Pilze in Autobahnnähe

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 5.232 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Fungus74.

  • Hallo liebes Forum,


    ich schätze, dass dieses Thema eventuell hier am besten hingehört.
    Ich bin bei meiner letzten Sammelaktion im Frankfurter Raum etwas tiefer in den Wald hinein, der leider von einer stark befahrenen Autobahn durchzogen ist. Ich habe dort im Vergleich zum Rest des Walds erstaunlich viele, potentiell leckere Röhrlinge gefunden.
    Nun zu meiner Frage: Kann man Pilze, die in der Nähe einer Autobahn oder sonstigen Schadstoffquellen für Schwermetalle oder organische Verbindungen wachsen, problemlos verzehren? Ich habe mal gehört, dass Pilze Schwermetalle stark anreichern (allerdings auch gut abbauen).


    Grüße
    Alex

  • Wo stehen die Pilze denn genau ? Wenn die Pilze direkt neben der Leitplanke bzw. der Standspur stehen, würde ich sie sicher nicht nehmen, aber wenn da noch 50 m dazwischen liegen, hätte ich kein Problem damit.


    Ich habe irgendwo mal gelesen, dass bei einer normalen Straße im schnitt bereits 5 m vom Strassenrand die Belastung an Schwermetallen unter die Richtwerte sinkt. Muss das noch mal googeln...


    Wenn es sich hingegen um stillgelegte Industriegebiete etc. handelt, wäre ich vorsichtiger, da weiss man nie, was im Boden ist.

  • Hallo,
    Diverse Studien ergaben , daß Richtwertüberschreitungen über 10 Metern Abstand selten sind. Das heißt aber nicht , daß über 10 Meter Entfernung unkontaminierte Natur ist. Ich persönlich nehme an , daß so ab 50 Metern Entfernung das "normale" Rhein-Main-Level erreicht ist.
    Gruß Norbert

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    Pilzchips = 100 -5 APR 2015 +12 APR 2016 = 107 -7 Für APR 2017 = 100 + 5 APR 2018 =105 +5 APR 2019 =110+6 APR 2020=116+5+4 APR2021=125

    -15 für APR 2022 = 110. -15 für APR 2024 = 95

    Pilzbestimmung im Netz ist keine Essfreigabe

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  • Die Pilze stehen noch etwa 30m von der Straße entfernt, aber eben weil es eine stark befahrene Autobahn ist bin ich vorsichtiger. Aber was Altlasten angeht hast du sicher Recht, Pilze die dort wachsen sollte man meiden. :P
    Der Text ist interessant und zeigt, dass die Sache nochmals komplizierter ist, als gedacht. Das sich Schwermetallanreicherungen zwischen den Pilzarten so extrem unterscheiden können, ist da nur eine Herausforderung.


    Hallo Norbert,


    ja da spielen wohl noch weitere Faktoren (Eintragsmenge, Hang, Boden, Pilz) eine Rolle. Ich habe auch noch eine nette Studie gefunden, allerdings auf englisch und aus Indien.
    Passt vielleicht nicht mehr ganz in den Themenbereich "Kulinarisches", aber gibt es eigentlich Studien darüber ob Missbildungen an Pilzen bei hohen Schadstoffbelastungen häufiger auftreten? Wäre doch ein ganz netter Zeiger.


    Grüße
    Alex



    Jain et al., 2013.pdf

  • ..."womit" sind wir denn die letzten 50 Jahre als "Klopfmittel" gefahren?


    "Ich" würde mir eher Stellen im Wald suchen...


    ...war die Frage wirklich ernst gemeint?
    ;)


  • ..."womit" sind wir denn die letzten 50 Jahre als "Klopfmittel" gefahren?



    Ich meine mich in der Tat zu erinnern dass das als Klopfmittel im Benzin verwendete Tetramethylblei im Boden mehrere Jahrzehnte überdauern kann. Offiziell verboten ist verbleites Benzin in der EU wohl seit dem Jahr 2000, allerdings ging der Anteil an verbleitem Benzin wohl seit Mitte der 80er Jahre stark zurück (eigentlich konnten ab Ende der 80er Jahre so gut wie alle neuen Autos bleifreies Benzin tanken; Autos mit Katalysator die zu der Zeit immer häufiger wurden mussten dies sogar, da das Blei im Sprit einen Kat zerstört).


    Aber auch ansonsten kommt ja immer noch einiges an Dreck aus dem Auspuff raus, insbesondere bei höheren Autobahn-Geschwindigkeiten. Allein schon der ganze Ruß bei Dieselmotoren. So mancher süd- oder osteuropäische LKW fährt noch gänzlich ohne Rußfilter. Und das lagert sich dann halt alles um die Fahrbahn herum ab.


    Ich würde rein "gefühlsmäßig" einen Sicherheitsabstand von um die 50 Metern von einer Autobahn nicht unterschreiten. Ab dort denke ich dass man gute Chancen hat dass die Pilze sehr gering belastet sind. Kommt aber dann auch noch auf so Dinge wie Hauptwindrichtung und Hydrologie des Standortes an. Wenn an dem Standort immer der Wind von der Autobahn her weht oder du hast ober- oder unterirdische Wasserläufe die den Dreck zu deinen Pilzen hin transportieren, dann könnte auch das eng werden. Und es spielt eine Rolle, ob deine Stelle von der Autobahn aus gesehen direkt an der Grenze deines Waldstücks liegt oder mittendrin; Bäume und Vegetation die zwischen der Fahrbahn und deinen Pilzen liegen fungieren als "Staubfilter" und können einiges an Dreck abfangen der sich dann nicht an deinem Pilz-Fundort niederschlagen kann.


  • ...war die Frage wirklich ernst gemeint?
    ;)



    Auf welche Frage beziehst du dich? :P Meine Ausgangsfrage ist ernst gemeint. Mir ist bewusst, dass die Böden +/- kontaminiert sind in Autobahnnähe. Aber daraus lässt sich ja nicht 1 zu 1 auf eine Kontamination der Fruchtkörper schließen, da Aufnahme und Abbauraten des Pilzes dazu noch entscheidend sind (s.u.).




    Bäume und Vegetation die zwischen der Fahrbahn und deinen Pilzen liegen fungieren als "Staubfilter" und können einiges an Dreck abfangen der sich dann nicht an deinem Pilz-Fundort niederschlagen kann.


    Die größte Oberfläche der Vegetation bilden Nadeln und Blätter, Luftschadstoffe lagern sich dann wohl dort in der Cuticula an, es kommt zu einer Zwischenspeicherung. In und an der Cuticula dürften die Schadstoffe verbleiben, können eventuell teilweise noch photochemisch abgebaut werden können. Nur Fallen die Blätter und auch die Nadeln irgendwann ab, werden vielleicht noch ein wenig durch den Wind transportiert und schließlich abgebaut. Was dann mit den Schadstoffen passiert ist erst einmal unklar. Was ich sagen will, die tatsächliche Kontamination der Böden ist nur schwer abzuschätzen, wobei 50m in den meisten Fällen möglicherweise passen. Für mich als Pilzsammler ist daher noch entscheidender, ob ein Pilz die Schadstoffe aufnehmen und ob er sie abbauen kann. Das war so die Richtung meiner Ausgangsfrage.

  • Aleggs:


    Du hast natürlich recht...


    Zusammenfassend kann man wohl sagen: "Autobahnpilze" sollten nicht auf dem Speisezettel stehen wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. ;)


    Die besten Pilze findet man eh oft weitab von Zivilisation, weil sie dort nicht dauernd von anderen Leuten die einem zuvorgekommen sind weggesammelt werden :P


    Andererseits, vielleicht sehr off topic... ich hab neulich an einer viel befahrenen Bundesstraße ein großes Rotkohl-Feld gesehen... also wirklich direkt daneben. Der Rotkohl der da reift dürfte auch einiges an Schadstoffen mitbekommen, und er wird trotzdem irgendwann bei jemandem neben nem Stück Schweinebraten auf dem Teller liegen... :)


    In diesem Sinne: wohl bekomms :P


  • DAs ist ja nichts Neues.
    Fahr z.B. mal die A1 von HH Richtung Lübeck, oder auch die A24 von HH Richtung Berlin. Beide Autobahnen sind gesäumt mit Ackerland, auf denen die verschiedensten Sachen angebaut werden: Weizen, Mais, Kohl usw usf..
    Und dann gibt es da auch noch Weiden für Kühe...


    Ob da ein gelegentlicher Pilz in 50 m Autobahnabstand noch gross ins Gewicht fällt?

  • Hallo zusammen,


    ich weiß nicht, ob Schadstoff-Emissionen von Autobahnen wirklich groß ins Gewicht fallen, hinsichtlich der "Schadstoffe", die von (konventionellen) Erzeugern selbst auf die Agrarfläche ausgebracht werden (Pestizide, Dünger, Abgase der Landmaschinen ...). Ich möchte ja hier nicht den Zeigerfinger in die Luft halten, aber wer sich sowieso den Luxus gönnt, sich aus der Natur zu bedienen, sollte das lieber fernab der "Kulturlandschaft" tun - ist ja auch gesünder, in einem naturnahen Wald unterwegs zu sein.


    Grüßle
    Jürgen


  • Ich möchte ja hier nicht den Zeigerfinger in die Luft halten, aber wer sich sowieso den Luxus gönnt, sich aus der Natur zu bedienen, sollte das lieber fernab der "Kulturlandschaft" tun - ist ja auch gesünder, in einem naturnahen Wald unterwegs zu sein.


    Richtig.


    Und gerade was Pilze angeht kann man es meistens eh vergessen in der Nähe gut zugänglicher Straßen, weil halt dort alles regelmässig abgesammelt wird von anderen Pilzsammlern und wenn man dann selber hingeht findet man nix mehr. Meine ergiebigsten "geheimen" Fundstellen die ich über die Jahre immer wieder besucht habe sind jeweils mehrere hundert Meter von befestigten Straßen entfernt. Auch meine schöne Steinpilz-Stelle im Deister. Wobei mir das letzte Woche auch nicht geholfen hat, weil ich offenbar nicht der einzige bin der diese Stelle kennt... :cursing:

  • Mein Professor weigert sich in der Kantine ungeschälte Zucchini oder etwa Kürbisse zu essen. Die Schadstoffanreicherungen in den Außenschichten manchen Gemüses sind enorm, vor allem metallorganische Verbindungen spielen da ein Rolle.
    In Autobahnnähe gab es nur sooo viele Röhrlinge, während der Rest des Waldes quasi leer gefegt war.. vielleicht ja nicht ohne Grund ;)


    Grüße

  • Wobei bei Zucchini auch anorganische Metallverbindungen ein Problem sind.


    Zucchini und andere Kürbisgewächse werden im kommerziellen Anbau immer noch oft mit Kupferchlorid und ähnlichen kupferbasierten Präparaten bespritzt, weil Kupfer gute fungizide Eigenschaften hat gegen Echten und Falschen Mehltau. Die Kupferverbindungen dringen tief in die Pflanzen ein, weil auch Mehltau generell endemisch ist, also nicht nur auf der Blattobefläche nistet sondern auch in tieferen Gewebeschichten der Pflanzen.


    Werden die vorgegebenen Wartezeiten zwischen letzter Behandlung und Ernte nicht eingehalten, und das kommt immer wieder vor, dann hast du möglicherweise in deinen Zucchini diese gesundheitsschädlichen Kupferverbindungen, und das kriegst du auch durch schälen nicht ganz weg, selbst wenn tatsächlich das meiste davon in der Außenhaut deiner Zucchini sitzen sollte.


    Hab vor ner Weile übrigens gelesen dass man selbst bei einigen Zucht-Champignons eine erhöhte Belastung mit Fungiziden festgestellt hat. :(


    Unterm Strich: Nichts was wir essen ist unbelastet. Um wirklich Nahrung zu uns zu nehmen die nicht mit irgendwas chemischem belastet ist, müssten wir uns schon ins Mittelalter oder die Steinzeit zurückbeamen. Trotzdem würde ich Pilze immer noch nicht an ner Autobahn sammeln :P