Nichts ist perfekt...

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 8.137 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Mreul.

  • Hi zusammen,


    in den letzten Tagen und Wochen hab ich mir verstärkt "unsichtbare" Pilze angeschaut, also solche weit unter 1mm Größe. Gegen die meisten folgenden Arten ist selbst ein zu klein geratenes Knopfbecherchen noch ein Gigant.


    Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es um imperfekte Pilze, also Nebenfruchtformen, besonders solche, die sehr wenig auffällig sind.


    Fundorte:
    Finden kann man die prinzipiell überall, wo irgendwie organisches Material zu finden ist. Erkennen kann man davon oft nur schwarze, undeutliche Flecken z.B. auf Totholz oder Krautstängeln. Das meiste davon wird gern mal einfach als "irgendein Schimmel" bezeichnet. Eigentlich sind alle hier gezeigten Arten recht häufig bis sehr häufig und werden nur nicht beachtet, was neben ihrer Unscheinbarkeit auch an diversen Bestimmungsschwierigkeiten liegt.


    Die Arten, die ich mir angeschaut habe stammen zum Großteil von feuchtem Nadel- und Laubholz verschiedenen Alters, einige von Krautstängeln und Blättern. Makroskopisch kann man da mehr oder weniger nur Raten, ob so ein schwarzer, brauner oder ähnlich gefärbter Fleck wirklich das ist, was man sucht. Mit einiger Erfahrung findet man sowas dann sehr schnell und recht zuverlässig, die Frage nach dem Reifegrad wird aber meist erst unter dem Mikroskop beantwortet.


    Zur Bestimmung:
    Alle bestimmten Funde wurden mit mindestens zwei Quellen verglichen. Den Anfang macht hier natürlich Ellis & Ellis Microfungi on Land Plants.
    Recht viele Bilder von Nebenfruchtformen gibt es dann noch auf dieser Seite:
    https://picasaweb.google.com/abel.flahaut


    Dazu kommen dann noch einige Artikel zu einzelnen Gattungen sowie Forenbeiträge, die ich jetzt nicht im einzelnen aufführe.
    Fehler sind trotzdem nie ganz ausgeschlossen, gerade auf dem Gebiet.


    Los geht's:


    Alysidium resinae
    Gefunden auf morschem Laubholz, wahrscheinlich Buche. Ist die Nebenfruchtform eines resupinaten Basidiomyceten der Gattung Botryobasidium.
    Makroskopisch nur als schwarze Flecken auf ohnehin dunklem und feuchtem Holz zu erkennen. Erst bei 100-facher Vergrößerung sieht man statt einer schwarzen, homogenen Kruste kleinste Kügelchen.
    Die Konidien selbst werden in Ketten gebildet, die allerdings sehr leicht zerfallen, was das Fotografieren schwierig macht.


    Brachysporium bloxamii
    Auf totem Laubholz, makroskopisch als schwarze Flecken zu erahnen, größere Kolonien wirken leicht filzig.


    Cheiromycella microscopica
    Heißt nicht umsonst "miroscopica", denn der ist makroskopisch gar nicht zu erkennen. Ich hab einfach ein kleines Stück morschens Fichtenholz eines liegenden, initialmorschen und mit Algen bedeckten Stammes mitgenommen und damit einen Zufallstreffer erzielt. Die Größe der Konidien ist ca. 9-18 µm.



    Epicoccum nigrum
    Makroskopisch nicht zu erkennen, aber an bisher jedem abgestorbenem Maisblatt, das sich schon graulich verfärbt hat, gefunden:


    Oedemium sp
    Ist die Anamorphe von einer Chaetosphaerella. In Frage kommen Chaetosphaerella fusca mit Nfr. O. didymum und Ch. phaeostroma mit O. minus.


    Sporidesmiella hyalosperma
    Ist sehr häufig auf allen möglichen Arten von Stängeln, hier auf Brombeere aber auch schon z.B. auf Binsen gefunden. Makroskopisch sind die recht entfernt stehenden, unter 10 µm breiten Konidienträger nicht zu sehen. Im Auflicht ist mir auch kein vorzeigbares Bild gelungen.


    Torula herbarum
    Lässt sich am zuverlässigsten auf alten, sehr feucht liegenden Brennnesselstängeln finden. Kann man makroskopisch als schwarze, flaumige Kruste von bis zu mehreren Zentimetern länge auf den Stängeln erkennen.



    Und abschließend zur Entspannung noch was viel größeres, die Nebenfruchtform des Konidien-Schwarzbechers Holwaya mucida:


    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Mreul ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Matthias!


    Das letzte Bild kam jetzt mit einem gewissen Boiiiiiing! wie eine Keule. :D


    Tolle Vorstellungen der kleinen unscheinbaren.
    Da fragt man sich doch, wie viel Prozent der lebenden Biomasse auf dem Planeten eigentlich Pilze ausmachen. Mehr wahrscheinlich als Tiere, vielleicht nicht ganz so viel wie Bakterien.


    Sie sind eben überall und immer vorhanden.



    LG, Pablo.

  • Nichts ist perfekt nennst du deinen Beitrag, und dann ist wirklich alles perfekt! :thumbup:
    Wieder einmal zeigst du, wie schön und vielfältig die kleine, von den meisten nicht wahrgenommene Welt sein kann!


    Danke für diesen wunderbaren Beitrag, Matthias! :thumbup:


    Gelegentlich schaue ich mir ja auch die "Unsichtbaren" an, und dabei fand ich im vorigen Jahr etwas, was dich auch interessieren könnte.
    Schau mal an Mädesüß (Filipendula ulmaria).
    Daran entdeckte ich so kleine schwarze Säulen, die sich unter dem Mikro als Endophragmia elliptica entpuppten.



    Die büscheligen Konidiophoren werden bis 0,25 mm groß,



    während die meist 5fach septierten Konidien um 40 x 20 µm messen.



    LG Nobi

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    Chips: 72

  • Hallo Matthias!
    Unglaublich, was Du uns hier so "lapidar" präsentierst.


    Tolle Fotos von einer Materie, die für mich so weit weg ist, wie die Wüste Gobi.


    Ich kann mich hier nur wiederholen: ich schaue jeden Beitrag über diese faszinierenden Winzlinge unglaublich gerne an, gerade weil die Formen so unglaublich schön sind. Da kommt dann immer die Grafikerin in mir wieder durch - dieses Aufschlüsseln von für den 0815-Betrachter nicht vorhandenen Strukturen ist faszinierend.


    Auch Nobis ergänzende Bilder, echt klasse!

  • Hallo zusammen und danke für eure Antworten.


    nobi_†:
    Die Endophragmia, im IF aktuell Phragmocephala, such ich auch schon einige Zeit, bisher vergebens.
    Um welche Jahreszeit hast du die denn gefunden? Und war der Stängel schon arg zersetzt?
    An Brennnessel gibt's noch Phragmocephala atra, auch die such ich schon seit ich das Buch von Ellis & Ellis hab, bislang ebenfalls erfolglos.


    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.

  • Hallo Matthias!


    Beeindruckend!
    Und natürlich auch überwältigend, wenn man mit einer Stereolupe sehen kann, wenn ein kleines Stück älteren Substrates von irgendwas von vorn bis hinten mit den verschiedenartigsten Pilzen besiedelt ist. Wobei diese unscheinbaren "Schimmel" oder "Krümel" wahrscheinlich den Hauptanteil stellen dürften.


    Ich gehe denen ganz gern aus dem Weg, aber schön sind die schon, besonders mikroskopisch.


    Ich hatte letztens Mal sowas: hat zwischen Calycellinas (Kurzhaarbecherchen) rumgestanden.



    Hatte erst vermutet, dass es was mit den Bechern zu tun hat, ist aber eher nicht so.


    VG Ingo W

    ________________________________________________________________
    "Pilz nur von oben ist wie Käfer nur von unten"

    150-15 (APR 2022) = 135-5 (GnE-Wette verloren "über 11 gelöst") = 130+4 (am nächsten an der 222.Schnapps-Punktzahl) = 134+7 (7.Platz im APR 2022) = 141+4 (KISD-Prozente von GnE) = 145-15 (APR 2023) = 130+3 (10. Platz) = 133+3 (Unbewusst-Phal) = 136+5 (Lupus-Wette-APR-Sieger=ü300) = 141+5 (GnE-Gewinnsteuer-APR23) = 146+7 (Phalplatz 1) = 153-20 (APR 2024) = 133

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    Einmal editiert, zuletzt von Ingo W ()

  • Hallo Ingo,


    deiner erinnert mich spontan an Haplographium:
    http://www.ascofrance.com/search_forum/17058
    Hatte ich auch selbst schon, bin aber nicht wirklich zu einer sicheren Bestimmung gekommen. Werd morgen mal schauen, ob ich noch mehr rauskriege.


    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.


  • Die Endophragmia, im IF aktuell Phragmocephala, such ich auch schon einige Zeit, bisher vergebens.
    Um welche Jahreszeit hast du die denn gefunden? Und war der Stängel schon arg zersetzt?


    Ich hatte die Art im Februar, Matthias!
    Also könnte es sich durchaus jetzt lohnen, danach Ausschau zu halten.
    Und wenn du die an Filipendula nicht findest, so solltest du durch verschiedene "Ingopilze" entschädigt werden.
    Damals fand ich sie übrigens an noch ziemlich intakten, feuchtliegenden Stängeln.


    Deine Lampionpilze sind auch was Schönes, Ingo!
    Die hatte ich auch schon.............unbestimmt zur Seite gelegt! ;)


    LG Nobi


    Ich sehe soeben, dass Matthias eine Idee hat! :thumbup:

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    Chips: 72

  • Hallo Nobi, hallo Matthias!


    Wahrscheinlich gibt es da so einiges.
    Arbeitsname ist bei meinem Thysanophora spec. (Ellis&Ellis) oder nach IF Penicillium. Die Namen fielen Zotto ein, sind wohl Nadelbesiedler. Passen nicht genau zu meinen Morsch-Holz-Bewohnern.


    Aber wie gesagt, habe ich nicht den rechten Draht, mich da reinzuhängen. Es gibt einfach zu viel.
    Irgendwo muss mal eine Grenze gezogen werden.


    VG Ingo W

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  • Hallo Nobi,


    wenn ich's schaffe schau ich demnächst mal bei nem Filipendula-Bestand nach , ob was dran ist, danke für die Info.


    Hallo Ingo,


    dein Arbeitsname scheint besser zu passen als mein Vorschlag. Das sind so Dinger, die man wohl nie richtig klären wird, von so kleinsporigen Anamorphen halt ich mich auch lieber fern, das wird zu kompliziert. Wenn ich da nur an Phoma u.ä. denke. Cladosporium ist auch ganz schlimm, auch wenn da einige im Ellis drin sind. Viele gehen ja auch nur mit Kulturen anlegen.
    Meistens befasse ich mich auch nur mit Nebenfruchtformen, die recht gute Merkmale haben, wie z.B. Epicoccum, Phragmotrichum oder eben Phragmocephala, wenn ich denn mal eine finde, usw...


    Viele Grüße,
    Matthias

    Je intensiver man sich mit Pilzen beschäftigt, desto komplizierter wird es, sie zu bestimmen.