Riesen-Scheidenstreifling (Amanita ceciliea = A. strangulata) ?-> A. lividopallescens

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.475 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Graubart.

  • Guten Abend,
    heute war ich mal woanders unterwegs:


    Standort:
    Mittelhessen, nördlicher Vogelsberg (TK 5320/4), am Rand einer Kuppe mit ungedüngten bzw. beweideten Wiesen, mit den typischen hangparallelen Hecken.
    Untergrund: basischer Basalt mit Lehmüberdeckung. Erdbedeckung zum Teil sehr dünn.


    Unterhalb einer Hecke (am Standort Weißdorn, daneben auch Schlehen, Pfaffenhütchen).
    Die Pilze wuchsen unterhalb einer mittelalten Eiche auf einem grasigen Weg, der selten befahren oder begangen wird.


    8 Exemplare, von denen 2 gemessen wurden:
    Hutfarbe: in etwa ockerbraun
    Hutdurchmesser der großen Exemplare: über 10 cm
    Hut mit grauen Velumresten
    Stiel (größtes untersuchtes Exemplar): 11 cm, in etwa wie Hutdurchmesser
    genattert, aber farblich kaum abgesetzt
    kein Ring
    Volva: undeutlich
    Geruch: ja, aber nichts, woran ich denken würde. Evtl. auch schon zu alt oder zu trocken (schon mehrere Tage ohne Regen mit Mittagstemperaturen über 25 Grad).
    Geschmack: nicht probiert
    Sporengröße (10 Sporen), Sporenabwurf: 12,5 µ x 11,1 µ; Q = 1,12
    Velumreste auf dem Hut: lässt sich nur schlecht zu Quetschpräparat verarbeiten. Ich sehe rundliche Objekte, die die verlangten Sphaerocysten sein könnten.


    Zu den Bildern:
    (1) Standort unter der Eiche, die links am Heckenrand zu sehen ist


    (2)


    (3) Genatterter Stiel


    (4) Ein jüngeres Exemplar


    (5) Dieses Exemplar wurde untersucht


    (6)


    (7)


    Auf Grund des fehlenden Rings ist klar, dass es sich um einen Scheidenstreifling handelt.
    Bei der Bestimmung mit GRÖGER Bd. 2 komme ich auf Grund der rundlichen Sporen und der Hutgröße zu
    Riesen-Scheidenstreifling (Amanita ceciliea), oft verwendetes Synonym: A. strangulata.


    Was ist Eure Meinung?


    Viele Grüße
    Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Lothar,


    bis jetzt hatte noch sehr wenige Scheidenstreiflinge unter dem Mikro; aber die Sphaerocysten; sollten die nicht eher von der Volva der Knolle untersucht werden?
    Ansonsten sind die Spaerocysten fast kreisrunde Zellen
    l.g.
    Stefan

    Risspilz: hui; Rissklettern: bisher pfui; ab nun: na ja mal sehen...


    Derzeit so pilzgeschädigt, das geht auf keine Huthaut. :D


    Meine Antworten hier stellen nur Bestimmungsvorschläge dar. Verzehrsfreigaben gibts nur vom PSV vor Ort.

  • Hallo Stefan,
    es gehen sowohl Velumreste auf dem Hut als auch die Volva. An der Volva sind sie an den Bruchstellen konzentriert, wie in der auch sonst spannende Diskussion in fungiworld
    http://forum.fungiworld.com/index.php?topic=3632.0
    zu Amanita vaginata var. alba diskutiert wird. Mit der Volva ist das bei älteren A. ceciliae nicht so einfach.


    Mal schauen, ob ich das morgen klarer hinbekomme.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo,
    ich habe ein Bild von A. cecilieae aus E. LUDWIG Pilzkompendium gezeigt bekommen. Die 1-3 kantigen Gürtel, die bei der Art charakteristisch sind, fehlen auf den Fotos.
    Also: keine Amanita ceciliae :shy:


    Viele Grüße
    Lothar

  • Würde nicht auch das Velum bei Amanita ceciliae sehr schnell aschgrau? Die arttechnische Alternative besteht in Amanita lividopallescens, einem typischen Eichenbegleiter auf mineralischen Böden. A. lividopallescens kann auch sehr groß werden, ich sah selber schon Hutdurchmesser von mehr als 12 cm.

    PSVs dürfen weder über I-Net noch übers Telefon Pilze zum Essen freigeben - da musst du schon mit deinem Pilz zum lokalen PSV!

    Einmal editiert, zuletzt von Oehrling ()

  • Hallo Lothar,



    - Ich stimme zu:


    ---> Es handelt sich um eine "Amanita sp., Untergattung Amanita, Sektion Vaginatae (= Amanitopsis)" und dies nicht wegen des fehlenden Rings (*) sonders wegen der ausgeprägten Hutrandriefung.


    (*) Das Problem mit dem fehlenden Ring ist, dass es leider auch in der Sektion "Amanita" Exemplare mit vergänglichem Ring gibt.
    -----------------------


    Ok, der Sporen-Q und die von dir angegebenen "rundlichen Zellen" lassen eine gewisse Einengung zu.


    ---> Aber, ohne eine Sicht auf die Stielbasis (Ausprägung der Volva) und Angabe des Verhältnis "Sphaerozysten/Hyphen" lege ich mich nicht auf eine Art fest.


    - Doch, m.E. handelt es sich nicht um "A. ceciliae (Berk. & Br.) Bas = A. inaurata Secr. ex Gill. = A. strangulata (Fr.) Sacc. ss. Fr. 1852 et auct. = grauflockiger Scheidenstreifling = Riesen-Scheidenstreifling = Doppelbescheideter Scheidenstreifling".


    - Hier ein typisches Bild dieser in meinem Sammelgebiet nicht seltenen Art:



    - Die Volva dieser Art besteht vorwiegend aus Sphaerozysten, liegt eng (strumpfartig) am Stiel an und zerfällt +-pulverig am Stielgrund meist in 1-2 bandartige Zonen. Ich finde diese Art regelmäßig im Laubwald auf +-kalkhaltigen, nicht nährstoffarmen Böden.


    Grüße
    Gerd


  • Die arttechnische Alternative besteht in Amanita lividopallescens, einem typischen Eichenbegleiter auf mineralischen Böden. A. lividopallescens kann auch sehr groß werden, ich sah selber schon Hutdurchmesser von mehr als 12 cm.


    Ja, das ist, soweit man das nach den Bildern und Details beurteilen kann, eine sehr gute Wahl. :thumbup:


    Nachtrag:


    - Ich versuche einmal den Vorschlag "A. lividopallens (Boud.) Kühner & Romagn.= Ockergrauer Scheidenstreifling", eine nicht häufige Art, die ich erst einmal in der Hand hatte, zu begründen und stütze mich dabei auf [1], [2], [3] und eigene Bewertung/Beobachtung:


    - Gesamthülle bildet eine kräftige, +- häutige Volva/Scheide (*), weißlich, manchmal orange-braun auf der Außenseite


    (*) Nach [1] soll die Volva zerbrechlich sein und oft bei der Entnahme des Fruchtkörpers beschädigt werden !???


    - Hut 60 - 200 mm, wenn ausgebreitet mit einem flachen/breiten Buckel


    - kräftige Hutrandriefung, bis zu 0,25 des Radius lang


    - Lamellen mit Zwischenlamellen, weißlich, oft mit einer grau-braunen Rand


    - Stiel 90-200 x 10 - 25 mm, keulenförmig, flockig, weiß bis cremefarben, hell ockerlich bis haselnussfarben.


    - Sporen 9-13 µm, rundlich (Q<1,15), inamyloid


    - Mit Laubbäumen (bevorzugt Buche, Eiche) auf tonigem oder kalkhaltigem Boden meist außerhalb des Walds (z.B. Parks, in Waldnähe, lichten/offenen Wäldern)


    Anmerkung:


    - Bemerkenswert ist die "var. tigrinis Bon" mit stark genattertem Stiel und deutlich ovalen Sporen.


    - Übrigens: Man kann sich diese Art als etwas blasse, extrem kräftige "Amanita vaginata" vorstellen.



    Literatur:
    [1] Funga Nordica (2008)


    [2] Großpilze Baden-Württembergs (2003), Band 4


    [3] Schweizer Pilztafeln (1965), Band II


  • - Bemerkenswert ist die "var. tigrinis Bon" mit stark genattertem Stiel und deutlich ovalen Sporen.


    Hallo Gerd, mit diesem Hinweis hast du mir sehr geholfen bezüglich eines für mich nicht bestimmbaren Fundes aus dem Frühsommer. Den hatte ich zunächst für einen Grünen Knolli mit abgefallenem Ring gehalten, aber da waren noch diese deutlich ellipsoiden (oder ovalen) Sporen...
    Besten Dank.

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  • Hallo,
    vielen Dank für die Hinweise auf Amanita lividopallescens , insbesondere Gerd für die Zusammenstellung der Merkmale aus Büchern, die ich nicht habe.


    Besonders hilfreich: bei den Sporen wird für den Quotienten Q < 1,15 angegeben. Bei Gröger kommt man zu A. lividopallescens nur, wenn man im Schlüssel "Q = 1,2 oder mehr" wählt.


    Ich war ein paar Tage nicht dazu gekommen, mich genauer um die Bestimmung zu kümmern. Gestern bin ich noch einmal zum Standort gefahren. Die Exemplare vom ersten Besuch waren noch vorhanden, aber stark eingeschrumpelt. Es gab aber einige neue Exemplare. Ich hoffe, dass ich dieses Mal die wesentlichen Merkmale fotografiert habe. Dazu habe ich allerdings drei Pilze unterschiedlichen Alters gebraucht.


    Das jüngste Exemplar
    (8) Ca 5 cm Hutdurchmesser, mit Velum-Rest


    (9) Seitliche Ansicht


    (10) Stielbasis mit Volva im Detail


    (11) Volva etwas abgezogen: innen ähnlich wie der Hut gefärbt




    Das mittlere Exemplar (9 cm Hutdurchmesser)


    (12) Zwei Volva-Schichten: die innere dicht anliegend. Die äußere locker anliegend, innen in etwa ockerfarben. Aber was ist da in diesem Bereich grau? Mir war das vor Ort nicht aufgefallen. Evtl. nur ein Schatten beim Fotografieren?
    Die Natterung löst sich im unteren Drittel und in der Mitte gürtelförmig ab


    (13) Hier sieht es so aus, als ob es in der Mitte einen Gürtel gibt. ???




    Das älteste Exemplar an diesem Tag (11 cm Hutdurchmesser)


    (14) Die Volva-Reste waren im Erdreich stecken geblieben. Die abplatzenden Stielbereiche: ist es das, was in den GPBW Bd 4, S. 24/25 so beschrieben wird: "Stiel ... sich später ringartig-sparrig ablösend"?


    (15) Der Stiel ist innen hohl




    Begleiter:


    (16) Es gab noch junge Exemplare, nur müsste man zum genaueren Untersuchen in die Weißdornhecke kriechen, aber vorher mit einer Heckenschere etwas auslichten. Im Vordergrund: Raues Veilchen (Viola hirta)


    (17) Ob die beiden zur selben Art gehören???


    (18) Als Mitgesellschafter auch noch in der Hecke zu finden: Speitäublinge (ich habe ein anderes Exemplar probiert) und ein anderer Scheidenstreifling, ich vermute den Grauen Scheidenstreifling (Amanita vaginata). Das ist auf die Entfernung aber geraten.


    Die letzten drei Bilder sind nur zur Information pber den Standort, nicht als Bestimmungsanfrage gedacht.


    Die Mikroskopie muss ich noch erledigen, ich wollte erst mal diesen Teil vorstellen.




    Was mich einerseits beeindruckt: die arttypischen Eigenschaften sind bei den verschiedenen Exemplare sehr unterschiedlich ausgeprägt, zum Teil fehlen sie im jeweiligen Entwicklungsstadium.


    Ich bin mir nicht sicher, ob die gefundenen Merkmale die Vermutung
    "Amanita lividopallescens (Bleicher Scheidenstreifling (Gröger) bzw. Ockergrauer Scheidenstreifling (GPBW))"
    bestätigt wird oder durch die Einschnürung in Bild (10) bzw. die möglicherweise grauen Bereiche in Bild (12) und (13) in Frage gestellt werden.


    Viele Grüße
    Lothar

  • Hallo,
    ich habe jetzt die Seite aus E. LUDWIG: Pilzkompendium zu sehen bekommen. Die Beschreibung dort stimmt sehr gut mit den Bildern, den Sporengrößen und den Lupenmerkmalen der Schneiden überein.


    "Velum: anfangs als weiße, später ockerlich bräunliche, dicke Schollen oder kegelige Warzen weite Flächen bedeckend, oft bald verschwindend, aber auch ausdauernd." Bild 3+4 Hut ohne Velum (relativ jung), Bild (5) warzenförmig, Bild (8) schollig, alle Varianten kommen vor.


    "LS" (i.e. Lamellenschneiden) ... "fein gesägt und alt bräunend oder vergrauend" : unter der Stereolupe sind die Lamellenschneiden deutlich dunkler als die Lamelle, gesägt.


    "Stiel": ... "Natterung oberhalb der Volva sich oft breit manschettenartig ablösend" Siehe Bild (12) und (13).


    "Volva meist recht weit abstehend; dicklich, ziemlich brüchig, außen weiß, innen bald ockerbräunlich oder grau". In Bild (11) ist genau das zu sehen: außen weiß und innen ockerbräunlich.


    Der Sporenquotient liegt mit 1,12 innerhalb des Bereichs der beiden Kollektionen, die für PdS ausgewertet wurden (1,11 - 1,38); "sehr variabel; von globos (selten ) bis normal ellipsoid häufig".


    Die Ökologie passt bestens sowohl zu PdS als auch GPBW und Gröger.
    GPBW: "Waldränder, nicht selten auch einige Meter vom Waldrand entfernt" ... "Auf alkalischen bis neutralen, basenreichen, aber nährstoff (insbesondere N-armen), trockenen, selten mäßig frischen, flachgründigen bzw. stark verdichteten, schweren, lehmigen bzw. verlehmten Böden (Kalk- braun- und - parabraunerden) über Kalken und Mergeln."
    Das "über Kalken und Mergeln" trifft nicht zu, hier befindet sich basischer Basalt im Untergrund, aber der Rest stimmt.


    Somit:
    Amanita lividopallescens (Bleicher Scheidenstreifling / Ockergrauer (Riesen-)Scheidenstreifling


    Dieser Fund freut mich ganz besonders. Ich habe nicht nur etwas über diese in Hessen anscheinend seltene Art gelernt, sondern auch, worauf man bei Scheidenstreiflingen achten muss.


    Viele Grüße und noch einen schönen Abend
    Lothar

  • Hallo,
    heute nachmittag (dh inzwischen gestern) habe ich den ersten schönen Fund diesen Frühjahrs und Sommers von einem Pilz mit Stiel gemacht. Ich hatte die Art vor ca zwei Jahren schon einmal an demselben Standort gefunden. Ich hänge die neuen Bilder an den alten Thread an, um mir die Beschreibung von Örtlichkeit etc. zu sparen.


    Amanita lividopallescens = Ockergrauer (Riesen-)Scheidensstreifling, auch Blasser oder Blassbrauner Scheidenstreifling



    Da das (heute einzige) Exemplar makroskopisch wie die 2014 gefundenen ausschaut, habe ich keine Zweifel, dass es sich um dieselbe Art handelt.


    Zu ergänzen:
    Hutdurchmesser 8 cm
    Stiel: 12 cm


    (19) Hut von oben. Die Streifen sind sehr deutlich.


    (20) Ich muss demnächst eine Grasschere mitnehmen. :shy:
    Der genatterte Stiel ist trotzdem erkennbar.


    (21) Hier der Stiel in voller Länge


    (22) Die Innenseite der Volva (oben rechts) hat in etwa die Farbe wie der Hut


    (23) Die Lamellen in der Übersicht


    Viele Grüße
    Lothar



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