cortinarius cinnibarinus komme ich im Schlüssel in den Großpilzen von Baden-Württemberg (GPBW) dann, wenn ich sage, der Hut ist hygrophan.


    Sind die in Bild 4 abgebildeten Hüte hygrophan, oder ist das eine Verfärbung, weil der Hut trockener wird?


    Edit:
    Die Pilze in Bild 1 und 4 zeigen hygrophanes Verhalten.
    Im folgenden Bild, das von dem Pilz von Bild 1 ein paar Stunden später aufgenommen wurde, ist der Effekt noch stärker:
    http://www.naturgucker.de/?bild=-1351231243


    Bei dem Pilz handelt es sich daher um den
    Zinnoberroter Wasserkopf (Cortinarius cinnabarinus)


    - Zu Cortinarius cruentus komme ich im Schlüssel, wenn ich sage, der Hut ist nicht hygrophan. Leider wird C. cruentus ansonsten in den GPBW nur sehr knapp abgehandelt, da die Art nur aus Frankreich und der Schweiz bekannt war.


    Merkwürdig: Laut dem finnischen Aufsatz ist C. cruentus die gleiche Art wie C. puniceus, die in den GPBW als Synonym zu C. sanguineus angesehen wird, dh. quasi die Laubwaldform von C. sanguineus.
    C. sanguineus = Nadelwald
    C. puniceus (syn. C. cruentus) = Laubwald
    So was ähnliches hatten wir kürzlich zum Thema Grünling diskutiert.


    Die Sporengröße passt nach den GPBW etwas besser zu C. cruentus / puniceus, wenn auch nicht signifikant. In anderen Quellen wird eine größere Streuung der Größe der Sporen von C. cinnabarinus angegeben, so dass auch die gemessenen Werte auch problemlos zu C. cannabarinus passen.


    - C. purpureus und C. phoeniceus haben deutlich schmalere Sporen.



    Zu den anderen Fragen:
    - Reaktion mit KOH:
    Ich hatte das KOH (müsste 10%-ig sein, da von Flechtenbestimmung so verwendet) nicht auf die Huthaut gegeben, sondern ein Stück vom Hut abgeschnitten und in einen Tropfen mit KOH gegeben. Die Huthaut hat sich sofort sehr dunkel (schwarz) gefärbt. Das KOH, das sich auf dem Objektträger befand, hat sich dann rosa verfärbt.


    - Die Farbprobe mit der Löslichkeit der Farbe in Alkohol muss ich noch nachholen.


    Ergänzung
    Zur Farbe Zinnober, auch zur Farbe Rot auf den PC-Bildschirmen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/R…_Permanentrot.2C_Feuerrot
    Ich fand das sehr lehrreich. Reines Bildschirmrot = Zinnoberrot.


    Wenn ich Bild (1) nehme und mit der Bildbearbeitung die Farbe Rot wegnehme, ist ein schwarzer Hut zu sehen.


    Vielen Dank für die hilfreichen Beiträge
    :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:


    Lothar



    Links:
    http://www.pilzforum.eu/board/thema-cortinarius--17334
    http://forum.pilze-bayern.de/i…/topic,1104.msg15501.html?
    http://www.mycologia.org/content/104/1/242.abstract


    Zu Cortinarius cruentus und zur Differenzierung innerhalb der Cortinarien:
    http://forum.fungiworld.com/index.php?topic=4979.0

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Lothar!


    Ich danke dir für diesen Beitrag! :thumbup:
    Auch wenn es immer noch aussichtslos erscheint, das taxonomische Problem rund um die Arten des C. sanguineus - Komplexes aufzulösen:
    Sehr gute Recherche und prima Zusammenfassung!


    Den Beitrag muss ich mal im C. sanguineus - Portrait verlinken, damit ich den bei Bedarf wiederfinde. ;)



    LG, Pablo.