Es zuckt

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 3.666 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Leute!


    Nach wie vor: Viel zu trocken, viel zu heiß. Die kurzen Gewitterschauer bringen nicht wirklich was. Aber so ganz tot ist es nicht. Jedenfalls nicht überall. An manchen, örtlich stark begrenzten Stellen mit entsprechender Bodenfeuchtigkeit kann man auch jetzt noch und auch in den schlimmen Regionen noch ganz gut Funde machen. Wenn man sich denn mit solchen Funden überhaupt beschäftigen will.


    Da wo die Römer hausten habe ich mich am Samstag mit Lea getroffen. Es war brütend heiß und schwül im Wald. Die alte Römervilla lag als Grundmauern danieder in der Tageshitze, dort merkte ich auch, daß ich unterwegs meinen Schlüssel verloren hatte.
    Ein schönes Waldstück ist das da oben über dem Neckartal. Der Boden scheint weitgehend kalkig zu sein, das Relief leicht wellig, die Höhe durchzogen von kleinen, flachen Tälern und Gräben. Viele Eichen und Buchen, leider keine Kastanien und keine Kaiserlinge. Die haben die Römer wohl damals wieder mitgenommen.


    Die meisten der im Folgenden vorgestellten Pilze fanden sich +/- an einer Stelle, so etwa im Radius von 10 Metern.


    Zum warm werden mal was Leichtes.
    Phaeolus schweinitzii = Nadelholzbraunporling


    Meripilus giganteus = Riesenporling


    Panus conchatus = Laubholzknäueling


    Tyromyces kmetii = Orangener Saftporling


    Kuehneromyces mutabilis = Stockschwämmchen


    Physisporinus sanguinolentus = Rötender Porenschwamm


    Physisporinus / Rigidoporus species = unbekannt


    Den werde ich die Tage noch als anfrage einstellen. Es kann freilich auch Physisporinus sanguinolentus sein, aber mit untypischer Farbreaktion. Dieser hier rötet halt nicht, sondern er graut. Und als er am nöchsten tag nach fleischfarben umgefärbt war, da bräunte er. Auch scheinen die Sporen einen Tik zu klein zu sein und vielleicht etwas zu rundlich.
    Also vorerst mal indet.


    Momentan spielt sich alles an Aststücken ab, die man so aus dem verrottenden haufen aus liegendem Stamm- und Astholz im feuchten Graben neben dem Weg zieht. Besonders geil sind solche Stückchen:

    Da hätte man 6 oder 7 Arten nur an dem einen Holzstück untersuchen können. Ich habe mich dafür entschieden, nur zwei anzugucken.
    Tomentella crinalis = Stacheliges Filzgewebe




    Was mal eine gut zu bestimmende Tomentella wäre, wegen dem stacheligen hymenophor und den braunen Farben. Dazu kommen 7-8 µm große, rundliche Sporen mit bi- (oder gar multi-)furkaten Stacheln, keine Zystiden aber etliche Zystidiolenartige Elemente, die wohl auch unreife oder verwachsene Basidien sein wollen. Generative Hyphen im Hymenium dünnwandig, im Subikulum auch dickwandig, immer mit Schnallen, in den Rhizomorphen auch "richtige" Skeletthyphen ohne Septen.
    Bestimmung selbstverständlich nach Tomentella.de.


    Den weißen Porling neben der Tomentella habe ich nicht angeguckt. Im nachhinein eigentlich sehr schade, aber leider hat der Tag nur 30 Stunden.


    Dafür fand sich am selben Holzstück noch ein auffälliger, erst weißer, dann cremeockerfarbener, dann sogar liecht ins Fleischige umfärbender Rindenpilz mit dicken, auffälligen Rhizomorphen (auf dem Bild mit blauem Rucksack links unten auf und unter der Rinde):


    Der heißt bei mir momentan Phanerochaete cf velutina (Flaumiger Zystidenrindenpilz). So ganz zufrieden bin ich damit aber nicht, da sind ein paar Punkte, die nicht so ganz passen wollen (Dicke der Rhizomorphen, Sporengröße, Hyphen im Subikulum).
    Muss ich auch noch mal extra einstellen.


    Recht nahe verwand ist
    Scopuloides rimosa (Körnchen - Zystidenrindenpilz):



    Der ist dünner, hat aber die selben, spitz zulaufenden, stark inkrustierten Lamprozystiden, statt dünnwandigen Leptozystiden hat er aber Septozystiden, also septierte, dünnwandige Zystiden.
    Sehr ähnlich wäre da noch Scopuloides hydnoides, der sich wohl nur makroskopisch durch die dichter stehenden, spitz zulaufenden Stacheln untescheiden lässt.


    Wer hingeguckt hat, sieht auf dem Stöckchen oben noch den obligatorischen Schleimpilz, der immer da sein muss, wenn man durch solche Haufen stöbert.
    In diesem Fall ist es
    Arcyria denudata = Rotwuschelpuschelschleimpilz (oder so)





    Allein durch anpusten ließen sich die Sporocarpien nicht lösen, aber beim Drüberstreichen kullerten sie doch ab wie Kegel.


    Tja, was es sonst noch so gab...
    Ein Breitblatt, Behangenen Faserling, indet. Rädchentintlinge, ein Löwengelber Dachpilz und weitere Dachpilze:


    Pluteus salicinus = Graugrüner Dachpilz


    Pluteus cervinus = Rehbrauner Dachpilz (heute mal in weiß)



    Pluteus phlebophorus = Runzliger Dachpilz



    Merkt euch mal die Cheilozystiden (erstes Mikrobild) und die Pleurozystiden sowie die Sporen (2. Mikrobild).


    Also es sah irgendwie so aus, als wollte sich weit und breit kein Fund einstellen, der gleich auf den ersten Blick spektakulär war. Die Rede ist sowohl vom Kaiserling als auch vom Königsröhrling (beide in dem Gebiet wohl noch nicht nachgewiesen). Das mag wohl an der Hitze liegen, im nächsten Jahr werden sie dort sein.
    Jedenfalls fiel mir dann an der Römervilla auf, daß mein Schlüssel weg ist.
    Der Weg: Weit. Viele Gelegenheiten, den irgendwo im Graben oder im Totholz verloren zu haben. Toll. Und beim Suchen auch lange nichts, am liebsten hätte ich meine Brille dem Schlüssel hinterhergeschmissen. Aber das war leichter gesagt als getan, denn dann hätte ich ja immerhin ungefähr wissen müssen, wo der Schlüssel war.
    Das zumindest ist meine Entschuldigung, warum ich beim Rückweg an dem Holzhaufen noch einen Pilz eingepackt habe, ohen ihn am Standort abzulichten. Der wuchs an einem Stamm, der sich mit dem Stamm überkreuzte, an dem auch Pluteus phlebophorus wuchs. Entfernung kaum 1 Meter.
    Eingepackt. Sollte ja der Selbe sein, Zwei Fruchtkörper sind besser.


    Zuhause die beiden nebeneinandergelegt.


    Sieht recht ähnlich aus, oder?
    Der mit dem unkaputten Stiel ist der oben vorgestellte Pluteus phlebophorus.
    Die Hutfarben weichen etwas ab, das gehört zur variationsbreite verschiedener Arten.
    Auffällig: dieser Pluteus phlebophorus riecht deutlich spermatisch. ist mir bei vorigen Funden der Art nie aufgefallen. Der andere Fruchtkörper riecht absolut unbedeutend, möglicherweise ganz leicht nach Apfelsaft.


    Habt ihr euch die Zystiden und Sporen gemerkt?
    Ist doch quatsch. Muss man sich nicht merken, kann man doch hochscrollen, wenn's interessiert.
    bei dem mit dem kaputten Stiel und ohne spermatischen Geruch siehts's mikroskopisch so aus:


    Und die Huthaut als Bonus, die ist bei beiden ziemlich gleich:

    Also wenn nicht der Hut bei beiden fruchtkörpern bis zum rand fein runzlig wäre, würde ich den mit den rundlicheren Sporen und den oben meist deutlich abgeplatteten, wenig flaschenförmigen Pleurozystiden Pluteus pallescens (verblassender dachpilz) taufen wollen. Es gibt zwar bein den Sporen und Zystiden Übergänge, aber die Mehrzahl der Pleuros ist schon so fett und mehr sackartig wie die drei rechts. Und bei P. phlebophorus eben immer flaschenförmig, mit viel schlanker zulaufender spitze, mal dick mal schlank.
    So kann's gehen, auch ein Mikro ist kein Allheilmittel. ich bleibe noch unsicher und nenne den zweiten Pluteus cf pallescens.


    Und das war's. ich will mal gucken, ob das Wasser wieder angestellt ist, noch eine Aspirin auf die Nacht und dann ins Bett.
    In der Hoffung euch nicht zu sehr gelangweilt zu haben.
    Den für mich schönsten Fund hat Lea ganz am Ende der Tour gemacht.



    LG, Pablo.

  • Ahoi, Pablo,
    Ahoi, Lea,


    dafür, daß nichts los ist,
    präsentierst Du hier doch Vielfalt. :thumbup:


    Schön, daß Ihr so Einiges finden konntet.


    Zum Stockschwämmchen:
    ich wusste gar nicht, daß junge FK solch körnige Hüte haben können.
    Wieder was gelernt... 8|
    ...oder könnte es etwa sein, daß....




    LG
    Peter

    Link zu Pilzlehrwanderungen: Pilzschule Rhein-Main

    Link: Verzehrfreigaben gibt es online nicht

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  • Hallo Pablo!
    wie heißt es doch? "A bisserl wos geht allaweil"... die Mikrobilder gefallen mir auch sehr gut. Sowie das Bild mit dem Riesenporling und Füßen.:)
    Der Schlüssel lag doch nicht etwas beim Auto, und Lea hat ihn gefunden?

  • Hi Pablo,
    danke für den tollen Bericht ;)
    Da sind wieder sehr interessante Sachen dabei. Für mich viel Unbekanntes dass ich mir erst mal genau anschauen muss.
    Beste Grüße
    Dieter

  • Hallo Pablo,


    na also, ein paar Pilze gibt es doch bei euch...


    Deine Mikrobilder sind wirklich klasse! :thumbup:


    Und mir gefällt ansonsten besonders der rötende Porenschwamm, sowie - wie Tuppie - der Riesenporling mit den Füßen!


    Danke für's Herzeigen der Füße und Pilze. :evil:


    Und schön, dass sich der Schlüssel am Ende doch wiederfinden ließ.

  • Hi Pablo, hi Lea,


    das ist doch eine ganz anständige Fundliste, die Ihr uns präsentiert :thumbup:
    Mir scheint, da haben sich 2 gesucht und gefunden, denn Ihr lauft ja nicht zum ersten Mal gemeinsam durch die Hitze, NUR um Pilze zu suchen :)


    Das Riesenporlings-Schuhe-Bild ist auch mein Favorit, der Witzigkeit wegen, gleich gefolgt von den hübschen "Ketten", die Mausmann schon gehighlightet hat :)


    Das schönste Geschenk war mit Sicherheit der wiedergefundene Schlüssel.
    Das erinnert mich sehr an Anna & Stefan :evil: Anna verliert's, Stefan findet's :giggle:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, ihr Lieben!


    Ja, was sollte ich ohne Lea im wald machen. mal abgesehen davon, daß sie alle Pilze sieht, findet sie auch noch Schlüssel. Der lag allerdings nicht am Auto, wir waren mit den Fahrrädern da. Und dort hatte ich den wohl in weiser Voraussicht deponiert bzw. neben die Hosentasche ins Gras gesteckt.


    Die Mikrobilder...
    Ja, die werde ich aber mit meiner derzeitigen Fotoausrüstung kaum noch steigern können. Das Mikro ist halt gut, Kamera und Technik eher Durchschnitt; Kein vergleich zu Aufnahmen von Hartmut, Jürgen (Marqua), Klaas, Björn... Aber das Lob geht mir dennoch schön runter. :)


    Diese Pilze sind freilich nicht mit den Nordlings - Funden vergleichbar, aber es hat Spaß gemacht, mal wieder schön ein paar frische Porlinge und Cortis durchzuackern. Auch wenn das immer eine Mordsarbeit ist, und wie üblich auch noch nicht völlig abgeschlossen.


    Daß das Bild mit dem Riesenporling gut ankommt, hätte ich mir fast gedacht. Und gestellt ist es nicht, oder immerhin nicht wirklich mit der Zielsetzung. Lea sollte eigentlich da oben stehen, um den Pilz etwas abzuschatten.
    Nun ist es ja so, daß man beim Fotografieren von Pilzen ständig irgendwelche Füße im Bild hat, wenn man in der Gruppe unterwegs ist. Da war auch ein Bild im letzten Fotowettbewerb, das dafür einige Abzüghe bekommen hat (ich fand#s ganz gut).
    Und hier ließ es sich mal sogar richtig hübsch einbauen.


    Die Stockschwämmchen heißen ja nicht umsonst mit zweitem namen "Pholiota" mutabilis, Peter. Das ist sogar ein ganz wichtiges Merkmal, daß der Hut jung geschuppt ist, denn das ist er bei Gifthäublingen und auch bei Schwefelköpfen nie. Nur eben bei anderen Pholiota - arten. Das hier waren schon sicher welche. Kannst das Bild ja mal anklicken (die sind alle anklickbar und werden dann größer und schärfer), dann sollte auch die Hygrophanität der Hüte erkennbar sein. Unter den Schuppen.



    LG, pablo.

  • Hallo Pablo,
    bin ganz neidisch auf Deine Funde und Glückwunsch zu all den tollen Fotos. Bei uns ist immer noch große Dürre und Pilz-Ebbe.
    Tyromyces kmetii hatten wir zum ersten Mal schon mal zu besseren Zeiten vor 2 Jahren im Harz.
    Aber vor allem danke ich Dir für den super Namen von Arcyria denudata : "Rotwuschelpuschelschleimpilz" :thumbup: :D :D
    Muß ich mir merken, auch wenn der natürlich auf alle roten Arcyria-Arten zutreffen würde.
    LG Ulla

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.


    Danke, Mentor!
    Aber wir fanden sehr wohl was zum Futtern. Auf dem einen steht Lea. Der war abner ein wenig alt. Schwefelporling gab es auch, auch zu alt. Die Stockschwämmchen zu jung. Aber dafür fanden wir fünf Pfifferlinge, die sogar schon fertig getrocknet waren! Sahen fast so lecker aus wie ein die in Plastik eingeschweißten beim Billigdiscounter des Vertrauens.


    Dir drücke ich die Daumen, daß es bald aufwärts geht mit den Funden, Ulla.
    Zu Arcyria denudata hatte ich irgendwo auch schon andere deutsche Namen gelesen. Sogar einige verschiedene. Nur davon file mir gerade keiner ein, also ein guter anlass, mal kreativ zu werden.
    Tyromyces kmetii scheint sich wie etliche Arten so langsam von Süd nach Nord auszubreiten. In der Oberrheinebene ist er inzwischen nicht mehr selten, für mich war das schon der fünfte Fund (an unterschiedlichen Standorten).
    Aber schön ist er einfach immer wieder.



    LG, Pablo.


  • Hallo.


    Danke, Mentor!
    Aber wir fanden sehr wohl was zum Futtern. Auf dem einen steht Lea. Der war abner ein wenig alt. Schwefelporling gab es auch, auch zu alt. Die Stockschwämmchen zu jung. Aber dafür fanden wir fünf Pfifferlinge, die sogar schon fertig getrocknet waren! Sahen fast so lecker aus wie ein die in Plastik eingeschweißten beim Billigdiscounter des Vertrauens.



    Huhu!



    Nicht zu vergessen die winzigen Lungenseitlinge und die beiden Sklerotienporlinge.


    Danke für den Bericht, ich habe mich sehr amüsiert :thumbup:



    LG Lea.

    [font="Papyrus"]Wahrer Mut bedeutet nicht, Leben nehmen zu können, sondern es zu bewahren.


    - Gandalf
    97 Chips
    [/font]

    • Offizieller Beitrag

    Hi Pablo!


    Für's Mikroskopieren gibt's ein Fleißsternchen. Und dafür, dass du immer wieder Arten zeigst, von denen ich noch nie etwas gehört habe, ebenfalls. :) Danke für's Teilen.


    LG, Jan-Arne

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Jan-Arne!


    Danke dafür. Aber es macht ja auch Spaß, auch wenn's mühsam ist.
    Daß mit den unbekannten Pilzen liegt daran, daß ich auch immer wieder Pilze zeige, die mir selbst völlig unbekannt sind. ;)



    LG, Pablo.