Geoglossum / Erdzunge

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.573 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Leute!


    Diesen Fund hatte ich schon bei der Taunus Tour vorgestellt.
    >Hier gibts auch ein Standortphoto<, gleich im ersten Beitrag von Holger als Nummer 20.
    In der Hoffnung auf eine Bestimmungshilfe kommt das jetzt mal hier unter den Hammer.


    Ein paar Eckdaten:
    Gefunden im Taunus, Umgebung "Hessenpark"; auf einer kleinen LIchtung im Wald, ca. 400m üNN; feuchter Randbereich einer Saftlingswiese unter Rosskastanien gesellig auf nacktem Erdboden und zwischen Laubstreu, vergesellschaftet unter anderem mit Hygrocybe pratensis, Clavulinopsis laeticolor, Clavaria vermicularis, Ramariopsis sp.


    Die Fruchtkörper sind gegliedert in einen sterilen Stielteil und einen fertilen Kopf, keine Perithecien, Fleisch fest aber nicht wie "Kernpilze", Gesamthöhe bis ca. 5 cm.
    Auffällig: Am Fundort waren viele Fruchtkörper weißlich überzogen. Ich hilet das für einen parasitären Befall, aber wenn ich mir Holgers Bild (siehe Link oben) ansehe, kann das auch eine Anamorphe sein.
    Wie auch immer: MItgenommen habe ich nur schwarze Fruchtkörper ohne Reif.
    Die sehen so aus:



    Und innen so:






    Planlos.
    Aber es scheint ja mehr Species zu geben als die mageren zwei Arten bei Breitenbach / Kränzlin.
    Auch wenn keine Bestimmung möglich ist, ich freue mich über Anrageungen zum Vergleich und Literaturtips.
    Oder falls jemand einen guten Schlüssel zu der Gattung hat, dann wüsste ich nämlich, auf welche Detaisl ich zu achten hätte.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,


    befinden sich Seten am Stiel? Mit meiner ebenso geringen Erfahrung mit der Gruppe kann ich Trichoglossum nicht ausschließen. Die Gattung müsste allerdings auch Seten im Hymenium haben. Microglossum und Thuemenidium haben jedenfalls hyaline Sporen. Hier gibt es einen Schlüssel.


    Viele Grüße
    Steffen

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Steffen!


    Vielen Dank! :thumbup:
    Das ist genau die Hilfe, die ich gebraucht habe.
    Die Sporen sind schon recht früh deutlich pigmentiert und größer als 40 µm, Seten gibt es definitiv keine.
    Die Gattung Geoglossum sehe ich also als sicher an.


    Die Sporengrößen sind offenbar sehr variabel innerhalb einzelner Arten, Hier schwanken sie nach ungefährer Messung zwischen längen von 68 und 81 µm. Die reifen Sporen sind fast durchgehend 7fach septiert.
    Die Paraphysen sind teils gebogen / geknickt, aber längst nicht alle und viele nur schwach. Die apikalen Zellen sind zwar eher kurz, aber "Perlenketten" sind nicht festzustellen. Die Septen sind nicht stark eingeschnürt, höchstens an der letzten Septe. Die Endzellen sind teils köpfig, teil keulig, teils schwach keulig verbreitert. Selten sitzen zwei keulige Zellen aufeinader, bilden aber keine wirklich auffälligen "Entenköpfe".


    Ich komme da recht sicher zu Geoglosum umbratile (Schwarze Erdzunge).
    Mit einem cf kann ich vorerst gut leben, weitere Funde sollten mehr Sicherheit bringen.



    LG, pablo.

  • So, nun will ich mich auch noch zum Thema äußern, was ich schon nach der Taunus-Tour tun wollte.
    Ich musste jedoch erst eine Weile herumrätseln und in der Literatur stöbern, bis mir eine Idee kam.


    Da du Trichoglossum ausschließt, ist die gezeigte Art makroskopisch recht eindeutig Geoglossum fallax, die Täuschende Erdzunge! (Der Name ist Programm - dazu später)
    Ich habe die schon mehrfach in der Hand gehalten und man kann sie aufgrund des stark schuppigen bis fast genatterten Stieles meist schon in der Natur ansprechen.
    Allerdings scheinen die von dir gezeigten siebenfach septierten Sporen dazu nicht zu passen.


    Nach Benkert (Die Gattungen Geoglossum und Trichoglossum in der DDR, MyMi 1976/3) hat die Art 7-10(11) Septen, andere Autoren nennen sogar 13.


    Fredi Kasparek, der die Art im Tintling 3/1996 porträitiert, schreibt:
    "Die Erdzungen, um die es hier geht (Geoglossum fallax), nutzten jegliche Unerfahrenheit gnadenlos aus und legten den Finder innerhalb von sechs Wochen viermal herein."


    Fredi schreibt in dem Beitrag, wie sich die Sporen innerhalb dieser sechs Wochen von 0-2fach septiert bis 13fach entwickelten!
    Weiter schreibt er:
    "Worüber sich der Erstbeschreiber, Durand, von dieser Erdzunge evtl. betrogen oder getäuscht fühlte, ist nicht bekannt geworden; aber mich täuschte sie durch höchst unterschiedliche Sporen in den vier Aufsammlungen, was Anlass zu verschiedenen Artspekulationen gab."



    Die reifen Sporen sind fast durchgehend 7fach septiert.


    Bist du sicher, dass es wirklich reife Sporen sind?
    Wie ich mittels der oben angeführten Zitate gerade deutlich machte, kann es mehrere Wochen dauern, bis die FK ausgereift sind und somit die Septierung der Sporen abgeschlossen ist.
    Wäre es nicht denkbar, dass du die Art während ihrer Entwicklung aufgesammelt hast?


    Die +/- farblosen Paraphysenspitzen und deren Form passen ebenfalls gut zu G. fallax.


    Beurteilen kannst du es nur selber.
    Solltest du jedoch vereinzelte Sporen mit mehr als sieben Septen gesehen haben, wäre das natürlich ein Wink in die von mir vermutete Richtung.


    Steffen hat ja bereits einen Schlüssel verlinkt.


    Recht schön ist auch folgender holländischer Beitrag: Aardtongen


    Die 45 seitige Benkert-Arbeit besitze ich selbst nur als Fotokopie, könnte das aber mal in der nächsten Zeit bei Interesse digitalisieren.


    Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verwirrt, lieber Pablo. ;)
    Jedenfalls erscheint mir Geoglossum umbratile alles andere als "recht sicher".


    LG Nobi

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Nobi!


    Gut, daß ich den Ordner noch nicht in meine Datenbank eingespeist hatte.
    Danke für's doch-noch-was-dazu-schreiben. :thumbup:
    ich revidiere erstmal wieder zu Geoglossum sp. und stelle den verlinkten Schlüssel in dem Zusammenhang mal in Frage.
    Das sind ja wichtige Informationen, so hatte ich nämlich G. fallax zu rasch ausgeschlüsselt und gar nicht mehr mit der Art verglichen.


    Die Sporen zum messen (letzte drei Bilder) hatte ich aus einem Fruchtkörper, der schon beinahe am Zerfließen war. Da fand ich auch keinen intakten Ascus mehr und selbst die Paraphysen schienen schon am Zerfallen.
    In dem Zustand hätte ich sogar bei einer Frühjahrslorchel reife Sporen erwartet. Aber wer weiß?
    Ich jedenfalls nicht.
    Würde es was bringen, sich die getrockneten Fruchtkörper noch mal vorzunehmen? Proben habe ich ja da. Sporen werden auch noch drin sein.
    Ich denke, es kann nicht schaden.


    Option 2:
    Wuchsen da mehrere Arten durcheinander?
    Habe ich möglicherweise 2 verschiedene Arten untersucht?
    Die Paraphysen hatte ich an einem anderen Fruchtkörper angeguckt, als später die Sporen. Auf die Stielbeschaffenheit habe ich dabei blöderweise nicht geachtet.
    Diese Wissenslücke ist nun geschlossen, der Fehler passiert mit nicht noch mal.



    LG, pablo.


  • Würde es was bringen, sich die getrockneten Fruchtkörper noch mal vorzunehmen? Proben habe ich ja da. Sporen werden auch noch drin sein.
    Ich denke, es kann nicht schaden.


    Bring einfach mal mit im Oktober.
    Dann schau ich mir die Zungen mal an.
    Auch die Paraphysen sollten nochmal ausgiebig studiert werden!



    Wuchsen da mehrere Arten durcheinander?
    Habe ich möglicherweise 2 verschiedene Arten untersucht?


    Auch das ist nicht ausgeschlossen.
    Da es Arten mit ähnlichen ökologischen Ansprüchen gibt, ist es nicht selten, dass diese durcheinander wachsen.


    LG Nobi

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    Chips: 72

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Mache ich gerne! :thumbup:
    Nochmal reinschauen kann aber auch nicht schaden (keine Sorge, ich lasse was übrig). Möglicherweise klärt sich dann die Sache auch rasch auf, wenn ich auf einmal viele Septen sehe.



    LG, pablo.

  • Hallo Pablo


    Den Ausführungen von Nobi kann ich mich voll anschließen. Makroskopisch ist das eindeutig G. fallax. Nicht nur der schuppige Stiel, sondern auch der kurze fertile Teil (weniger als 1/3 der Gesamtlänge) sprechen dafür. Wenn ich Deine Mikrobilder richtig interpretiere, sind die Paraphysen farblos und dazwischen befindet sich eine braune Masse, was typisch für G. fallax ist. Bei G. umbratile sind die Paraphysen gefärbt und "kleben" nicht so zusammen. Die Form der Paraphysen ist so variabel, das sie als Merkmal alleine betrachtet auch nicht wirklich hilft. Die Anzahl der Septen bei den Sporen führt oft in die Irre und ist als Merkmal für G. fallax nur zu gebrauchen, wenn man 7 oder mehr hat. Die zur Zeit aktuellste Arbeit über Erdzungen findest Du hier. http://www.mycologen.nl/downloads/Aardtongen.pdf
    Die Angaben zu den Sporen beziehen darin übrigens immer auf Abwurfpräparate.


    LG Karl

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Karl!


    Auch dir ein danke! :)
    Daß die Paraphysen zumindest apikal nicht pigmentiert sind, kann ich bestätigen. Das mit dem Verkleben ist ein nterpretationsfehler meinerseits. Verklebt bzw. in einer Art Exsudat eingebettet habe ich die nur in der unteren Hälfte gesehen. Diese Klebeklumpen hatte ich dann wohl für Pigment in überainanderliegenden Paraphysen gehalten.
    In die "Aardtongen" habe ich schon mal ein wenig reingeguckt. Das scheint eine tolle Arbeit zu sein, auch wenn es mit dem Verstehen des Niederländischen bei mir teils etwas hapert.



    LG, pablo.

  • Und siehe, lieber Pablo, wir hatten alle recht!
    Sowohl du mit deiner Bestimmung als auch Karl und ich mit unserer Vermutung! :thumbup:



    Option 2:
    Wuchsen da mehrere Arten durcheinander?
    Habe ich möglicherweise 2 verschiedene Arten untersucht?


    Genau das war das Problem!


    Von den vier Erdzungen, die du mir gegeben hast, hatten drei den typisch schuppigen fallax-Stiel, während er bei einer fast glatt war!
    Bei dieser fand ich ausgereifte 7-fach septierte Sporen und Paraphysen, die blass braun waren und nicht verklebten. Ganz klar die von dir ins Spiel gebrachte Geoglossum umbratile!


    Die mit dem schuppig genatterten Stiel waren leider allesamt unreif (Beginn der Sporenseptierung), wobei man mikroskopisch schön die mit einer braunen Masse verklebten +/- hyalinen Paraphysen sehen konnte.
    Daher kein Zweifel an Geoglossum fallax!


    Hier noch zwei "Beweisfotos". ;)


    Stielspitze mit Köpfchenansatz. Links G. umbratile, rechts G. fallax.



    Hymenium von G. umbratile (oben) und G. fallax (unten).
    Lediglich Übersichtsfotos, aber ich denke, sie sind qualitativ ausreichend, um das oben gesagte zu unterstreichen.



    LG Nobi

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  • Hallo Nobi


    So wird natürlich ein Schuh draus. Ich hatte mich nach Ansicht der Fruchtkörper und der Paraphysen sofort für G. fallax entschieden und die Sporen nicht mehr näher betrachtet. Auch war mir entgangen, das die Sporen von einem zweiten Frk. waren. Nach erneuter Betrachtung passen die Sporen unabhängig von der Anzahl der Septen schon nicht. Ein Ende erweitert ein Ende etwas zugespitzt kommt bei G. fallax kaum vor. Deren Sporen sind schlanker und mehr zylindrisch. Deine Übersichtsaufnahmen sind absolut ausreichend.


    LG Karl


    PS. Ich hatte schon ein mal ähnliches Problem mit einer Mischkollektion von G. umbratile und G. cookeianum.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Nobi!


    Ich hatte keinen Zweifel, daß du die Frage klären kannst!
    Umso mehr hast du dir ein dankeschön verdient.
    Das klärt mir viele Fragen.
    Nun muss ich nur noch die Bilder, die ich blöderweise in einen Ordner geschmissen habe, der jeweils richtigen Art zuordnen.
    Ist aber nicht schlimm, was ich nicht mehr zuordnen kann, kommt eben weg.


    jedenfalls bin ich beim nächsten Mal schlauer, und beurteile jeden Fruchtkörper einzeln, und zwar makroskopisch wie mikroskopisch.
    Der von dir verlinkte Artikel ist mir dazu eine große Hilfe, ebenso wie deine Untersuchung.


    Aber:
    Ich hätte drauf kommen sollen. Denn ein ganz wichtiges Bild habe ich euch vorenthalten:

    Da liegen sie alle beide.
    Oben Geoglossum fallax und unten Geoglossum umbratile. :shy:
    Speziell die Sporenbilder sind aus dem unteren Fruchtkörper, der kam mir so schön reif vor...



    LG, pablo.


  • Ich hätte drauf kommen sollen. Denn ein ganz wichtiges Bild habe ich euch vorenthalten.


    Das nächste mal spielst du bitte mit offenen Karten, Pablo! :D:D:D
    Falls es aber ein Test war, dann hast du dir das gut ausgedacht! :cool:


    Fazit: Alle sind wir wieder ein Stück klüger geworden!
    Und man sieht, wie sinnvoll folgender oft geschriebene Satz ist:
    "Keine Essensfreigabe übers Internet!" :thumbup:


    LG Nobi

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    • Offizieller Beitrag

    Du sagst es, Nobi.


    Das Bild hatte ich weggelassen, weil ich die anderen Bilder besser fand, schärfer und farblich gelungener. Ich hatte ja keine Ahnung, wie wichtig das Merkmal der Stielzeichnung ist.


    Aber wieso Essenfreigabe?
    Gibt es bei den Erdungen giftige Arten?
    In dem Fall hilft doch sicherlich gut durchtrocknen, abbrühen, Kochwasser wegschütten und natürlich der legendäre Silberlöffel. ;)



    LG, Pablo.