Frage zu Mykorrhizapartnerschaften von heimischen Bäumen

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.627 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Mich beschäftigt folgende Problematik:


    Während heimische Vertreter vor allem der Buchen-, Birken- und Kieferngewächse oft eine lange Liste an Großpilz-Partnern aufweisen, scheinen eine ganze Reihe anderer heimischer Bäume viel weniger Symbiosepartner unter den Großpilzen zu haben.
    Beispiele für heimische Arten/Gattungen mit auffallend wenig Pilzpartnern die mir so einfallen wären: Tilia, Alnus, Ulmus, Acer, Fraxinus, Taxus, Obstbüme (Rosaceae)...


    Was kann dafür der Grund sein? Oder kenne ich die entsprechenden Arten nicht? Gibt es Listen für die heimischen Baumarten?


    Eine Idee von mir wäre, dass es vllt. mit den Verwandschaften und der entspechenden Koevolution zusammenhängt (können etwa nur manche Familien Ektomykorrhiza??)


    Eine andere Idee wäre, dass es vom natürlichen Vorkommen abhängt und die dominanteren Arten eine höhere Zahl an Partnern entwickelt haben...


    Richtig schlüssig scheint mir das alles nicht..


    VG
    Konrad

  • Hallo Konrad,


    sicherlich ein interessantes Thema. Einige Bäume wie Ahorn, Esche und Walnuß gehen keine Mykorrhiza ein. Deshalb wird es Dir auch schwer fallen, entsprechende Partner zu finden.


    Andere von Dir genannte Bäume hingegen sind zumindest bei mir in der Gegend deutlich seltener und allein deshalb sind die entsprechenden Partner ebenfalls seltener zu finden. Ich kann mich z.B. gar nicht erinnern, wann ich eine Eibe das letzte Mal in freier Wildbahn (nicht Park oder Friedhof) gesehen habe.


    Andere Bäume wie Erlen wachsen nur in speziellen Biotopen, die meist bei der Pilzsuche nicht berücksichtigt werden. Deshalb werden die Mykorrhizapilze einfach viel zu oft übersehen.


    Ob es (vollständige) Liste gibt, hege ich meine Zweifel, da es einfach viel zu viele (Mykorrhiza-)Pilze gibt und nur die wenigsten auf genau einen Baumpartner angewiesen sind. In den Großpilzen Baden-Würtembergs zum Beispiel sind die Baumpartner bei den beschriebenen Arten aufgeführt.


    Lieben Gruß
    Christoph

  • Hallo Konrad,


    ein sehr spannendes Thema, über das ich mir auch schon oft den Kopf zerbrochen habe. Allerdings anders herum. Ich hab schon mal versucht, im Internet zu bestimmten Bäumen Mykorrhizza-Partner zu finden. Sprich z.B. alles was mit Buche harmonisiert usw...


    So wirklich weiter bin ich allerdings nicht gekommen. Leider. Aber bald ist Winter. Vielleicht beschäftige ich mich dann mal ein bisschen intensiver mit dieser Frage. Oder jemand anders aus dem Forum hat sich möglicherweise schon mal in dieser Richtung Arbeit gemacht?


    Bin gespannt obs hier weitergeht. Würd mich auf jeden Fall interessieren...


    Christoph:


    Jetzt ohne nachzugucken mit dem Risiko, völlig daneben zu liegen:


    Sagt man nicht, Morcheln wachsen gern bei Eschen?

  • Hallo Ralf,


    ja das sagt man schon. Aber heißt das automatisch, dass Morchella esculenta und M. gigas auch Mykorrhiza Pilze sind? Auch das organische Material der nicht Mykorrhiza-fähigen Bäume muß ja irgendwie abgebaut werden.


    Lieben Gruß
    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Das ist auch ein nicht ganz einfaches Thema.
    So weit ich weiß Haben übrigens alle Bäume Pilze als Symbiosepartner. Im grunde sogar alle höheren Pflanzen. Einige aber bilden nur Endomykorrhiza, d.h. das Pilzgeflecht umgibt nicht die Wurzel, sondern lebt in ihr. Diese Pilze allerdings bilden wohl fast nie Fruchtkörper, zumindest keine Sichtbaren.


    Die Pilze die wir so kennen, sind fast ausnahmslos Ektomykorrhiza - Bildner. Dabei umschließt das Mycel die Wurzeln, ohne aber in diese einzudringen.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, was einige Pilze betrifft, es mag ein paar Trüffeartige und Ascomyceten geben, die Endosymbionten sind.
    Wo ich mir allerdings so gut wie sicher bin: Es gibt einige Baumarten, die ausschließlich Endomykorrhiza bilden.
    Das wären alle Ahorne, dazu Platane und Rosskastanie.
    Bei Eschen bin ich mir nicht ganz sicher, meine aber auch, daß die nur Endomykorrhiza können. Wie Morcheln leben, ist wohl nicht restlos geklärt.
    Wenn es Mykorrhizapilze sind, dann gilt das wohl nur für M. esculenta s.l., M. conica s.l. ist definitiv kein Mykorrhiza - Pilz.
    Und dann müsste man überlegen, ob Eschen eben doch Ektomykorrhiza bilden können oder ob M. esculenta ein Endosymbiont ist.



    Ansonsten können wohl fast alle Bäume hierzulande Ektomykorrhiza bilden. Und auch die meisten Gebüsche. Und einige Blütenpflanzen können das auch. Weide geht, Erlen und Pappel haben ihre Partner, Douglasie auch, aber nur wenige (weil eben nicht heimisch). Rosaceen können auch (vgl. Entoloma saepium zB).


    Wie wäre es mal mit einer Stoffsammlung?
    Man könnte mal eine Liste von Baumarten erstellen und dann jeweilige M - Partner dazu notieren.
    Boletus edulis kann man ja dann schon mal blanko überall dazu schreiben. ;)



    LG, Pablo.

  • Hallo,


    danke für eure Antworten bis hierhin. Dass einige Arten also keine Ektomykorrhiza bilden, klärt schon mal einiges. (irgendeine Mykorrhiza machen ja fast alle Pflanzen)


    Interessant sind aber dann ja noch die Bäume die das schon tun nur mit scheinbar wenigen Arten.
    Mir schießt da die Linde in den Kopf. Die Arten sind hier heimisch und keinesfalls selten - ich bin mir sicher Boletus luridus geht gerne mit Linde! Mehr fällt mir da aber schon nicht mehr ein... vllt. Xerocomus oder sowas. Achso und Boletus radicans!


    Solche Listen oder wie Pablo vorschlägt Datensammlungen dazu fände ich sehr spannend ich würde meinen da käme auch viel neues raus! Allein einige aktuelle Literatur die ich habe gibt oft vermutete Baumpartner oder unklare Verhältnisse an.
    Das kennt doch bestimmt fast jeder, dass man Arten unter Bäumen findet, die nicht im "Pilzbuch" stehen?


    Komisch auch, dass Bäume gegenüber Strächern so bevorzugt werden. Kann doch dem Pilz egal sein eigentlich :P


    VG
    Konrad

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Konrad,


    unter Linde finde ich auch gern C. prunulus, T. agyraceum und T. scalpturatum. Auch Risspilze habe ich schon unter Linden gefunden. Da geht einiges; man muss nur suchen. Xerocomellus communis wäre auch noch so ein Kandidat.


    l.g.
    Stefan

  • Komisch auch, dass Bäume gegenüber Strächern so bevorzugt werden. Kann doch dem Pilz egal sein eigentlich :P


    VG
    Konrad


    Hallo Konrad,


    die Rede war ja von Mykorrhiza. Da spielt es sicher eine Rolle, wie tief oder breitflächlig der Baumpartner wurzeln oder speichern (im zeitlichen Rahmen betrachtet) kann, also spielt auch sicher das Volumen und damit die vorhandene Speicherkapazität über die Jahreszeiten und teilweise eine lange Zeit für einen gegenseitigen Austausch hinweg eine immense Rolle. Diese Zusammenhänge halte ich für relativ einfach nachvollziehbar.


    LG,
    Markus


  • Findest du? Quantitative Effekte sind aber immer so eine Sache... ist halt die Frage ob man (Pilz) sich daran nich anpassen könnte (okay geben tut es das ja auch...), es geht ja um Diversität und nicht um Biomasse.
    Allerdings gibt es ja Mykorrhiza oft auch schon mit ganz jungen Bäumen die noch weniger Kapazitäten haben müssten - und Fruchtkörper findet man ja trotzdem. Zudem Wurzeln ja auch viele Bäume sehr flach.


    Aber ich kann mir schon vorstellen, dass ob der geringeren Kapazitäten von Stäuchern i.A. andere Formen der Mykorrhiza effizienter sind.



    @ Stefan - Interessant wen du da nennst! Aber dennoch wage ich zu behaupten, dass das alles kein Vergleich zu Buche oder Kiefer ist.


    VG
    Konrad

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    spontan fallen mir dann noch A. rubescens, A. excelsa und A. strobiliformis und Russula pectinatiodes an Tillia ein. (alles eigene Funde)


    Mag ja sein, dass Buche, Eiche und Kiefer Spitzenreiter sind; trotzdem gibt es bei Linde einige mögliche Pilzpartner; nicht nur die 2 von dir genannten.


    l.g.
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hi.


    Dann kann man doch mal glatt anfangen.


    Linde (Tilia sp.):
    - Amanita excelsa
    - Amanita rubescens
    - Amanita strobiliformis
    - Boletus edulis (kann man ja immer reinschreiben)
    - Boletus luridus
    - Boletus radicans
    - Clitopilus prunulus
    - Inocybe sp.
    - Paxillus involutus
    - Russula pectinatoides
    - Tricholoma argyraceum
    - Tricholoma scalpturatum
    - Xerocomellus bubalinus
    - Xerocomellus communis / engelii


    ...to be continued.



    LG, Pablo.

  • Hallo,


    wenn man beruecksichtigt, dass ein Pilz sich ueber mehrere Hektar erstrecken kann, dann ist es doch in der Praxis in einem Mischwald unmoeglich zu sagen, welcher Pilz zu welchem Baum gehoert. Verschiedene Baeume koennen ja auch mit demselben Pilzmyzel verbunden sein.


    Bei reinen Buchen- oder Eichenwaeldern ist das schon eher moeglich. Hier ist z. B. eine Untesuchung zu Grosspilzen in irischen Eichenwaeldern, die innerhalb von 3 Jahren 94 verschieden Pilze 39 verschiedener Gattungen festgestellt hat.


    lg. Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, dieter!


    Daß sich ein Mycel über eine so große Fläche ausbreitet, ist aber zumindest bei Mykorrhizapilzen unwahrscheinlich. Es ist zwar auch möglich, daß sich ein identischer Organismus mit mehr als einem Baum verbindet. Allerdings hat ein einzelner Baum auch oft mehr als einen Mykorrhizapartner. Im Wurzelgeflecht eines Waldbodens herrscht also ein ziemliches Getümmel und Gedrängel und genauso, wie Baumwurzeln um den besten Zugang zu Nährstoffen, Wasser und Mineralien (und Pilzpartner) konkurrieren, konkurrieren auch auch die Pilze untereinander um die besten Ausgangspositionen. Natürlich auch verschiedene Organismen ein und der selben Art.



    LG, pablo.

  • Hallo Pablo,



    Daß sich ein Mycel über eine so große Fläche ausbreitet, ist aber zumindest bei Mykorrhizapilzen unwahrscheinlich.


    Ich hab neulich von einem Pilz in der Schweiz gelesen, der sich ueber 30 oder 40 Hektar ausgebreitet hat. Auch wenn sich die meisten Pilze nicht so weit ausbreiten, bleibt doch das Problem, dass Pilze oft mit mehreren Baeumen (ja sogar mit verschiedenen Baeumen) gleichzeitig verbunden sein koennen.


    Zitat

    Im Wurzelgeflecht eines Waldbodens herrscht also ein ziemliches Getümmel und Gedrängel und genauso, wie Baumwurzeln um den besten Zugang zu Nährstoffen, Wasser und Mineralien (und Pilzpartner) konkurrieren, konkurrieren auch auch die Pilze untereinander um die besten Ausgangspositionen.


    Damit wirfst du ein Thema auf, dass mich seit einiger Zeit interessiert: Genau wie es ueber der Erde eine Konurrenz zwischen Pflanzen gibt, wobei eine Pflanze eine Andere verdraengen kann, wird es auch unter der Erde eine Konkurrenz zwischen dem Myzel verschiedener Pilze geben.


    Meine Frage dazu ist: gibt es irgendwelche Texte zu der Konkurrenz unter den Pilzen?


    Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe, mache ich Versuche mit der Pilzvermehrung, hauptsaechlich indem ich Pilzabfaelle bei potenziellen Wirtspflanzen in die Erde einbringe.


    Also z. B., wenn sich durch mein Eingreifen irgendwo Pfifferlinge ausbreiten sollten, koennten dadurch Steinpilze, die sonst an dieser Stelle wachsen, verdraengt werden?


    lg Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Dieter!


    Ein konkretes Buch, wo dazu etwas drinsteht, kann ich dir nicht nennen. Es gibt dazu Artikel hier und da, in mykologischen und botanischen fachzeitschriften, die eigenen Beobachtungen...
    Aber es ist bei Pilzen eben so, daß alles sehr viel weniger untersucht ist, als bei Pflanzen oder Tieren.
    Natürlich gibt es Konkurrenzsituationen, aber es gibt anscheinend auch Partnerschaften zwischen verschiedenen Pilzarten. Meist parasitär, aber ich glaube, da sind noch ganz andere Lebensgemeinschaften möglich. Warum sonst tummeln sich oft auf begrenztem Raum besonders viele Arten, während es an anderen stellen nur sehr wenige gibt?
    Diese Zusammenhänge zu erforschen und zu erfahren, was da wirklich dahintersteckt, wird noch lange Zeit brauchen.



    LG, pablo.