Hallo Leute!
Ja, endlich hat es auch hier im Südwesten einen Wetterwechsel gegeben. Endlich viel gutes Wetter mit einer leichten Einschränkung: Es wird schon fast zu kalt.
Vor ein paar Wochen sah das aber noch ganz anders aus. Das Wetter war konstant schlecht, in den Wäldern alles tot. Glücklicherweise hatte ich die Möglichkeit, für ein paar Tage zum Klimaflüchtling zu werden.
Das erstaunliche: Der Weg nach Süden führte tatsächlich in gutes Wetter. Und in die Pilze.
Das Zielgebiet ist ein keines Seitental des Lago Maggiore in den Alpen. Der Untergrund besteht aus Granit, ist größtenteils sauer, die Ökologie bietet hauptsächlich Rotbuchenwälder in den höheren Lagen und darunter viele Esskastanien, Eichen, Lärchen, Birken usw.
Von einigen Besuchern wurde in der Vergangenheit schon behauptet, da gäbe es keine Pilze. Irrtum. Man muss nur zur richtigen Zeit hin. Also bei gutem Wetter. Wie gut das Wetter war, mögen die ersten beiden Bilder bezeugen:
Ich habe versucht, einen richtig schönen Blitz abzubilden. Man sollte meinen, bei dem Stakkato an durch die Wolken und auf die Berge fahrenden Blitzen kein Problem, aber leider doch nicht so einfach. Dieses Fitzelchen war noch das Beste.
Am morgen danach sieht es dann so aus:
Und immer wieder Regen, teils in regelrechten Katarakten aus den Wolken fallend, immer wieder Gewitter, dabei aber immer schön warm und dampfig. Eben richtig schönes Wetter.Da muss man schon den richtigen Abend erwischen, um den Grill am Grotto anzuschmeißen.
Oder dabei den Schläfer zu fotografieren:
Wo ich nicht durchsteige: Ist das nun ein Garten- oder Siebenschläfer? Oder muss man die mikroskopieren um die Art zu bestimmen? Oder kann man die nur anhand des auf dem Kot wachsenden Pilzbestandes sicher definieren?
Nun aber zu ein paar Pilzen. Man mag es nicht glauben, aber zum ersten Mal in diesem Jahr finde ich sowas:
Was dann untypischerweise bei mir dazu geführt hat:
Wobei ich die Lila Lackis sogar stehen gelassen habe. Bei den Steinpilzen habe ich mich in der Tat auch zurückgehalten, da hätte man Tonnen abräumen können. Was die Einheimischen auch gemacht haben, aber die brauchen das nötiger als ich und ich habe keine Lust zu putzen. Ich habe Lust zu bestimmen. Und teilweise nehmen die Einheimischen auch Steinis mit, die noch älter sind als der boletoide Part dieses Pärchens:
(Boletus edulis neben Russula cyanoxantha)
Altpilze sammeln gibt es also nicht nur in Deutschland.
Und da ich den Bericht schon so lange vor mir herschiebe, nun mal einfach ein paar der Funde in alphabetischer Reihe.
Agrocybe cylindracea = Südlicher Ackerling
Am Lido in Cannobio, da lagen wohl schon einige Badegäste drauf.
Asterophora lycoperdoides = Stäubender Zwitterling
an altem, unbestimmtem Täubling
Chlorociboria aeruginascens = Kleinsporiger Grünspanbecherling
Cortinarius violaceus = Dunkelvioletter Schleierling
Craterellus sinuosus = Krause Kraterelle
Cystolepiota hetieri = Rötender Mehlschirmling
Da ich kürzlich in einem anderen Thema eine der Nachbararten >kurz vorgestellt< hatte, den hier nochmal etwas ausführlicher.
Auffällig ist das sofortige, deutliche Röten der Fruchtkörper, insbesondere des Velums, was später zu grau, dann zu dunkel graubraun bis schwarz umfärbt. Ein Ring ist nicht vorhanden, das Velum nur bei frischen Fruchtkörpern gut sichtbar aber sehr fein und rasch vergänglich.
Diese Kollektion hatte mikroskopisch neben den nicht ganz voll entwickelten Zystiden eine besonderheit: Keine Schnallen. Ludwig schreibt dazu in der Gattungsdiagnose "selten fehlend". Seis drum.
Huthaut:
Velumzellen konnte ich fast keine mehr finden, und die wenigen waren so kollabiert, daß man nur noch sowas wie einen geplatzten, zusammengeschrumpelten Luftballon mit ganz dünnen Wänden sieht.
Cheilozystiden:
Pleurozystiden waren da kaum zu finden, nur ein paar und die auch recht nahe an den Lamellenschneiden.
Sporen:
Also insgesamt schon ohne Mikros für mich ein völlig anderer Pilz als Cystolepiota adulterina. Allerdings soll es da Probleme in der Bestimmung geben. Mal sehen, was weitere Funde bringen.
Entoloma cf politum = vielleicht Glänzender Rötling
Entoloma rhodopolium s.l. = Artengruppe um den Niedergedrückten Rötling
mit zu kleinen Sporen:
der nervt mich auch noch. Wobei es da nicht um die Sporengröße geht. Die stammen nicht aus einem Abwurf, sondern mikroskopiert wurde ein Lamellenpräparat aus dem Exsikat in KOH 3%, da ist klar, daß die Größen etwas undeutlich sein können. Möglicherweise einfach zu viele junge Sporen. Ich kann trotzdem nicht anders schlüsseln, alle weiteren Wege führen bei "HDS = Kutis, Pigment ausschließlich intrazellulär, Sporen dickwandig fünfeckig mit deutlichen Ecken und subisodiametrisch bis heterodiametrisch, Schnallen+ und Cheilozystiden-" ins Nirvana. Bleibt mir die Unterscheidung zwischen Entoloma rhodopolium und Entoloma politum, die mir unklar ist. Als Geruch ist "Kunstdünger" notiert. Geht bei beidem. Noorderloos in FE schlüsselt am enstcheidenden Punkt über den Lamellenansatz, die Hutform (Habitus: Tricholoma oder Collybia) und die Stieloberfläche aus. Der Habitus ist für mich bei dem eher lütten Pilz keine Tricholoma, der Lamellenansatz sollte klar sein: breit angewachsen und meist auch kurz herablaufend. Die Stieloberfläche und die Hutform finde ich diffus. Denn hier ist sowohl ein Buckel, als auch eine niedergedrückte, bei alten Exemplaren fast trichterige Vertiefung. Und der Stiel ist jung mit feinen, weißen Faserflöckchen belegt. Im Alter glatt. Nach den Merkmalen komme ich eher zu E. politum, aber rein vom optischen her passen mir da viele Bilder nicht. Schon gar nicht die Zeichnungen bei Ludwig. Wogegen das Bild in den Großpilzen schon wieder sehr schön passt. Aber bei Bildern von E. rhodopolium sehe ich auch recht unterschiedliche Pilze.
Bin ich vielleicht nicht der Einzige, der da Bestimmungsschwierigkeiten hat?
Edit: Nach >dieser Diskussion< mag ich den lieber E. rhodopolium s.l. nennen.
Anyway, genug davon. Pilze.
Fiustulina hepatica = Ochsenreischling, Leberzunge
Gloeophyllum trabeum = Balkenblättling
An Fichte
Hericium cirratum = Dorniger Stachelbart
an noch lebender Rotbuche
Inocybe petiginosa = Weißflockiger Zwergrißpilz
Juhu, endlich mal eine in der Bestimmung unkritische Inocybe.
Lactarius porninsis = Lärchenmilchling
Lactarius subdulcis = Süßlicher Buchenmilchling
Der hat mich rasant auf den Arm genommen. Mit den hellen Lamellen hatte ich ihn zunächst nicht erkannt und mal reingebissen. Worauf ich ihn noch weniger erkannt habe, weil es das erste Mal war, daß ich auf eine bittere Kollektion stieß. Und wie bitter! Da wollte man rasch in einen Gallenröhrling beißen, um das etwas abzumildern. Aber trotz allem, und obwohl das Waldstück dominiert war von Lärche, Birke, Esskastanie, Linde und Hasel (nächste Rotbuche an die 20 Meter entfernt) komme ich zu nichts anderem.
HDS:
Sporen:
Leccinum quercinum = Laubwaldrotkappe
Leider schon ziemlich oll an bekanntem Standort bei Pappel und Esskastanie. Wächst dort übrigens in anderen Jahren vergesellschaftet mit Leccinum leucopodium (Espenrotkappe), wenn ich mich richtig erinnere.
Leccinum scabrum = Gemeiner Birkenpilz
Lentinus suavissimus = Wohlriechender Knäueling
Geil. So ein unscheinbarer Pilz und riecht kilometerweit durch den Wald nach Marzipan.
Oudemansiella mucida = Buchen - Schleimrübling
Lieferte sich ein Duell mit Boletus edulis, wer von beiden in der Höhenstufe um 1000 Meter mehr Fruchtkörper bilden kann. Gewonnen hat aber ganz knapp Russula cyanoxantha.
Phellodon confluens = Verwachsener Duftstacheling
So ein schöner Pilz und ich schaffe es nie, davon anständige Bilder anzufertigen.
Hoffentlich taucht der in diesem Jahr hier noch mal auf für einen weiteren Versuch.
Suillus granulatus = Körnchenröhrling
& Chroogomphus rutilus = Kupferroter Gelbfuß
Das Pärchen sieht man ja oft zusammen.
Trametes pubescens = Samtige Tramete
Xerula pudens = Braunhaariger Wurzelrübling
Der erstaunlich häufig gezeigt wird in diesem Jahr. Für mich aber ein Erstfund.
Jedenfalls hat es sich gelohnt. Denn als ich zurückkam aus dem gesegneten, verregneten land herrschte hier. Trockenheit. Zum Glück hat sich das inzwischen gebessert.
PS.: Alle Bilder sind anklickbar und eigentlich etwas größer und schärfer.
LG, Pablo.