Erweiterte Fragen zu Steinpilzen

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 4.687 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von maczki.

  • Hallo zusammen,


    Nach einer Zeit des stillen lesen, habe ich mich nun angemeldet. Da ich leider nix zu den Thema finden konnte. War auch schwierig nach zu suchen.


    (Für Leute die direkt zu den Fragen wollen 5 Absatz ;) )


    Ich habe erst dieses Jahr mit dem Pilze suchen angefangen und mich natürlich erstmal auf Steinpilze fokusiert. In meiner Umgebung finde ich sie meist unter Fichten, unter Buchen ehr selten, Region Braunschweig.


    Ich esse Pilze nicht besonders gerne, dafür mein Vater um so lieber. Mir macht vorallem das Suchen und Finden Spaß. Dadurch lasse ich viele Steinpilze stehen und nehme nur die Schönsten mit. Überhaupt finde ich, an den ehr wenigen Pilzstellen hier in der Gegend, desöftern Pilze die man nicht mehr verwenden kann, weil sie schon viel zu weit sind.


    Wie ich das bisher erkennen konnte, wachsen an den Stellen an den ich Pilze gefunden habe später keine mehr. Daher ein paar Fragen zu diesem Thema.


    Findet ihr an Stellen an den ihr Pilze gefunden habt wieder welche?
    Wenn Ja, wielange dauert das bei euch?
    Und macht es einen Unterschied ob die Pilze geerntet wurden sind oder stehen gelassen wurden sind für das erneute Wachstum?
    Wenn viele Pilze aussporen, kann man nächstes Jahr in der Umgebung mehr Pilze erwarten oder streut sich das zu dolle?
    Ich habe gelesen das der eigentlich Pilz des Steinpilzes auch mehrere Quadratkilometer groß werden kann. Weiß einer wie groß die Durchschnittlich werden?
    Mir kommt es so vor als würden die Gebiete wandern, vor einem Monat habe ich viele besonders in den tieferen Lagen gefunden gar nicht mehr sondern ehr 50 - 100m höher, kennt das jemand?


    Das waren es schon ;-). Für Hinweis auf gute Literatur würde ich mich freuen.
    Ich schon einiges über die Fortpflanzung von Pilzen gelesen, aber das ehr allgemein gefasst bzw. auch wenig Aussagekräftig, nur dass es sehr kompliziert ist.
    Deswegen nochmal die Fragen zu den Steinpilzen extra :).


    Ich hoffe ich schockiere niemanden mit dem Fragenkatalog, aber es interessiert mich einfach soll dolle :).


    MfG unkownHunter

  • Hi UnknownHunter,


    auf alle deine Fragen kann ich nicht eingehen.


    Aber speziell bei Steinpilzen kann ich schon sagen, dass diese schon immer ihrem Standort treu bleiben. Soll heißen; im gleichen Wald, im gleichen Waldstück und "ungefähr" am gleichen Fleck. Auch innerhalb von ein paar Tagen habe ich schon desöfteren Steinpilze im gleichen Waldfleck gefunden. Seit Jahren. Aber es kommt halt auch aufs Wetter (evtl. auch auf den Mond), auf die "Pilzrivalen" usw. an.


    Ich bin viel in Fichtenwäldern unterwegs und weis halt "meine" Wälder. Aber Wald ist nicht gleich Wald. Beim Erforschen von neuen wo ich denke "optimal" gibts nichts. Vielleicht spielt eben auch der Höhenunterschied und die äusseren Umstände eine große Rolle.


    VG
    Betti

    Als ich den Schädel im Wald fand, rief ich zuerst die Polizei. Aber dann wurde ich neugierig. Ich hob ihn auf und fragte mich, was das für ein Mensch war und wieso er ein Hirschgeweih trug.
    [font="Impact"]Jack Handey[/font]


  • Findet ihr an Stellen an den ihr Pilze gefunden habt wieder welche?


    Kommt auf den Pilz drauf an.
    Da du ja Steinpilze besonders hinterfragst, bei dem kommen sie immer wieder, ja.




    Wenn Ja, wielange dauert das bei euch?


    Auch das ist unterschiedlich.
    Wieder auf den Steinpilz bezogen würde ich es folgendermaßen erklären.
    Er produziert eigentlich fortlaufend neue Fruchtkörper solange ihm genug Energie dafür zur Verfügung steht. Manchmal gibt es eine längere Pause, wohl um neue Kraft zu tanken. Dann kann es erneut zu einem Wachstumsschub kommen. Die Umstände und das Wetter können das natürlich beeinträchtigen oder fördern.
    Steinpilze können verdammt schnell wachsen! Daher kann ein Blick, alle drei Tage etwa, genau richtig sein.




    Und macht es einen Unterschied ob die Pilze geerntet wurden sind oder stehen gelassen wurden sind für das erneute Wachstum?


    Ja!
    Wie schon gesagt, der Pilz produziert solange neue Fruchtkörper wie ihm dafür die Kraft langt. Lässt du alle Pilze auswachsen verbraucht das natürlich viel Energie. Sammelst du die knackigen Jungpilze zeitig ab, kommen neue nach.
    Auf das Pilzwachstum des nächsten Jahres hat all das keinen Einfluß, soweit man das heutzutage sagen kann. Sicherlich gibt es noch vieles zu ergründen in der Welt der Pilze. Sicher ist das also auch wieder nicht.




    Wenn viele Pilze aussporen, kann man nächstes Jahr in der Umgebung mehr Pilze erwarten oder streut sich das zu dolle?


    Ich glaube nicht daß dann mehr zu erwarten sein wird.
    Das Myzel das hier aussporen lässt macht das ja um andernorts neue Myzelien wachsen zu lassen. Nähe ist dabei vielleicht nicht unbedingt angestrebt.
    So ein neues Myzel braucht dann natürlich auch seine Zeit um groß und fruchtbar zu werden. Aber wie lange es dafür braucht, das weiß ich jetzt nicht zu sagen.




    Ich habe gelesen das der eigentlich Pilz des Steinpilzes auch mehrere Quadratkilometer groß werden kann. Weiß einer wie groß die Durchschnittlich werden?


    Da melde ich mal einige Zweifel an.
    Es gibt sicherlich riesige Myzelien. Besonders der Halimasch ist ja da der Vorzeigepilz. Aber wenn ein Pilzmyzel mal 100x100 m schafft, das würde ich schon für einen riesigen, alten Pilz halten.
    Ich würde sagen ein durchschnittlicher Pilz ist ganz erheblich kleiner. Vielleicht 10x10 m für einen gut gewachsenen Pilz mit einiger Lebenserfahrung ? :/




    Mir kommt es so vor als würden die Gebiete wandern, vor einem Monat habe ich viele besonders in den tieferen Lagen gefunden gar nicht mehr sondern ehr 50 - 100m höher, kennt das jemand?


    Nö! :)
    100 m Höhe ungefähr ist hier aber auch schon der höchste Punkt. :D

  • Wenn viele Pilze aussporen, kann man nächstes Jahr in der Umgebung mehr Pilze erwarten oder streut sich das zu dolle?


    Nein, so schnell geht das nicht.
    Das Myzel muss wachsen, es muss befruchtet werden, und nicht zuletzt muss es an einen Wirtsbaum andocken. Bei guten, alteingesessenen Wirtsbäumen dürfte aber der Wurzelbereich in der Regel schon gut von anderen Myzelen besetzt sein. Steinpilze sind ja nun auch nicht die einzigen, die da um jeden freien Platz buhlen.


    Ich beobachte in meinem Hof eine Reihe von Pilzen und hatte 2008 eine nie dagewesene Schwemme von Kahlen Kremplingen. Interessanterweise kamen nach dieser Schwemme an der Stelle aber fast keine Pilze mehr, ich gehe davon aus, das Myzel ist erloschen.
    Eine Birke ist ein guter und beliebter Wirt, habe ich auch schon andernorts festgestellt, aber erst heuer - 2014! - wuchsen in der Fläche dieser Wiese wieder neue Symbiosepilze, und zwar der Kammtäubling, der auch in der Wiese nebenan sitzt.

    Gruß,
    Marion


    Nein, ich esse meine Pilze nicht! :gklimper:
    Aber was essen meine Pilze? :gkopfkratz:

  • Vielen Dank für die Antworten. War sehr viel interessantes für mich dabei :).


    Ich war auch schon mal wieder unterwegs und der bechreibene Trend setzt sich fort. Aus einem Gebiet wo ich vorher 100 Steinpilze gefunden habe, finde ich nun keinen einzigen mehr. An einigen Stellen sind auch eine vielzahl anderer Pilze verschwunden. Dafür gibt es ein paar neue Pilze, die nun überall stehen. Heute habe ich alleine 15 Fliegenplize und an vielen Baumstümpfen ganze Kolonien von Pilze gefunden die vorher nicht da waren. Dafür keine Steinpilzen oder Maronen, die vorher dort gewesen sind. Es ist sehr spannend für mich zu beobachten wie das nun weitergehen wird.


    Hab ein paar Fotos dafür heute gemacht von meinen Funden.

  • Ist auch so eine Sache . Man kann sich eigentlich darauf verlassen das wenn die Fliegenpilze und auch der Hallimasch in großen Schwärmen erscheinen die Steinpilze das Wachstum enorm zurückgefahren , wenn nicht praktisch ganz eingestellt haben . Hier war es so, die letzten 27 Tage gab es Steinpilze in rauen Mengen , jetzt stehen an den gleichen Stellen die Fliegenpilze zu Hunderten , teilweise in richtigen großen Ringen . Das ist wünderschön anzusehen. Und auch der Hallimasch ist allerorten in ganzen Büscheln anzutreffen . Steinpilze findet man aktuell nur noch ganz vereinzelt , aber die werden Ende September Anfang Oktober noch mal richtig nachlegen. Vllcht wirds gar so wie letztes Jahr, da hab ich in der letzten Novemberwoche noch eine schöne Mahlzeit gefunden.

  • Die Steinpilz-Formel


    1. Arten: Gemeiner (Fichten-) Steinpilz (Boletus edulis), Sommer- (Eichen-) Steinpilz (Boletus aestivalis), Kiefernsteinpilz (Boletus pinophilus), Birken-Steinpilz (Boletus betulicola), Schwarzhütiger Steinpilz (Boletus aereus)


    2. Fruktifikationsfördernde Faktoren für Steinpilze:


    - Klima & Wetter: Langer Winter mit viel Schnee, ergiebiger Frühlingsregen, verregneter, warmer Sommer und Herbst.
    Ab Juni –“ Oktober mehrere Wochen Temperaturen > 30 °C, anschließend leichter Temperaturrückgang und mehrere Tage Regen > 10 l/m2 mit Temp. 10 –“ 25 °C (> 30 ° und < 5 °sind ungünstig für die Fruktifikation), wenig Wind (schnellere Bodenaustrocknung), etwa 1 Woche Zeit, Luftfeuchtigkeit > 60%, große Temperaturschwankungen wirken sich negativ aus (z.B. Tag 17 °C, Nacht 2 °C).


    - Boden: Sauer (ideal pH 4,2) bis neutral, eisenreich, kohlenstoffreich (C), nitratarm (N), hohes C/N-Verhältnis (ungünstig nach Düngung). Karger, lichter Untergrund mit wenig Pflanzenwachstum.
    Pflanzen die für nitratarme Böden stehen: Weiß-Moos, Widerton-/Frauenhaarmoos, Besenheide, Heidelbeeren. Negative Fruktifikationsfaktoren sind Böden mit reichem Pflanzenwachstum, die nitratreichen Boden anzeigen (z.B. Brennnesseln, Springkraut, Waldmeister, Sauerklee, hohe Gräser, etc.).


    - Wirtsbäume: Fichte, Buche, Eiche, Birke, (seltener:) Kiefer, Kastanie, Linde; idealerweise im Alter 20 –“ 40 J. (z.B. ältere Schonungen), ideales oberflächliches Wurzelgeflecht im Abstand von 1 –“ 2,5m von Wirtspflanze, Schatten (zumindest vor Mittagssonne). In Kiefern-Monokulturen finden sich jedoch nur selten Steinpilze (Düngung in der Forstwirtschaft?).


    - Steinpilzindikatoren: Pilze, die gleiche Bodenverhältnisse benötigen wie der Boletus edulis: Pfefferröhrling, Mehlräsling, Fliegenpilz, Pantherpilz, Schweinsohr.


    - Spekulativ: Zunehmender Mond, kurz vor Vollmond, oder um den Neumond herum.


    3. Steinpilzstellenoptimierung / Steinpilzmyzel anlegen:
    Die Sporen beim Steinpilz, mit denen er sich fortpflanzt, befinden sich im Schwamm unten am Hut. Dieser sollte, besonders bei älteren Steinpilz-Exemplaren, vor der Zubereitung entfernt werden, da er das Pilzgericht negativ beeinflusst: Die Konsistenz wird schleimiger, matschiger, das Gericht weniger ansehnlich und der Geschmack ist ohne Schwamm auch eher besser. Trockensteinpilze ohne Schwamm sind qualitativ ebenfalls besser und deutlich teurer.
    Deshalb meine Empfehlung: Alle Steinpilzschwämme, die nicht jung und weiß oder hellgelb sind, entfernen (geht ganz leicht durch seitliches drücken und schieben des Schwammes eines halbierten Hutes mit den Fingern) und schonend trocknen (Temperaturen > 65 °C zerstören die Sporen, also z.B. im Dörrgerät ganz oben oder auf Tellern auf der nicht zu heißen Heizung), anschließend zermahlen oder -mörsern und das Pulver luftdicht (damit es keine Feuchtigkeit aus der Luft zieht) sammeln. Je mehr Schwämme von verschiedenen Steinpilzen gemischt werden, desto besser, denn das fördert die genetische Vielfalt und verbessert die Widerstandsfähigkeit der Pilze.
    Ständerpilze, wie z.B. der Steinpilz, vermehren sich indem 2 Pilzsporen gegenteiligen Geschlechts in relativer Nähe zueinander auf geeignetem Boden (z.B. mit pH 4,2), in Wurzelreichweite eines Wirtsbaumes (z.B. Buche, Fichte) landen. Die Pilzspore des Geschlechts A sowie die Spore des Geschlechts B wachsen zunächst unabhängig voneinander als Wurzel-Netz, Primärmyzel (1) genannt, in das Substrat (Boden). Wenn nun 2 Primärmyzel-Netze gegenteiligen Geschlechts sich berühren, kommt es zur Vereinigung und zur Entstehung eines Sekundärmyzels (2), welches nun noch in Kontakt zur Wurzel eines Wirtsbaumes (3) kommen muss und erst dann Fruchtkörper (4), also Steinpilze, ausbilden kann. Die Symbiose zwischen Baum und Pilz besteht im Austausch von Nährstoffen: Der Pilz (Symbiont) bekommt Kohlenhydrate vom Baum, der Baum (Wirt) Nitrate und Phosphate vom Pilz. Aus diesem Grund wächst der Steinpilz auch eher nicht auf gedüngten (nitratreichen) Böden.

    Wenn man nun dieses gesammelte Steinpilzschwamm-Pulver, welches Millionen von verschiedengeschlechtlichen Steinpilzsporen (Größe ca. 1/100 mm) enthält, beim nächsten Pilze-Sammeln auf geeignetem Boden (s.o.), unter geeigneten Bäumen (s.o.) verstreut, besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich dort die verschiedengeschlechtlichen Sporen vielfach zu einem Früchtetragenden Sekundärmyzel verbinden. Etwa 2 –“ 5 Jahre später können dort aus einem neuentstandenen Sekundärmyzel neue Früchte (Steinpilze) wachsen. Empfehlenswert ist es das Pulver an geeigneten Stellen möglichst breitflächig zu verteilen. Anschließender Regen spült die Sporen in den Boden und lässt sie keimen. Gute Stellen sind:
    1. Wo Wirtsbäume (z.B. Eichen, Buchen) im entsprechenden Alter (20-40J.) wachsen,
    2. Wo schon einmal ein Steinpilz gefunden wurde oder Steinpilzindikatoren (z.B. Pfefferröhrling, Mehlräsling, Fliegenpilz) wachsen und
    3. Wo die spärliche Vegetation auf einen geeigneten Boden hinweist (z.B. Weißmoos, Widerton-/Frauenhaarmoos, Besenheide).
    Auf diese Weise optimiert man nicht nur seine Steinpilzstellen (oder schafft sogar neue), sondern tut dem Ökosystem Wald gleichzeitig etwas Gutes: Nachdem man hier erst die Sporen inkl. Pilze beim Sammeln entnimmt, gibt man sie so wieder zurück. Eine Win-Win-Situation, denn man hat dem Ökosystem Wald einen wichtigen Bestandteil zurückgegeben (gibt gutes Karma) und die eigenen Steinpilzstellen werden dadurch bald deutlich ergiebiger.