Pilzzucht in der Nachkriegszeit

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 3.415 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kulturbanause.

  • Heute hat mir mein Berlin-stämmiger Arzt hier in Seattle erzählt, dass seine Familie in den Nachkriegsjahren Pilze im Kohlenkeller gezüchtet haben. Dann gab es immer Kartoffeln und Pilze. Er meinte die Pilze waren Gelb und hatte den Eindruck das Pilzeziehen gegen Lebensmittelknappheit war weit verbreitet in Berlin.
    Hat davon schon mal jemand gehört?
    Waren das wohl Seitlinge?

  • hallo :)


    ich kann mir nicht vorstellen, dass viele leute in deutschland nach 45 schon seitlinge in ihren kellern gezüchtet haben. die private pilzzucht ist wohl eher etwas später entstanden. wenn man mal die alten tv beiträge der "hobbythek" (1985) sieht
    bekommt man den eindruck, dass es sich bei der pilzzucht um etwas revolutionär neues handelt.


    in der zeit des mangels in den ersten nachkriegsjahren ist es schwer denkbar, dass jemand ressourcen in form von arbeit und material (getreide,holz,stroh etc) für irgendwelche pilzzuchtexperimente riskiert hat, zumal man schon größere mengen investieren müsste damit der ertrag einen echten beitrag zur täglichen ernährung liefern würde.


    gruß bbq

  • Hallo,
    der Arzt hat das sicher nicht erfunden. In der Nähe von meinem Wohnort gab es einen Eisenbahntunnel, der nie in Betrieb ging. Mindestens in den 70er und 80er Jahren wurden dort Champignons gezüchtet. Meiner Erinnerung nach hat man das mit Pferdemist + Stroh gemacht. Das ging sicher auch in Kellern. Austernseitlinge halte ich für extrem unwahrscheinlich.


    Im Handbuch für Pilzfreunde, Band 1, 3. Aufl . 1978, in der DDR erschienen, gibt es ein Kapitel über Pilzzucht. Ich nehme an, dass das thematisch auch schon in den früheren Auflagen enthalten war. Die 1. Aufl. erschien 1958 im 43. - 52. Tsd. Ich habe allerdings keine früheren Tsd. gefunden. Vielleicht hat jemand diese alte Auflage?


    Du darfst nicht vergessen: damals ging es nicht um den Genuss, sondern darum, weniger hungern zu müssen.


    Viele Grüße
    Lothar

  • hallo :)



    Du darfst nicht vergessen: damals ging es nicht um den Genuss, sondern darum, weniger hungern zu müssen.


    das ist mir schon klar deshalb meite ich ja dass man kein getreide für die herstellung von brut geopfert hätte.


    das mit den champies ist im hauseigenen keller auch so eine sache .. man bräuchte mistkompost in korrektem mischverhältnis und in ausreichender menge was innerhalb einer großstadt auch nicht leicht zu besorgen ist .. außerdem auch wieder brut um schnellen erfolg zu sichern.


    mir fällt kein anderer pilz ein den man damals schon in deutschland kultiviert hätte.


    gruß bbq

  • Hallo,
    in einem Antiquariatskatalog habe ich das folgende Buch gefunden:


    Praktische und lohnende Champignonkultur für Jedermann nach bewährter, auf langjähr. Erfahrung beruhender Methode
    Amelung, Heinrich. - Erfurt : Verlag d. Erfurter Führers im Obst- u. Gartenbau [J. C. Schmidt], [1922], 13.-18. Tsd. 110 S.


    Zumindest die Champignonzucht hat also schon eine längere Tradition.


    Kurz nach 1945 war es wahrscheinlich nicht so schwierig, Pferdemist zu bekommen. Pferde haben damals sicher noch sehr stark beim Transport mitgeholfen, zumal Benzin oder Diesel knapp waren, weshalb ja Holzvergaser-Autos gebaut wurden.


    Ergänzung: Berlin bestand ja nicht nur aus Berlin-Mitte. Die Stadtteile waren zum Teil kleinstädtisch geprägt, die Grenze zum Umland war zumindest in der Anfangszeit noch offen, und blieb es im Ost-Teil der Stadt ja auf Dauer.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hab auch noch was gefunden:


    Der Pilzanbau geht auf den gezielten Anbau von Champignons am Hof Ludwigs des XIV. in der Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Man kultivierte Feld- und Wiesenchampignons, die am Hof des Königs unter dem Namen Champignon de Paris als Delikatesse galten, in dunklen Gewölben und Kellern. Anfang des 20. Jahrhunderts begann man, Champignons auf breiter Basis in eigenen Produktionsbetrieben und dort in abgedunkelten und klimatisierten Hallen, später in aufgelassenen Bergwerks- oder Luftschutzstollen zu kultivieren. Dies führte dazu, dass der Champignon, früher eine seltene Delikatesse, heute in Europa der bedeutendste Speisepilz ist.


    Quelle:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Pilzanbau