Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.330 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von erebus.

  • M Teil 1


    Worte, nach deren Gebrauch das Leben weiter geht


    –žMama, der Julian hat einen Ausdruck gesagt!–œ


    Das muntere Geklimpere erstarrt jäh. Nur das malmende Geräusch, mit dem Erebus seinen Frischkäsetoast verzehrt, durchbricht verhalten das eiskalte Schweigen, verstummt.

    Schlimm.


    Soll man pädagogische Maßnahmen einleiten?
    Dazu wäre die genaue Kenntnis der benutzten Vokabel notwendig. Es ist nicht fein, und womöglich sogar kon-tra-pro-duk-tiv, eine zweifelhafte Formulierung am Essenstisch wiederholen zu lassen. Aufforderung zu einer Straftat, sozusagen. Wenn man nur wüsste –¦


    –žWas hat er denn gesagt?–œ Zu spät, das Strafverfahren wird eingeleitet. Mama hat sich erst gar nicht erst auf einen inneren moralischen Disput eingelassen.


    –žDas ist jetzt aber kon-tra-pro-duk-tiv.–œ behauptet Erebus, wird selbstverständlich weder vom Weib noch von den Kindern zur Kenntnis genommen.


    –žSchlooch!–œ Genüßlich formen sich Julians Lippen.


    Schloch?
    Das steht ja gar nicht auf dem Index, ist brandneu im Schatz gelandet. Was für ein schönes Wort! Noch völlig unausgelotet, das schreit ja förmlich nach Benutzung.


    –žWo hast du das denn wieder her?–œ Mama ist streng.
    –žVon Onkel Kalle! Der hat das zu Julian gesagt.–œ


    Villads, neun Jahre und ein wenig altklug, wiegt bedächtig das Haupt. Wo hat er das wohl wieder her?


    Erebus kann es sich bildlich vorstellen:
    Onkel Kalle, der familieneigene Vorzeigezahnarzt, der auf dem Sofa im Gartenzimmer sein Mittagschläfchen hält. Das soll ihn - genauso wie die Mittagschläfchen der letzten dreißig Jahre davor - die letzten dreißig Jahre Mühsal vergessen lassen. Dreißig Jahre Bohren und Zementieren und Kitten und Scheinesammeln, während er am Behandlungsstuhl steht und die schönsten Stühle erfindet. Richtige Stühel, Stühle, mit denen er sein Geld zum Fenster herauswirft, wie der Opa behauptet. Begraben unter 900g Frankfurter Allgemeinheit, umturnt vom sechsjährigen Julian und dessen Bruder Villads, die versuchen, ihn künstlich am Leben zu erhalten, so wird ihm der Mittagsschlaf ausgetrieben.
    Die beiden knistern wonnevoll im Feuilleton herum. Das wurde zu späterem Studium erst einmal zurückgelegt und verbreitet sich nun großzügig vor dem Sofa und unter dem Couchtisch.


    –žZum Villads auch!–œ behaupte Julian keck.


    So. Von Onkel Kalle. Auf den Bruder lässt sein Weib nichts kommen –¦ das Vergehen bleibt dann wohl ungesühnt.


    –žUnd zu Julian! Und der Julian hat das die ganze Zeit auch gesagt–œ Der Villads. Das hat er nun davon. Er brachte den Stein ins Rollen, vielleicht um die Stimmung am Tisch zu heben, und jetzt hat er den Salat.


    –žSchloch, Schloch, Schloch!–œ Julian klopft mit dem Löffelstiel rhythmisch auf die Tischplatte. Ahorn, wohlgemerkt.


    Das ist gut, denkt Erebus, das sollte ich auch einmal verwenden–¦ nein, nicht beim Chef, der hat kein Gespür für Wortwitz, aber es gibt ja noch andere Kandidaten..
    –žLass das Getrommele!–œ, herrscht er Julian an, beäugt den verdallerten Tisch, Ahorn, wohlgemerkt:


    –žWas soll denn das bedeuten: Schloch?–œ


    –žDas sagst Du doch auch immer!–œ-


    –žIch? Wann soll ich denn so was gesagt haben?–œ


    –žIm Auto immer! Und gestern zur Puddeligen Tramse!–œ


    –žIch habe das nicht zu ihr gesagt, sondern über sie. Außerdem heißt das –™Frau von Tramsberg–˜.–œ Das Eis, auf dem sich Erebus bewegt, bekommt unbedeutende Risse. Die ältere Nachbarin parkt ihren Kleinwagen immer wieder vor der Garage der Melzers. –šIst doch näher.–˜, meint sie verständnisvoll. Da geht einem schon mal das Messer in der Hosentasche auf.


    –žZudem habe ich das Wort –šSchloch–˜ noch nie benutzt.–œ


    –žDoch, grade–œ mischt sich Anna ein, elf Jahre alt und die große, kluge Schwester.–žUnd Onkel Kalle sagt das auch immer. Und Mama auch.–œ


    –žWas? Schloch?–œ


    –žPuddelige Tramse. Puuu-delige Traaa-mse–œ Anna genießt die Wahrheit und Erebus ist verwirrt.


    –žAAA - Schloch–œ intoniert Julian und hebt den Löffel.


    –žSchluss jetzt! Solche Ausdrücke wollen wir hier nicht hören! Wie oft soll ich das denn noch sagen?–œ Mama funkelt über den Tisch hinweg den Gatten an. Doch, wolltest du, denkt Erebus.


    So ist das. Mit Ausdrücken und Worten soll man vorsichtig sein. Aber manche, machen wir uns nichts vor, manche sind schon derart ausgeleiert und übernutzt, da ist jede Indizierung unsinnig. Sie kommt zu spät, viel zu spät, und wie wir sehen: diese Worte sind längst ohne jede Spitze. Sie führen bei hartnäckigem Gebrauch bestenfalls zu Schulausschluss, fristloser Kündigung oder Scheidung.


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    • Offizieller Beitrag

    Danke, Uli!


    Die Silvestergeschichte ist ein Traum.
    Gab es nicht auch mal so ein Sprichwort:
    "Leben ist ein Schloch?"
    Ist ein Schloch also das Leben? Oder kommt man mit dieser Deduktion nicht am richtigen Ende raus?


    Einen Guten Rutsch Dir, Isa und den Kindern! :thumbup:



    LG, Pablo.

  • Hallo Sarah!


    Dankeschön und meinen Glückwunsch zu Deiner Platzierung!
    Ich fiebere ja auch mit .. tolles Rätsel.
    LG, Uli


    [hr]


    Hallo Pablo,


    auch Dir meinen Glückwunsch!
    Das Leben ist ja so allerhand, von der Hühnerleiter bis zum Säuglingshemd, dann ist es gewiss auch ein Schloch. Sicher.


    Dir und Deiner Familie auch einen guten Rutsch!
    Und das Silversterschmankerl hat noch einen zweiten Teil, den setze ich aber erst ein, wenn der Lorbeer vergeben ist


    LG,
    Uli


  • Hallo Mausmann!


    danke schön, aber warum müssen die erst nach Mexiko fahren um ein Rezitativ auf das Schloch anzustimmen? :cool:


    Viva la libertad!


    Herzliche Grüße aus Südschland,


    Uli


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  • Ach so.


    Brasilien - was es nicht alles gibt.
    In Mexiko war auch schon Fußball-WM. 1970 und 1986. Da sind die Schländer Dritter und Zweiter worre. Wie das so ist.


    Na, dann rutsch mal gut...


    LG,
    Uli


  • Hallo Uli!
    Eine schöne Geschichte, und wieder trefflich formuliert. Es ist immer wieder ein Vergnügen, die Posts von Dir zu lesen!
    Liebe Grüße,
    Tuppie


    Hallo Tuppie!



    Danke sehr für die Rückmeldung - dann weiß man, dass sich das Schreiben lohnt.


    Liebe Grüße,


    Uli

  • Hallo Uli,
    Was für eine herrliche Geschichte !
    Ich freue mich jedesmal über Deine Texte.
    Alles Gute für das Neue Jahr.
    LG.Alina

    :sun:Etwas lernen bedeutet, mit einer Welt in Verbindung zu treten, von der man nicht die geringste Vorstellung hat (Paulo Coelho)
    --------------------------------------------------------------------------Pilzchips: 98

  • Hallo Alina,


    danke fürs Lesen und das Kompliment!
    Und für die Grüße!


    Dir auch ein schönes neues Jahr,


    liebe Grüße,
    Uli

  • :D
    Nun kann ich endlich den Weihnachtsgruß vom
    Zwoa-Finga-Michi elegant umschreiben ;)


    Frohe Schnachten Ihr Weihöcher :evil:


    Genial