Erebus papariert Lady-shave.
Den hat ihm die Isa serviert. Weil die Kollegen im Institut damit nicht klar kamen. –žDas Ding geht nicht mehr aus!–œ sagt sie und überreicht eine weiße Plastiktüte mit Apothekenaufschrift.
Darin klimpert es verheißungsvoll und Erebus denkt daran, dass er noch die –“ZENSUR- Steuererklärung machen, die Akten sortieren, das –“mittlerweile- –žSpät–œbeet aufbauen, die Garage aufräumen und das –“ZENSUR- Werkzeug sortieren muss. Das liegt im Keller über drei Räume verteilt, wechselt ständig den Aufenthaltsort und raubt ihm den letzten Nerv. Um einen Nagel in die Wand zu schlagen benötigt er mittlerweile anderthalb Stunden. Er weiß genau, dass er 8 verschiedenartige Hämmer besitzt. –žWenn man einen von euch –“Zensur- Dingern braucht, findet man keinen einzigen!–œ –“ –žSchlimmer als die Pilze!–œ Und bei aller Pein freut er sich doch über den Esprit des Gedankens. Wo waren wir?
Erebus hält die Plastiktüte nun in Händen und denkt : –žwir brauchen ein größere Boot–œ das ist aus dem weißen Hai, als der Fisch beginnt von dem Boot zu essen. Er denkt dies im übertragenen Sinne von –žwir brauchen mehr Zeit–œ, weil die vorhandene ja an allen Ecken und Enden zusammenschrumpft.
Aber: als er in den Beutel hineinblickt ist er erleichtert. Wie kann man doch erleichtert sein!
Darin befindet sich ein kleines Durcheinander von Kunststoffteilen, eine Batterie und eine Originalverpackung die leer und durchsichtig zu ihm aufblickt, während sie auf ihrem zerfallenen Inhalt hockt.
–œ Geschrottet! Gott sei Dank!–œ denkt er und spricht es laut: –žHeruntergefallen? Hmm. –¦ da kann man wohl nichts mehr machen. Was man da investieren müsste! Da könnte man sich drei neue kaufen. Allein der Kleber!–œ
Kleber hat er zwar noch von der letzten umfangreichen und leider gescheiterten Paparatur übrig, aber das verschweigt er natürlich. Kein Anflug von schlechtem Gewissen: schließlich könnte er wahlweise die mangelnde Zeit ins Feld führen. Und die ist unbestritten vorhanden. Vielmehr: unvorhanden.
Die Hoffnung jedoch, man könne das alles entsorgen -nach einer ausgiebigen Mülltrennung, selbstverständlich- und wieder zum Tagesgeschehen übergehen, wird ihm unmittelbar genommen. –žHeruntergefallen? Nee, so macht man das Ding aus!–œ
Aha.
Die Vorstellung, wie ein Pfleger nach der Anwendung hektisch einen Lady-shave zerlegt, um in außer Gefecht zu setzen, ja, die Vorstellung hat was.
–žMorgen, heute nicht mehr. Es ist schon so spät..–œ Knurrt er und dafür hat er Isa volles Verständnis.
Übermorgens, also gestern, ist es soweit. Erebus fischt die Bestandteile aus dem Plastiksack und unterdrückt das leichte Würgen, als er die pechschwarzen Haare sieht, die aus dem Inneren der Antriebseinheit hervorborsteln. Nun gut, –žper aspera ad astra!–œ Das war Großmutters Einpeitschspruch, wenn er Lateinvokabeln zu lernen angehalten war. Man sieht, wofür das nützlich ist.
Und zwar auch dann, wenn man da gar nicht hinwill.
–žMorgen, heute nicht mehr. Es ist schon so spät..–œ Knurrt er sich selbst zu, denn diesmal weiß er, wo das erforderliche Werkzeug liegt.
Im Handschuhfach. Sicherheitsverwahrt und erinnerlich.
Den Uhrmacher-Schraubendrehersatz benötigt er zwar ausschließlich im Haus, aber so muss er wenigstens nicht suchen. Nur wieder die Straßenschuhe anziehen, die Hunde abwimmeln, durch den Garten zur Straße, zum Auto, zum Handschuhfach schweben. Getragen von dem Gedanken, jetzt noch eine mehrstündige Auseinanderschraubungs-, Problemanalyse-, Projektplanungsphase durchlaufen zu können. Und von der leisen Befürchtung, doch schon eine Umlagerung vorgenommen zu haben. Nein. Heute nicht mehr. Zu spät.
Also heute. Erebus denkt kurz darüber nach, wieviel Längenwachstum Borsten innerhalb 4 Tagen haben können, und ob es Isa bei der Arbeit mit einer Werwölfin zu tun hat. Den Schraubendrehersatz hat er direkt beim Heimkommen mitgebracht, lag selbstverständlich im Handschuhfach. Weg gespart. Was man nicht in den Beinen hat, muss man halt im Köpfchen haben.
Die Schrauben hätte er nicht zu entfernen brauchen.
Erebus, der sozusagen von hinten kommt, ist mit seinem Latein am Ende, findet sich in einer Art Blinddarm wieder, der zur Aufnahme des herausgerupften Eingeweides gehört, das seinerseits die Batterien beherbergt. Alles retour. Per aspera ad astra!
Er widmet sich der weiteren Erforschung der Apparatur und stolpert nun über die beiden Knöpfe, die groß, oval und himmelblau beiderseits des Gehäuses hervorstehen und darauf warten , die vordere Hälfte des Aparillos freizugeben. Und da sind sie. Stufe 2 des schrumpfenden Rasierers verlässt ihre Basis. Um in den Kernbereich des unbekannten elektromechanischen Objektes vorzudringen, hätte es also genügt, die beiden –žKnöppe–œ ins Innere des Gerätes zu drücken und den Scherkopf abzuziehen. Gut zu wissen.
Dahinter wartet das Grauen. Erneut Schräubchen, Rädchen, zierliche Plaste, klein und fein und wunderbar. Und Borsten.
Aufgepasst jetzt–¦ erstmal Schüssel holen, drunterstellen.
Nein, nicht was Ihr denkt. Hat Erebus während einer beliebigen Projektbearbeitung erst einmal Fahrt aufgenommen, so schreckt ihn kein Knie und kein Syphon. Beispielsweise. Alles wird durchbohrt und zerpampt, komme, was da wolle. Nein, da gibt es kein Gewürge, nur noch reine Zielorientierung, Tunnelblick und zusammengedrückte Nase. Und diese Börstchen, man sieht sie ja kaum! Nein. Was Sorge bereitet ist die Diversität und Größe dieser blockierenden Einheit vor dem vermuteten Aufenthaltstorts des Einschalters, der nicht mehr zurück will.
Erebus hat die Erfahrung gemacht, dass genau solche Teilchen der Entmaterialisierung anheimfallen, wenn sie den Fußboden erreichen. Das ist noch höhere Physik und nicht mit dem zweiten Lehrsatz der Thermodynamik vereinbar.
Aber es ist so. Und es ist mit anderen Erscheinungen vereinbar, auf die Erebus Null Bock hat. Mit Staubmäusen, die da lauern, und mit einer erschütternden Werkzeugsuche, um die kapitale Wohnzimmerschrankwand kurzzeitig zu dislozieren.
Nein, nicht heute. Dann lieber eine Schüssel darunter stellen und alle dies köstlichen Einzelteile auffangen und später darüber nachdenken, woher sie kommen, wohin sie wollen. Da mischt sich auch nichts von der vorletzten Paparatur darunter -via unter der Schrankwand. Ein Teil, das Partout keine Aufnahme mehr finden wird. Es sei denn, man investiert für den ambitionierten Einbau viel Zeit und Phantasie und zieht Nachbarteile in Mitleidenschaft.
Die Schräubchen klimpern munter ins Behältnis. Ein zierliches Kunststoffärmchen, umwölkt von kleinen Börstchen gleitet hinein, die Federchen der himmelblauen Knöppe, und zu guter Letzt die beiden selbst. Nun die Antriebseinheit herausziehen.
RICHTIG! Da ist der Schalter.
Der Schalter steht auf" Wasser marsch", wenn man sich den Strom als Wasser denkt. Und das liegt daran, dass ein länglicher Federstift von seinem innigen Kontakt mit einer Metalllasche nicht ablässt.
Das kann man gut erkennen. Jetzt noch diese beiden Schräubchen und die Sache ist gegessen. Isa wird staunen!
Der Schalter aber, ach und Weh, er will nicht heraus. Weil er dem Anschein nach vom Blinddarm aus festgehalten wird. Die Schrauben hätte er also nicht zu wieder anbringen müssen. Es ist aber stets hilfreich, wenn man einen Arbeitsgang bereits kennt und wenn eine Schüssel darunter steht.
Allein, man kommt nicht dran, an die Schadensstelle. Und weil der Schalter immer noch beharrlich vor Ort bleibt, nur deshalb widmet sich Erebus einer neuerlichen, abschließenden Erkundung des verbliebenen Restapparates. Zur Abrundung der Studie. Und wiederum: Richtig!
Man kann, wenn man das möchte, den Schalter vom Schalter aus ausbauen. Also von seitlich. Wenn man das will.
Dazu bedarf es einiger unabgebrochener Fingernägel, Willenskraft und der Hoffnung, nicht allzu viele Plastiknasen zu brechen. Erebus schafft es unter Par. Zwei von Dreien sehen noch ganz brauchbar aus und das Teppichklebeband ist im zweiten Schubfach von unten. Möglicherweise. Vermutlich nicht. Zuletzt wurde es im mittleren Kellerraum benötigt. Vermutlich.
Hauptsache erstmal: der Schalter gleitet zwei Zentimeter heraus und Erebus kann die Kontakte von ihrem Dauerkontakt erlösen. Das Rebuilt des Ladyshave vollzieht sich unspektakulär und zügig. Keine überflüssigen Teile, keine fehlenden. Schalter einschieben, Schräubchen eindrehen, Zwischenstück einfädeln. Es läuft gut, bis die Knöpfe mit den Federn dran sind. Wie baut man Federknöpfe ein? Erst Knopf, dann Feder? Erst Feder, dann Knopf? Oder beides miteinander, vormontiert? Nun, es gibt vermutlich mehrere Wege, die nach Rom führen. Nach einigen Versuchen, einer verbogenen Pinzette und unter der ständigen Bedrohung durch springende Federn gelingt es ihm, Knopf Nummero 1 anzuflanschen. Juut.
Zu diesem Zeitpunkt denkt Erebus daran, dass er am besten zwischendurch einmal die korrekte Funktion des Instrumentes überprüft hätte. Zur Sicherheit.
Er schiebt den Schalter nach vorne. Nichts. Es tut sich nichts!
Als er grade dabei ist, den Knopf aller Knöpfe wieder aus dem Gehäuse herauszupopeln,just in diesem Moment kommt ihm der Gedanke, die Funktionsprüfung noch mal mit Batterien zu wiederholen. Zur Sicherheit.
Schwein gehabt. Der Borstling schnurrt und verbreitet Kurzschnitt. Nun noch den zweiten Knopf, man weiß ja, wie es geht. Feder in den Knopf, Knopf mit Feder vor das Rändchen drücken, quetschen, pressen .Pling!
Das Knöpchen fällt in die Schüssel und die Feder entmaterialisiert.
Aber. War da nicht, dort, hinter der Heizung, dort wo die Zentnerschwere Truhe vor der Heizung steht, war da nicht so ein Geräusch? Ein feines, leises Geräusch, grad so wie es eine Feder macht, wenn sie sich versteckt?
Erebus ist sich sicher. Da war so ein Geräusch!
Zunächst einmal die Truhe abräumen. Kaffetasse, Werkzeug, das Laufwerk, das auf der Fensterbank liegt, auf den Rechner legen, den Rechner nehmen und auf den Tisch stellen. Maus vergessen. Kabelmaus. Die Maus klimpert auf den Fußboden, klappert dort empört herum und zersichelt die Luft mit ihrem Laserschwert. Nun, die Maus ist unkaputtbar. Die macht so etwas öfter, und ist mittlerweile hochverfüllt. Mit Klebstoffen und Armierungen, die geht von einem lächerlichen Stürzchen nicht kaputt. Nicht mehr. Das Laufwerk rumpelt hinterher, verliert den Kabelkontakt und scheppert neben die Maus, die grade zur Ruhe kommt. Mitten im Stack! Shit. Gut dass er sich die Bildernummern gemerkt hat, den Stack wird er später wieder holen müssen.
Erstmal die Truhe beiseite. Die Kratzer im Parkett erhalten mindere Priorität, Erebus steckt in einem Projekt fest. Ja, da muss ein Besen ran. Weil er keine Lust hat, einen Besen zu suchen -es gibt im Haushalt vier davon plus Straßenbesen, aber die Dinger sind trotz ihrer stattlichen Statur schwer zu finden- deshalb also greift Erebus zum Ofenbesteck. Der Aschebesen sollte genügen. Überall diese Spinnwebschwaden! Im ersten Moment wundert sich Erebus über die Pinselmuster auf dem Heizkörper und daneben auf der weißen Wand. Nun, vielleicht hätte sich eine anständige Besensuche ausgezahlt, summa summarum. Aber was soll–™s. Sobald die Feder geborgen ist verdeckt das eichene Ungetüm das Folgeprojekt. Damit kann er sich Zeit lassen, erst der Rasierer, dann die Steuerklärung, dann das Parkett. Oder lieber erst das Spätbeet und danach das Parkett. Kommt natürlich auch auf–™s Wetter an.
Sobald die Feder geborgen ist. Die ist von allerhöchste Physik und nicht mehr auffindbar. Aber schön, das die Spinnweben weg sind. Erebus zieht ab und sucht das Kehrbesteck.
Nachdem Erebus den Kerichthaufen mittels des Erläuterungsbogens zur Steuererklärung und dem Aschebesen aufgenommen hat (es war grade keine der drei regelkonformen Aufkehrgarnituren verfügbar), nachdem er die Truhe wieder an die Wand gewuchtet hat, und wieder davon ab, weil er trotzigen Sinnes und Glaubens ist, dass der zweite Satz der Thermodynamik doch ein Körnchen Wahrheit in sich trägt, nachdem er all das unternommen hat beschließt Erebus ein Päuschen zu machen. Und zur Entspannung erst mal einen Stack.
Aber Huch! Was ist das? –ž CRC Fehler Festplatte Formatieren"
Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass sich die Prioritätenliste grundlegend geändert hat –“ zum Beispiel habe ich mir den Folierer etwas genauer angeschaut, ob er zu einer Federspende bereit wäre -Kulifedern sind nämlich zu groß- nein, die Prioritäten haben sich nicht geändert. Denn ich habe nun eine Menge Zeit, bis ich mehr weiß. Bis ich weiß, ob ich wieder an meine Bilder komme, mit denen ich ursprünglich einen Beitrag einsetzten wollte. Chkdsk läuft nun bereits vier Stunden und zeigt 11% an. Zeit vergeht ja auch beim Warten. Notfalls schreibt man einen Text.
LG, Uli