Bienwald auf Pinus: Helmling, Nabeling?

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 2.501 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Beorn.

  • Hallo zusammen,
    in meiner Exkursionsvorstellung Bienwald Dezemberpilze - auf Pinus hatte ich nachfolgenden Winzling gezeigt, der dort einige Diskussion ausgelöst hatte. Deshalb möchte ich ihn hier nochmal mit ein paar mehr Bildern vorstellen. Pablo hatte Helmling oder "was nabeliges" ins Spiel gebracht - leider ohne eine konkrete Idee zu haben.


    Der Pilz stand einzeln auf einem schon ziemlich vermoderten liegenden übermoosten Kiefernstamm, kein spezifischer Geruch, nicht gekostet. Stiel ca. 3cm, Durchmesse 1-2mm, Hut Durchmesser ca. 1cm. Biotop ist ein naturnaher Mischwald im Schwemmsandfächer der Lauter, viel Eiche, aber auch Buche, mit eingemischten forstlichen Beständen von Kiefer und Fichte.


    Ich zeige drei Aufnahmen vom Standort an:



    und drei die ich heute am trockenen Ex. auf dem Schreibtisch gemacht habe:



    Vielleicht hat ja jemand eine Idee, in welche Richtung wir uns bewegen könnten. Ich habe das Gefühl genau sowas schonmal gesehen zu haben, weiß aber nicht mehr wo.

    • Offizieller Beitrag

    Hi Rainer,


    in dem Thread wurde ja bereits der Orangerote Heftelnabeling vorgeschlagen. Den kenne ich in alter Form relativ gut und irgendein Rückstand der orangenen Farbe ist eigentlich immer zu sehen. Daher - und weil ich glaube, leichte Violetttöne auf Bild 3 an der Stielspitze zu sehen - schlage ich mal den Violettstieligen Heftelnabeling (Rickenella swartzii) vor. Insgesamt ist der Fruchtkörper m. M. nach schon stark ausgeblasst, was eine definitive Bestimmung erschwert bis unmöglich macht.


    LG, Jan-Arne

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Rainer!


    Das Exsikat sieht jedenfalls durchaus brauchbar aus. Und der ist ja ziemlich groß, erstaunlich! Gesamthöhe von annähernd 3cm?
    Bewahr den mal auf, am besten gut getrocknet und isoliert in einem verschließbaren Beutelchen oder Döschen. Und das Substrat um die Basis unbedingt mit dranlassen, mitsamt der Flechte, die ich da vermute.
    Den würde ich mir gerne mal angucken.
    Zusenden allerdings bitte erst im januar, weil im Moment habe ich viel Programm und bin ab nächstem Wochenende bis nach Neujahr auch erstmal außer Landes.


    PS.: Jan - Arnes Idee zB wäre mikroskopisch rasch zu bestätigen oder zu verwerfen. Was Lichenisiertes könnte auch möglich sein, also daß das eben eine Flechte ist.



    LG, pablo.

  • Hallo Jan-Arne,


    alles spricht dafür dass Du Recht hast, und trotzdem stört mich irgendwas am Habitus. Nur 7 Hauptlamellen pro Seite ist extrem wenig (vielleicht ja garnicht relevant, habe ich so aber auf keinem Helmlingsfoto bisher gefunden) und dann hätte ich bei Helmlingen auch am trockenen Ex. eine Längsriefung auf der OS des Hutes erwartet, die fehlt aber völlig.


    Ansonsten passt Deine Interpretation: 6. Dez., auch in der Südpfalz gab es schon Nachtfröste, der Winzling war so schwammig nass, dass ich total überrascht war, dass er schadfrei einfach auf dem Schreibtisch getrocknet ist. Und das fast totale Ausbleichen mit nur noch leichtem Anflug einer dunkleren Färbung am Stielanstz zum Hut - alles nachvollziehbar, aber trotzdem ...
    [hr]
    Hallo Pablo,


    das hat sich jetzt überschnitten. Gern kann ich Dir das Pilzchen Mitte Januar zusenden, incl. Substrat, so wie auf den Fotos 4-6 zu sehen, ich passe gut drauf auf.


    Etwas flechtenartiges kann ich unter dem Bino nicht sehen, keine Ahnung wo die weißlichen Reflexe auf dem Bild 6 herkommen. Die Stielbasis ist unter dem Bino etwas striegelig-filzig weiß, das kann man auf den Fotos nur beim besten Willen erahnen. Und die Größe ca. 3cm lässt sich ja am Millimeter-Papier gut nachvollziehen.


    Also warten wir mal die 4 Wochen ...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, rainer!


    Meine Adresse hast du noch?
    Wenn nein gib bescheid, dann schicke ich die dir.
    Flechten sind ja nichts anderes als Pilze, die mit Algen in Symbiose leben. Die meisten Flechten sind Ascomyceten (Schlauchpilze), aber es gibt auch einige lichenisierte Basidiomyceten, darunter vor allem auch Nabelinge. Manche sind nur teilweise lichenisiert und ernähren sich zum anderen Teil parasitisch. Aber einige Gattungen wie Lichenomphalina und / oder Phytoconis beziehen ihre Nährstoffe wohl tatsächlich vorwiegend aus den Algen, die sie kultivieren. Die wären dann also im Grunde als Flechten zu bezeichnen.



    LG, pablo.

  • Hallo Pablo,
    ja von Phellinus conchatus, ich hebe sowas immer auf. Und dass Basidiomyceten auch lichenisieren können ist mir auch neu, muss ich mich wohl mal ein wenig belesen. Ansonsten ist mir schon klar dass Flechten eigentlich eher hierher gehören als zu den Pflanzenfreunden, aber sind eben Zwitterwesen.


    Quercus habe ich heute nicht mehr geschafft, musste noch Wein kaufen beim Winzer und danach bin ich dann nicht mehr so produktiv. Aber irgendwann die Woche wirds noch was, so dass ich mich noch nicht in die Feiertage verabschiede.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Rainer!


    Das würde ich so nicht sagen. Bäume sind ja auch keine Zwitterwesen, obwohl sie mit Pilzen in mannigfaltiger Verbindung stehen. Wenn ein Pilz eine Symbiose mit einer Alge eingeht, wird der Pilz dazu nicht zu einer Pflanze und auch nicht zu einem Zwitter. Die Alge bleibt ja auch im Pilz eine Alge, sie ist nur in den Thallus eingebettet und tauscht mit dem Pilz Nährstoffe aus.
    Bleibt aber das, was sie ist: Eine Alge.


    Und die Eiche kommt wann sie kommt. Weinkauf ist auch wichtig, denn der muss für die Feiertage ja auch im Haus sein.
    Wie ein amtlicher Weinkauf an der Pfälzer Weinstraße abläuft, hat halt so gewisse Besonderheiten. Das gehört dazu und hat ja auch was Schönes. ;)



    LG, Pablo.

  • Zitat

    Bäume sind ja auch keine Zwitterwesen, obwohl sie mit Pilzen in mannigfaltiger Verbindung stehen.


    Hallo an alle,


    ich setz' noch einen drauf: Ein Mensch besteht inclusive seiner Darmflora, ohne die er nicht lebensfähig wäre, am Ende aus mehr Bakterienzellen als Menschenzellen.
    Es gibt auch Darmbakterien, die Enzyme ausschütten, die uns Lust auf Zucker machen.


    Wir sind also auch Zwitterwesen - wandelnde Bakteriensäcke, die von den Bakterien gesteuert werden....


    Individuen, die sich in der Natur isoliert als "Einzelkämpfer" behaupten wollen, sind längst ausgestorben.
    Flechten sind nur besonders erfolgreiche Vertreter einer besonders innigen Beziehung - die aber etwas einseitig ist, denn der Pilz pflanzt sich sexuell fort, was er bei der Alge unterdrückt.


    Gruß,


    Wolfgang

  • Hallo Pablo, hallo Wolfgang,
    interessantes Thema, welches ich soweit bisher nicht gedacht habe. Dem gebührt aber eigentlich ein eigener Thread - das hat man so manchmal hier, dass sich Diskussionen verselbsständigen, die mit dem ursprünglichen Thema nur noch wenig bis nichts zu tun haben. Ist aber auch nicht weiter schlimm, weil fast immer auch interessant.


    Zum Thema Flechten zurück: vielleicht habe ich mich lange nicht mehr mit dem Thema beschäftigt, aber der Artbegriff bei Flechten definiert sich m.E. doch aus der konkreten Kombination aus Pilz und Flechte, wobei ich noch nie etwas gesehen habe in der Art "Flechte xy definiert sich aus der konkreten Art Pilz x und der konkreten Alge y" - das Ganze exisitiert nur als Kombination aus beidem, vielleicht sogar ohne dass es möglich ist, den einen Partner ohne den anderen zu beschreiben. Die Tiefe und Absolutheit der Symbiose ist da bei Mensch, Tier oder Pflanze zu ihren Partnern doch noch eine andere - Grenzen wie immer in der Natur fließend.


    Konsequent zu Ende gedacht müssten wir hier aber ein Unterforum "Flechten" haben - sind ja auch primär eher Pilze - nur benötigt man dafür natürlich auch jemanden, der das inhaltlich betreut.


  • Bewahr den mal auf, am besten gut getrocknet und isoliert in einem verschließbaren Beutelchen oder Döschen. Und das Substrat um die Basis unbedingt mit dranlassen, mitsamt der Flechte, die ich da vermute.


    Hallo Pablo,


    ich sehe Dich wieder im Forum, bist also wohl wieder angekommen - ein gesundes und erfolgreiches 2016 von mir!


    Der Pilz geht dann morgen in die Post, und endlich habe ich auch begriffen, warum Du auf der Flechte rumstocherst - bei der Suche nach ähnlichen Pilzen bin ich auf Arrhenia peltigerina - Schildflechten-Nabeling gestoßen, hattes du den im Hinterkopf? Aber Peltigera hätte ich bestimmt gesehen, falls sie nicht vom Moos überwuchert wird. Das die auf Pinus wächst kann ich mir durchaus vorstellen. Bin also gespannt ...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Rainer!


    Dankeschön, und dir auch ein gesundes und gutes neues jahr!
    Dann bin ich mal gespannt, was rauskommt.
    Arrhenia peltigerina kenne ich recht gut, abgesehen von dem Wuchs direkt an absterbenden Thalli von Hundsflechten fällt der durch dunklere, meist irgendwie graue Farben und eine etwas andere Ausprägung der Lamellen auf.
    Hier ein Bildchen aus diesem dem letzten Jahr von Arrhenia peltigerina:



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,
    das sieht schon irgendwie aus als ob das die richtige Richtung ist, aber du hast die Unterschiede genau benannt, dem kann ich eigentlich wenig hinzufügen. Das Weiß könnte ausgeblichen sein, der Kleine war mit Wasser vollgesogen, ich hatte mich gewundert, dass er das Trocknen einfach auf dem Schreibtisch überhaupt überlebt hatte. Aber der augefälligste Unterschied für mich ist die Lamellenstruktur, die maximal 10 Hauptlamellen, die zu sehen sind.
    Bin gespannt, hoffentlich ist er unbeschadet bei Dir angekommen - von Andreas hatte ich anlässlich der Psathyrellen die ich ihm auch jetzt gerade zugeschickt hatte den Hinweis bekommen diese doch besser in kleinen Schächtelchen zu verschicken.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Rainer!


    Das Pilzchen ist angekommen. Andreas hat schon recht: Ein Döschen ist ganz gut. Briefe werden doch meist gut gedrückt, so auch hier: Ziemlich krümelig alles im Tütchen. Sollte aber nicht schlimm sein, ein paar Lamellen und ein Stückchen Huthaut kann ich sicher noch gut bearbeiten. Und mehr sollte es eigentlich nicht brauchen.
    Arrhenia peltigerina ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings nicht, wollte ich sagen. Der PIlz passt habituell nicht dazu und auch farblich nicht. Ich kann morgen mal ein Bildchen machen, wo ich eine herbarisierte Arrhenia peltigerina neben deinen Fund lege, dann wird's vielleicht etwas deutlicher. :)
    Bis ich den bearbeitet habe kann ein paar Tage dauern, morgen ist Treffen mit der kanadischen Verwandschaft bei meiner Schwester, Samstag Exkursikon bei Mainz, Sonntag könnte klappen, wenn ich aus Mainz nicht zu viele Pilze mitnehme, die dringend frisch unters Mikro müssen.



    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo, danke, mach Dir aber keinen Stress.
    Schade dass das hübsche Präparat doch Schaden genommen hat, auch wenn es vielleicht trotzdem bestimmbar bleibt. Nächstes Mal bin ich schlauer.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Rainer!


    Etwas sehr Schönes hast du mir da geschickt, danke. :)
    Den hatte ich noch nie in der Hand, noch nicht mal eine andere Art aus der (zugegeben eher kleinen) Gattung.


    Dann wollen wir dem Pilzchen mal einen Namen verleihen:
    Phytoconis ericetorum (Pers.) Redhead & Kuyper = Gefalteter Flechtennabeling  
    hieß auch schon Omphalina ericetorum und Gerronema ericetorum, wird aber wegen der Vergesellschaftung mit Algen ("Lichenisierung") in eine eigene Gattung gestellt.
    Da haben wir also den Lamellenpilz, der eine Flechte ist. Oder zumindest einen dieser Lamellenpilze. ;)


    Wie versprochen mal den Phytoconis neben ein Exsikat von Arrhenia peltigerina gelegt:

    Ganz anderer Pilz, oder?


    Mikroskopisch hat man erstmal eine Huthaut aus liegenden Hyphen, einzelne abstehende Elemente werden erstmal ignoriert:

    Septen der Hyphen hier ohne Schnallen.


    Interessant ist der Stiel. Ind er Stielrinde finden sich reichlich abstehende Endzellen, die ein wenig an Zystiden erinnern, aber wohl eher sowas wie Haare darstellen sollen. Ich kann mir aber auch vorstellen, daß die einen besonderen Zweck erfüllen. Vielleicht zusätzliche Flüssigkeitsaufnahme aus der Luft für die im Stielfleisch eingelagerten Algen:

    Sämtliche Hyphen in Stielcortex und Trama ohne Schnallen.


    Sporen waren nicht mehr so viele zu finden, passt aber ganz gut. Die sind recht unregelmäßig in der Form und meist breitelliptisch oder gar subglobos, bei diesem Fund verglichen mit LIteraturangaben etwas zu klein (bis 8,5 µm in der Länge), das kann aber auch daran liegen, daß ich erstaunlich viele viersporige Basidien gesehen habe, wogegen die zweisporigen eher in der Minderheit waren. Manche Sporen scheinen ganz fein rauh zu sein, aber das kann ein Artefakt sein oder Einbildung. Das wäre noch feiner als das Ornament von Gamundia striatula. Auch im Hymenium und in lamellentrama alle Hyphensepten ohne Schnallen:


    Danke für's Zuschicken!



    LG, Pablo.