Niedergedrückter Rötling (Entoloma rhodopolium) ?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.368 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Graubart.

  • Guten Abend liebe Pilzgucker, -schmecker und -riecher,
    gestern war ich bei einem Waldspaziergang gefragt worden, was denn das für auffällige hellgrauen Pilze sind, die da herumstehen. Ich konnte nur murmeln: "Die sind aus einer schwierigen Gattung, ich verzichte auf eine Artbestimmung", obwohl ich im Moment noch nicht wusste, welche Gattung. Einen Fruchkörper umgedreht, Lamellen weiß, dazwischen rosa :rolleyes: . Verdacht: Rötling. Trotzdem habe ich zwei Fruchtkörper mitgenommen. Zu Hause am Mikroskop mit Quetschpräparat bestätigt: eckige Sporen <X


    Zunächst die Angaben, wie sie zur Recht gewünscht werden:


    Standort: nördlicher Vogelsberg, basischer Basalt, Boden lehmig
    Mischwald, vor allem Rotbuche, Hainbuche (mehr am Waldrand)
    Geruch: im Freien bei 5 ° -10 ° C schwach, nicht "nach Pilz", aber sonst für mich nicht eindeutig; in der Wärme zu Hause unangenehm, ich assoziiere aber nichts Konkretes damit.
    Geschmack: auch bei Rötlingen probiere ich nie


    Hutdurchmesser der beiden gemessenen Exemplare: ca 6 cm, Farbe: grau (-braun), stark hygrophan, trocken weißlich, dünn, brüchig; feucht schmierig (auf schlau: Ixokutis?)
    Stiel: weiß, längsfaserig und -streifig, glänzend, sehr brüchig.
    Stiellänge: min 10 cm
    Lamellen: weißlich, ausgebuchtet angeheftet, Schneiden uneben ( wellig) (zumindest bei den 2 untersuchten Ex.)
    Sporen (10 Ex.): 8,6 µm x 7,0 µm, Q = 1,2, meist 5- oder 6-eckig.
    Die Sporen-Messung ist nicht ganz einfach, da an einer Stelle so eine Art Auswuchs ist (= Apikulus?).


    Die Farben auf den folgenden Bildern kommen mir außer bei (5) naturnah vor.


    (1) Exemplar 1+2, jung, Exemplar 2 mit Vertiefung in der Hutmitte


    (2) Exemplar 3+4, alt, Exemplar 4: Hut trichterförmig


    (3) Exemplar 4, Unterseite, Lamellenschneiden uneben


    (4) Exemplar 5, Hut mit Buckel, hygrophan, Rand leicht gerieft, Einkerbungen


    (5) Exemplar 6, Hut trichterförmig, hygrophan


    Meine einzige Hoffnung für die Bestimmung: die meisten Rötlinge sind kleiner, wie ich inzwischen gelernt hatte.


    Erster Ansatz: Die Großpilze Baden-Württembergs (Band 4) (GPBW).
    Probleme habe ich immer dann, wenn nach Zystiden-Strukturen, Schnallen oder dem Sitz der Farbpigmente gefragt wird. In diesem Fall kann ich im Schlüssel nur so vorgehen, dass ich beide Wege gehe.


    Nach einigem "Versuch und Irrtum" und mehrmaligem lesen konnte ich die in Frage kommenden Arten auf drei reduzieren:
    - Entoloma lividoalbum
    - Entoloma myrmecophilum
    - Entoloma rhodopolium


    Da ich die Unterschiede nicht auf die Reihe bekam, habe ich zwar mühsam, aber erfolgreich und sehr lehrreich, die relevanten Eigenschaften abgeschrieben (Word-Datei) und die zutreffenden und definitiv nicht zutreffenden Merkmale markiert. Danach war es klar:


    Gegen Entoloma myrmecophilum spricht, dass bei dieser Art die Schneiden glatt sein sollen.
    Bei E. lividoalbum war es schwieriger: mein bisher einziges Gegenargument sehe ich darin, dass die Trama soll fest sein soll, während sie bei E. rhodopolium ziemlich weich und zerbrechlich sein soll, was für die Exemplare zutrifft.


    Für E. rhodopolium spricht zusätzlich, dass im Schlüssel explizit erwähnt wird, dass der Hut trichterförmig sein kann. Dass E. rhodopolium häufig sein soll, beruhigt mich zusätzlich.


    Im Schlüssel gab es eine Stolperstelle: Bei ersten Schlüssel, der zu den Teilschlüsseln führt, kam ich nur weiter, wenn ich ignoriert habe, dass die Sporen größer als 6-9 µm x 5-8 µm sein sollen, was nicht der Fall war.


    In den GPBW wurden zumindest in diesem Teilschlüssel bei den Arten keine Sporengrößen angegeben. Die im Internet zu findenden wichen zwar voneinander ab, waren aber alle mit meinen Messungen kompatibel.


    Irritierend: beim "Pilzbuch" der Zeitschrift Tintling ist als Hutdurchmesser 2 - 4 cm angegeben, auch auf der Seite von first-nature.com stehen 3-5 cm. Bei den GPBW steht 4-10 cm, so wie es in etwa auch in anderen Beschreibungen steht. Seltsam.


    Bei HORAK kam ich nach diesem ersten Weg zur gleichen Art (Sektion Entoloma der Gattung Entoloma), auch bei GRÖGER.


    Kurz: ich komme zu Entoloma rhodopolium, dem Niedergedrückten Rötling.


    Oder habe ich was falsch gemacht?


    Über Kommentare würde ich mich freuen.


    Viele Grüße
    Lothar


    (Gut dass es heute den ganzen Tag mehr oder minder stark geregnet hat, sonst hätte ich nicht so viele Stunden mit der Frage verbringen können).

  • Hallo Lothar!


    Also du machst dir ja die Optimal-Mühe bei der Erstellung deiner Pilzanfragen.
    Was ich nicht so recht verstehe: du kannst die Ecken der Sporen zählen und siehst den Apikulus. Wo liegt dann aber das Problem, z.B. auch nach den Zystiden (Form, Größe) oder den Huthauthyphen zu forschen? Das sind doch viel größere Strukturen.
    Die Seite kennst du?
    http://www.entoloma.nl/html/duits.html


    VG Ingo W

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    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130+4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134+7 (7.Platz im APR 2022) = 141+4 (KISD-Prozente von GnE) = 145-15 (APR 2023) = 130+3 (10. Platz) = 133+3 (Unbewusst-Phal) = 136+5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141+5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146+7 (Phalplatz 1) = 153-20 (APR 2024) = 133

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  • Spannend, ich versuche gerade sehr ähnlich aussehende Pilze zu bestimmen. Sporenabdruck ist noch in der Mache, aber es lassen sich mit bloßem Auge rote Punkte auf den Lamellen wahr nehmen, wie bei (2) und (3), also tippe ich da auch auf Rötlinge.


    Der Geruch - gerade bei älteren Exemplare - lässt sich in den Worten meiner Nachbarin als "riecht nach WC-Reiniger" charakterisieren.


    Grüße,


    Gerd

  • Hallo Gerd!

    Zitat


    lässt sich in den Worten meiner Nachbarin als "riecht nach WC-Reiniger" charakterisieren.


    Zumindest hat man damit eine grobe Vorstellung. Hört sich aus der Ferne an wie der Alkalische Rötling (Entoloma nidorosum).


    VG Ingo W

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  • @ Ingo:
    im Quetschpräparat kann ich sehr gut die frei im Wasser liegende Sporen erkennen, die man gut ausmessen kann. Dann ist da aber ein Zellgewirr aus Hyphen und diversen Zellen, das halt auch noch dreidimensional ist, man muss also durchfokussieren. Wahrscheinlich muss ich mich mal mit einem Präparat einschließen und ein paar Stunden am Mikroskop meditieren, mir zuvor aber Björns Mikroskopierkurs zu Gemüte führen.
    Momentan komme ich mir vor wie zu der Zeit, als für mich in einer Wiese nur "Gras" wuchs. Inzwischen kann ich ihn der Wiese viele Grasarten unterscheiden, ich bekomme Struktur hinein. Bei den Zellen bin ich da noch weit entfernt.


    Frustriert war ich von der HDS-Mikroskopie bei meinem ersten Versuch zu einer Entoloma . Da ging es darum, ob die Pigmente inkrustiert sind. Ich habe kein Problem, keine Inkrustierung zu finden :P. Aber das hilft mir nicht weiter. Ich müsste erst mal eine Inkrustierung erkannt haben.
    Damals hatte ich im Forum keine Antwort bekommen, was bei den zahlreichen Rötlings-Arten, die klein und braun sind, kein Wunder ist. Ich nehme das nicht persönlich. Wenn sie nicht braun sind, sind sie zur Abwechslung anscheinend hellgrau bis graubraun. :D Rötlinge scheinen nicht besonders abwechslungsreich zu sein und gehören auch nicht zu den Top-Themen im Forum.


    Meine Probleme mit dem Bestimmungsschlüssel lagen dieses Mal gar nicht mal in den mikroskopischen Eigenschaften, sondern in den makroskopischen, z.B. dass zunächst gefragt wird, ob der Hut braun ist, und später die Eigenschaft "wässrig grau" als Farbe genannt wird.


    @ Gerd: bin gespannt, was Du als Ergebnis hast.


    Viele Grüße aus dem Aprilwetter im November
    Lothar[hr]
    Eine Frage, die mich besonders bei den Rötlingen umtreibt:
    Die Sporen sind eckig. Aber das ist ja nur die zweidimensionale Sicht auf das Objekt. Wie sehen die in drei Dimensionen aus? Wie einer von den hochsymmetrischen Körpern?


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar!

    Zitat


    Da ging es darum, ob die Pigmente inkrustiert sind. Ich habe kein Problem, keine Inkrustierung zu finden Toungue. Aber das hilft mir nicht weiter. Ich müsste erst mal eine Inkrustierung erkannt haben.


    Vielleicht solltest du dich von vorn nach hinten arbeiten und nicht am Ende anfangen wollen.
    So in Kurzfassung kannst du das mit den Mikromerkmalen auf der Noordeloos-Seite anschauen (vorrausgesetzt, du drückst im oben gegebenen Link auf "Rötling").


    VG Ingo W

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  • Hallo Ingo,
    ich werde beim nächsten Mal versuchen, etwas mehr zu sehen als nur die Sporen. Ich habe auch noch ein Präparat auf dem Objektträger liegen, wenn auch eingetrocknet. Bis eben war ich mit den heutigen Funden beschäftigt . Damit die Suchfunktion des Forums nicht in die Irre führt, verzichte ich auf die Nennung der Arten. Morgen geht es weiter.


    Darf ich fragen, ob Du eine Meinung zu dem gezeigten Pilz hast? Ist die Bestimmung ok?


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo Lothar!

    Zitat


    Darf ich fragen, ob Du eine Meinung zu dem gezeigten Pilz hast? Ist die Bestimmung ok?


    Also ich denke, dass bisher nichts dagegenspricht.
    Selbst würde ich eben dann versuchen, mir das auch mikroskopisch zu bestätigen. Bei Entolomen kann ich nicht wirklich mitreden oder eine sichere Makro-Einschätzung geben.
    Schätze aber, falls sich Andreas (AKCCM) als Rötlings-Liebhaber hierher verirrt, dass er nichts anderes sagt und sicherheitshalber ebenfalls die Mikros einfordern würde.


    VG Ingo W

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    Einmal editiert, zuletzt von Ingo W ()

  • So, dann pack ich meine Rötlinge mal einfach dazu. Um die hier geht es:



    Vorkommen unter einer Trauerweide im Garten und zwar ausschließlich innerhalb des von den herunterhängenden Zweigen gebildeten Kreises. Die meisten stehen auf Rasen, einige - wie hier - im Gebüsch.


    Ich gehe mal davon aus, dass die Pilze mit der Weide eine Gemeinschaft bilden.


    Größe der Hüte 6-10 cm. Die Farbe variiert von hellbraun bis mittelbraun. Die Hüte krempeln sich im Alter nach oben und werden rissig.



    Es sind klar Rötlinge, wie der Sporenabdruck gezeigt hat. Man sieht das rötliche aber auch mit bloßem Auge:



    Bemerkenswert ist der Geruch nach Reinigungsmitteln. Nach ein wenig Blättern in der Literatur bleibt da wirklich nur der Alkalische oder auch Stinkende Rötling Entoloma (rhodopolium) nidorosum übrig, Alle anderen Rötlinge sollen ja nach Mehl oder gar nicht riechen.


    Dessen Geruch beschreibt etwa der BLV Pilzführer als "nitrös", "nach salpeterartiger Säure". Aha... :D


    Pareys nennt "Chlor" als Geruchskomponente. Damit kann ich schon eher was anfangen und würde sagen: Ja, passt.


    "Smell strongly nitrous when first collected but soon fading" sagt Rogers Mushrooms und das stimmt auch, das Exemplar, das ich hier zum Sporenabdruck liege hatte riecht nach gar nicht mehr.


    Mit mikroskopischen Daten kann ich leider nicht dienen.

  • Vielen Dank Andreas für die Bestimmungs-Bestätigung!


    Den Aufsatz, den Du verlinkt hast, finde ich sehr interessant. Spontan beeindrucken mich beim Überfliegen der Arbeit vor allem die Elektronenmikroskop-Aufnahmen der Sporen. Jetzt kann ich mir wesentlich besser vorstellen, wie diese merkwürdigen eckigen Formen im Mikroskop zustande kommen. Aber auch insgesamt ist das anscheinend eine wichtige Arbeit, z.B. in Bezug auf die Zusammenführung der Gattungen Rhodocybe und Clitopilus bei Clitopilus.


    Das war erst mein zweiter Rötling, den ich bewußt wahrgenommen habe. Es war trotz des Aufwandes spannend. Mal schauen, wie es im kommenden Jahr weiter geht.


    Ingo: ich werde dann auch versuchen, in dem Hyphen- und Zystidengewirr (so zur Zeit mein Eindruck) Strukturen zu erkennen. Und vielen Dank für die Stubser in diese Richtung.