Feuchter Wegrand 1: Psathyrella

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.531 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Leute!


    Letzten Sonntag waren Lea und ich unterwegs. Die Wälder waren schier leergefegt, erst echt spät kam dann alles auf ein Mal. Alles an einer Stelle.
    Die Stelle Kann man so beschreiben:


    Da ist ein flaches Tal, durch das ein (zu dem Zeitpunkt ausgetrocknetes) Bächlein fließt.
    Unten am Bach ist es feucht, da geht ein Waldweg durch einen Bestand aus Eschen, Ahorn, Buchen und viel weiterem Gehölz. Der Boden ist irgendwie lehmig, wohl auch recht kalkhaltig, das Gebiet befindet sich in so einer Übergangszone zwischen sauren und kalkhaltigen Böden.
    Von dem Weg im Talgrund zweigt ein alter Forstweg ab, nebenan liegen vermodernde Stämme. Der Forstweg ist momentan außer Betrieb, die nassen, lehmigen Fahrspuren wachsen langsam zu mit Moosen, Gräsern und kleinen Blütenpflanzen.


    Solche Stellen sind irgendwie toll.
    Aber auch schwierig. Die meisten von euch kennen solche Stellen.


    Die Faserlinge jedenfalls stehen vereinzelt auf dem Erdboden, sind recht zerbrechlich, die Hüte hygrophan, das Velum fransig am Hut hängend und recht dauerhaft. Die Hutränder gerieft, die Lamellenschneiden weißlich beflockt, aber nicht farblich unterlegt. Die Hüte verblassen beim Abtrocknen ins ockerliche, dabei aber ohne jeden Rosaton.
    Ein besonderer Geruch ist an den Pilzen nicht festzustellen.


    Makroskopisch sieht das so aus:






    Irgendwie bekomme ich es nicht gebacken, eine Velumfaser unters Deckgläschen zu packen. Die scheinen sich in Luft (oder Wasser) aufzulösen, sobald sie mit Glas in Kontakt kommen.
    Alles, was ich habe, ist ein Fitzelchen Huthaut:


    Bei den Sporen messe ich etwa 7-9,5 x 4,5 - 6 µm.




    Alle Bilder in Wasser, in KOH 3% sind die Sporen immer noch hyalin, aber irgendwie trüb graubraun.
    Viele der Sporen enthalten einen bis mehrere Öltröpfchen, etliche Sporen haben eine seltsam birnenartige Form, also ein Ende ist breiter als das andere. Der Keimporus ist nicht immer aber meistens deutlich erkennbar.


    Soweit, so gut. verwirrend finde ich die Zystiden. Da wären erstmal Cheilozystiden:




    Da muss ich die sehr ungerechte Verteilung anprangern.
    Manche Lamellen verfügen überwiegend über nur blasige, utriforme bis keulige Elemente, nur hin und wieder etwas flaschenförmiges mit unterschiedlich langem (aber nie richtig langem) Hals. Andere Lamellen haben viel mehr solche ausdifferenzierten Cheilos, gelegentlich sogar mit feinen Kristallen besetzt oder mit komischem, öligem Inhalt, der die Zystiden schier dickwandig erscheinen lässt.
    machnmal wechseln sich Bereiche ab, in denen nur blasige Cheilos stehen, mit Bereichen in denen mehrheitlich flaschenförmige sind.


    Noch misstrauischer machen mich die Pleurozystiden:


    Die sind mehrheitlich schon flaschenförmig, aus manchen quillt eine komische Masse heraus, dazwischen finden sich auch utriforme Pleuros, immer mal wieder mit apikalen Kristallanlagerungen.
    Insgesamt sind die Pleuros schon recht zahlreich vorhanden, also lange suchen muss man nach denen nicht.


    Die Frage ist jetzt: Lässt sich aus diesen seltsamen merkmalen eine Art ableiten?
    Ich dachte erst an Psathyrella impexa, aber so ein bisschen klein sind die Pilze und die Hymenialzystiden von der Kollektion, die ich im letzten Jahr untersucht hatte, sahen doch etwas anders aus (längerer Halsteil, vor allem bei Chelos sehr viel mehr flaschenförmige dabei). Auch bei P. casca und P. pseudocasca scheint immer irgendwas zu stören, ergo: Ich habe keine Ahnung.
    Und freue mich über weitere Ideen / Anregungen. :)


    PS.: Die meisten Bilder lassen sich durch Anklicken etwas größer darstellen.
    PPS.: Alle Mikros in Wasser



    LG, Pablo.

  • Hi Pablo,
    ahhh Psathyrella... :P :P :P
    Super Fund - geniale Bilder. ;) ;)
    Werd zwar nicht viel helfen können - aber: Hast Du die Sporenpulverfarbe (evtl. als Pantone-Wert) ?
    Das könnt ich zumindest mal mit meinem pseudocasca vergleichen.
    Beste Grüße
    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Dieter!


    Nicht als Bild oder mit einer passenden Bezeichnung, nein.
    Das war so in etwa schwarzviolettbraungrau. ;)
    Je nach dem, wie ich es zusammenschiebe, ändert sich der Farbton etwas auf dem Objektträger.
    Aber deinen Fund und die Diskussion hatte ich mir angeguckt, makroskopisch ist das schon sehr ähnlich, aber gerade in der Verteilung und Form der Zystiden meine ich doch Unterschiede zu sehen, ebenso in der Breite der Sporen.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,
    auch von mir Gratulation zu den Bildern! Und deinen Kampf mit dem Velum kann ich prima nachvollziehen.
    Ich habe eine –“ natürlich vorsichtige –“ Idee: P. niveobadia. Zum einen passt der Standort gut, zum anderen die Mikros. Cheilozystiden und Blasen können sehr ungleich verteilt sein. Und vor allem, ich kenne keine andere Psathyrella, bei der an den Pleuros so häufig Schleimklumpen hervorquellen. Außerdem haut auch die abwechslungsreiche Form der Pleuros hin. Ich hatte mal eine Kollektion –žin der Hand–œ, bei der fast alle keulig waren und keine Hälse hatten.
    Beste Grüße!
    Andreas

  • Hallo Pablo,


    weiterhelfen kann ich dir verständlicher Weise nicht, mitlernen schon.


    Du hast mehrere Lamellen untersucht, mit unterschiedlichen Ergebnissen.


    Bisher habe ich mich auf eine Lamelle beschränkt und probiert, die Präparate
    bestmöglichst zu fertigen.


    Deine beschriebene ungerechte Verteilung ist neu für mich, werde ich künftig
    berücksichtigen. Müssen oder sollen? Ist das tatsächlich entscheidend?


    Wenn ich mich vor's Mikro setze, Auf/-und Abbau von PC und Kamera + stetige
    Präparaterstellung eingerechnet, geht das nicht unter eineinhalb bis zwei Stunden.


    Meine Psathyrella landete dennoch bei Andreas. Er konnte sie bestimmen,
    deine hat er auch hingekriegt.


    Deine allerdings per Ferndiagnose,
    deine Beschreibung und die Aufnahmen haben dazu gereicht :)


    Super Mikroaufnahmen, die Makros wie immer sehr gut gelungen,


    LG
    Peter

    "Die, die Kriege von oben führen sind feige Schreibtischtäter, die nicht wissen wie schrecklich Krieg ist".

    Quelle: "Masters Of War", Bob Dylan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Andreas & Peter!



    Erstmal danke für die Enschätzung, Andreas!
    Ich habe ein wenig rumgeguckt. Im Netz findet sich wenig zu P. niveobadia. neben dem Portrait auf deiner Seite noch eine schöne Doku bei Pilzflora Ehingen und eine in einem italienischen Forum, wo aber keine Pleuros abgebildet sind. Ansonsten denke ich nach Gams, GPBWs und Gröger, daß das schon hinkommen könnte.
    Angeschaut habe ich mir auch ncoh ein paar Nachbararten. Also P. fatua (sieht selbst für mich als Unkundigen insgesamt ganz anders aus), P. spadiceogrisea (kommt mir hier zumindest s.str. auch falsch vor) und P. phegophila. Letztere ist schon sehr ähnlich, aber so kopfige Zystiden finde ich nirgends und wenn es da konstant ist, daß die Sporen in KOH dunkelbraun und nicht garubraun werden, dann ist die Art eigentlich raus.
    Vielleicht gibt es noch mehr, was ich nicht berücksichtigt habe, aber wenn die Zystiden mit dieser ausquellenden Masse schon so charakteristisch sind? Vereinzelt gibt es das auch bei Cheilos (oder Pleuros ganz nah an der Lamellenschneide), insgesamt ist das Phänomen schon recht konstant zu sehen (gibt's in jedem Präparat mit Pleuros mehrmals).



    Also so ein ganz kleines cf würde ich schon noch stehen lassen, weil ich mich in der Gattung einfach zu wenig auskenne.
    Ich kann dir auch gerne die übrigen "Krümel" zuschicken, Andreas. Naja, Krümel... mindestens zweienhalb Fruchtkörper sehen noch ganz komplett aus.
    Aber nur, wenn du Zeit und Lust hast, dir den anzuschauen.
    Ansonsten verlasse ich mich auf dein Urteil und darauf, daß ich nichts gefunden habe, was besser passt.





    Zu deinen Fragen, Peter:
    Ich halte Psathyrella für eine sehr anspruchsvolle Gattung. Und wenn Andreas nicht hier im Forum wäre, der gerne bei Bestimmungsproblemen hilft, würde ich diese Pilze wohl einfach unbetrachtet stehehn lassen, weil es mir einfach zu schwierig wäre.


    Wenn es nur darum ginge, einen ganz einfachen KO - Sachverhalt festzustellen (lecitiforme Cheilos vorhanden ja oder nein), dann reicht ein Präparat. Bei Psathyrella geht es aber auch um die Verteilungen, was wo wieviel vorhanden ist. Dann reicht ein Präparat nicht. Warum sich die Chelos und die blasigen Zellen so ungeleichmäßig über die Lamellenschneide verteilen, weiß ich nicht. Aber sie tun es, und darum kann man ja mehrere Präüparate angucken.
    Meist nehme ich eins aus der Mitte, eins nähe Hutrand und eins Nähe Stiel.
    Dann eine andere Lamelle von der anderen Seite des Hutes. Dann das selbe Spiel nochmal mit einem anderen Fruchtkörper.
    So ergibt sich ein gesamtbild. Das ist nichts anderes, wie beim Beurteilen von makroskopischen merkmalen.
    Bei Schleierlingen zB bringt dir ein einziger Fruchtkörper oft garnichts. Du musst die Kollektion beurteilen, du brauchst ein Gesamtbild. Da sind zB auch die Farben ganz unterschiedlich verteilt. Und diese verteilung ist ein bestimmungsrelevantes Merkmal.
    So ist es wohl auch hier.



    Und ja: Für die Untersuchung hier habe ich insgesamt sicher auch drei Stunden am Mikro gesessen.
    Verteilt über die ganze Woche, so ein paar andere Pilze gab's ja auch noch. "Feuchter Wegrand 2 bis 4" kommen demnächst.





    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,
    Psathyrellen anzuschauen ist mein Hobby.
    Momentan finde ich nichts Passenderes als niveobadia. Die Schleimklümpchen scheinen sehr typisch zu sein, klnnen auch an Cheilos auftreten, manchmal sogar sehr massiv. Zur Zeit sind 2 niveobadias plus die Ehinger beim Sequenzieren. Wenn sich was total anderes ergibt, z. B. Schleimklumpen auch bei anderen Arten, melde ich mich nochmal.
    Das Phänomen der Zystiden-Verteilung hast du perfekt erläutert. Gilt übrigens auch für Pleuros.
    Beste Grüße!
    Andreas

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Andreas!


    Die allermeisten Mykologen, die eine Gattung bearbeiten, gehen ja "nur einem Hobby nach". ;)
    Es ist ja kaum professionell zu machen, sofern man nicht für eine Universität arbeitet. Und an Universitäten wird oft ein anderer Fokus gesetzt als solche monographischen Bearbeitungen nach morphologischen Kriterien, mit der Phyllogenetik eben in erster Linie zur Absicherung der Forschungsergebnisse.
    Wenn es Leute wie dich (und viele Andere, die sich mit anderen Gattungen diese "hobbymäßige" Mühe machen) nicht geben würde, dann stünde die Mykologie insgesamt ziemlich schlecht da. Alleine die Arbeit zu jeder einzelnen Art die ganzen Literaturstellen zu sammeln und zu vergleichen / bearbeiten, das ist ja schon ein Riesenaufwand. Aber eben ein ganz wesentlicher, ein unverzichtbarer Schritt wenn man einie Gattung wirklich verstehen will.


    OK, lassen wir das erstmal.
    Ist ein wichtiges Thema, aber gehört jetzt eigentlich nicht hier her.


    Danke nochmal für deine Einschätzung. Wenn sich nach den genetischen Untersuchungen noch neue Erkenntnisse ergeben, dann bin ich dazu neugierig. Und die dre Fruchtkörper, die ich noch habe, sind getrocknet und liegen bereit, falls das dann erforderlich werden könnte.



    LG, Pablo.