Pilze im Depot

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 7.012 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Karl W.

  • Liebe Forumsleser


    Bei dem Depot handelt es sich um das Naturschutzgebiet Brachter Wald, in dem die Arbeitsgemeinschaft Pilzkunde Niederrhein (APN) seit mehr als 14 Jahren kartiert und bisher mehr als 1100 Pilzarten festgestellt hat.


    Hier einige kleine Eindrücke vom letzten Samstag



    Auf schotterhaltigem Sandboden bei Kiefern findet man ihn jetzt zahlreich


    Kupferroter Gelbfuss (Chroogomphus rutilus)



    Auf magerem Sandboden zwischen kleinen Kiefern, Heidekraut, Moosen und Flechten steht ein Risspilz, dessen Sporen mehr als doppelt so lang wie breit sind und dessen Stiel sich bei Druck dunkelbraun verfärbt.


    Spindelsporiger Risspilz (Inocybe lacera)



    Magere Wiesen bevorzugt hingegen der nächste Vertreter


    Runzliger Samtritterling (Dermoloma cuneifolium)



    Weit verbreitet und oft hundertfach, aber nur selten so taufrisch und schön behangen


    Amiant Körnchenschirmling (Cystoderma amianthinum)



    Nur halb unterirdisch in reinem Sand bei Kiefern zeigt sich die


    Gelbbräunliche Wurzeltrüffel (Rhizopogon luteolus) gelegentlich als R.obtextus bezeichnet



    Die Erdzungen erreichen langsam ihren Maximalaspekt sind aber meist noch bis Dezember zu finden. In typischer Ausprägung an ihrem schuppigen Stiel erkennbar


    Täuschende Erdzunge (Geoglossum fallax)



    Hier noch mal von der Sonne angestrahlt



    Ein solches Massenvorkommen kannte ich bisher nur von der Schleimigen Erdzunge (Geoglossum glutinosum), die sich aber noch nicht zeigte. Einen etwas runzligen oder fast glatten Stiel besitzt die


    Schwarze Erdzunge (Geoglossum umbratile)



    Von der folgenden Art entdeckten wir erstmal im Oktober 2012 eine kleine Gruppe. Im letzten Jahr konnte trotz intensiver mehrfacher Suche kein Exemplar gefunden werden. Am Samstag dann die freudige Überraschung. Mehr als 30 Exemplare


    Olivbraune Stielzunge (Microglossum olivaceum)



    Zurück zum mageren Sandboden. Im ausgebreiteten Zustand bis zu 3 cm groß und bei Kiefern wachsend.
    In der Literatur findet man meist die Bezeichnung Großsporiger Sandborstling für folgende Art. Untersuchungen von D. Benkert (Zeitschrift für Mykologie 76/2, 2010) haben gezeigt, das der Name falsch angewendet wurde.


    Kleinsporiger Sandborstling (Geopora arenicola) oft noch als Sepultaria



    Beim nächsten Exemplar warte ich noch auf vollständig ausgereifte Sporen, um die Bestimmung abzusichern.


    Kurzhaariger Schildborstling (Scutellinia cf. kerguelensis)



    Durch größere Fruchtkörper, dunklere Hutfarben und Vorkommen bei Nadelbäumen vom ebenfalls nach Kokos riechenden, aber meist bei Birke wachsenden Blassen Duft-Milchling (Lactarius glyciosmus) zu unterscheiden.


    Dunkle Duft-Milchling (Lactarius mammosus)



    Fast ausschließlich bei Kiefern wachsen die folgenden Vertreter der Milchlinge mit von Beginn an karottenroter Milch.


    Edel-Reizker (Lactarius deliciosus)



    Von oben sieht man oft keinerlei orangefarbene Töne und merkt erst beim umdrehen, was man gefunden hat.


    Wechselblauer Edel-Reizker (Lactarius quieticolor)



    Erstaunlich häufig findet man Rötlinge aus der Untergattung Leptonia im Gebiet. Die Vertreter dieser Untergattung besitzen einen feinschuppigen oder zumindest im Zentrum runzeligen Hut und sind meistens nur mikroskopisch bestimmbar.


    Zu den eher unauffällig gefärbten Arten gehört eine Art, deren deutscher Name eine Bestimmung eher erschwert. Rote Töne findet man nur selten und oft erst nach mehr als einem Tag im unteren Stielteil.


    Rötender Zärtling (Entoloma turci)



    Eine Art mit blauschwarzen Lamellenschneiden und nur sehr jung blauen Tönen am Hutrand ist der


    Blaugesäumte Zärtling (Entoloma caesiocinctum)



    Der nächste war zwar hier http://www.pilzforum.eu/board/showthread.php?tid=27166 schon bei, aber es ist halt einer meiner Lieblingspilze. Zumindest jung mit deutlichen Blautönen in den Lamellen zeigt sich der


    Blaublättrige Zärtling (Entoloma chalybaeum)



    Drei von vier im Gebiet nachgewiesenen Saftlingsarten, die sich durch trockenen Hut, helle Hutschüppchen und trockene Stiele von ähnlichen Arten unterscheiden, waren noch zu entdecken. Oft schon im August zeigt sich die wohl schönste Art, von der es noch wenige Einzelexemplare gab. Ihr Geruch ist nur schwach und nur nach Lagerung in einer geschlossenen Dose beim Öffnen zu bemerken. Ein gutes makroskopisches Merkmal sind die deutlich abstehenden Hutschüppchen, die aber nur bei trockenem Wetter so auffallend sind.


    Knoblauch-Saftling (Hygrocybe helobia)



    Wesentlich später erscheint gewöhnlich eine weitere Art, die gerade ihre ersten Fruchtkörper zeigte.


    Mennigroter Saftling (Hygrocybe miniata)



    In Der Erscheinugszeit überschneidet sich die dritte Art mit ihren Vorgängern. Herablaufende Lamellen sind ein gutes Trennmerkmal.


    Pfifferlings Saftling (Hygrocybe cantharellus)



    Denn Schluss bildet eine kleine Keule, die ich wohl häufiger fotografiert habe, als jeden anderen Pilz. Sie erscheint zuverlässig in jedem Jahr auf sandigen meist mit Heidekraut bewachsenen Standorten und kann, in guten Jahren, bei einer einzigen Exkursion, an hundert Stellen gefunden werden.


    Heidekeule (Clavaria argillacea)




    LG Karl

  • einfach nur genial! ich finde diese blauen Zärtlinge so hammer und die Schildborstlinge ebenso:thumbup: aber auch die anderen haben es mir angetan, tolle Funde!

    Liebe Grüße, Juliane




    [font="Arial Black"]man kann alle Pilze essen, manche jedoch nur einmal [/font]:plate:


    83 Pilzchipse (+2 Trompetenschnitzlingabdruck)


    *JE SUIS CHARLIE*

  • Danke fürs Mitnehmen ... wunderbare Bilder!

    Grüßle ... und so :)


    Meine, meist falschen und dilettantischen, oft auch einfach so hingeworfenen, Bestimmungsversuche stellen in keinem Fall und niemals eine Essensfreigabe dar!


    Schwammerl! Es heißt Schwammerl!
    94 Chipse. 2 x 3 verloren für Porlingswette.

  • Hallo Karl,
    danke für den wunderschönen Bericht und die klasse Bilder.


    Die Reizker sind wunderschön, vom Bild weg könnte ich den wechselblauen nicht festmachen, gibt es da ein ganz verlässliches makroskopisches
    Merkmal ohne den Milchfluss ( gibt es den überhaupt ? )


    Mein Favorit naturlich die "blühenden" Trompentenflechtenstengel
    neben dem Spindelsporiger Risspilz

  • Hallo Karl!
    Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Du bringst immer einen wohlgefüllten bunten Strauß - oder sagt man hier besser Korb - Pilze für uns mit. Toll, was Du uns zeigst. Und diese Farben... unglaublich!

  • Ach, Karl!


    Da machst du mir ja wieder den Mund wässrig.
    Zu den Arten und Bildern muss man wohl nichts mehr sagen. :thumbup:
    Wenns nur nicht so weit weg wäre (hin und zurück ca. 1250 km). :(
    Wie dem auch sei.
    Auf jedem Fall eine Option für die nächste Dungpilztagung, die für 2016 angedacht ist!
    Wollen mal sehen, wie sich das entwickelt!


    Herzliche Grüße


    Nobi


    PS.


    Ein solches Massenvorkommen kannte ich bisher nur von der Schleimigen Erdzunge (Geoglossum glutinosum), die sich aber noch nicht zeigte.


    Bei uns ist sie inzwischen da. Ich zeige sie dann gleich noch.

    Hier geht es zu meinen Themen.

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    Chips: 72

  • Hallo Karl,


    wieder zeigst Du tolle Funde, von denen ich einige wenige schon "live" im Depot bestaunen durfte. Die Scutellinia ist für mich natürlich besonders interessant, bin mal gespannt ob sich Dein Verdacht bestätigt.




    Auf jedem Fall eine Option für die nächste Dungpilztagung, die für 2016 angedacht ist!
    Wollen mal sehen, wie sich das entwickelt!


    Na das wär ja mal richtig was:-)

  • Hallo Karl,


    was für prächtige Fotos von hochinteressanten Arten! Vielen Dank für diesen Bericht.


    Da ist in Eurem Depot ja eine ganze Menge los.


    Ich kann verstehen, dass der Blaublättrige Zärtling zu Deinen Lieblingen gehört, er ist wunderschön.
    Und die Saftlinge sind natürlich auch jedes Mal Hingucker.


    Dann wünsche ich Dir noch weitere tolle Entdeckungen in dieser Pilzsaison.


    Viele Grüße
    Gerd

  • Ich staune immer wieder, was es für wunderschöne Arten bei uns gibt, von denen ich noch nicht gehört und gelesen habe. Danke fürs Zeigen. Sehr eindrucksvolle Aufnahmen!


    H Gr Dryocopus

  • @ An Alle: Ich kann Eure Begeisterung nur zu gut verstehen. Auch nach mehr als 150 Begehungen in 14 Jahren, bin ich an manchen Tagen immer noch fasziniert.


    @ Helmut: Ich habe anfangs die Funde von L. deliciosus und L. quieticolor nebeneinander mikroskopiert. Bei L. quieticolor ist das Sporenornament etwas deutlicher, was man aber nur im direkten Vergleich beurteilen kann. Bei beiden Arten ist die Milch karottenrot und verändert sich auch nach 30 Minuten nicht nennenswert. Die Hutfarbe ist, besonders bei nicht zu alten Fruchtkörpern, völlig unterschiedlich. L. quieticolor ist im primordialem Zustand völlig blau und sieht dann bald von oben aus wie L. quietus. Ältere Einzelfruchtkörper sind wohl nur zu unterscheiden, wenn man die Art häufig frisch gesehen hat.


    @ Nobi: Ich zeige am Wochenende eine Präsentation über den aktuellen Kartierungsstand vor Biologen, wobei auch Mitglieder der für Pflegemaßnahmen zuständigen Biologischen Station und die Naturschutzbeauftragte des Kreises anwesend sind. Ich werde das Thema (Dung)pilztagung mal in den Raum werfen. Wahrscheinlich wäre nicht mal eine zusätzliche Begehungserlaubnis erforderlich.


    @ Ralf: Bisher nur wenige reife Sporen bei der Scutellinia, die gerade in BW-Lactophenol badet. Ich halte Dich auf dem Laufenden.


    LG Karl


    Hier noch ein weiteres Bild von L. quieticolor

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Karl!


    Auch hier wieder: Ein wunderbares Thema. :thumbup:
    Pilze zum genießen.


    Aber mal eine kleine, egoistische Frage am Rande: Was ist Entoloma chalybaeum mit dunklen Lamellenschneiden? :/



    LG, Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Karl!


    Ist mir durchaus bewusst, mache ich ja auch immer so rum. ;)
    Nein, ich wollte nicht auf Entoloma caesiotinctum hinaus.
    Ich meine schon eine Art, die so aussieht wie Entoloma chalybaeum, eben auch mit blauen Lamellen und schwarzblauem Hut und Stiel, aber eben dazu mit dunklen Lamellenschneiden.


    Sowas lief mir heute nachmittag nämlich über den Weg:


    Vielleicht ist das aber auch nur ein Schaden durch wasweißichfüreinpilzproblem. Ich gucke mir den morgen noch mal genauer an.



    LG, pablo.

  • Hallo Pablo


    das konnte ich wirklich nicht ahnen auch wenn mich der Ausdruck egoistisch in diesem Zusammenhang gewundert hat. Auf Deinen Bildern ist Entoloma serrulatum zu sehen. Die dunkle Hutfarbe bleibt fast bis zum Vergehen erhalten, was den makroskopischen Unterschied zu E. caesiocinctum ausmacht. Die Lamellen sind bei E. serrulatum übrigens nicht immer so deutlich blau.


    LG Karl


    PS. Mikroskopieren solltest Du trotzdem. Wenn Du ohne zu Quetschen eine Lamellenschneide betrachtest, könntest du eine Überraschung erleben.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Karl!


    Ich mag Überraschungen. Solange die Deckgläschen heile bleiben. ;)
    Keine Sorge, Rötlinge werden immer mikroskopiert. Ich will sie ja kennen lernen, das gehört definitiv dazu.
    Danke für deine Voreinschätzung. :thumbup:



    LG, Pablo.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo nochmal!


    Ja, das ist in der Tat beeindruckend:


    Sowas habe ich jedenfalls noch nie gesehen. Riesige, liegende, teils büschelig aufgerichtete Zystiden... Das sieht ja aus wie Huthaut! 8|



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo


    Die Aufnahmen sind Dir sehr gut gelungen. Im Gegensatz zu normalen Zystiden, die aus dem Hymenium herauswachsen, liegt hier eine Hyphenschicht vor, die parallel zur Lamellenschneide verläuft und deren Enden oft büschelweise aufgerichtet sind. Das nennt sich auch Serrulatumstruktur oder Serrulatumtyp und kommt bei mehreren Arten und auch in anderen Gattungen vor. Eigentlich sind das gar keine richtigen Zystiden.


    LG Karl