Er ist klein und bräunlich, ein wenig krumm ins Leben gewachsen. Seit vorgestern leidet er unter einem heftigen Sonnenbrand.
Nun blickt er –“ wie seit Tagen schon –“ auf die Friedhofsmauer und bewegt sich nicht.
Er ist geduldig und seine Geschwister, die sich links und rechts von ihm stehen, rühren sich ebenso wenig. Mit steifem Hals folgen sie seinem Blick Da ist nichts zu sehen–¦ selbst wenn sie über die Mauerkrone blicken könnten: Beerdigungen gibt es hier seit Jahrzehnten nicht mehr, Besucher kommen keine; nur der Gemeindeangestellte zermetzelt eines Vormittages mit seinem Rasenmäher das gleichmütige Geklapper des Förderbandes, welches unten am Berg das Zementwerk mit Kalkschotter versorgt. Wovon sie aber ebenfalls nichts sehen, denn die Mauer ist viel zu hoch.
Er steckt fest. Irgendwie stecken sie alle fest.
Erebus hingegen ist sehr angetan und bringt den Kleinen sogleich in der Gattung Nescio unter, in der er so manchen seiner Funde verwahrt.
Die Konsistenz des Pilzes ist schlichtweg sagenhaft und erst die Hutoberfläche! Sie erinnert an diese glatte Hartplastikfigur, mit der er als Kind gespielt hatte, allerdings kommt er nicht darauf, wie die aussah. Der Triceratops war es jedenfalls nicht, der hatte Schuppen. Erebus genießt den seltenen Moment einer undeutlichen haptischen Reminiscenz und die Anschmiegsamkeit des knüppelharten dehydrierten Fruchtkörpers.
Bekanntlich wird im Sommerloch so mancher schlichte MbP zum Pausenfüller.
Er geht die Gattung Nescio durch –¦ Nullus suspicio –“ das wäre allerdings möglich! Eventuell auch Lentinellus? Jedenfalls bringt uns der endgültige Festplattencrash des Ladyshavepaparateurs um das Vergnügen, den Tagespilz des 20.06.2015 auch optisch zu genießen. Erebus denkt über das gr0ße Glück nach, das er empfinden darf, weil er nur ca. zwei Wochen totalen Bildverlustes zu beklagen hat.
Zwei Wochen = zwei Wochenenden = vier Tagespilze = Schwein gehabt.
Na ja, so nebenbei war es doch ein wenig mehr. Und das andere Zeug will er jetzt mal vorstellen. Einfach so, nix Dolles, aber alles, was irgendwie auffindbar war, jedenfalls: fast alles.
Nein nein! Hierbei handelt es sich nicht um einen Apportiporus, sondern um Oligoporus guttulatus., den Getropften Saftporling. Im durchstreiften Waldstück ist er nicht selten, wächst über die Monate an verschiedenen Nadelholzstümpfen und leuchtet hell durch den Wald. Ich finde ihn an Fichte und Douglasie im Spessart und Steigerwald auf frischen Böden, in schattigen Waldstücken, jeweils in Höhen ab ca. 350m.
02 Oligoporus guttulatus- Getropften Saftporling auf Fichtenstumpf
In denselben Höhenlagen, jedoch an etwas offeneren Stellen mit bevorzugtem Laubholzwachstum war dieses Jahr der Lungenseitling etwas häufiger zu finden. So z.B. an der Lieblings-Windbruchstelle des Erebus, einem schwierigen Gelände für gut ausgestattete Fotografen
04 Pleurotus pulmonarius - Lungen-Seitling, hier an Esche
05 Pleurotus pulmonarius - Lungen-Seitling, und hier an Buche
Im selben Gebiet wuchs Mitte/Ende Juni sehr zahlreich die kommende Generation des nördlichen Zinnoberschwammes heran, vorerst noch mit wenigen ausgebildeten Fruchtkörpern, dafür aber mit einem faszinierendem orange-rotem Geflecht wie Magmaströme, dass die Oberfläche einiger liegender Buchenstämme durchzog. Eigentlich finde ich den frisch erst immer im Herbst und dann an Kirschen.
06 Pycnoporus cinnabarinus - Zinnoberschwamm, möglicherweise auch Pycnoporellus fulgens - Leuchtender Weichporling (Tipp von Andreas - mollisia)
An diesem Tag gab es auch ein paar der ersten Täublinge zu bewundern, ich meine, es waren drei Exemplare, die direkt neben dem Weg wuchsen.
08 Russula cyanoxantha - Frauen-Täubling
In den folgenden Wochen machten sich die Pilze ganz schön rar, und so fand ich –“abgesehen von vielen Eichenwirrlingen- bisweilen so gut wie nichts. Halt, eines Tages ein rotes Waldvögelchen, dass ich sogleich verschenken konnte.
09 Cephalanthera rubra - Rotes Waldvöglein
Das war im bekannten Kalkbuchenwald bei Mühlbach, wo ich auf erste Röhrlinge hoffte. Etwas weiter am Berg entlang, dort mischen sich immer mehr Nadelbäume zwischen das Laubholz, ließ sich der Tagespilz aufspüren:
10 Pluteus nigrofloccosus - Schwarzschneidiger Dachpilz an Kiefernstumpf
Der war zwar nicht mehr besonders ansehnlich, dafür aber bestimmbar. Zwei Wochen später fand ich an einem vermeintlichen Laubholzstumpf, vielleicht zwei Dutzend Schritt entfernt davon, diese drei:
Pluteus spec. Dachpilze? Ich denke schon. Allerdings leide ich unter einem mega Collybia Dilemma, das mich regelmäßig beim Betrachten dieser Trockenpilze befällt. Aus Dachpilzen werden dann gewöhnliche Verdachtpilze. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich vor Ort mein Hauptaugenmerk auf–™s Fotografieren lege und es häufig beim ersten Eindruck belasse. Die Zweifel kommen dann im Nachhinein. So auch beim nächsten, der wuchs an einem Espenstümpfchen.
12 Xerulia radicata - Schleimiger Wurzelrübling (Bestimmung von Andreas - mollisia), ich hielt diesen Fund zunächst für Pluteus cervinus spec - den Rehbraunen Dachpilz
Weil dieser Knabe so schön frisch da stand, und sonst garnichts (ich war auf der Suche nach dem Pappelraufuß ), beließ ich ihn an Ort und Stelle, unberührt und unversehrt, denn ich wollte auch nachfolgenden Pilzfindern diesen außergewöhnlichen Augenschmaus gönnen.
Jedoch ist die Trockenheit nicht der einzige Feind des Pilzsuchers. Nachts, aber auch tagsüber, kommt die schleimige Brut, sabbernd und glitschig aus namenlosen Orten hervor, meuchelt und schändet die schönen Fruchtkörper.
Als ich den einzigen mir bekannten Fudort des Laubholzknäuelings aufsuchen wollte verirrte ich mich derart im wohlbekannten Wald, dass ich bereits über einen Kriminalroman fabulierte, als ich über eine Dreiergruppe des Grauen Wulstlings stolperte. Alle aufs Entsetzlichste entstellt und in der Blüte des Lebens dahingeschlachet.
Das war mir keinen Pixel wert. Eine Woche später fand ich ihn dann meinen Knäueling. Sie waren bereits vor mir da und hatten schon halbe Arbeit geleistet. Eigentlich ist es gut, so ging es mir durch den Kopf, dass diese beiden –“Trockenheit und Schleimratten- sich gegenseitig nicht ausstehen können. Als Verbündete wären sie unbezwingbar.
13 Panus conchatus - Laubholz-Knäueling
14 Panus conchatus - Laubholz-Knäueling
Da zwischen den einzelnen Funden jeweils einige Tage lagen, will ich den Beifang nicht verschweigen, dem man ja immer wieder einmal begegnet. So z.B. einer ausgewachsenen Erdkröte, die sich Tagsüber zwischen losem Laub und Moos aufhielt. So etwas ist verhaltensauffällig, und als ich die Nasenöffnung der Kröte betrachtete, dachte ich sogleich an ein sehr frühes Befallsstadium durch die Krötengoldfliege. Bin mir dessen aber nicht sicher, da das Tier zugleich die Anzeichen einer beginnenden Häutung zeigte.
Das Puschelschwänzchen ist übrigens nicht krötenzugehörig.
In den Trockengebieten um Würzburg fanden sich auch ein paar Schmetterlinge, ebenso an feuchten Bachläufen, dort auch Feuersalamander und anderes –¦ z.B ein abgelebter Hirschkäfer oder der Sägebock. Letzteres ist ein Großkäfer, der bislang als ungefährdet galt. Es wird aber befürchtet, dass es ihm nun auch an den Kragen geht, denn die nachhaltige Nutzung nachwachsender Rohstoffe macht es nachdrücklich notwendig, auch die Baumstümpfe zu nutzen, die bislang im Wald verbleiben durften.
16 Potpourrie 1 (v.l.n.r.u.o.n.u) : Macroglossum stellatarum –“ Taubenschwänzchen, Polygonia c-album - C-Falter, Polyommatus icarus cf –“ Hauhechelbläuling, Calopteryx virgo cf - Blauflügel Prachtlibelle
17 Potpourrie 2 (v.l.n.r.u.o.n.u): Salamandra salamandra –“ Feuersalamander, Erithacus rubecula –“ Rotkehlchen, Lucanus cervus –“ Hirschkäfer, Prionus coriarius - Sägebock
Mit dem Sägebock haben wir dann auch den Übergang zum Tagespilz, der im selben Waldstücklein sein Auskommen suchte; der Schuppie Sägeblättling, ein Hitzepilz, der auch im vergangenen Jahr in den Nadelmischwäldern häufigeg zu finden war; Sägetag:
18 Neolentinus lepideus - Schuppiger Sägeblättling an liegendem alten Kiefernstamm
19 Neolentinus lepideus - Schuppiger Sägeblättling an stehender, grün benadelter, wenngleich geschädigter, Kiefer
Geröhrt wurde hingegen kaum, zumindest, was meine Funde betrifft. Zunächst fand ich einen vermeintlichen Hainbuchen-Raufuß, der sich kaum verfärben wollte, und im selben Gebiet am selben Tag einen Flockenstieligen Hexenröhrling
20 Leccinum pseudoscabrum - Hainbuchen Raufußröhrling
21 Boletus erythropus - Flockenstieliger Hexenröhrling
Sehr gefreut habe ich mich auch über diesen Tagesfund
22 Boletus appendiculatus –“ Anhängselröhrling
Einen Steinpilz konnte ich nicht finden, und abgesehen von Flockenhexen handelte es sich um Einzelfunde. Auch der Regen der ab und an fiel brachte keine sichtliche Besserung der Pilzknappheit. Selbst das Stöckchendrehen war kaum von Erfolg gesegnet.
23 auf 5cm dickem Eichenast, restfeucht: Mollisia spec. - Weichbecherchen (Dank an Mollisia)
Das meiste wuchs also auf Holz, und deshalb darf der hier auch nicht fehlen, den Rudi aus dem Hut zauberte. Ein Fund, den ich alles andere als frustulierend fand
24 Xylobolus frustulatus - Mosaik-Schichtpilz
24 Xylobolus frustulatus - Mosaik-Schichtpilz
So, jetzt gehen ich ins Bett und freue mich (wie jeden Samstagabend) auf den Sonntagsfund, vielleicht so etwas?
25 Phallus impudicus - Gemeine Stinkmorchel