Kesse Lippe? --> Boletus depilatus

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 3.415 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jürgen.

  • Hallo,
    ebenso letzte Woche auf dem Hörnli-Friedhof in Riehen bei Basel (Schweiz), ca. 250 m
    auf der (gerade noch) ungemähten Rasenfläche (flache Anlage) mit Lindenallee (auf vermutlich kalkreichem Boden), im Laub leicht versteckt
    fand ich einen weiteren, aber dünn-fleischigen Röhrenpilz.


    Mein erster Gedanke: Ziegenlippe, Xerocomus subtomentosus (lt. Index fungorum Boletus subtomentosus) , da hatte ich bisher nur ein altersschwaches verschrumpeltes Exemplar mit Fragezeichen.
    Aber stimmt das überhaupt?


    Der Hut war (nicht mehr) filzig, sondern eher glatt mit Gruben (hellocker, 7 cm),
    die Röhren waren nicht sehr grob, "neon"-gelb, nicht blauend auf Druck
    Hutfleisch dünn, weiß, im Bereich angrenzend zur Röhrenschicht gelb, relativ weich, feucht gemacht auspressbar wie ein Schwamm
    Stiel 8 x 2,5 cm zugespitzt, gelb, faserig, mit rötlicher Zone nahe der Spitze und einzelnen rötlichen Flecken
    Keinerlei Blaufärbung
    Geruch: schwach
    Geschmack: leicht säuerlich


    Auch erst nach 10 Minuten Transport (lose im Stoffbeutel) im Auto fotografiert (wg. Regen)


    1 Tag später Poren dunkler oliv-braun bis rötlich-braun
    (auf Pablos Vorschlag hin entferne ich diese Bilder,
    Pilz wird einerseits blasser, andererseits bräunlich)

  • Hallo Abeja,


    Irgendwie sind Pilze in deiner vgegend recht blass. Ein Filzröhrling isses, aber keine Ziegenlippe, der das Rot fehlen würde. Vielleicht sowas wie Xerocomus communis .... oder was anderes.


    VG, Tanja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja!


    Lass mal die Bilder von den vergehenden Pilzen weg. Die stiften bei Röhrlingen mehr Verwirrung als sie Aufklärung bringen.
    Da verändert sich vieles durch die Zersetzungsprozesse, bei der makroskopischen Bestimmung von Röhrlingen muss man Frischmaterial beurteilen.


    Der pilz ist aber nicht ganz einfach.
    Das Basismycel hätte ich gerne gesehen, aber irgendwie glaube ich gar nicht recht an einen Filzröhrling.
    Mir kommt da eher sowas wie >Boletus depilatus< in den Sinn.
    Aber sicher ist das nicht, einige Details wollen mir dafür auch nicht ganz gefallen. So. zB der schlanke Wuchs, das weiche Fleisch und der leicht rippige Stiel. Das wären Merkmale, die man schon bei Filzern aus der subtomentosus - Verwandschaft erwarten würde.
    Die Ziegenlippe selbst sollte aber deutlicher gefärbtes Fleisch haben. Auch die Hutoberfläche ist mir da eigentlich zu glatt.
    Eine weitere Option wäre Boletus (Xerocomus) moravicus.
    Den hatte ich aber noch nicht in der Hand, scheint mir auch unsicher, aber ausschließen mag ich den nicht kategorisch.



    LG, Pablo.

  • Hallo,
    schon wieder so ein komischer Kandidat...


    Vor Ort sah dieser Hut im Laub so aus wie der andere Bolet, dann die Überraschung beim Herausnehmen.
    Das Fleisch war auch sehr viel weicher.
    Verglichen hatte ich versuchsweise mit Boletus depillatus und impolitus, ich dachte aber, dass diese (abgesehen von farblichen Merkmalen) immer etwas festfleischiger sein müssten (?)


    Dieser Xerocomus moravicus sieht nicht schlecht aus, der soll relativ weißes Stielfleisch haben.
    http://boletales.com/genera/xerocomus/x-moravicus/

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Die Festfleischigkeit kann durch den vielen Regen der letzten Zeit etwas gelitten haben. Oder wenn der Pilz einfach schon alt ist oder...
    Es ist wie bei allen Röhrlingen: Steinpilze werden auch wabblig, wenn sie alt sind. Und sind trotzdem Boleten.
    An farbliche Merkmale sollte man sich hier nicht zu sehr klammern. Alle von mir genannten Arten sind farblich (Hutoberfläche) sehr variabel. Schau dir mal das Bild von B. depilatus in den Großpilzen an. Das ist auch so ein blasses Exemplar, das deinem Fund fast ähnelt.


    Aber wie erwähnt: Ich bin mir hier nicht sicher.


    Hast du eigentlich den Geruch überprüft?



    LG, Pablo.

  • Hey,


    zugegeben der sieht erstmal aus wie ein Filzer, aber ich habe eine andere Idee:


    Hemileccinum depilatum?


    (Kleine, leuchtend gelbe Poren, gelbes Fruchfleisch im Bereich der Röhren.. Stielbeschuppung kann man sich hindichten..., glatter, gehämmerter Hut usw..)


    Ich hab allerdings von Röhrlingen im Detail nicht die große Anhnung und diese Art auch noch nie selbst gesehen :D - also nur als Einwurf zu verstehen..


    EDIT: Huch, wurde ja auch schon geschrieben - naja ich bin jedenfalls auch dafür!


    VG
    Konrad

  • Hallo,


    X. depilatus und X. impolitus würde ich ausschließen. Beide haben einen anderen Habitus und andere Farben. Ich sehe einen relativ rothütigen Filzröhrling mit gelbem (nicht zu gelbem) Fleisch, der einfach nicht mehr alle Farben bei sich hat. Deswegen hatte ich an X. communis gedacht oder einen anderen Filzröhrling.


    VG, Tanja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Abeja.


    Das mit dem Geruch ist schade.
    Aber der ist nach meiner Erfahrung bei Boletus (Hemileccinum) depilatus auch schwächer als bei Boletus impolitus.
    Zumindest letzteren kenne ich übrigens durchaus mit so blassen Hutfarben.
    Die Ziegenlippe (Xerocomus subtomentosus) hat den gleichen Geruch, sowohl bei B. depilatus als auch bei X. subtomentosus muss man mal die Stielbasis kräftig rubbeln, spätestens dann sollte man Iod, Desinfektionsmittel etc. riechen.


    Die Fleischwarben sind hier natürlich schon wichtig.
    Allerdings ist Boletus depilatus im Fleisch ja nicht rein weiß.
    Und hier sieht es mehr so aus, als wäre das Pigment aus den Röhren etwas ins Hut - und Stielfleisch hineingelaufen. Das ist auch so eine Sache, die bei Röhrlingen gerne mal passiert.
    Gegen eine Ziegenlippe spricht auch das völlige Fehlen von blauen Verfärbungen.
    Das würde zusammen mit dem blassen Fleisch tatsächlich nur den erwähnten Verdallerten oder eine nicht verfärbende Art aus der Gruppe um X. subtomentosus zulassen.
    An. X. ferrugineus mag ich hier aber nicht glauben, die Farben und das Habitat stimmen nicht.
    Eine Art der Rotfußröhrlinge schließe ich aus. Gerade X. communis sieht vor allem im Schnitt ganz anders aus.



    LG, Pablo.

  • Hi,


    je öfter ich schaue, desto sicherer bin ich mir..


    zum Geruch: sehe ich unkritisch (muss man wohl auch eher nach "suchen")


    zum Habitus: man mag monieren es sei ein schlankes Exemplar für Hemileccinum depilatum - genauso kann man sagen es ist mit 2,5cm Stieldurchmesser m.E. ein stattlicher Filzröhrling...


    Zu den genannten Merkmalen möchte ich noch die wurzelnde Basis ergänzen, die ebenfalls gut passt.


    Hier noch ein Bild von Hemileccinum depilatum mit großer Ähnlichkeit:
    http://www.mykopedia.org/files…emileccinum_depilatum.jpg


    - vorausgesetzt die Bestimmung von Mycopedia.org stimmt...



    VG

  • Da ich derzeit eh schon völlig verwirrt bin......:
    Pablo bezeichnet die Art als boletus depilatus und Tanja als xerocomus depilatus und Irrlicht als hemileccinum depilatus.


    ist denn alles drei korrekt?

    • Offizieller Beitrag

    Morgen, Björn!


    Im Grunde ist alles drei korrekt, ja.
    Nach IndexFungorum wäre der Pilz aktuell zu Boletus zu rechnen.
    Aber Sutara hatte auch seine Argumente, den zu Hemileccinum zu stellen und Binder & Besl die ihren, ihn als Xerocomus zu definieren.
    In den meisten Büchern läuft er unter Boletus, glaube ich.
    Vgl auch unter Anmerkungen im Portrait.



    LG, Pablo.

  • Da hätte ich nochmal eine Frage... warum schließt ihr B. impolitus aus? Nur wegen der delligen Huthaut bei B. depilatus, die hier ja eventuell vorhanden ist? Oder gibt es da noch etwas anderes, worauf man achten kann? Boletales.com sagt ja, nur eine Untersuchung der Huthaut könne Sicherheit geben, aber was genau soll man da untersuchen?

    Gnüße von Gelbhex-Gnarifa und Fani ausm Süüüüdn! Sonn' is! Gnihihihii! :sun: :sun: :sun:

    Meine Bilder dürfen unter Namensnennung frei verwendet werden (CC-BY Lizenz).

  • Hallo Sarah,
    ich kann da eigentlich nichts Wesentliches zu beitragen, ich hatte mich jetzt auf das Urteil von Jürgen gestützt (und die meisten anderen gingen auch in diese Richtung).
    Auf deine Anregung hin habe ich mir nochmal die Beschreibungen bei Boletales.com durchgelesen.
    http://boletales.com/genera/boletus/b-depilatus/
    http://boletales.com/genera/boletus/b-impolitus/


    Rein von der Optik her spricht m.M. neben dem "gedellerten" Hut, der sehr schlanke Habitus mit zugespitztem wurzelnden Stiel für B. depilatus "Stipe tapering or spindle-shaped, curved and deeply buried in the substrate"
    (B. impolitus "Stipe cylindrical, club-shaped or swollen").


    Dann soll der Stiel bei B. depilatus eher faserig ("fibrilose") sein, der von B. impolitus mit gleichfarbenden oder dunkleren Körnchen besetzt ("covered with scattered concolorous with the background or darker granules"). Körnchen hatte mein Pilz nicht.


    Keine Ahnung, wie variabel das alles ist.


    Die Untersuchungen der Huthaut beziehen sich auf die Hyphenstruktur:
    B. depilatus: "palisadoderm: hyphae of sperical and shortly cylindrical, not incrusted cells, terminal cells 16.5–“44 × 8.5–“30 μm, ratio 1–“4.5."
    B. impolitus : "trichodermium, composed of hyphae of long cylindrical not encrusted cells"


    Seltsamerweise wird in den oben zitierten Beschreibungen bei beiden Pilzen der Geruch als "not distinctive" bezeichnet (ich hatte ja auch nichts wahrgenommen, in den dt. Beschreibungen wird aber immer der Jod-/ Karbolgeruch genannt.)


    Etwas "Sorgen" machen mir auch die Mykorrhiza-Partner:
    möglicherweise ist B. depilatus an Hainbuche und Hopfenbuche gebunden, B. impolitus scheint ein weiteres Partner-Spektrum (Laubbäume allg.) zu haben.


    Meine Pilze befanden sich s.o. auf einer Rasenfläche mit lauter Linden (2-5-10 m Entfernung), alle anderen Laubbäume (Hainbuchen möglich, aber nicht wahrscheinlich) deutlich weiter entfernt.

  • Meine Pilze befanden sich s.o. auf einer Rasenfläche mit lauter Linden


    Hallo,
    gut zusammengefasst. :thumbup: Linde ist als Begleitbaum für B. depilatus völlig ok und jedenfalls kein Ausschlusskriterium. B. impolitus kenne ich persönlich nur unter Eiche.
    Grüße, Jürgen
    [hr]

    Meine Pilze befanden sich s.o. auf einer Rasenfläche mit lauter Linden


    Hallo,
    gut zusammengefasst. :thumbup: Linde ist als Begleitbaum für B. depilatus völlig ok und jedenfalls kein Ausschlusskriterium. B. impolitus kenne ich persönlich nur unter Eiche. Der Jodgeruch ist bei beiden Arten vorhanden (Stielbasis!!), bei impolitus aber meist ausgeprägter.
    Grüße, Jürgen