Paxillus validus, Großer Krempling

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 11.782 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von EmilS.

  • Paxillus validus Hahn
    Großer Krempling


    Basidiomycota --> Agaricomycetes --> Boletales --> Paxillaceae --> Paxillus --> Paxillus validus


    Etymologie (=Übersetzung des wissenschaftlichen Namens):
    "Stämmiger Holzpflock"


    Kurzbeschreibung:
    Großer, braunhütiger, kurzstieliger Pilz mit gelbbraunen Lamellen unter Laubbäumen.


    Merkmale:
    Hut 12-20(25) cm breit, manchmal unregelmäßig, bis zu 2 cm dick. Oval, trichterig (Trichter nicht zentral), bis 4 cm tief. Oberfläche weich, feinsamtig, unregelmäßig, im Randbereich schwach faserig, feucht schmierig-klebrig; braun abfärbend. Hut oft rissig-felderig aufgesprungen, besonders im Randbereich. In verschiedenen Brauntönen schattiert; gelb-, rot- und graubraun ("kremplingsbraun"). Bei alten Exemplaren in der Mitte schwarzbraun, grünlich (Algen?). Hutrand im Alter schwach gerieft (nicht immer). Huthaut dick, teilweise abziehbar. Rand eingerollt, später überstehend.
    Stiel 3-4 cm lang, 3-4 cm dick, an der Basis (schwach) verjüngt. Etwas länger als dick. Braun, filzig punktiert (oft mit roten, wässrigen Tröpfchen), an der Basis mit Erde paniert. Robust und dickfleischig.
    Lamellen schön gelbbraun. Gedrängt stehend, 10-14 Lamellen pro cm. Am Grund flach queraderig verbunden. An Stiel angewachsen, herablaufend. Mit verschieden langen Lamelletten. Auf Druck bräunend.
    Fleisch hellgelb, fest. Geruch angenehm pilzartig.
    Sporenpulver braun, mit schwachem Olivton, nicht weinfarben.
    Rhizomorphenwände mit großen Kristallen (bis zu 2,5 µm). [Bei meinen Exemplaren wurde dieses Merkmal nicht nachgeprüft.]


    Vorkommen:
    Mykorrhizapilz verschiedener Laubbäume wie Linden, Hainbuchen oder Pappeln, in Parkanlagen, an grasigen Stellen, meist außerhalb des Waldes.
    Ziemlich selten, was aber wahrscheinlich zu großen Teilen darauf zurückzuführen ist, dass er wenig bekannt ist und für Paxillus involutus gehalten wird. Seit ich mich näher mit Kremplingen beschäftigt habe, habe ich die Art schon mehrmals wiedergefunden, immer außerhalb des Waldes.


    Speisewert:
    Unbekannt, die Art muss vorsichtshalber wie der Kahle Krempling (P. involutus) als giftig gelten (diese Art kann gefährliche allergische Reaktionen auslösen und ist roh stark giftig).


    Verwechslung:
    Bei dem Kahlen Krempling (P. involutus) und dem Erlen-Krempling (P. rubicundulus) wird der Hut selten mehr als 10 Zentimeter groß. Der Stiel ist bei beiden Arten nicht kurz und dick, sondern fast so lang wie der Hut breit ist. Die beiden Arten wachsen außerdem oft im Wald.
    Der Samtfuß-Holzkrempling (Tapinella atrotomentosa) hat einen deutlich schwarzsamtigen Stiel.
    Ähnliche Arten aus der Gattung Lactarius (Milchlinge), wie z.B. der Olivbraune Milchling (Lactarius turpis) sondern bei Verletzung eine milchige Flüssigkeit aus.
    Sehr ähnlich ist der Dunkelsporige Krempling (Paxillus obscurosporus/obscurisporus). Er wächst unter Nadelbäumen und ist seltener als P. validus. Makroskopisch ist er weniger stark eingerollt, die Lamellen sind mehr rötlich-, bis goldbraun. Der Stiel ist basal verjüngt (Stielbasis dünner als restlicher Stiel). Das wichtigste makroskopische Unterscheidungsmerkmal ist das weinrötliche Sporenpulver. Mikroskopisch unterscheidet sich die Art durch kleinere Kristalle an den Rhizomorphenwänden (0,5 µm).


    Wissenswertes:
    P. validus und P. obscurosporus wurden erst 1999 von Christoph Hahn beschrieben. Sie sind noch wenig bekannt und in kaum einem Pilzbuch enthalten. Vermutlich wurden große Kremplingsexemplare schon oft fälschlich als P. involutus bestimmt.


    Links zu Portraits von ähnlichen Arten:
    Paxillus involutus, Kahler Krempling
    Tapinella atrotomentosa, Samtfuß-Holzkrempling
    Kremplings-Bestimmungsschlüssel


    Folgende Exemplare sind auf einer Wiese unter Linden, am Rand einer Dorfstraße in Brandenburg gewachsen. Die Beschreibung ist von diesen Exemplaren:




    Junge Exemplare im Folgejahr, 50 Meter weiter:

  • Schönes Portrait, Emil, was uns zeigt, dass man auch scheinbar bekannte Arten hin und wieder hinterfragen sollte!
    Nicht jeder Kahle Krempling ist einer! :D


    Ich kenne die Art seit ein paar Jahren aus einem Erschließungsgebiet, wo sie regelmäßig unter Linden vorkommt.
    Leider gelang es mir nie, die Kristalle in den Rhizomorphenwänden nachzuweisen, da bei all meinen Mikroskopierversuchen die Deckgläser zerbrachen. :(
    Vielleicht, weil die Kristalle so groß waren! ;)


    Weswegen eine gewisse Unsicherheit bleibt.
    Vielleicht wäre P. obscurosporus auch noch eine Option. :/
    Ich vermag die beiden im Moment nicht wirklich zu unterscheiden.


    LG Nobi

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  • Hallo Mausmann und Nobi,
    danke für euer Feedback! :)
    Wenn man drauf achtet, sind diese Großen vielleicht gar nicht sooo selten. Ich habe die Exemplare gefunden, kurz nachdem ich zum ersten Mal von ihnen gehört hatte.
    Pilzfreund Wolfgang S. hat mir von seinem kurz vorher gemachten Fund P. obscurosporus erzählt. Er hat auch gesagt, dass es ziemlich schwierig ist, die Kristalle zu finden.
    Ich denke, dass sich die beiden Arten schon makroskopisch ganz gut unterscheiden lassen.
    Viele Grüße,
    Emil

  • Lieber Emil,


    du auf den Fotos ganz typische Exemplare - man sieht den stämmigen, kurzen Stiel, die zum Aufreißen tendierende, alt richtig zerklüftete Huthaut und sehr dichte Lamellen. Ganz jung haben die übrigens gerne einen richtigen, kühlen, zitronengelben Ton (im Gegensatz zu dem warmen Goldgelb, das Erlenkremplinge zeigen können).


    Die Kristalle sind nicht an der Rhizomorphenwand, sondern an den Zellwänden der Rhizomorphenhyphen (vor allem, das stimmt natürlich, den peripheren Hyphen). Dafür muss man aber erst die Rhizomorphen auswaschen. Man fängt, wenn man eine kleine Bodenprobe gestochen hat, an der Stielbasis an und sucht die größten, dicksten Rhizomorphen (die sind bei Kremplingen sehr auffällig) und wäscht und zupft unter Wasser durch ein Bino schauend die Bodenpartikel weg. Da das Wasser trüb wird, immer wieder das Wasser wechseln.


    Nach etwas Mühe und einer Stunde ;) hat man dann das reine Rhizomorphennetzwerk. Zupft man dann junge, dünne Rhizomorphen weg und mirksokopiert diese, sieht man die Kristalle sofort. So findet man auch die Sklerotien, die hier typischerweise unregelmäßig geformt sind und für Kremplinge recht groß sind (im Millimeterbereich).


    Der Kahle Krempling hat keine Kristalle an den Rhizomorphen und hat nur winzige Sklerotien in der Größenordnung deutlich unter 1 mm Durchmesser, die kugelrund sind. Das wird natürlich erst dann ein Thema, wenn man einen Einzelfruchtkörper, der besonders groß ist, bestimmen will/muss. Die Makroskopie ist schonn deutlich anders.


    Paxillus ovscurisporus sieht makroskopisch sehr ähnlich aus, wird aber noch größer (40 cm Hutdruchmesser sind kein Problem) und hat, wie du erwähnst, eine ganz andere Sporenpulverfarbe (es "verfärbt" nicht, sondern es ist schokoladenbraun mit weinrot), wodurch die Lamellen schon bald einen viel dunkleren Touch bekommen. Er ist nah mit Paxillus vernalis verwandt und kommt auch in Nova Scotia vor (und ist hier wohl eingeschleppt). Paxillus vernalis unterscheidet sich mikroskopisch (HDS, Cystiden; ich habe den Typus studiert), aber ich habe keine Informationen zu den Rhizomorphen ermitteln können). Paxillus vernalis wächst auf trockenen Sandböden in den USA, während Paxillus obscurisporus wohl Lehmböden mit hohem pH-Wert bevorzugt.


    Ich meine auch, dass Paxillus validus säuremeidend ist - neutrale Böden sind o.k., aber auf wirklich sauren Böden hatte ich ihn nich nicht. Er kommt wohl in ganz Europa vor - ich habe ihn auch in Ungarn in der Puszta gefunden (auf Kalksand, hoher pH-Wert, ich habe ihn gemessen).


    Fast zeitgleich wurde Paxillus ammoniovirescens beschrieben (aus Italien) - kurz vor meiner Publikation (das lief völlig unabhängig). Da ich auch die Reaktion mit Ammoniak getestet hatte, ging ich später davon aus, dass das eine fünfte Kremplingsart sei. Jetzt hat sich herausgestellt, dass bei beiden, P. validus und P. ammoniovorescens, die ITS identisch ist (ob auch LSU, muss ich nochmal nachlesen). Deshalb wurden die beiden synonymisiert und Paxillus ammoniovirescens hätte Priorität. In meinem aktualisierten Schlüssel, den ich in der Mycologia Bavarica publiziert habe, hatte ich Paxillus validus und Paxillus ammoniovirescens noch getrennt abgehandelt, habe aber natürlich auch gar ein Problem mit einer Synonymisierung. Falls sich das bestätigt, kann man hier die Reaktion mit Ammoniak als Bestimmungsmerkmal vergessen (der "Italiener" wird auffallend grün, was eigentlich als einmalig galt). Da ich nicht mehr an der Uni bin, fehlen mir die Möglichkeiten, da beispielsweise auch genetisch, weiterzumachen.


    Die Kremplinge werden aber zurzeit eh intensiv beackert - ich finde das sehr spannend. "Der Erlenkrempling" ist beispielsweise ein Artenaggregat. In Asien wurde er bereits aufgedröselt bzw. man fängt damit an. So wie es aussieht, kommen bei uns zwei Arten vor. Ich hatte das bereits selbst vermutet, da ich meine, zwei "Sippen" makroskopisch trennen zu können. Allerdings habe ich keine Unterschiede in der Anatomie finden können und das dann verworfen. Ich weiß auch nicht, ob meine Unterscheidung mit der Genetik parallel gehen würde (andere Huthaut auf Makroebene). Und ich meine jetzt nicht Paxillus filamentosus ss. Fries, ss. Watling, denn den habe ich noch nicht selbst gesehen (ist vermutlich wirklich selten und wächst auch nicht bei Erle, wie es aussieht).


    Es freut mich, wenn sich jemand für die sonst nichtim Fokus stehenden Kremplinge interessiert. Wenn du mir deine E-Mail-Adresse gibst, kann ich dir gerne meine Diplomarbeit über Kremplinge schicken (ist ausführlicher als die Einzelpublikationen).


    Liebe Grüße,
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Es freut mich, wenn sich jemand für die sonst nichtim Fokus stehenden Kremplinge interessiert. Wenn du mir deine E-Mail-Adresse gibst, kann ich dir gerne meine Diplomarbeit über Kremplinge schicken (ist ausführlicher als die Einzelpublikationen).


    Liebe Grüße,
    Christoph


    Hi,


    gilt das Angebot auch noch für mich? :shy: Ich wollte dich darauf auch noch mal ansprechen. Wir haben übrigens zur "Giftpilztagung" im Dezember 2015 in München darüber mal gesprochen. Meine Mail mit meinen Kontaktdaten an dich blieb damals unbeantwortet. (bitte nicht als Vorwurf zu verstehen)


    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.


    PSV-Prüfungstemine 2024: hier

  • Hallo Christoph,


    das ist sehr interessant! P. obscurisporus (mit i ist also richtig?) kenne ich nur von Beschreibungen und Fotos von Wolfgang Schössler, der sich auch damals mit dir in Verbindung gesetzt hat. Er meinte, dass das weinrötliche Sporenpulver nach einiger Zeit wieder in "normales" braun entfärbt hat. Außerdem, dass das Nachprüfen der Rhizomorphen-Kristalle sehr kompliziert ist. Aber mit deiner detaillierten Beschreibung könnte man ja mal einen Versuch wagen. :)
    Den Begriff "Rhizomorphenwand" habe ich aus dem verlinkten Schlüssel.


    Habe ich das richtig verstanden, dass im Falle einer Synonymisierung der Große Krempling P. ammoniovirescens heißt? Und dieser mal mit Ammoniak grün verfärbt (Italien) und mal nicht ("normale", deutsche Funde)?


    Das mit dem Erlen-Krempling ist auch interessant, obwohl ich beim "Splitten" leicht erkennbarer und geläufiger Arten in kaum unterscheidbare Kleinarten immer ein ungutes Gefühl habe (macht alles komplizierter). ;)


    Danke dir auf jeden Fall. Wenn der Erstbeschreiber sich ein Portrait "seiner" Art ansieht, ist das natürlich eine Ehre. :)
    Wegen der Email-Adresse schicke ich dir eine PN. Ich würde mich über die Arbeit sehr freuen.


    Viele Grüße,
    Emil


  • gilt das Angebot auch noch für mich?


    Ja klar!


    Zitat

    Ich wollte dich darauf auch noch mal ansprechen. Wir haben übrigens zur "Giftpilztagung" im Dezember 2015 in München darüber mal gesprochen. Meine Mail mit meinen Kontaktdaten an dich blieb damals unbeantwortet. (bitte nicht als Vorwurf zu verstehen)


    Nein, keine Sorge - ich kam manchmal (oder auch öfter) nicht hinterher, alle Mails aufzuarbeiten. Ich habe jetzt nochmal gesucht, aber keine entsprechende Mail gefunden - an welche Adresse hast du es geschickt? Oder besser: schick sie bitte nochmal an ch.j.hahn "ät" gmail punkt com (auch sonst, wer Interesse hat). Vielleicht ging da auch was schief, da ich wie gesagt deine Mail nicht finde (vielleicht kam die nicht an).


    Zitat von "EmilS"

    P. obscurisporus (mit i ist also richtig?) kenne ich nur von Beschreibungen und Fotos von Wolfgang Schössler, der sich auch damals mit dir in Verbindung gesetzt hat


    Die Nomenklaturregeln haben die Grammatikregeln für Latein geändert und fordern ein i auch da, wo keins hin gehört. Deshalb wurde der Name nachträglich "korrigiert" und so eigentlich ein Grammatikfehler eingebaut.


    Zitat

    Er meinte, dass das weinrötliche Sporenpulver nach einiger Zeit wieder in "normales" braun entfärbt hat.


    Das wiederum stimmt - unter Lichteinwirkung oder nach längerer Zeit blasst es bis zu dem ockerbraun normaler Kremplinge aus. Das hat er mit Paxillus vernalis gemein - alte Sporenpulverabdrücke sehen aus wie die von Paxillus involutus. Nur frisch ist die Farbe deutlich anders.


    Es gibt wenige Funde, die aber aus mehreren europäischen Ländern - so aus Dänemark. Ludwig Beenken hatte mir mal Bilder von einer Kollektion geschickt (vermutlich aus der Schweiz). Er wächst auch bei Laubbäumen.


    Zitat

    Das mit dem Erlen-Krempling ist auch interessant, obwohl ich beim "Splitten" leicht erkennbarer und geläufiger Arten in kaum unterscheidbare Kleinarten immer ein ungutes Gefühl habe (macht alles komplizierter).


    Das stimmt natürlich - wobei ich wie gesagt meine, zwei Gruppen recht leicht makroskopisch unterscheiden zu können. Ob kaum unterscheidbar ist dann Interpretationsache. Ich warte da aber erstmal ab, was die Genetiker draus machen und schau dann, ob die neue Auffassung mit meiner Makrointerpretation übereinstimmt. Auch der Kahle Krempling im engen Sinn sind wohl zwei Arten.


    Die Synonymie von Paxillus validus und Paxillus ammoniavirescens erfolgte übrigens (nur) über die ITS. Jetzt ist eine identische ITS kein Garant für Konspezifität. Deshalb warte ich, was sich da weiter ergibt. In der ITS spaltet sich abver wie gesagt Paxillus involutus nochmal in zwei auf, was Vellinga et al. (2012) gezeigt haben (neben der identischen ITS beio P. validus und P. ammoniavirescens): http://www.ingentaconnect.com/…001/art00039?crawler=true (da ist der Artikel frei als pdf lesbar).


    Ich habe hier (bei Paxillus involutus) aber wirklich nichts gefunden, was zwei Arten rechtfertigen würde - was aber nichts sagt ;-).


    Zitat

    Habe ich das richtig verstanden, dass im Falle einer Synonymisierung der Große Krempling P. ammoniovirescens heißt? Und dieser mal mit Ammoniak grün verfärbt (Italien) und mal nicht ("normale", deutsche Funde)?


    Yep, abgesehen von meinem Tippfehler (ammoniavorescens, a statt o). :shy:


    Liebe Grüße,
    Christoph


    P.S.: Gelardi et al. (2014) zeigen unter anderem die Auftrennung der Erlenkremplinge (da sind zwei europäische Clades enthalten, die sich deutlich unterscheiden) und diskutieren auch über Paxillus validus usw.... hier als pdf lesbar: https://iris.unito.it/retrieve…%20orientalis_4aperto.pdf