Die Pilzfestivals. 4-5 Jahre Exkursionen im Bergischen Land bei Kürten, viele Stunden auf abwegigstem Terrain, 31 ellenlange Berichte von kunterbunten Pilzen aller Art, die die meisten gar nicht wahrnehmen würden, weil sie oft nur mm groß sind. Im Laufe der Zeit hat sich die Art der Bearbeitung einzelner Spezies auf die fotografische Arretierung ihrer makro- und mikroskopischen Morphologie fokussiert. Vermutlich werde ich einmal wie Ingo werden: pro Tag eine Art, mehr nicht. Das wird aber mit der Masse an Kollektionen, die ich aus mittlerweile 10 Ländern nahezu regelmäßig zugeschickt bekomme, nicht funktionieren. Effizienz trifft Geschwindigkeit, alles möglichst schnell abarbeiten, aber trotzdem alle Details erfassen und auch noch makroskopisch einigermaßen sehenswerte Fotos machen.
Das 31. Pilzfestival ist vorerst das letzte mit meiner Beteiligung, da ich in etwas mehr als 2 Wochen nach Hornberg umziehe. Sicherlich werde ich jede Gelegenheit ergreifen, die Mykologie auch im Bergischen Land weiter zu betreiben, sollte ich mal vor Ort sein
Wir hatten im Bergischen Land vergangenen Freitag jedenfalls so einiges zu tun. Eingesammelt wurden Scutellinien, Octosporas, diverse Becherchen, Kernpilze, Rinden- und Gallertpilze ( = Heterobasidiomycetes). Trotz der Trockenheit gab es etwas zu bestaunen, immerhin war es etwas feuchter als bei mir in Kreuzau, denn hier gab es trotz reichlich Gewitter fast nur elektronische Niederschläge. Egal, wir konzentrieren uns also auf die Asco- und Basidiomyzeten und fangen mit den Ascos an:
Die klassische Scutellinia crinita zeichnet sich durch einen Sp-Q von 1,7-2,0 aus und hat in etwa genauso lange Haare wie die als häufig deklarierte S. scutellata, kommt aber vermutlich häufiger auf Erdboden als auf bloßem Holz vor (an Holz wächst dagegen dann eher wieder S. umbrorum...).
Diese Sp-Qs fallen aber erst ins Auge, wenn man mehrere S. crinita und S. scutellata-Aufsammlungen nebeneinanderhält und Direktvergleiche zieht. Dann sind die Sp von S. scutellata im Schnitt immer schmäler und mehr elliptisch und die von S. crinita eher breitelliptisch bis fast oval. Das Ornament kommt noch hinzu: bei S. scutellata gröber und teils netzig verbunden, insgesamt sehr unregelmäßig. Bei S. crinita dagegen regelmäßig feinwarzig.
Lit.: Van Vooren, N. (2014): Contribution à la connaissance des Pézizales II
Scutellinia crucipila ist eine häufige und leicht kenntliche Art, darüber haben wir bereits einige Male berichtet. Die hellen Fk lassen zuweilen auch an Cheilymenia-Arten denken, wo die Art früher auch untergebracht war.
Diese beiden Scutellinien (sofern es denn zwei sind) hat Ralf mitgenommen (nehme ich an), evtl. kann er dazu nochwas beitragen.
Lachnum pudibundum an abgestorbenem Erlenholz, typisch für Mai bis August und darüber, wird im Winterhalbjahr aber von L. brevipilosum abgelöst, die makroskopisch nicht auseinanderzuhalten ist (für mich jedenfalls "noch" nicht). Diese Lachnum ist eine von vielen lignicolen Arten mit komplett weißen Fk, die im Alter oder bei Verletzung / Eintrocknung orangerötlich verfärben (Fk-abhängig, nicht jeder rötet gleich stark).
Lachnum virgineum ist eine der bekanntesten Haarbecherchen überhaupt, die Art wird auch in manch volkstümlicher Literatur beschrieben und abgebildet. Die kleinen weißen Fk sind immer deutlich und oft lang gestielt, der Becherteil ist vor allem jung oft kugelig-kupulat. Hält man die Fk in feuchter Umgebung, treten nach einiger Zeit winzige Tropfen am Becherrand auf, bei größerer Feuchtigkeit bildet sich ein großer Tropfen über das komplette Hymenium.
Hysterium angustatum an abgestorbenem, entrindetem Laubholz (sehr wahrscheinlich Alnus). Diese Hysterien sind gut erkennbar an den kaffeebohnenförmigen ( = "Hysterothezium") Fk mit zentralem Spalt. Mikroskopisch sind sie wenig auffällig mit septierten, meist bräunlichen oder gelbbräunlichen Sp (bei Hysterographium / Hysterobrevium auch dictyospor). Einzelne Arten sind makroskopisch durchaus ansprechbar, doch bedarf es dazu eine Menge Erfahrung.
Eric Boehm hat hierzu eine spezielle Webseite: http://www.eboehm.com/
Das ist einer der cyphelloiden Ständerpilze, die sich durch becherförmige Fk verraten: makroskopisch sehen sie zwar wie Schlauchpilze aus, aber mikroskopisch findet man Basidien. Leider sind viele bisherige Aufsammln unreif oder scheinbar gar nicht reif geworden, sodass nur wenige oder gar keine Sp gefunden werden konnten. So auch hier, deshalb bleibt es ungebei einer unsicheren Bestimmung als Rectipilus cf. bavaricus. (aufgrund der Fk-Größe von etwa 0,2-0,25mm).
Bei dem Pilz habe ich genau eine Sp gefunden: Flagelloscypha minutissima. Hier sind aber weniger die Sp als vielmehr die Randhaare entscheidend, die bei einigen Arten an der Spitze "flagellat" sind, d.h. krumm gewunden und fädig dünn auslaufend. Ansonsten sind die Flagelloscypha-Haare sehr charakteristisch: sie sehen aus wie Stacheldraht oder mit vielen Dornen bewährte Rosenranken.
Mal wieder Leptosporomyces mutabilis, ein ziemlich gut verbreiteter, weiß-cremefarbener Rindenpilz an Laub- und Nadelholz. Die Art kennzeichnet sich durch athelioides Hymenium mit elliptischen Sp von 6-7,2x4-4,5 µm Größe, die Hyphen haben Schnallen und sind dicht mit Kristallen übersäht. Leider war diese Kollektion schon ziemlich hinüber, und die Kristalle lagen nur noch verstreut herum, an vielen abgebrochenen Hyphen und so gut wie keinen Basidien. Es empfiehlt sich, solche Aufsammlungen immer mit Kongorot zu färben, dann sieht man etwaige Schnallen deutlich besser. Unter einer starken! (mindestens 100fach) kann man übrigens schon ganz gut beurteilen, ob dieser Pilz noch lebt oder nicht: oft bilden sich andere Pilze auf dem Hymenium (meistens Hyphomyceten, Zygomyceten, oder auch Tremella, Colacogloea usw.). In solchen Fällen findet man dann unterm Mikro entsprechende Fremdstrukturen, die von dem eigentlichen Pilz nicht immer direkt zu unterscheiden sind, vor allem wenn man verzweifelt nach Zystiden suchen muss, von denen dann laut Literatur genau 1 pro m ² zu finden ist...
Exidiopsis opalea, ein Heterobasidiomycet mit mehrfach geteilten Basidien und fingerförmigen Sterigmen, an deren Spitzen sich jeweils eine Sp befindet. Diese Sp haben eine Eigenheit, welche bei den Heterobasidiomyzeten relativ häufig erscheint: sie bilden ziemlich schnell Keimhyphen und verlieren damit ihre regelmäßig elliptische, etwas gekrümmte Form. Oft findet man dann dreieckige Sp oder solche mit langem "Faden". Auf dem letzten Bild ist auf der rechten Seite eine solche erkennbar.
Hyphen von Gallertpilzen (deutsche Bezeichnung für die "Heterobasidios") sind meist sehr dünn, zwischen ihnen befindet sich auffallend viel Platz, jedenfalls scheinbar. Dieser Platz wird von einer unsichtbaren Masse eingenommen (Dunkle Materie ^^), die den ganzen Fk eine gallertig weiche Konsistenz verleiht.
Leider ist es mir nicht gelungen, die von uns auch gefundene Peziza lividula zu untersuchen, da die Fk bei mir zuhause schon nur Std. nach dem Einsammeln ziemlich kaputt waren und nur noch wenige, halbwegs typische Sp enthielten. Solche Exemplare lohnen sich nicht, ich bin aber sicher, dass an der bekannten Stelle noch mehr zu finden sein werden und wir lediglich die Erstlinge abgegrast haben.
Für mich waren die Jahre, die ich zusammen mit Ralf und vielen anderen unterwegs war, eine Bereicherung, sowohl mykologisch, als auch menschlich. Ich hatte 2012-2013 sicher eine ganz dumme Tiefphase, eine Zeit wo einfach alles schiefging (Studium hat nicht geklappt, Freundin weg, Großmutter gestorben...). Auch wenn sich seitdem nicht viel geändert hat, so ist die neue Aufgabe in Hornberg, die am 19. Juni endgültig geklärt werden soll, für mich eine ganz große Herausforderung, der ich mich sehr gerne stellen möchte. Nicht nur der Umzug in ein ganz neues Bundesland 450km von allem, was ich bisher kannte, sondern auch die berufliche Selbstständigkeit wird ein neuer Abschnitt sein. Daher wird auch mein nächster pilzlicher Beitrag aus Hornberg kommen, wo ich dann ab 01. Juli anfangen werde, Karrenfurchen durchzukriechen
lg björn