Pilzfestival XXX: Exkursion zur Perdsdrisser Höhe

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.382 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mentor1010.

  • Ich nehme Euch mal mit auf eine gestrige Exkursion auf die Perdsdrisser Höhe. Die befindet sich in der Gemeinde Kürten im Rheinisch Bergischen Kreis, TK 5009/122. Die Koordinaten sind 7 ° 14' 29.28'' E / 50 ° 59' 48.04'' . Sie ist zur Zeit Schnee- und Frostfrei, und hat eine konstante Bodenfeuchte, was dem Pilzwachstum sehr entgegen kommt. Bei flauschigen 24 Grad Celsius starten wir am Fuß des Hügels und arbeiten uns langsam bergauf.
    Die Höhe hat eine Ausdehnung von ca. 5 x 4 Kilometer .....Halt Nein, Zentimeter. Der höchste Punkt liegt bei etwa 30mm ü. PSB (Probenschachtelboden).


    Watt8|


    Ok, Ihr habt es schon erraten. Das Exkursionsgebiet ist ein Stück Pferdeapfel. Gut abgelagert und reich mit Pilzen aller Art besetzt. :D



    Ja, ich weiß. Wir haben extra ein Dungpilzforum. Aber da hier immer mehr User ein Mikroskop besitzen und vielleicht nicht jeder im Dungiforum vorbeischaut, will ich hier mal etwas Werbung machen für einen meist zu Unrecht als "anrüchig" bezeichneten Biotop.
    Zudem sind die im folgenden vorgestellten Arten den Exkrementariern schon recht gut bekannt. Ich hab aber meine neuen Spielzeuge ausprobiert und jetzt ist mir langweilig. Also zeige ich hier mal etwas von der dunklen Seite der Mykologie.


    Vorab entschuldige ich mich gleich, keine deutschen Namen verwendet zu haben. Die meisten Arten haben gar keinen, oder zumindest keine klar definierten deutschen Namen.
    Der Speisewert der hier vorgestellten Arten ist übrigens unklar. Wer einen Selbstversuch wagen will, soll das bitte auf Video aufzeichnen.



    Schon mit bloßem Auge gut zu erkennen und oft höher als der Hügel ist dieser kleine Kerl aus dem Reich der Tintlinge.


    Coprinellus pusillulus





    Viel kleiner und noch mit einem "cf." versehen hier ein weiterer Vertreter dieser schnellebigen Familie. Da "cf" hab ich gesetzt, weil die mikroskopischen Merkmale weitgehend passen, der Hut jedoch ohne jegliche Beflockung ist. Ob das nun ein hartes Bestimmungsmerkmal ist, oder in der Variationsbreite der Art liegt, weiß ich nicht zu sagen.


    Coprinopsis cf. cordispora









    Genug der Lamellenpilze, wenden wir uns den "richtigen" Pilzen zu, die mit den Sporenschläuchen.



    Überaus häufig, aber einer der hübschesten Arten, insbesondere was die Sporen betrifft ist der nächste Kandidat.


    Ascobolus albidus





    Ebenfalls nicht selten auf Pferdedung kann man diese Art finden. Gut, bunt ist nicht, aber dafür hat er jede Menge Sporen im Ascus. 32 um genau zu sein.


    Thecotheus pelletieri











    Der hier gehört zu einer schwierigen Gattung. Für mich jedenfalls. Dennoch denke ich, hier den richtigen Namen gefunden zu haben, so dass Friedhelm nicht Helmut heißen sollte. Die Burschen packen ihre Sporen zu Bündeln, sog. Clustern.


    Saccobolus depauperatus






    Pyrenomyceten sind auf Dung wohl mit den meisten Arten vertreten. Bei den meist schwarzen, kugeligen Gebilden mit kurzem, langen oder gar ohne Hals, liegt die Schönheit im Detail. Oft sind es die gelartigen Anhängsel, die erst nach dem Anfärben mit diversen Chemikalien sichtbar werden, die nicht nur bestimmungsrelevant sind, sondern auch sehr elegant aussehen können. Die beiden folgenden Arten haben dies Anhängsel so markant ausgebildet, dass sie auch ohne Chemie gut zu erkennen sind.



    Podospora fimiseda








    Podospora decipiens









    Die Gattung Sporomiella zeichnet sich durch Sporen aus, die aus mehreren Zellen bestehen. Ich finde immer nur solche mit vier Zellen. Dem Höhrensagen nach soll es auch welche mit 6,8 oder mehr Zellen geben. Offenbar jedoch nicht in dem von mir untersuchten Gebiet. Ich hab allerdings den Verdacht, dass das alles Fotomontagen sind. So wie bei den Speisemorcheln und Totentrompeten, die es in Wirklichkeit ja auch nicht gibt.:nana:


    Eine der häufigsten Arten, die auf keinem ordentlichen Pferdeapfel fehlt ist diese. Bestimmungsrelevant ist in dieser Gattung u.a. Form und Lage Keimspalte, die man hier als hellen parallel verlaufenden Strich erkennen kann.


    Sporormiella dubia







    Man soll es nicht glauben, aber manche Arten können sich ganz hervorragend tarnen. Sie wachsen eingesenkt im Substrat und oft sieht man nur einen winzigen schwarzen Punkt, die Mündung des Perithecienhalses, durch die die Sporen in die Freiheit entlassen werden.
    Diese Art hier ist zudem noch winzig klein.


    Phomatospora minutissima







    Und nun ist auch genug. Auf der "Perdsdrisser Höhe" lassen sich noch viele Arten finden. Und in der Probenschachtel kommen im Abstand weniger Tage oft noch neue hinzu. Für die langweiligen Wintertage ist es allemal ein spannendes und fast unerschöpfliches Exkursionsgebiet. Und riechen tut es auch nicht. Und mal ehrlich, wo kann man schon Ende Januar in T-Shirt, Jogginghose und Pantoffeln jede Mange Pilze finden?


    Auch nicht zu verachten, grade für die Neu-Mikroskopbesitzer, ein Stückchen Pferdeapfel birgt Unmengen von Probenmaterial mit dem man nach Herzenslust rumexperimentieren und den Umgang mit dem Mikroskop lernen kann.



    Ich würde mich freuen, wenn die/der Eine oder Andere die Scheu beiseite legen und unser Dungiforum mit eigenen Entdeckungen bereichern würde.

  • Das ist ja mal einen spannende und interessante Exkursion auf die "Haufenformation" :thumbup: ! total intessant und faszinierende Fotos

    Liebe Grüße, Juliane




    [font="Arial Black"]man kann alle Pilze essen, manche jedoch nur einmal [/font]:plate:


    83 Pilzchipse (+2 Trompetenschnitzlingabdruck)


    *JE SUIS CHARLIE*

    Einmal editiert, zuletzt von luckenbachranch ()

    • Offizieller Beitrag

    lieber Ralf....


    ich ahne, wo mich das hinführt.....



    danke für deine schöne Exkursion diesen besonderen Hügel hinauf!
    weckt tatsächlich den Forschergeist.....


    lieben Gruß,
    Melanie

    Gnolmige Gnüße, Gnelmanie die Rote

    "In den Wäldern sind Dinge,
    über die nachzudenken,
    man jahrelang im Moos liegen könnte."

    -Franz Kafka-
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  • Hallo Ralf!
    Tolle Bilder aus einem faszinierenden Gebiet in der Mykologie. Da ich aber kein Mikroskop besitze und auch in nächster Zeit mir wohl keines leisten kann (erst ist eine vernünftige Kamera dran), schaue ich immer gerne Deine tollen Bilder an.
    Ich finde diese Winzlinge immer faszinierend und freue mich, wenn Du, Nobi, Matthias oder andere mir einen Weg zu den Minis mit ihren Beiträgen bahnen.


    P.S.: Hier würde ich wohl nie um Deutsche Namen bitten, da ich weiß, dass viele gar keine haben und ich sie in der Praxis nie üben könnte. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Ralf!


    Ich sehe eine atemberaubende Bergtour durch die Pilze, das Exkursionsgebiet hat jedenfalls Marathoncharakter. gemessen an der sportlichen Untersuchungsarbeit.


    Nun bin ich froh, daß ich die nächsten Tage Hund habe.
    Nein, nicht deswegen, aber da bin ich ja gezwungen, mal die eine oder andere Vorlesung sausen zu lassen und raus in den Schmuddelwinter zu robben.
    Ich muss doch endlich mal den Esel einsammeln...



    LG, pablo.


  • Wir haben extra ein Dungpilzforum. Aber da hier immer mehr User ein Mikroskop besitzen und vielleicht nicht jeder im Dungiforum vorbeischaut, will ich hier mal etwas Werbung machen für einen meist zu Unrecht als "anrüchig" bezeichneten Biotop.


    Absolut gelungene Werbung, wie ich finde, Ralf! :thumbup:


    Ja, wir könnten schon noch ein paar Mitstreiter gebrauchen.
    Die Funga an Dung gehört zu den am schlechtesten untersuchten Spezialgebieten in Deutschland (und nicht nur hier).
    Von vielen Bundesländern gibt es nur wenige oft nicht aussagefähige Daten.


    Zu Coprinosis cf. cordisporus hätte ich noch die ein oder andere Frage, die allerdings noch etwas warten muss, da mir momentan einfach die Zeit dazu fehlt!


    LG Nobi

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    Chips: 72


  • Das ist ja mal einen spannende und interessante Exkursion auf die "Haufenformation" :thumbup: ! total intessant und faszinierende Fotos


    Danke Juliane, wenns gefällt ist der Zweck erfüllt.:)



    lieber Ralf....


    ich ahne, wo mich das hinführt.....



    Liebe Melanie. Es wird Dich möglicherweise dahin führen, wo es mich auch hingeführt hat. "Ich werde mir kein Mikroskop anschaffen und Dungis sind mir suspekt (Zitat Rada anno 2011)" :D


    Ich finde diese Winzlinge immer faszinierend und freue mich, wenn Du, Nobi, Matthias oder andere mir einen Weg zu den Minis mit ihren Beiträgen bahnen.


    Auch das ist Sinn der Sache. Man kann halt nicht alles selber machen.


    Ich muss doch endlich mal den Esel einsammeln...


    Mach das, Esel kommt bestimmt gut. :)



    Hallo Ralf


    Danke für den interessanten Bericht und die tollen Aufnahmen.


    LG Karl


    Danke.:)


    Ja, wir könnten schon noch ein paar Mitstreiter gebrauchen.
    Die Funga an Dung gehört zu den am schlechtesten untersuchten Spezialgebieten in Deutschland (und nicht nur hier).
    Von vielen Bundesländern gibt es nur wenige oft nicht aussagefähige Daten.


    Zu Coprinosis cf. cordisporus hätte ich noch die ein oder andere Frage, die allerdings noch etwas warten muss, da mir momentan einfach die Zeit dazu fehlt!


    LG Nobi


    Genau, das hatte ich völlig vergessen zu erwähnen. Es gibt noch so viel zu tun und zu entdecken.


    Mit dem "cf" mach Dir mal keine Gedanken. Ich werde den nächsten herangewachsenen Mistkerl nochmal unter die Lupe nehmen und gesondert vorstellen. Der Rest hat dann Zeit.