Birken-Ritterling (Tricholoma stiparophyllum) ?

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 4.016 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Graubart.

  • Guten Abend,
    der Fund von diesem Pilz ist ein paar Tage her (24. Oktober), trotzdem wollte ich ihn vorstellen. Ich kam in den Bestimmungsschlüsseln zu Tricholoma stiparophyllum, der als Birken-Ritterling oder Gerippter Gasritterling 8| bezeichnet wird. Wie ist Eure Meinung? Ich kann auch völlig falsch liegen.


    Der Beitrag ist auch eine Ergänzung zu dem Thread von Anna zum Thema Strohblasser Ritterling, Tricholoma album.


    Standort:
    Mittelhessen, üblicherweise Boden basisch, Lehm, darunter Basalt, ca 280 m hoch. Ortsrand zu einem Bach hin, aber kein Überschwemmungsgebiet.


    Fundort in einer Wiese, rund um den Stamm einer Birke (Betula pendula), mehrere Gruppen zu 5-10 Exemplaren (Bild 1).


    Hut: Farbe: weiß (creme)
    Hutdurchmesser: bis 12 cm. Es kann auch noch größere gegeben haben.
    Stiel: ca 10 cm
    Lamellen: ausgebuchtet angewachsen, Burggraben
    Geruch: Unvergleichlich !!! Bäääääh. <X <X <X
    Der Gestank hielt bei Lagerung im Freien mehrere Tage an. Bei Lagerung in der Wohnung wäre ich Single geworden ;)


    Beschreiben kann ich den Geruch nicht. Jedenfalls ist er völlig anders als der des Schwefelritterlings. Der riecht eher muffig, mit einer Komponente nach Mottenkugeln, hier der "frischer", aber agressiver.
    Oehrling schrieb zu der Art unangenehm staubartig-erdiger Geruch. Kann sein, aber ich kann mir darunter leider nichts vorstellen. Bei staubig-erdig denke ich sofort an den Geruch, wenn auf einen staubigen Weg nach langer Trockenheit die ersten Regentropfen fallen. Dieser Geruch ist angenehm. Mit den Gerüchen ist es halt schwierig.


    Hier die Fotos:


    (1) Auch "hinter" der Birke und im Vordergrund standen noch Gruppen von Pilzen, die meisten etwas im Gras versteckt.


    (2) Eine typische Gruppe von Pilzen, hier 10 Exemplare.


    (3) Der Hutrand ist gerieft


    (4) Ein kleineres Exemplar


    (5) Der "Burggraben" zwischen Stiel und Lamellen ist erkennbar


    (6) Ein größeres Exemplar, Lamellen, Stielspitze


    (7) Wie groß ist die Anzahl der Lamellen?


    Mein Problem: GRÖGER schreibt, dass 60 - 120 Lamellen den Stiel erreichen sollen. Ich kam aber nur auf 50 Lamellen (dh beim halbem Umfang: ca 25 Lamellen). Bis ich in dem Bildausschnitt gesehen habe, dass es anscheinend Lamellen gibt, die schon vor dem Burggraben abtauchen, aber den Stiel erreichen. Dadurch könnten es doch mindestens 60 Lamellen sein.


    Das nächste Mal heißt es: Lamellen entfernen und am Stiel abzählen, wie viele Lamellen angeheftet waren.


    Voriges Jahr hatte ich nur den Schwefelritterling gefunden, in diesem Jahr ist das hier schon die sechste Ritterlingsart! Ritterlinge gefallen mir :)


    Viele Grüße
    Lothar


  • Geruch: Unvergleichlich !!! Bäääääh. <X <X <X
    Der Gestank hielt bei Lagerung im Freien mehrere Tage an. Bei Lagerung in der Wohnung wäre ich Single geworden ;)


    Hallo Lothar,


    ich kenne die Art zwar nicht vom Angesicht, aber rein von den Bildern her stimmen alle beschriebenen Makromerkmale mit T. stiparophyllum überein.
    Zum Geruch steht in den Fungi of Northern Europe - nach alten Küchenabfällen; mit eventuell (unangenehmer) chemischer Komponente.
    Das sollte doch passen, oder?! ;-))


    Gruß Ingo

  • Hallo Graubart,
    diesen Fund würde ich auch als T. stiparophyllum ablegen, auch wegen der Größe der Pilze (12 cm und mehr sagtest du). Pilze halten sich nicht immer an das, was in den Pilzbüchern über sie steht. Insbesondere Ritterlinge sind makroskopisch manchmal derart variabel, dass ich aus der Angabe "60 bis 100 Lamellen erreichen den Stiel" kein KO-Kriterium machen würde. Ich weiß auch nicht, wieviele Pilzexemplare Gröger sich angeschaut hat, um eine solche Aussage zu machen.
    Mit "Staubig-erdig" meine ich nicht den Staubgeruch bei beginnendem Regen (das riecht auch für meine Begriffe anders), sondern einen stechenden Geruch nach alter, staubiger Scheune, in der so manches andere vor sich hin müffelt, verbunden mit einer deutlichen Komponente nach Roter Beete. Ohnehin ist nicht wichtig, was ich rieche, sondern was du riechst. Präge dir also den Geruch gut ein, für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass du später T. lascivum oder T. album findest, die du dann mit deiner Nase von T. stiparophyllum unterscheiden kannst.


    Freundliche Grüße
    Oehrling

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo Ingo und Oehrling,
    die Beschreibung aus den " Fungi of Northern Europe" beschreibt meinen Eindruck sehr gut :thumbup: , ohne dass ich andere Eindrücke bezweifle.


    Viele Grüße
    Lothar


    [hr]
    Hallo Oehrling,
    noch eine Ergänzung: ich finde es immer wieder beeindruckend, wie unterschiedlich und manchmal auch widersprüchlich die Beschreibungen bei den Bestimmungsbüchern bzw. -schlüsseln sind. Anscheinend muss man sich nach und nach eine Meinung bilden, was relevant ist und wo Abweichungen nicht gravierend sind (so was wie "Berufserfahrung"). Das dauert halt.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Deine Erfahrungen macht vermutlich jeder Anfänger, der nach Literatur Pilze bestimmen will. Das geht den Leuten in unserem Pilzverein z. B. auch so.


    Wenn du immer und immer wieder Pilze bestimmst, wird dir irgendwann mal auffallen, dass du mit bestimmten Büchern wirklich nie zu einem befriedigenden Bestimmungsergebnis kommst, weil die Beschreibungen alle an irgendwelchen Stellen nicht auf deine Funde passen. Umgekehrt gibt es Bücher, da kommst du sofort zu einem Ergebnis, auch bei solchen Pilzen, an denen du bisher immer erfolglos rumbestimmt hast, weil da auf einmal ein anderer Geruch/eine andere Art der Verfärbung usw. angegeben ist, und das trifft dann haargenau auf deinen Fund zu. Da erkennt man auch, ob ein Buchautor die Pilze wirklich kennt, die er da behandelt, oder ob er sie selber vielleicht nur zwei, drei Mal gesehen hat.


    Ohne jetzt Werbung machen zu wollen: letztes Jahr um diese Zeit habe ich mir das Werk "Funga Nordica" angeschafft. Es ist ein Bestimmungsbuch komplett ohne makroskopische Abbildungen und in englischer Sprache. Zudem sind nur Arten "mit Hut und Stiel" drin. Trotzdem ist es jetzt mein wichtigstes Bestimmungsbuch. Denn was da an Beschreibungen drinsteht, passt so gut wie immer zu 100% auf meine Funde. Ich weiß auch nicht, wie die das machen. Und zusätzlich habe ich jetzt einen ganz anderen Blick auf viele von mir vorher favorisierten Bücher.

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  • Jetzt habe ich gemerkt: es gibt die "Funga nordica" (FN) in zwei Bänden, und es gibt das viel umfangreichere Werk "Fungi of Northern Europe".


    Als Erläuterung zu FN habe ich gelesen:
    "Written by 49 experts from 16 European countries, this enlarged and updated second edition of Funga Nordica now comprises descriptions and keys to 3054 species of basidiomycetes from northern Europe, distributed in 278 genera. The new edition is complemented with the gastromycetes (incl. the basidiotruffles) and the clavarioid fungi (excl. Gomphales). Inner back cover contains an easy-to-use index to genera and an alphabetical index to 5000+ species"


    Bei den Büchern in Deutschland sind anscheinend sehr viel weniger Autoren beteiligt. ohne Teamarbeit lässt sich das meiner Meinung nach heute nicht mehr bewerkstelligen.


    Inwieweit ist denn unsere Pilzflora abgedeckt? Zu "Northern Europe" zählen wir ja vermutlich nicht. Die meisten Arten aus dem Norden dürften hier auch vorkommen, aber zumindest südlich der Mainlinie dürften zusätzliche Arten auftreten?


    Viele Grüße
    Lothar
    [hr]
    Hier ist die Antwort in Bezug auf die Region:
    es gibt Unterlagen zu einer Tagung, in der darüber berichtet wurde:
    http://www.northamericanmycoflora.org/presentations.html
    Vortrag von Henning Knudsen
    "The Nordic Mycoflora and thoughts on making large mycofloristic projects"
    mit Power-Point Präsentation