Anmerkung zur Roten Liste

Es gibt 57 Antworten in diesem Thema, welches 11.780 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Oehrling.

  • Hallo zusammen,


    Rote Listen sind ein Relikt aus den Zeiten, als der Mensch einzelnen Arten nachgestellt hat. Heutzutage muss z.b. niemand mehr Singvögel oder deren Eier sammeln, um die Familie zu ernähren, oder damit Geschäfte zu machen.


    Die modernen Roten Listen sind heute eher eine Grundlage für Experten, die damit schützenswerte Landschaften oder Biotope einschätzen können = also dienen sie indirekt dem Biotopschutz! Einzelne Arten kann man nicht schützen, ohne die Lebensräume jener Arten zu schützen. Klingt logisch, oder? Eine Pilzart, die auf der roten Liste verzeichnet ist, zeigt mehr oder weniger an, wie schützenswert (oder wertvoll) das Biotop ist, in der sie heimisch ist. Den Pilz kann man nicht schützen, ohne das Biotop zu schützen. Vom Pilzesammeln weiß man, das es nicht den eigentlichen Pilz (zer)stört, weil der Pilz im Substrat lebt, und nur die Fruchtkörper abgesammelt werden. Langzeitstudien aus der Schweiz und Frankreich zeigen, dass vermehrtes Pilzesammeln nicht für den Rückgang von Arten verantwortlich ist.


    Pilze dürfen also für den Eigenbedarf gesammelt und gegessen werden, außer diejenigen Arten, die nach Bundesartenschutzverordnung streng - und ohne Ausnahme - geschützt sind (wie z.B. Trüffeln aus der Gattung Tuber). Alle anderen Arten, seien sie auch auf der Roten Liste verzeichnet, dürfen gesammelt werden, zum Eigenbedarf.


    Zum Verkauf darf ohne Genehmigung (der Naturschutzbehörde) in Deutschland wild nichts gesammelt werden.


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo zusammen, hallo Jürgen,


    zum einfacheren Verständnis und für diejenigen, die sich bislang noch nicht damit befasst haben. Die >> Bundeartenschutzverordnung << listet Arten (siehe Anlagen am Ende des Dokuments) auf, die grundsätzlich geschützt sind und einem zunächst grundsätzlichen Sammelverbot unterliegen.


    § 2 der BArtschV führt dann die Arten auf, welche einer Ausnahme unterliegen, das heißt, zum persönlichen Bedarf, Hausgebrauch, unter Einhaltung von Sammelgrenzen entnommen werden dürfen.


    Der Gesetzgeber hat also generell bestimmte Arten unter besonderen Schutz gestellt, mit der Ausnahme, dass der Bürger die gelisteten Arten unter den Ausnahmen für den Eigenbedarf in Maßen (nicht Massen) sammeln darf.


    Zum Status bezüglich Roter Liste ist alles gesagt.


    Grüßle zurück,


    Markus

  • Hallo zusammen,


    Danke für die Beiträge, damit ist das Wesentliche gesagt. Das Fass zur Geschichte, Sinn - und Unsinn des Trüffelsammelverbots mach ´ich jetzt nicht auf, der Schutz der Lebensräume ist der Punkt. Hinzufügen möchte ich noch einen Grundsatz, den ich befolge: Man kann vieles, aber muss nicht alles essen (wenn mal was probieren will muss auch nicht der Korb gefüllt werden...) , wer regelmässig in den Wald geht wird mehr als genug feine Speisepilze finden, die nicht auf der Roten Liste stehen.


    Grüßle auch,


    Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Jürgen!


    Zunächst mal ein Dankeschön, daß du den Text eingestellt hast. Wenn auch an anderer Stelle als geplant. ;)
    Aber vielleicht lässt es sich so ja ganz gut duchdiskutieren.
    Auch wenn es an der grundlegenden Tatsache (Artenschutz ist nur durch Biotopschutz möglich) nichts zu rütteln gibt.
    Dennoch denke ich, daß man die Roten Listen nicht gleich zum Altpapier legen muss. Denn sie dienen ja auch als Leitfaden, was denn nun selten und besonders schützenswert sein könnte und was weniger.


    Dazu müssten diese Listen aber in ganz anderer Art und Weise gepflegt werden, als sie es oft sind.
    Und dann muss man auch mal daran denken, eben nicht schützenswerte weil sehr häufige und ökologisch nicht auf besondere Biotope angewiesene Arten wie Boletus edulis oder Cantharellus cibarius rauszunehmen.
    Und Arten, die nicht aufgeführt sind, aber eine besondere Ökologie benötigen, die müssen stärker dokumentiert und aufgenommen werden.


    Das beinhaltet aber auch eine gute Dokumentation. Dabei geht es nicht nur darum, eine reine Zahlenliste zu erstellen (wie oft wird eine Art beobachtet in einem bestimmten Quadranten), sondern auch darum, die ökologischen Gegebenheiten möglichst umfassend zu erfassen. Erst daraus können dann Rückschlüsse gezogen werden.


    Und hier steht man vor einem Problem: Wer kann das, wer hat die Zeit dafür und das Wissen? Wer beurteilt, welche Daten und von wem aufgenommen werden und welche nicht? Welche offizielle Stelle ist überhaupt bereit, solche Daten zu bearbeiten? Und wer hat an sowas Interesse?


    Ich glaube hier liegt noch viel Arbeit vor uns allen. Und das beschränkt sich ja nicht nur auf die Mykologie. Ohnehin wäre eine bessere Vernetzung von Mykologen, Ökologen, Botanikern, Ornithologen, Insektologen und so weiter sinnvoll.


    Kleiner Punkt noch am Rande, bevor noch ein paar eher ketzerische Gedanken folgen:
    Hat es wirklich keine Auswirkungen, wenn man von einer Art viele Fruchtkörper entfernt (zu welchen Zwecken auch immer)?
    Auf das Mycel, das schon im Boden ist, sicher nicht.
    Aber auch Pilze sind ja darauf angewiesen, sich zu verbreiten und zu entwickeln. Und das geht eben nur über die geschlechtliche Vermehrung duch Sporen. Auch wenn immer ein paar Fruchtkörper übrig bleiben: Wenn ein gewisser Prozentsatz eingesammelt wird, dann sinkt auch die Anzahl der Sporen, die auf die Reise geschickt werden. Was die Chancen auf eine Besiedelung anderer Gebiete und auf eine geschlechtliche Fortpfanzung rein mathematisch ja mal verringert.


    Wenn man jetzt also mal davon ausgeht, daß sich Arten wie Boletus edulis oder Cantharellus cibarius in den letzten Jahrzehnten stark ausgebreitet haben, warum müssen wir dann eigentlich in Deutschland die Bestände in Polen, Litauen und überall sonst plündern?
    Weil der Pilz bei uns auf der Roten Liste steht?
    Dann runter damit.
    Dazu müsste man natürlich den Handel mit heimischen Pilzen stärker reglementieren. Dann könnten Leute mit Sachkunde einen Sammelschein erhalten und in freigegebenen Gebieten auch für den Handel sammeln. Unter entsprechenden Auflagen versteht sich.
    Was den Vorteil hätte, daß man den ilegalen Sammelkolonnen, über die sich schon immer mal wieder beschwert wird, den Wind aus den Segeln nimmt bzw. die Existenzgrundlage entzieht.
    Es gibt eben eine Nachfrage nach Wildpilzen, es gibt auch Möglichkeiten, diese aus eigenen Beständen zu erfüllen.


    Das mal nur so als kleiner Denkanstoß zur Diskussion.



    LG, pablo.


  • Hallo Andreas, :sun:


    das unterschreibe ich so glatt :thumbup:


    Liebe Grüße,
    Markus
    [hr]
    Hallo Pablo,


    auch aus Deutschland wird mittlerweile illegal exportiert. Sogar recht massiv.
    Wenn die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind und möglicherweise rechtskräftige Urteile vorliegen, werde ich die Thematik hier im Forum nochmals aufgreifen.


    Bis dahin bin ich für jeden Tipp und Hinweis in dieser Richtung dankbar und bitte auch um entsprechende Mitteilung.


    Das verläuft auch sicher nicht im Sand, entgegen aller Annahmen.


    LG,
    Markus


  • (...)
    Und hier steht man vor einem Problem: Wer kann das, wer hat die Zeit dafür und das Wissen? Wer beurteilt, welche Daten und von wem aufgenommen werden und welche nicht? Welche offizielle Stelle ist überhaupt bereit, solche Daten zu bearbeiten? Und wer hat an sowas Interesse?


    Ich glaube hier liegt noch viel Arbeit vor uns allen. Und das beschränkt sich ja nicht nur auf die Mykologie. Ohnehin wäre eine bessere Vernetzung von Mykologen, Ökologen, Botanikern, Ornithologen, Insektologen und so weiter sinnvoll.
    (...)


    Hallo Pablo,


    schöner Beitrag, Danke. Ich nehm die zwei Absätze mal raus, würde den ersten vor den zweiten stellen und den Punkt des "Interesses" hervorheben. Ohne weiteren Kommentar.


    LG


    Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Markus!


    auch aus Deutschland wird mittlerweile illegal exportiert. Sogar recht massiv.
    Wenn die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind und möglicherweise rechtskräftige Urteile vorliegen, werde ich die Thematik hier im Forum nochmals aufgreifen.


    Genau das meine ich!
    Wenn man den Handel hier unter gewissen Bedingungen erlaubt, dann macht das das illegale Sammeln und Exportieren ja unattraktiv.
    Was mich mal interessieren würde: Findet der Export dann statt, um die Pilze in einem anderen Land zu verpacken, einen Stempel draufzukleben und dann als "ausländische" Ware auch in Deutschland zu verkaufen? ;)



    Hallo, Jürgen!


    An wen richten sich Rote Listen für Pilze? An Speisepilzsammler?


    Das ist ein interessanter Punkt.
    Es wird ja gerne so ausgelegt, daß das nur die Speisepilzsammler betrifft.
    Und das ist dann zwar rechtlich richtig, aber in der Sache falsch. Denn wie oben schon angeführt: Nicht die Restriktionen für Sammler sind zielführend, sondern der Erhalt der Biotope.
    Ich denke trotzdem, daß man auch als Sammler nicht jede Art mitnehmen muss. Und dann kann eine Rote Liste ja auch als Leitlinie dienen. Boletus regius dürfte auch nicht besser schmecken als Boletus edulis, ist aber schon ein Stück seltener.
    Es ist aber zweifelsfrei richtig: Wenn die Sammler die Art stehen lassen, aber im nächsten Jahr die entsprechenden Buchenwälder niedergeforstet werden oder da ein Schwimmbad gebaut wird, ist der Standort trotzdem im Eimer.


    Edit:
    Das ist dann aber der erste Punkt, an dem wir arbeiten müssen, Andreas.
    Und das ist auch das, was wir im Kleinen mit diesem Forum auch tun. Interesse wecken an den Pilzen, auch an den ökologischen Besonderheiten und klar machen, daß Artenschutz für uns alle wichtig ist.



    LG, pablo.

  • Hi Pablo,


    im aktuellen Fall aus Deutschland raus, in den Süden, dort verarbeitet, dann nach Osteuropa. Wer hätte das gedacht. 8|
    Mehr persönlich.


    @ Jürgen :


    Rein rechtlich betrachtet ist der RL - Status für den Speisepilzsammler zunächst unbedeutend. Je nach Status auf der RL macht sich der seriöse Sammler schon Gedanken, ob er seinen Fund mitnimmt oder schont. Ansonsten kann oder könnte der reine Speisepilzsammler die RL ingnorieren.
    Die RL, wie Du schon oben geschrieben hattest, rückt dann die Seltenheit der jeweiligen Art in einer gegliederten Auflistung ins Augenlicht des Betrachters. Wenn dann behördlicherseits darüber entschieden wird, dass die betreffende Art aufgrund Seltenheit, Schonungsbedürftigkeit in die Bundesartenschutzverordnung aufgenommen wird, gilt das, was ich geschrieben habe.
    Die RL ist damit ein Indikator, Barometer, für das Heranrücken und "Aufgenommen werden" in die Bundesartenschutzverordnung.


    Grüßle und Gute Nacht,


    Markus

  • Hallo!

    Zitat


    An wen richten sich Rote Listen für Pilze? An Speisepilzsammler?
    Grüßle
    Jürgen


    Nun ja, der Gemeine Speisepilzsammler (Homo mycophilicus) wird halt viele Arten auf der Roten Lste gar nicht kennen, was eigentlich nicht schlimm ist, denn die paar seltenen Pilze, die er aus Unwissenheit abpflückt, machen das Kraut nicht fett und den Pilz nicht noch seltener.


    Eigentlich ist die Rote Liste eher ein Werkzeug naturliebender wissender und kampflustiger Menschen, der unsinnigen Ausweitung von immer mehr Industriegebieten, Markthallen und Vergnügungsstätten entgegenzutreten.
    Menschen, die aus Versehen mal eine Rote-Liste-Art aus Unwissenheit mitnehmen, müssen sich da nicht selbst auspeitschen. Das verträgt die Natur normalerweise; vielleicht hilft der mitgenommene Fruchtkörper mit seinen reifen Sporen sogar, sich woanders anzusiedeln (wenn er denn die Bedingungen vorfindet, die er braucht).


    Man hat da Studien betrieben, was das gelegentliche Absammeln der Fruchtkörper für den Pilz selbst bedeutet.
    Rausgekommen ist nichts Negatives.
    In Osteuropa werden raubbaumäßig Steinpilze und Pfifferlinge für den "West-Export" abgeerntet.
    Nunja, das machen die jedes Jahr und die Pilze hören da nicht auf zu wachsen.


    Was ich sagen will: Pilz-/Pflanzen-/Tierschutz ist nur dort gut zu betreiben, wo das entsprechende Biotop für die Lebewesen intakt gehalten wird.


    VG Ingo W

    ________________________________________________________________
    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130 + 4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134 + 7 (7.Platz im APR 2022) = 141 + 4 (KISD-Prozente von GnE) = 145 -15 (APR 2023) = 130 + 3 (10. Platz) = 133 + 3 (Unbewusst-Phal) = 136 + 5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141 + 5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146 + 7 (Phalplatz 1) = 153

    Link: Gnolmengalerie

    Link: APR 2023

    Link: Phalabstimmung 2023

    Link: Nanzen

    Einmal editiert, zuletzt von Ingo W ()

  • Hallo zusammen,


    auf die einzelnen Beiträge werde ich noch eingehen, ich seh schon, im Prinzip sind hier alle gut Informiert und "gesettelt";-), und jeder hat gute Argument zur Hand. An Speisepilzsammler richtet sich die Rote Liste nicht, es wird z.B. in der RL Bayern (2010) explizit erklärt, dass Pilzesammeln nicht für den Artenrückgang verantwortlich ist. Aber an wen genau richten sich die RL (für Pilze)?? Hier mal die Hauptgründe für den Artenrückgang aus Sicht der RL Bayern:


    "Hauptgrund für den Pilzartenrückgang ist, wie bei den meisten anderen gefährdeten Organismen; die Zerstörung bzw. Veränderung der ehemals natürlichen Lebensräume durch:


    - Düngung von Wiesen und Weiden mit Mineraldünger
    - Stoffeinträge über die Luft aus Landwirtschaft, Industrie und Verkehr
    - Pestizideinsatz in Gartenbau, Forst- und Landwirtschaft.
    - Hoher Flächenverbrauch durch Überbauung
    - Ausholzen von wertvollen Altbäumen
    - Enfernen von wichtigen Mykorrhiza-Partnern im Wirtschaftswald
    - Einsatz von Holzerntemaschinen mit massiven Schädigungen des Bodenlebens
    - Düngen, Aufkalken oder Umbrechen von Waldböden
    - Beseitigung abgestorbener oder durch Windwurf umgestürzter Albäume"


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo zusammnen


    Die RL richtet sich an jeden, der ein Interesse am Erhalt der Vielfalt der Natur hat und ist Indikator für die Seltenheit einer Art. Um zu wissen, welche Biotope besonders schützenswert sind, muss man doch wissen, ob die vorkommenden Tiere, Pflanzen und Pilze selten sind oder nicht. Aktiv kann jeder werden, der bereit ist sich ein wenig Mühe zu geben.
    In der Eifel wurde bereits vor mehr als 10 Jahren Boletus torosus erstmals gefunden. Nach der –žErnte–œ einiger älterer Buchen, blieb die Art verschwunden. Einen weiteren Fund nahm ein Pilzfreund zum Anlass, sich mit dem zuständigen Forstamt in Verbindung zu setzen. Er wies auf die extreme Seltenheit des Pilzes hin und beschrieb den o. g. Vorfall. Man zeigte sich sehr interessiert und suchte gemeinsam den Standort auf.
    Ergebnis: Der Bereich des Fundes wurde aus der forstwirtschaftlichen Nutzung heraus genommen und dies auch dokumentiert. So ist auch für Stellvertreter oder Nachfolger innerhalb des Forstamtes der Sachverhalt nachvollziehbar. Das Beispiel machte inzwischen Schule und ein weiterer Pilzfreund war in Bezug auf einen ähnlichen Standort, bei einem anderen zuständigen Forstamt, ebenfalls erfolgreich.
    In beiden Fällen handelte es sich um private Initiativen, die nicht direkt mit der Arbeitsgemeinschaft Pilzkunde Niederrhein (APN) in Verbindung stehen. Ein ähnlicher Fall ist mir aus dem Sauerland in Bezug auf eine kleine, unscheinbare Wiese bekannt, auf der eine sehr seltene Erdzunge wächst. Sicherlich wird man nicht immer sofort auf Verständnis treffen, da Pilze (noch) keine Lobby haben. Ein Hinweis auf eine Publikation in der lokalen Presse dürfte da Wunder wirken.


    Also weniger diskutieren und mehr handeln.


    LG Karl

  • Hallo Karl,


    ja, handeln! Aber wie und wie richtig? Die Initiativen, die Du geschildert hast, sind das, was einige "Flickenteppich-Naturschutz" nennen. Es dient eigentlich nur zur Beruhigung des Gewissens. Die Flächen, die geschützt werden, sind seit den 30er Jahren immer kleiner Geworden (und die Roten Listen immer länger;-), heute sind wir soweit, dass einzelne Bäume unter Naturschutz gestellt werden - einen größeren Unsinn kann man sich kaum vorstellen! Dass ein wertvolles Habitat eine gewisse Größe braucht, weiß heute jeder, der ein bisschen was von Ökosystemen gehört hat. Kleine Flächen, die aufgrund privater Initiativen aus der Bewirtschaftung rausgenommen werden, haben keinen Schutztatus! Sie können jederzeit wieder der Nutzung anheimfallen. Versucht doch mal, diese Flächen schützen zu lassen, bin mal gespannt, was ihr dann so dabei für Erfahrungen macht.


    Grüßle
    Jürgen


    p.s. Meine Frage wurde immer noch nicht beantwortet: An wen richten sich Rote Listen? Tipp: Lest mal in so eine RL rein, da müsste es doch drinstehen, oder auch nicht?

  • Hallo Jürgen


    Mit Natura 2000 und FFH-Gebieten gibt es doch überregionale Ansätze. In Deutschland gehören auch einige Buchenwald-Typen dazu. Das heiß aber noch lange nicht, dass in diesen Wäldern kein Baum mehr gefällt werden darf. Du kannst ja nicht ganz Deutschland zur Kernzone eines Nationalparks machen. Isolierte und kleinräumige Maßnahmen sind durchaus notwendig und sinnvoll, wie zahlreiche, lokale Aktivitäten von örtlichen Naturschutzverbänden und dem Arbeitskreis Heimischer Orchideen zeigen. Darüber hinaus gibt es sehr engagierte Aktivitäten zur Bildung von Biotopverbänden und Renaturierungen, die nach wenigen Jahren schon erste Erfolge zeigen. Wenn das für Dich alles Flickschusterei ist, siehst Du weit an allen Realitäten vorbei.


    LG Karl


    PS. Die Roten Listen dienen dazu, um auf zu zeigen, wo Handlungsbedarf in Richtung Naturschutz besteht.

  • Hallo Karl,



    Wenn das für Dich alles Flickschusterei ist, siehst Du weit an allen Realitäten vorbei.


    Ich befürchte ja tatächlich, dass es genau umgekehrt ist;-) Dass die "Realität" von den meisten, sehr engagierten Naturschützern nicht erkannt wird! Ein großes Problem an dieser Sache ist der Naturschutz selbt, und wie er sich selbst sieht!


    Zitat

    PS. Die Roten Listen dienen dazu, um auf zu zeigen, wo Handlungsbedarf in Richtung Naturschutz besteht.


    Richtig! Aber wer ist der Adressat, wer diejenigen, die Handeln sollen? Sind das private Menschen, die sich um die Natur sorgen machen? Müssen die mit der Roten Liste in der Hand zum Forstamt pilgern und das Teil an die Holztüre nageln wie weiland Luther seine Thesen an die Kirchtüre? *g*


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo Jürgen,


    ich weis noch nicht sicher worauf Du raus willst, aber ich versuche jetzt mal eine formell und inhaltlich richtige Antwort auf die Beine zu stellen, bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland. Der tatsächliche Hintergrund geht ja weit darüber hinaus.


    Adressat der Roten Listen sind in den jeweiligen Bundesländern die Ministerien und deren nachgeordnete Behörden gemäß der jeweiligen Landesverwaltung.
    In erster Linie natürlich diejenigen Ministerien, die unmittelbar inhaltlich betroffen sind (Landwirtschaft, Forst, Umwelt) aber auch alle anderen indirekt betroffenen Ressorts (Finanzen, Verkehr, selbst Familie et al)
    Die Roten Listen sind dabei eine Handreichung, welche im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung der Ministerien und nachgeordneten Behörden ohne rechtliche Bindung zu haben, als sachverständiges Gutachten herangezogen werden soll.


    Ich habe das jetzt mal frei und ohne Nachlesen formuliert, falls Schlagworte fehlen sollten.


    LG,
    Markus


  • Die rote Liste richtet sich an niemanden. Es handelt sich dabei schlicht um die Verdichtung von Daten, aus denen bestimmte Rückschlüsse gezogen werden. Diese Rückschlüsse sind so gut oder schlecht, wie die Datenbasis selbst.
    So wie es heute der Fall ist, sind die Rückschlüsse eher vage, aber was besseres haben wir nicht.


    Aus diesen Rücschlüssen wiederum sollten dann Maßnahmen ergriffen werden. Und daran hapert es ganz gewaltig.


    Ich befürchte ja tatächlich, dass es genau umgekehrt ist;-) Dass die "Realität" von den meisten, sehr engagierten Naturschützern nicht erkannt wird! Ein großes Problem an dieser Sache ist der Naturschutz selbt, und wie er sich selbst sieht!


    Einer der größten Feinde des Naturschutzes ist der Naturschutz. Genau jene Fraktion, die der Meinung ist man müsse die Natur immer und überall nur sich selbst überlassen, die würde das schon regeln.
    Leider regelt sich in sehr vielen Fällen gar nix, sondern führt ein absoluter Schutz zur Vernichtung wertvoller Lebensräume.
    Der Wald hat hier jedoch noch eine Sonderstellung, der schafft es meist tatsächlich von alleine. Allerdings schadet eine sanfte Nutzung auch nicht.







    Man kann es drehen und wenden wie man will. Solange sich die Spezies Mensch ungehemmt vermehrt, sind alle Bemühungen in Sachen Naturschutz Schall und Rauch.
    Raum ist auf unserem Planeten strikt begrenzt. Raum, der den Lebensbedingungen unserer Spezies entgegen kommt, ist sogar schon so gut wie aufgebraucht. Alles wir geopfert für die Erzeugung von Nahrung, Energie und Wohnraum. Sicher kann man komprimieren, aber auch das nur bis zu einem gewissen Punkt. Tschernobyl und Fukushima haben die Gesellschaft gelehrt, dass Atomenergie nicht akzeptabel ist.
    Das Abholzen der Wälder im Rahmen erneuerbarer Energien ist ebenfalls nicht akzeptabel, bringt uns aber nicht (sofort) um. Zudem sind erneuerbare Energien ein lukratives Geschäft.


    Und gegen diese Entwicklung soll eine rote Liste das geeignete Werkzeug sein?


    Sicher nicht. Sie wird erst dann zu einem sinnvollen Werkzeug, wenn Politik und Gesellschaft erkennen, dass die bisher eingeschlagenen Wege allesamt in einer Sackgasse enden.



    In der Hoffnung, dass sich diese Erkenntnis durchsetzt, bevor es zu spät ist, arbeite ich die letzten Jahre meines Lebens sehr gerne weiter an dieser roten Liste mit.


  • ... Tschernobyl und Fukushima haben die Gesellschaft gelehrt, dass Atomenergie nicht akzeptabel ist ...


    Ich korrigiere mal wie es meiner Ansicht nach richtiger hieße.


    Tschernobyl und Fukushima hätten die Gesellschaft lehren sollen, dass Atomenergie nicht akzeptabel ist.


    Ich kann da nämlich nicht viel erkennen. Selbst die Japaner wollen ihre Atomkraft nicht mehr aufgeben. Erst waren alle erschrocken aber schnell fiel man wieder in alte Muster zurück.
    Und Tschernobyl ? "War da mal was ? Ach, ja das Atomkraftwerk das versagte, nicht wahr. Wie geht es deinen Kindern ? Habt ihr Lust zum Essen zu kommen ? Es gibt Wildschweinbraten mit Pilzen des Waldes."


    Es ist wie es immer war. Der Mensch schaut daß es ihm gut geht. Manch einer mehr, manch einer weniger. Wie es den anderen geht, das juckt doch keine Sau. Man sagt zwar gerne mal "Oh, wie schrecklich!" Aber eigentlich war es das auch schon. Es ist selten so gemeint und fast nie ein Anlass etwas deswegen zu unternehmen. Nur wenn es einem selbst spürbar an die Wäsche geht reagiert Mensch.


    Zwar ist nicht wirklich jeder so aber ich halte es für die Normalität.



    Die Rote Liste halte ich für eine Orientierungshilfe was jegliche Gesetzesangelegenheit angeht. Ist ein Gebiet schutzwürdig ? Wie beurteile ich die Interessen eines Einzelnen gegenüber der Natur oder dem Allgemeinwohl ? Wo kann ich argumentieren diverse Verbote auszusprechen ?
    Lauter solche Dinge. In Deutschland muß alles geregelt sein um der Ordnung willen und weil wir eine Bürokratie haben wie wenige andere. Was niedergeschrieben ist, das hat Gewicht. Logik folgt viel später.


    Für Naturfreunde stellt die Rote Liste gewiss viel mehr dar aber ich denke nicht daß das eine Bedeutung hatte als der Gesetzgeber begann sich mit Naturschutz auseinander zu setzen. Und heute immer weniger denn Ideologie hat in der Politik keine Chance und wird auch alles andere als gern gesehen unter Politikern. Sie ist nämlich äußerst unbequem und gefährlich weil man immer den Interessen anderer entgegenwirken muß. Die wehren sich natürlich nach ihren Möglichkeiten. Wer dabei Macht ausspielen kann, der tut das dann auch.
    Kein Weg um beliebt und gewählt zu werden.



    Ich bin abgedriftet. :shy:


    Für mich persönlich ist die Rote Liste auch eine Orientierung.
    Man kann daran sehen wo sich Natur findet die besonderer Wertschätzung bedarf. Leute, die Erfahrung und/oder gute Kenntnisse haben, haben an der Aussage solcher Schriften gearbeitet. Bessere Ratgeber wird es schwerlich geben. Also vertraue ich darauf daß eine Rote Liste mich wohlwollend schult.
    Dieses Wissen um eine gute Orientierung hilft mir zugleich auch anderen Menschen sagen zu können "Das ist selten und schützenswert!" oder, sich weiter informierend, "Man findet sowas nur wo es ... gibt" !
    Die Rote Liste ist somit indirekt auch Werkzeug in Sachen Natur zu bilden.
    Daß die Inhalte dann weiter anregen sich näher mit diesen in der Natur zu findenden Lebensformen auseinanderzusetzen kommt als nächstes.
    Eine Rote Liste hat also in jedem Fall einen Zweck in meinen Augen. Einen recht wichtigen zudem, will ich doch daß Natur bewahrt und gefördert wird.


    Als Seitenhieb gegen den Naturschutz sei noch angemerkt daß ich überhaupt nicht mag daß eine Rote Liste dazu führen kann den Menschen von der Natur auszusperren. Ich meide jedes Naturschutzgebiet denn dort bin ich verdammt vom Weg aus dorthin zu glotzen wo es interessant und lebendig zu werden verspricht. Diejenigen die sowas nicht interessiert, die juckt es auch weiterhin nicht ob da ein Schutz ist. Die meisten werden es auch ignorieren und fürchten höchstens mal erwischt werden für etwas das Strafe kosten würde, obgleich sowas wohl fast nie vorkommt.
    Aber ob da zum Beispiel eine Autobahn durchgehen soll, das ist denen egal. Mir übrigens auch!!! :nana: Zwar nicht wirklich, aber ich werde es auch gar nicht registrieren ob da die Bagger den Wald platt gemacht haben. Nicht vorher, nicht nachher.


    Das mal so meine Gedanken zu diesem Thema.
    Man könnte wohl noch tausend Dinge schreiben aber derzeit wachsen irgendwo auch Pilze. ;)

  • Hallo,
    der Bauernhelmi hat ja auch überall seinen Senf dazuzugeben
    ich kämpf grad, den Bauernrüpel zu unterdrücken und lass
    paar freundliche Gedanken da:


    Atomstrom: ich bin sicher wir könnten ohne, aber der ist wohl immer noch die rentabelste Art der Stromkonzerne.
    Die schieben die Gewinne ein, für die Entsorgungskosten blecht der Steuerzahler. - mehr sog i ned-


    Pilzfreunde, also verantwortungsvolle Pilzsammler, die Bewegen sich im Wald und suchen nach Pilzen.
    Die hinterlassen keinen Müll, treten keine Pilze absichtlich um.


    Die bewegen sich dort, wo Pilze wachsen und auch deren Sporen abwerfen.


    Selbige Pilzsporen finden sich an den Schuhsolen und werden somit auch im Wald verteilt.


    JA: Hier in den Wälder wachsen seit letztem Jahr auch Parasol und der Safranschirmling. Wir ind sicher die aus Oberbayern eingeschleppt zu haben, meine Süsse geht seit über 30 Jahren in die Pilze und ihr sind hier nie diese Schirmlinge aufgefallen.


    Auch die Körbe verantwortungsvoller Pilzsammler werden oft dort abgestellt, wo Pilze aussporen, nehmen diese auf und wenn erneut 100 m weiter abgestellt wird, dann bleiben auch sicher welche am Boden haften.


    Diese Sammler haben luftige Körbe, auch da verliert sich einiges an Sporen über weite Strecken im Wald.


    Zu guterletzt: ich kenne eine junge Dame aus Mitteldeutschland,
    die häufelt auch gerne mal nach Pilzgenuss im Wald
    ( Bauernhelmi sei schdad ! )


    Bei uns fanden wir mal recht oft die beiden Nadelwaldrotkappen, den spangrünen Kiefernreizker usw....


    Dass die nicht mehr so oft da sind, das liegt nicht daran, dass wir ein paar wenige Fruchtkörper entfernt haben.
    Da, wo mal viele waren, da sind vor 2 Jahren die Harvester eingerückt.


    Der Habichtspilz, früher , vor gut 30 Jahren, hab ich den so oft gefunden
    und nun ???


    Die wenigsten Sammler kennen den überhaupt ( da meine ich Maronen und Steinpilzschlappensammler ) , die wenigen Sammler sind sicher nicht schuld, dass der Pilz mal Pilz des Jahres wurde und in vielen Gegenden verschwunden ist.

  • Hallo Markus,


    Die RL ist damit ein Indikator, Barometer, für das Heranrücken und "Aufgenommen werden" in die Bundesartenschutzverordnung.


    Ich gebe Dir Recht, wenn Du die RL als Indikator oder Barometer bezeichnest. In die Bundesartenschutzverordnung ist aber schon lange nichts mehr "eingegangen" - ich vermute, das wird - pilzmäßig betrachtet - auch so bleiben.


    Grüßle
    Jürgen
    [hr]
    Hallo Ingo,



    Eigentlich ist die Rote Liste eher ein Werkzeug naturliebender wissender und kampflustiger Menschen, der unsinnigen Ausweitung von immer mehr Industriegebieten, Markthallen und Vergnügungsstätten entgegenzutreten.


    *g* Das ist sie ganz sicher, wie ich am "eigenen Leibe" erleben kann. Leider ändert das am Status Quo überhaupt nichts, diese kleinen Initiativen und Robin-Hood-Aktionen - eher, wenn sie populistischere Ausmaße annehmen (wie z.B. bei Greenpeace).


    Zitat


    In Osteuropa werden raubbaumäßig Steinpilze und Pfifferlinge für den "West-Export" abgeerntet.
    Nunja, das machen die jedes Jahr und die Pilze hören da nicht auf zu wachsen.


    Sehe ich genauso!


    Grüßle
    Jürgen
    [hr]
    Hallo Markus, ich wieder ;)



    Ich habe das jetzt mal frei und ohne Nachlesen formuliert, falls Schlagworte fehlen sollten.


    Sehr schön formuliert, wie ein druckreifer Behördentext;-)) In der RL selbst steht nichts, an wen sich die RL richtet, und das aus gutem Grund! Es gibt in der RL Bayern (2010) nur mal ein Satz, dem man entnehmen könnte, dass die Erkenntnisse der RL jemandem als "Handreichung" dienen könnten, und das sind (unausgesprochen!) Sachverständige, die Behörden beraten! Später dazu mehr - die Beitrage bisher sind richtig gut, hab die erst mal verinnerlichen müssen.


    Grüßle
    Jürgen
    [hr]
    Hallo Ralf,



    Die rote Liste richtet sich an niemanden.


    BINGO! Ralf, Du hast es! Die RL richten sich an niemanden. Weder in den RL selbst steht es, noch sonstwo.


    Zitat


    Einer der größten Feinde des Naturschutzes ist der Naturschutz.


    Soweit würde ich nicht gehen, aber der "Naturschutz" krankt eher an einer Art Fehleinschätzung seiner selbst. Und damit meine ich fast das Gegenteil, das Du hier dargelegt hast.


    Zitat

    Genau jene Fraktion, die der Meinung ist man müsse die Natur immer und überall nur sich selbst überlassen, die würde das schon regeln.

    .


    Als in den letzten Eiszeiten die Eisschilde der Polkappen und das Inlandeis zunahmen, starb die tertiäre Flora und Fauna Mitteleuropas völlig aus. Nach der Eiszeit wanderten bestimmte Pflanzen und Tiere aus ihren eiszeitlichen Refugien wieder ein - eine Entwicklung die übrigens bis heute noch anhält! Also, die "Natur" macht, was sie macht und was sie will - die braucht keinen Menschen dazu!. Wenn einer einen polierten und imprägnierten Granitstein auf sein Grab stellt, ist dieser nach spätesten 50-100 Jahren vollständig mit Flechten, Algen, Moosen und Flesenblümchen bedeckt;-). Wenn der moderne, hyper-agrarisierte Mensch seine Böden erst mal kaputt gemacht hat (eine Prognose geht von 200-500 Jahren aus) und Hungersnöte für eine Dezimierung der Bevölkerung sorgen, werden viele merken, und noch mehr bedauern, dass der Mensch sich nicht Rechtzeit "selbst geschützt" hat. Die Natur überlebt jede Katastrophe, seien es Eiszeiten, Atomschläge oder Naturzerstörung - aber der Mensch wird es vorraussichtlich nicht überleben.


    Zitat

    Man kann es drehen und wenden wie man will. Solange sich die Spezies Mensch ungehemmt vermehrt, sind alle Bemühungen in Sachen Naturschutz Schall und Rauch.


    Genau so ist es.

    Zitat

    Alles wir geopfert für die Erzeugung von Nahrung, Energie und Wohnraum. Sicher kann man komprimieren, aber auch das nur bis zu einem gewissen Punkt. Tschernobyl und Fukushima haben die Gesellschaft gelehrt, dass Atomenergie nicht akzeptabel ist.
    Das Abholzen der Wälder im Rahmen erneuerbarer Energien ist ebenfalls nicht akzeptabel, bringt uns aber nicht (sofort) um. Zudem sind erneuerbare Energien ein lukratives Geschäft.


    Und ich finde, schöner kann man es nicht auf den Punkt bringen:


    Zitat

    Sie wird erst dann zu einem sinnvollen Werkzeug, wenn Politik und Gesellschaft erkennen, dass die bisher eingeschlagenen Wege allesamt in einer Sackgasse enden.


    Grüßle
    Jürgen
    [hr]
    Hallo Mausmann,



    Ich korrigiere mal wie es meiner Ansicht nach richtiger hieße.


    Tschernobyl und Fukushima hätten die Gesellschaft lehren sollen, dass Atomenergie nicht akzeptabel ist.


    *g* Ja, das glaube ich auch! Meine Prognose: Man wird weltweit verstärkt wieder zur Atomenergie greifen - es gibt genügend Physiker, die den Politikern den Mund wässrig machen, mit der Aussicht auf ergiebige Uranvorkommen (angeblich reichen die schon jetzt bekannten, für die nächsten 4000 Jahre aus - 4000 Jahre lang "billiger Strom" und keine Angst von Energiekrisen ... ja wunderbar!!!


    Zitat

    Als Seitenhieb gegen den Naturschutz sei noch angemerkt daß ich überhaupt nicht mag daß eine Rote Liste dazu führen kann den Menschen von der Natur auszusperren.


    Danke! Genau das war es, was mich motiviert hat, diesen Thread zu eröffnen. Gerade die Naturbegeher, die Waldgänger und Wanderer, die Naturliebhaber und Naturnutzer. Gerade die, die ein Bewußtsein entwickelt haben, sollte man nicht mit Verordnungen gängeln. Gerade jemandem, der geschützte Pflanzen für seine Kräuterzubereitungen sammelt, wie seine Vor- und Vorvorfahren, wird dann eingeredet, er zerstöre die Natur. Oder einer, der mal die Schleiereule sammelt und essen will (nicht den Vogel;-) Und nebendran, am Waldrand verklappt der Bauer seine Gülle ... und darf das.


    Grüßle
    Jürgen

  • Hallo zusammen,


    noch einen kurzen Nachtrag. Der Naturschutz, der sich in Deutschland etabliert hat, ist aus "Natur-Liebhaberei" entstanden, aus den Heimat- und Naturvereinen, und das reicht zurück bis in die Epoche der Romantik. Wir erinnern uns: Die Gemälde von Caspar David Friedrich. Da sehen wir "urige" Landschaftbilder mit einzelnen alten Hutebäumen und Heiden. Diese Landschaft ist der Inbegriff von Natur schlechthin. Dass die Landschaft zur Zeit des Malers und auch seiner Zeitgenossen, den Dichtern und Denkern, eine völlig übernutzte Weidelandschaft war, die schwer unter dem "Holzzeitalter" gelitten hat, in weiten Teilen völlig entwaldet, wird von vielen Naturliebhabern gar nicht registriert.


    Am Ende des Mittelalters hatte es in Mitteleuropa so gut wie keine geschlossenen Wälder mehr, alles sah so aus wie auf David Friedrichs Gemälden. Dass wir heute Heidelanschaften schützen - aktiv, mit viel Pflegaaufwand - ist eigentlich ein Irrsinn, noch vor 80 - 100 Jahren hätte niemand so eine Landschaft unter Schutz gestellt. Das sind keine natürlichen Landschaften, sondern Reste einer (übernutzten) Kulturlandschaft. Warum schützt man sowas? Die Antwort ist einfach: Weil es Liebhaber bestimmter Organismengruppen gibt, die gut organisiert sind: Vogelfreunde, Orchideenfreunde, Schmetterlingsfreunde .... und das sind auch die Organismen, die bei Bewertungen von Biotopen die ersten Plätze belegen. Pilze interessiert niemanden, genausowenig wie Bodenbewohner (z.B. Hornmilben), die viel bessere Indikatoren wären, als so ein Uhu oder Milan ... es lohnt mal, sich darüber Gedanken zu machen.


    Grüßle
    Jürgen

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Jürgen!


    Das sind interessante Gedanken.
    Eben weil es darum geht, was eigentlich geschützt werden soll. In Europa hat der Mensch die Natur über die Jahrtausende stark geprägt und verändert. Es gibt hier kaum "unberührte", also nicht menschlich beeinflusste Natur. Aber auch das, was sich aus den Eingriffen entwickelt hat, sind Lebensräume.
    Auch Vögel können spanend sein, sind aber - und das ist auch meine Ansicht - nicht die besten Indikatoren. Aber eben ein Teil der Artenvielfalt.
    Der Lebensraum "Heidelandschaft" ist eben ein anderer als der Lebensraum "Binnendüne" als der Lebensraum "montaner Tannenwald" als der Lebensraum "Kalkbuchenwald mit umgestürzten Baumriesen" als der Lebensraum "Torfmoor".
    Das Schöne ist ja, daß es alle diese (und noch viel mehr) unterschiedliche Biotope gibt. Und daß letztlich auch anthropogen beeinflusste Landschaften eine große Fülle an Arten beherbergen können. Und damit meine ich natürlich auch Käferchen, Gräser, Moose und Pilze.



    Aber wenn ich deinen Gedankengang mal weiterspinne, dann stellt sich mir die Frage:
    Wie können wir als Menschen mit unserem stark begrenzten Verständnis von Ökologie überhaupt entscheiden, was schützenswert ist und was nicht?
    Warum ist eine Fichtenmonokultur, ein Fichtenhochwald weniger wertvoll als ein alter Buchenbestand? Warum ist ein wechelnd genutzter Agrarraum weniger attraktiv als ein Hochmoor? Warum ein Weinberg weniger vo Bedeutung für die Biodiversität als eine Dünenlandschaft?
    Das sind im grunde ja ganz individuelle und vielleicht auch willkürliche Kriterien.
    Hat Arrhenia chlorocyanea für die Natur eine größere Bedeutung als Boletus badius, blos weil er seltener ist?


    Bevor ich mich jetzt an einer Antwort versuche, lasse ich die Fragen erstmal so stehen.



    LG, pablo.

  • Hallo pablo,



    Wie können wir als Menschen mit unserem stark begrenzten Verständnis von Ökologie überhaupt entscheiden, was schützenswert ist und was nicht?


    Interessante Frage, die viel durchblicken lässt;-) Es gibt ja Menschen, die mehr als wir moderne Menschen, mit dem, was sie umgibt (Natur) im Einklang leben. Ich glaube nicht, dass solch einem Menschen, dem die Natur als ganzes heilig ist, überhaupt auf den Gedanken käme, zu entscheiden, was schützenswert ist, oder was nicht. Wer ein stark begrenztes Verständnis für Ökologie besitzt, sollte vielleicht die eigene "Ökonomie" näher betrachten, und vielleicht mal anfangen auszurechnen, wie groß eine Bevölkerung sein darf, die auf einer minimalen Fläche nachhaltig Lebensmittel produziert (und zwar ohne Verwendung von importiertem Erdöl oder überteuertem, dreckigen Atomstrom). Diese Rechnungen aber, sind bekannt, und nicht so kompliziert und in vielen Köpfen schon gelöst. Trotzdem ....


    Grüßle
    Jürgen


  • Dass wir heute Heidelanschaften schützen - aktiv, mit viel Pflegaaufwand - ist eigentlich ein Irrsinn, noch vor 80 - 100 Jahren hätte niemand so eine Landschaft unter Schutz gestellt. Das sind keine natürlichen Landschaften, sondern Reste einer (übernutzten) Kulturlandschaft. Warum schützt man sowas?


    Die Frage warum man sowas schützen muss, ist recht einfach zu beantworten.


    Wir verdanken unsere heutige Artenvielfalt einer extensiven Nutzung unserer Landschaft. Dazu gehören u.a. auch die Heidelandschaften oder alte Obstbaumwiesen. Dort leben Arten, die nur auf solchen Standorten überleben können.
    Das Zauberwort ist Biodiversität, also der Erhalt einer möglichst großen Artenvielfalt. Und das Ziel ist der Erhalt des letzten bekannten und wiederherstellbaren Zustandes größter Biodiversität.
    Überlässt man die Natur überall sich selbst, steht überall in wenigen Jahrzehnten Wald. Auch ein wertvoller Biotop, aber eben auch mit begrenzter Biodiversität. Über viele Jahrtausende würde sich, vom Menschen unangetatstet, natürlich auch wieder eine große Biodiversität einrichten. Aber wir haben nicht soviel Zeit, wie die Evolution dafür benötigt.


    Wie können wir als Menschen mit unserem stark begrenzten Verständnis von Ökologie überhaupt entscheiden, was schützenswert ist und was nicht?
    Warum ist eine Fichtenmonokultur, ein Fichtenhochwald weniger wertvoll als ein alter Buchenbestand? Warum ist ein wechelnd genutzter Agrarraum weniger attraktiv als ein Hochmoor? Warum ein Weinberg weniger vo Bedeutung für die Biodiversität als eine Dünenlandschaft?
    Das sind im grunde ja ganz individuelle und vielleicht auch willkürliche Kriterien.


    Willkürlich ist da eigentlich nichts. Mache eine Artenbestandsaufnahme in einer alten Fichten-Monokultur. Dann erfolgt ein Kahlschlag. Schon nach zwei bis drei Jahren wird man auf der gleichen Fläche die hundertfache Artenanzahl finden. Der Weinbegr jedoch ist ebenso wertvoll, wie die Dünenlandschaft, weil hier sehr viele spezialisierte Arten leben. Hier geht es nicht um entweder/oder, sondern darum beides zu erhalten.


    Wer ein stark begrenztes Verständnis für Ökologie besitzt, sollte vielleicht die eigene "Ökonomie" näher betrachten, und vielleicht mal anfangen auszurechnen, wie groß eine Bevölkerung sein darf, die auf einer minimalen Fläche nachhaltig Lebensmittel produziert (und zwar ohne Verwendung von importiertem Erdöl oder überteuertem, dreckigen Atomstrom). Diese Rechnungen aber, sind bekannt, und nicht so kompliziert und in vielen Köpfen schon gelöst. Trotzdem ....


    Grüßle
    Jürgen


    Siehste, das ist der Knackpunkt. Da traut sich aber keiner ran, weil das mit Geburtenregulierung zu tun hat. Und mit dem (notwendigen) Rückgang der Bevölkerung wird auch die Wirtschaftskraft zurückgehen.
    Money makes the world go round.
    Hinzu kommen religiöse und gesellschaftsmoralische Schranken.





    Abgesehen davon würde mich mal Dein Standpunkt interessieren. Was ist für Dich schützenswert?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Die Frage ist, ob es denn eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung gibt als die Individuelle.
    Für jeden Einzelnen sicher nicht. Aber es ist doch schon mal der wichtigste Schritt, eine individuelle Wahrnehmung zu entwickeln die über "scheiße, kein Netz hier oder was?" hinausgeht.
    Hat man sich dann erstmal ein Bild gemacht und eine Meinung gebildet, tritt man mit anderen Leuten in Kontakt, die ebenso vorgegangen sind. Was folgt ist die Diskussion und idealerweise daraus ein Konsens.


    Leider besteht der Konsens heute überwiegend darin, gerne jede Schutzmaßnahme zu ergreifen, solange es nur nicht den Interessen der Wirtschaft schadet. Sprich: Solange es keine Geldströme behindert.
    Den philosophischen Exkurs über Bedeutung und den tatsächlichen Wert von Geld erspare ich uns besser. ;)


    Es ist auch fraglich welchen Sinn es macht, die Denkweise der gesamten Bevölkerung radikal umstellen zu wollen. Ich denke, das wird nicht funktionieren. Die Zeit der Martin Luther Kings, Ghandis, Marxs ist anscheinend vorbei. Globale Vernetzung und totale Medialisierung allen Gedankenguts wirkt sich in gewisser Weise lähmend auf Massenbewegungen aus.
    Aber ist es wirklich das was wir brauchen?
    Man kann auch anders rum arbeiten. Statt die großen, politischen und ökologischen Probleme mit einer Doktrien lösen zu wollen, kann man auch mal vor der eigenen Haustür kehren und da schon mal Einiges bewirken.
    Beispiele gibt es ja durchaus.
    Und wenn man als Einzelner gut auftritt, kommen auch Sympathien dazu, die bei der Verwirklichung der Projekte helfen. Je mehr Leute sich engagieren, desto größer ist die Resonanz und so überträgt sich das weiter. Dazu braucht man keine philosophischen Abhandlungen zu schreiben.
    Manchmal reicht es sich zB gegen eine Olympia - Bewerbung zu stellen, wenn dafür ein Haufen Geld und Energie rausgeblasen wird. Man kann sogar mit noch weniger anfangen: Kein Fernsehen mehr gucken, kein Fleisch mehr kaufen, nicht mehr Auto fahren, Second - Hand - Kleidung tragen.
    Auswirkungen hat auch das, auch wenn es vielleicht nicht sofort ersichtlich ist. Kalifornien verbietet Plastiktüten. Supersache!
    Wäre aber unnötig gewesen, wenn die Leute dort beim Einkaufen einfach selbst einen Beutel mitgebracht hätten.


    Sorry für die Abschweifung.


    Soll heißen: Ob nun eine Heidelandschaft oder ein alter Buchenwald geschützt wird, ist doch ganz egal. Mir zumindest. Hauptsache es wird überhaupt geschützt.



    LG, pablo.